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/T?
\^-UUl S15C^'Ö.^
HARVARD UNIVERSITY
DEPARTMENT
PHILOSOFÖY
TRANSFERRED
TO
HARVARD COLLEGE
I
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über die 3
Willenstätigkeit
und das
Denken.
Eine experimentelle Untersuchung mit einem Anhange:
Über das Hipp sehe Chronoskop.
Von
Dr. med. et phil. Narzifi J^ch
Privatdozent in Marbnrg a. L.
Tandenboedt & Rnprccbt
t905.
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HARVARl>UNIVEBSITY,
^ Phllos. Dept. Library.
iA»vAi,»* Ci/Uftß» LieRAiry
mUT.-BMMMMkwMTOB B. A. Hntk. OMtiacM.
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Meinen Lehrern
G, E. Müller ^a 0. Külpe
in Verehrung und Dankbarkeit
gewidmet
Der Verfasser.
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Vorwort
Die vorliegenden Untersuchungen, welche im Sommer-Semester
1900 begonnen wurden, verfolgten den Zweck, auf experimenteller
Basis eine Behandlung des Willensproblems durchzuführen und
zwar unter Zugrundelegung von bereits bekannten Methoden. Den
geeigneten Untergrund boten die sogenannten Reaktionsversuche,
and zwar bezogen sich die ersten Experimente auf die Unter-
suchung der »Wahlreaktionenc. Hierbei erfolgte eine Erweiterung
der Methodik auf doppelte Weise, einerseits durch Anwendung
der Methode der systematischen, experimentellen
Selbstbeobachtung, andererseits durch Einführung neuer
Versuchs an Ordnungen.
Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen ergaben sich
auch neue Gesichtspunkte für eine experimentelle Behandlung der
einfachen Reaktionen. In der Darstellung selbst sind zuerst
diese Untersuchungen und dann die zeitlich früher ausgeführten
Reaktionen mit mehrfacher Zuordnung geschildert.
Von den zwei Seiten des Willensproblems wird bei den vor-
liegenden Ausführungen nur die zweite Seite behandelt, nämlich
die im Anschluß an eine Absicht oder einen Entschluß sich
vollziehende Determinierung, während dagegen die erste Seite,
das Zustandekommen der Absicht, keine eingehende Behandlung
erfahren hat, nur gelegentlich finden sich Andeutungen, welche
diese Seite des Willensproblems betrefien. Bei der innigen Be-
ziehung der Willenstätigkeit beziehw. der Realisierung einer Willens-
handlung zu den übrigen geistigen Vorgängen war es notwendig,
auch auf andere psychische Prozesse näher einzugehen, z. B. auf
jene Tatbestände, welche mit dem Gegenwärtigsein eines Wissens
zusammenhängen und die im Folgenden als »Bewußtheitenc be-
zeichnet werden. Außerdem ergab sich in Verbindung hiermit
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VI
die Besprechung des Abstraktion sprozesses, der Attention u. dergl.
Dabei schien es notwendig, diese Ausführungen auch im Titel der
Abhandlung zum Ausdruck zu bringen, was durch den Zusatz
»und das Denkenc geschah, mehr soll dieser Zusatz nicht [be-
sagen.
Mannigfache Schwierigkeiten entstanden der Darstellung durch
dieses Ineinandergreifen der Fragestellungen, welche noch dadurch
verstärkt wurden, daß die Darstellung synthetisch durchgeführt
wurde. So war es nicht zu umgehen, daß späteren begrifflichen
Definitionen und Tatbeständen in der Entwicklung der Behand-
lung vorgegrifien wurde. Der Mangel einer strengen systemati-
sdien Darstellung führte infolgedessen zu mannigfachen Unklar-
heiten und UnvoUständigkeiten, deren ich mir wohl bewußt bin«
Um keine weitere Verzögerung in der VeröflTentlichung der Ab-
handlung zu bewirken, deren Erscheinen an sich schon durch
mannigfache Umstände hinaus geschoben werden mußte, entschloß
ich mich trotzdem zur Herausgabe in der vorliegenden Form.
Die notwendigen weiteren Ausführungen und Vervollständigungen,
die sich z. B. auf die Beziehungen der determinierenden Tendenzen
zu den assoziativen Beproduktionstendenzen, zu den Perseverations-
tendenzen, z. T. unter Benützung schon vorliegender experimen-
teller Ergebnisse, erstrecken werden, hoffe ich an der Hand ein-
zelner Darstellungen geben zu können.
Da sich die Ergebnisse und auch die Fragestellungen unter
Zugrundelegung experimenteller Behandlung in einer nicht voraus-
gesehenen Weise gehäuft haben, vermied ich es, auf Nachbar-
gebiete, sei es auf dem engeren Gebiete der Psychologie, sei es
auf anderen Wissensgebieten einzugehen. Nicht selten lagen
allerdings derartige Fragestellungen, z. B. solche erkenntnistheo-
retischer Natur, sehr nahe. Auch diese Betrachtungen sind späteren
Darstellungen vorb^alten. Ebenso habe ich historische Aus-
führungen vorerst zurückgestellt uud diesselben nur insoweit be-
rücksichtigt, als sie durch spezielle experimentell-psychologische
Festlegungen gestützt sind. Derartige experimentelle Resultate
sind jedoch nur bis zum Jahre 1904 einbezogen.
Wie ein Geograph bei der kartographischen Aufnahme eines
wenig bekannten Landes zuerst die rohen Aufnahmen macht, die
ihm über die Entfemungs-, über die Höhenverhältnisse und über-
haupt über die morphologische Beschaffenheit der Erdoberfläche
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VII
Auskunft geben, und die weitere Spezialisierung späteren For-
schungsreisen vorbehält, so konnten auch hier auf dem in Bede
stehenden Gebiete nur einige prominente Punkte der Betrachtung
zugänglich gemacht werden in der Erwartung, daß die weitere
Anlegung des vergleichenden Maßstabes das Bild vervollständigen
und nötigenfalls auch korrigieren wird.
Da sich die bereits erwähnte Determinierung auch bei anders-
artigen Vorgängen, z. B. Hypnose, Aufgabestellung, Instruktion,
Kommando u. dergl., findet, hätte der Titel auch »über die Deter-
minierung und das Denkenc formuliert werden können.
Bemerken möchte ich noch, daß ein Teil der Arbeit mit
Einschluß jener Ergebnisse, welche mich zur Aufstellung der
determinierenden Tendenzen führten, oder der Realisierungstendenzen,
wie ich sie damals nannte, bereits im S.-S. 1902 bei meiner
Habilitation in Göttingen der philosophischen Fakultät daselbst
als Habilitationsschrift vorgelegen hat. Eine erste der breiteren
öfientlichkeit zugängliche Mitteilung erfolgte auf dem 1. Kongreß
f. experim. Psychologie in Gießen 1904.
Die Experimente selbst kamen z. T. im psychologischen In-
stitut der Universität Würzburg zur Ausfuhrung, z. T. wurden
sie im Göttinger psychologischen Institut durchgeführt.
Zu den Versuchen stellten sich mir folgende Personen zur
Verfugung: Dr. phil. W. Ament, cand. math. Brandt, Privat-
dozent Dr. phil. Dürr, Dr. phil. P. Ephrussi, cand. phil.
Feldstein, Prof. Fröbes, Dr. phil. Grimmer, cand. phil. Klein,
Prof. Külpe, Dr. phil. Orth, Dr. phil. Scheunert Ihnen
allen sage ich für die nicht geringe Mühe auch hier meinen
besten Dank. Vor allem bin ich Herrn Prof. Külpe für das
rege Interesse, das er allezeit an meinen Untersuchungen genom-
men hat. Dank schuldig. — Auch der Verfasser ist als Versuchs-
person tätig gewesen. In den folgenden Ausfuhrungen sind im
Interesse der Darstellung die einzelnen Versuchspersonen mit A,
B, C, D, E, F, G, H, J, K, L, M bezeichnet und zwar, ohne
daß hierbei auf die oben angegebene Beihenfolge Bezug genom-
men ist.
Im Anhange füge ich eine Reihe von Untersuchungen
über das Hipp sehe Chronoskop bei.
Der Verfasser,
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vm
Inhaltsverzeichnis.
L Kapitel: Methodik.
Seit»
§ 1. Methoden zur Untersuchung der Willenstätigkeit 1
§ 2. Die systematische experimentelle Selbstbeob-
achtung • . . 8
§ 3. Die Yersuchsanordnung 25
II. Kapitel: Reaktionen mit Zuordnung;.
§ 4. Einteilung der Beaktionen 31
§ 5. Beaktionen mit einfacher Zuordnung 35
a) einfache Beaktionen 36
b) Versuche mit Nebenreizen 65
c) Erkennungs- und ünterscheidungsreaktionen . . 80
d) Abschluß 95
§ 6. Beaktionen mit zweifacher Zuordnung
Optische zweifach zugeordnete Beaktionen .... 126
Akustische zweifach zugeordnete Beaktionen . . . 138
§ 7. Beaktionen mit vierfacher Zuordnung 142
§8. Übersicht über die zwei- und vierfachen Beak-
tionen. Die intentionalen Bewegungsempfin-
dungen 146
§ 9. Das Subtraktionsverfahren 156
m. Kapitel: Reaktionen ohne Zuordnung.
§ 10. Beaktionen ohne Zuordnung des Beizes 161
Erste Anordnung 162
Zweite Anordnung 168
§ 11. Beaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit
Erste Anordnung 173
Zweite Anordnung 180
IV. Kapitel: Die determinierenden Tendenzen.
Die Bewusstheit.
§ 12. Posthypnotische Suggestionswirkungen .... 187
§ 13. Über die determinierenden Tendenzen 191
Yersuchsanordnungen mit sinnlosen Silben .... 196
Erste Anordnung 197
Zweite Anordnung 202
Abschluß • 206
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§ 14. Die Bewußtheit
Zur Definition der Bewußtheit 210
Über die Intensit&t der Bewußtheit 212
Bewußtheit der Bedeutung 218
Theorie der Bewußtheit 217
Assoziative Abstraktion 219
Bewußtheit und determinierende Tendenzen . . . 228
Determinierte Apperzeption 225
Spezielle apperzept. Verschmelzung 226
Apperzeptive Substitution 227
Spontane Determinierung 228
Bewußtheit der Determinierung 230
» der Tendenz 232
» der Beziehung 235
§ 15. ÜberdieAbstraktion. Zur Ökonomie desHandelns.
Determinierte Abstraktion 239
Sukzessive determinierte Abstraktion ...... 240
Kombinierte assoziative-determinierte Abstraktion . 245
Die Attention 245
Anhang 250
a) Die Yersuchsanordnung 252
b) Die Latenzzeiten 265
c) Die allgemeine Eontrolle 278
d) Sonstige technische Bemerkungen 289
Inhaltsverzeichnis . . . , 8
Berichtigungen . 9
Berichtigungen.
Vor dem Lesen der Abhandlung bitte ich folgende Berichtigungen
Tonunehmen:
S. 3, 14. Zeile v. unten: »Anpassungc statt »Auspassung«.
S. 6, 12. Zeile v. oben: »angewandte« statt »angewe wandte«.
S. 7, 11. Zeile v. oben: »Bechnung individueller« statt »Bechnungsin-
dividueller«.
S. 13, 15. Zeile v. unten: »Stärke« statt »Särke«.
S. 14, 7. Zeile v. unten: »Übereinstimmung« statt »Identität«.
8. 15, 9. Zeile v. oben: ebenso.
S. 15, 7. Zeile v. unten: »wirklichen Creschehen« statt »wirklich vor-
handenen«.
S. 18, 15. Zeile v. oben: »Selbstbeobachtung« statt »Selbstbeobchtung«.
S. 19, 7. Zeile v. oben: »Erlebnisses zu« statt »Erlebnisses«.
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S. 21, 16. Zeile t. unten : »Erkenntniswert« statt »erkenntnistheoretischer
Wert«.
S. 25, 4. Zeile v. unten: »a. a. 0.« statt »a. a. 6«.
S. 34, 2. Zeile v. oben: »ausgesprochen werden« statt »ausgesprochen«.
S. 37, 11. Zeile t. oben: »Eindruck« statt »Eindruch«.
S. 47, 16. Zeile v. oben: »quantitative« statt »quantitave«.
S. 53, 4. Zeile v. unten: »246« statt »146«.
S. 54, 14. Zeile y. oben: »in Finger« statt »im Einger«.
S. 60, 11. Zeile y. unten: ebenso.
S. 62, 3. Zeile v, oben: »verbunden« statt »vorhanden«.
S. 62, 18. Zeile v. oben: »gegebene« statt »vorhandene«.
S. 71, 7. Zeile v. oben: »Angaben der« statt »Angaben die«.
S. 71, 10. Zeile v. unten: »ge-« ist zu streichen.
S. 81, 8. Zeile v. oben: »Sie« statt »Er«.
S 81, 9. Zeile v. oben: »in« statt »derjenige der«.
S. 83, 5. Zeile v^ unten: »ausgehende« statt »ausgehenden«.
S. 101, 6. Zeile y. oben: »Intensität« statt »Intentität«.
S. 103, 14. Zeile v. oben: »Zeiten« statt »Zeit«.
S. 107, 5. Zeile v. oben: »Der Type« statt »Die Type«.
S. 112, 12. Zeile v. oben: »wurde« statt »werde«.
S. 134, 16. Zeile v. oben: »entsprechende« statt »entsprechenden«.
S, 139, 7. Zeile v. unten: »und in der Hand« statt »und Hand«.
S. 141, 2. Zeile v. oben: »aufweist« statt »aufzuweist«.
S. 143, 18. Zeile v. oben: »in« ist zu streichen.
S. 144, 5. Zeile v. unten: »Beaktlonen« statt »Beaktion«.
S. 147, 8. Zeile v. oben: »liegenden« statt »liegende«.
S. 149, 16. Zeile v. oben: »nähern« statt »näheren«.
S. 152, 5. Zeile v. unten: »wesentliches« statt »wesentlicher«.
S. 163, 1. Zeile v. oben: »Es« statt »Er«.
S. 167, 16. Zeile v. unten: »Ergebnissen« statt »Ergebnisse«.
S. 169, 7. Zeile v. unten: »blieb« statt »blieben«.
S. 192, 2. Zeile v. oben: »wurden« statt »werden«.
S. 194, 15. Zeile v. oben: »dividieren« statt »Dividieren«.
S. 194, 19. Zeile v. oben: wie »dies geht nicht« statt »wie dies geht
nicht«.
S. 199, 20. Zeile v. oben: »gegeben« statt »geben«.
S. 207, 3. Zeile v. oben: »Anordnungen« statt »Anordnungnn«.
S. 207, 3. Zeile v. unten: »selbst« statt »seihst«.
Außerdem S. 142 »§ 7« statt »§ 6«. S. 173 »§ 11« statt »§ 10«.
Perner S. 108, 14. Zeile v. unten, S. 109, 17. Zeile v. oben, S. 114.
9. Zeile v. oben, S. 123, 13. Zeile v. oben, S. 147, 4. Zeile v. oben
statt »determinierenden« Abstraktion »determinierten« Abstraktion.
^3 OrucJijfihUr.
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L Kapitel.
Methodik.
§1.
Methoden zur Untersucliung der Willenstätigkeit.
Daß die experimentelle Behandlung der Willensbetätigung
bis jetzt noch nicht über die allerersten Anfänge hinausge-
kommen ist, hat man allgemein mit dem Mangel an geeigneten
Methoden in Beziehimg gebracht Wie in der experimentellen
Naturwissenschaft der Fortschritt und die Vertiefung in die
Erkenntnis des gesetzmäßigen Verhaltens mit der Auffindimg
geeigneter Methoden aufs innigste zusanunenhängt, so ist auch
die experimentelle Psychologie in der Behandlung ihrer Einzel-
gebiete auf den methodologischen Fortschritt angewiesen, nur
daß eine exakte Methodik hier viel schwieriger auszuarbeiten ist
Denn bei dem verwickelten Aufbau des Seelenlebens sind wir
nur innerhalb gewisser Grenzen in der Lage, durch willkürliche
Herstellung der Versuchsanordnung auch wirklich jenes Gtebiet
der Untersuchung zugänglich zu machen, das wir einer analyti-
schen Betrachtung unterziehen wollen. Besonders ist es das
Gtebiet der Willensbetätigung, das einer experimentellen Erfor-
schung des gesetzmäßigen Verhaltens durch eine willkürliche
Variierung der Versuchsbedingungen namhafte Schwierigkeiten
entgegenzustellen scheint Doch sind auch auf diesem Gebiete
schon bemerkenswerte Ansätze zu einer experimentellen Behand-
lung und zur Feststellung allgemein gültiger Gesetze vorhanden.
Das Problem wurde von den verschiedensten Seiten und Ge-
sichtspunkten aus in Angriff genommen, jedoch man könnte
sagen, immer nur andeutungsweise, ohne daß je der Versuch
▲eh, Wmenst&tigkeit. 1
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gemacht wurde, eine in die Tiefe gehende Bearbeitung durch-
zuführen.
Der erste, der experimentelle Beobachtungen über willkür-
liche Betätigung anstellte, war wohl Kohl schütter bei seinen
grundlegenden Untersuchungen über die Feststellung der Schlaf-
tiefe*. Der ebenso wichtigen als interessanten Frage, wie so es
kommt, daß wir unsere Schlaftiefe und Schlafdauer willkürlich
beeinflussen fcömiMi, sind von Kohlschütter einige Neben-
untersuchungen gewidmet worden. Nach seinen Darlegungen
ist dem Willen ein Einfluß auf die größte zu erreichende Festig-
keit des Schlafes zuzuschreiben. Von dieser hängt gesetzmäßig
die Dauer des Schlafes ab, so daß mittelbar der Wille auch
auf diese einwirken kann. Doch gründen sich diese Betrach-
tungen nur auf eine einzige Versuchsnacht, bei der sich die
Versuchsperson fest vorgenommen hatte, rechtzeitig zu erwachen*.
Zur Untersuchung einer durch willkürliche Anstrengung herbei-
geführten muskulären Dauerl^istung bediente sich K. Rieger*
einer eigenen Methode, bei der der Schatten eines an der Hand
befestigten Stecknadelkopfes auf der rotierenden Trommel eines
Kymographions nachgezeichnet wurde. Der Arm sollte zwei
Minuten lang gegen die Wirkung der Schwere ruhig horizontal
gehalten werden. »Würde nun der Arm wirklich völlig ruhig
gehalten, wie es eigentlich der »Wille« beabsichtigt, so müßte
die auf der rotierenden Trommel geschriebene Linie eine ganz
gerade sein«. Dies ist aber nicht der Fall. Es zeigen sich
vielmehr WeUen- und Zickzacklinien, sowie ein Steigen oder
Fallen der Linie als Ganzes. Auch bei dem festesten Vorsatz
den Arm ruhig zu halten, gelingt dies nicht, vielmehr treten
immer Bewegungen auf, von denen aber die Versuchsperson
nichts merkt Büerbei lassen sich interessante individuelle Unter-
schiede sowohl bei normalen als auch bei anomalen willens-
schwachen Personen nachweisen.'
1. E. Kohlschütter, Messungen der Festigkeit des Schlafes. Zeit-
schrift f. rationale Medizin. 3. Eeihe, Bd. XVII, S. 209 ff. 1863.
2. Versuche, welche ich selbst auf diesem Gebiete anstelle, sind
z. Z. noch nicht abgeschlossen, sodaß sie in die vorliegenden Ausfüh-
rungen nicht mit einbezogen werden.
3. K. Eieger und M. Tippel. Experimentelle Untersuchungen
über die Willenstätigkeit, Jena 1885.
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In ähnlicher Weise ließe sich auch der Mossosche Ergo-
graph zur Untersuchung von willkürlichen Dauer- und auch von
Einzelleistungen in Anwendimg ziehen. Mosso und seine Schüler
haben bereits auf die Unterschiede der willkürlichen Muskel-
kontraktionen gegenüber den nach elektrischer Beizung ein-
tretenden Kontraktionen, sowie auf das beiderseitige Verhältnis
zur Arbeitsleistung hingewiesen. Eingehender ist das Verhalten
der Ergographenkurve von Kraepelin^ analysiert worden, nach
dessen Untersuchungen die Veränderungen der Hubzahl mehr
. auf die Zustände des Zentralorgans, die der Hubhöhe mehr auf
die Zustände des Muskels zu schließen gestatten. Dabei läßt
das Ergogramm auch das Studium des Antriebes erkennen.
Auf diesen schließt Kr aepelin aus dem Herausragen einzelner
Hebungen über ihre Umgebung und führt ihn auf einen ge-
legentlichen kräftigeren Willenstoß zurück*. Auf die Kritik,
welche diese Kraepelinschen Ausführungen in neuerer Zeit
gefunden haben, habe ich hier nicht einzugehen.
Der erwähnte Antrieb läßt sich auch bei den sogenannten
fortlaufenden Arbeitsmethoden — Addieren von ein-
stelligen Zahlen, Leseversuche, Auswendiglernen von Zahlen oder
Silben u. A., welches sich über eine längere Zeit kontinuierlich
erstreckt — einer eingehenden Betrachtung unterziehen. Er
macht sich in einer kurz dauernden Bessejjeistung oder in einer
Verkürzung der zur Einzelleistung notwendigen Zeit geltend imd
tritt meistens zu Beginn der Arbeit als Anfangsantrieb, sowie
gegen Ende der Leistung als Ermüdungs- oder Schlußantrieb
hervor und scheint eine triebartige A«ßpassung an die beson-
deren Arbeitsbedingungen darzustellen*. Auch beim Wechsel
der Arbeitsmethode läßt er sich in Grestalt des Wechselantriebes
nachweisen*. Doch ist die Deutung im einzelnen Falle ziemlich
1. A. Hoch und E. Kr aepelin, Über die Wirkung der Tee-
bestandteile auf körperliche und geistige Arbeit. Kraepelins Psych. Arb.
I, 378 ff. 1896.
2. A. Oseretzkowsky und E. Kraepelin: Über die Beein-
flussung der Muskelleistung durch verschiedene Arbeitsbedingungen.
Kraepelins Psych. Arb. Bd. III. S. 677. 1901.
3. Vergl. z. B. E. H. Lindley, Über Arbeit und Euhe, Kraepelins
Psych. Arb. Bd. III, 482 ff. 1900.
4. W. Weygandt: Über den Einfluß des Arbeits wechseis auf fort-
laufende geistige Arbeit Kraepelins Psych. Arb. Bd. II. S. 118 ff. 1899.
^ ^ ' 1*
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schwierig, da sich dieselbe bei diesen kontinuierlichen Arbeiten
fast nur auf die Zahlenwerte stützt, ohne daß die Selbstbeob-
achtung als Unterstützung mitwirken kann. Dabei scheinen jene
Methoden, bei denen unabhängig von der Versuchsperson in der
gleichen Zeit gleicher Arbeitsstoff geboten wird, wie z. B. bei
den Auffassungsversuchen*, zur Vertiefung in die Dynamik der
Willensbetätigung bei fortlaufender Arbeit besonders geeignet
Man kann diese Methoden den vorerwähnten Arbeitsarten als
passive kontinuierliche Methoden gegenüberstellen.
Daß sich auch sehr feine Ausprägungen dieser Antriebs-
wirkung z. B. im Verlaufe von einstündigen Addierversuchen
nachweisen lassen, zeigen ims die Resultate von von Voß* der
mit Hülfe der »elektrischen Feder« die Zeiten zwischen den
einzelnen Additionen graphisch registrierte.
Ebenso ermöglicht uns die Kraepelinsche Schriftwage
eine sehr eingehende Zergliederung willkürlicher Bewegungen*.
Das Einsetzen von Willensanstrengungen tritt in einer charakte-
ristischen Änderung der Schreibweise hervor, vor allem in einer
Erhöhung des Schreibdruckes, die imwillkürlichen triebartigen
Anpassimgen an die Bedingungen der gestellten Aufgabe zeigen
sich in Änderungen der Schrifikurven ausgeprägt, in dem z. B.
die Schreibdauer eines bestimmten Schriftzeichens annähernd
gleich bleibt dadurch^^daß sich Schreibweg und Schreibgeschwin-
digkeit unwillkürUch gegenseitig in einem ausgleichenden Sinne
beeinflussen.
Auch das Verhältnis des Ehythmus zur Arbeit, das sich
nach den unter Meumanns Leitung von Smith angestellten
Untersuchimgen in einer Steigerung der Aufmerksamkeitszu-
wendung äußert, ist wohl geeignet uns Einblicke in das Studium
willkürlicher und unwillkürlicher Betätigimg zu geben*.
Daß sich auch von der physiologischen Seite aus die Unter-
1. L. Cron und E. Kraepelin: Über die Messung der Auffassungs-
fälligkeit, ebenda S. 203 ff., sowie N. Ach, Über die Beeinflussung der
Auffassungsfälligkeit durch einige Arzneimittel, ebenda Bd. III, S. 203 ff.
2. von Voß: Über die Schwankungen der geistigen Arbeitsleistung,
ebenda Bd. IL S. 399 ff. 3. A. Groß, Untersuchungen über die
Schrift Gesunder und Geisteskranker, Kraepelins Psych. Arb. Bd. II.
S. 450 ff., sowie A. Diehl und M. Mayer, ebenda Bd. III.
4. M. K. Smith, Ehythmus und Arbeit. Philos. Stud. Bd. XVI.
S. 71 ff. u. 197 ff.
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suchimg von Willensbetätigungen in Angriff nehmen läßt, wurde
von A. Lehmann ^, P. Mentz* u. A. ausgeführt, welche die
Wirkung der willkürlichen und unwillkürlichen Spannimg der
Aufmerksamkeit auf das Gefäßsystem und die Atmung graphisch
registrierten, wobei allerdings zu bemerken ist, daß die Deutung
derartiger Versuche durchaus noch nicht einheitlich ist*.
Während diese Untersuchungen nur einzelne Seiten und
B^leiterscheinungen der willkürlichen Tätigkeit und auch diese
keiner eingehenden Analyse unterziehen, ist man schon seit der
ersten Entwicklung der experimentellen Psychologie bemüht,
die Zeitdauer einfacher Willenshandlungen experimentell festzu-
stellen. Diese Untersuchungen werden als Reaktionsver-
suche bezeichnet Sie geben uns reiche methodologische Hülfs-
mittel zur Behandlung des Willensproblems in die Hand, wenig-
stens sofern dieselben in einer dem vorliegenden Zwecke ent-
sprechenden Weise erweitert und unter ausschließlicher Zu-
grundelegung psychologischer Gresichtspunkte zur Ausführung
kommen. Die folgenden Darlegungen, denen eine experimentelle
Behandlung der B<eaktionsversuche als Grundlage dient, werden,
wie ich glaube, den Beweis erbringen, daß mit ihrer Hülfe auch
eine experimentelle Untersuchung der sich auf den Vorstellungs-
verlauf beziehenden Willensbetätigung wohl möglich ist Bei
der ersten Behandlung eines weiten Gebietes häufen sich der-
artig die Fragestellungen, daß vieles nur oberflächlich berührt
werden kann. Zudem erscheinen manche Fragen wichtig, welche
mit fortschreitender Erkenntnis in den Hintergrund treten imd
xungekehrt treten manche als nebensächlich aufgefaßten Einzel-
heiten in den Vordergund der Betrachtung. Schon hieraus er-
gibt sich, daß meine Ausführungen mehr oder weniger nur ein
Stückwerk darstellen.
Das Studium der Reaktionsversuche ist euierseits auf prak-
1. A. Lehmann, Die Hauptgesetze des menschlichen Gefühlslebens.
Leipzig 1892, sowie die körperlichen Äußerungen psychischer Zustände
Leipzig 1899.
2. P. Mentz, Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und
Atmung. Philos. Stud., Bd. XI. 1895.
3. Vergl. z. B. B. Müller: Zur Kritik der Verwendbarkeit der
plethysmographischen Kurve für psychologische Fragen. Zeitschr. f..
Psychol. Bd. 30, S. 340 ff. 1902.
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6
tische Bedürfnisse, nämlich auf die Untersuchung der bei astro-
nomischen Beobachtungen in Gtestalt der »persönlichen Q-leichimg«
auftretenden Beobachtungsunterschiede zurückzuführen i, anderer-
seits als Fortsetzung rein physiologischer Zeitmessungen in An-
griff genommen worden. In beiden Fällen war der Zweck der
Untersuchungen ausschließlich auf die Gewinnung von Zeit-
werten gerichtet Die astronomische Bichtung suchte haupt-
sächlich die Unterschiede der Eeaktionsdauer bei verschiedenen
Personen zu bestimmen, die physiologische Bichtung suchte unter
der Führung von Donders* die von Helmholtz zur Fest-
stellung der Fortpflanzimgsgeschwindigkeit der Nervenerregung
ange^wewandte Methode auch auf das psychische Gtebiet zu über-
tragen, und so die absoluten Zeiten einzelner rein psychischer
Vorgänge zu bestimmen. Diese Entwicklung der Eeaktions-
untersuchungen war für den weiteren Ausbau dieses Gebietes
nicht günstig. Man begnügte sich mit der Konstruktion von
schematischen Aufstellungen, nach welchen der Gresamtvorgang
eines Reaktionsversuches in eine Anzahl von physiologischen
und psychologischen Komponenten zerlegt wurde, deren Zahl
schon bei der einfachen Reaktion je nach den momentan herr-
schenden physiologischen Ansichten innerhalb großer Grenzen
schwankte. Dabei wohnte diesen anschaulichen Darstellungen
wie immer insofern eine gewisse Gefahr innen, als sie infolge
ihrer leichten Faßlichkeit relativ schnell Aufnahme fanden und
den Forschungsdrang schlafen ließen.
Die psychologische Analyse der untersuchten Vorgänge
wurde fast vollständig unberücksichtigt gelassen. Wie wichtig
sie jedoch ist, geht schon daraus hervor, daß die Fortschritte in
dem Verständnis der den Reaktionen und ihren zeitlichen Unter-
schieden zu gründe liegenden Faktoren mit der Betonung der
psychologischen Gesichtspunkte bekanntlich aufs innigste zu-
sammenhängen. L. Langet hat durch seine Beobachtung, daß
1. Vergl. N. Alechsieff, Eeaktionszeiten bei Durchgangsbeobach-
tungen. Philos. Stud. Bd. XVI, S. 1 ff. 1900.
2. F. C. Donders, Die Scbnelligkeit psychischer Prozesse, Arch. f.
Anatomie u. Physiologie S. 657 ff. 1868.
3. L. Lange, Neue Experimente über den Verlauf der einfachen
Eeaktion auf Sinneseindrücke. Philos. Stud. Bd. IV. 479 ff. 1887.
Darauf, da£ die auf die Bewegung gerichtete Aufmerksamkeit eine Ver-
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die Dauer der Reaktionsversuche in enger Beziehung zur vor-
bereitenden Aufmerksamkeitsspannung steht, wohl mehr zur Er-
forschung dieses Grebietes beigetragen als sämtliche vorher-
gehenden Untersuchungen zusammen genommen. So kommt es^
daß den früheren Untersuchungen fast nur ein geschichtliches
Interesse innewohnt Auf einzelne derselben habe ich bei den
späteren Ausführungen gelegentlich einzugehen. L. Lange hat
sich von der früheren Ansicht frei gemacht, daß die wechselnde
Länge der Reaktionszeiten bei gleichem Reize in verschiedenen
Fällen und insbesonders bei verschiedenen Personen ausschließ-
lich auf Rechnunglindividueller Verschiedenheiten, auf Unterschiede
des Aufmerksamkeitsgrades, der Übung oder der Ermüdung zu
setzen sei. Aber auch bei ihm ist der Ausgangspunkt der Unter-
suchung immer noch der erhaltene Zeitwert, von dem aus erst
zur analytischen Betrachtung des psychologischen Tatbestandes
fortgeschritten wird. Daß z. B. gleiche Reaktionszeiten auch
ganz verschiedenen seelischen Zuständen entsprechen können,
wird nicht berücksichtigt
Bei den Untersuchungen von G. Martins *, Dwelshau-
vers*, Münsterberg* spielt die Beachtung psychologischer
Paktoren bereits eine größere Rolle. Es wird wiederholt auf
die Wichtigkeit der Selbstbeobachtung hingewiesen, wenn auch
von einer eingehenden Analyse keine Rede ist, wie G. E. Müller*
in seiner Kritik von Münsterbergs Beiträgen zur experimentellen
Psychologie hervorgehoben hat Auch Wundt* sieht den
Hauptwert der Reaktionsversuche nicht in den gemessenen Zeit-
werten, sondern in der Möglichkeit einer genauen Analyse der
gegebenen Erscheinimgen durch die Selbstbeobachtung, eine
kürzung der Eeaktionszeit bewirkt, hatte übrigens vorher schon J. Or-
schansky hingewiesen. (Neurol. Zentralbl. 1887, 265 ff., sowie Archiv
f. (Anatomie und) Physiologie 1889, S. 173 ff.).
1. G. Martins, Über die muskuläre Keaktion und die Aufmerk-
samkeit. Philos. Stud. Bd. VI. S. 167 ff. 1891. Über die Keaktionszeit
und Perzeptionsdauer der Klänge. Ebenda S. 394 ff.
2. Dwelshauvers, Untersuchungen zur Mechanik der aktiven
Aufmerksamkeit. Ebenda S. 217 ff.
3. Münsterberg, Beiträge z. experimentellen Psychologie. 1. Heft
S. 64 ff. 1889. 4. G. E. Müller, Götting. gel. Anz. 1891. S. 393 ff.
5. Wund t, Zur Beurteilung der zusammengesetzten Eeaktionen. —
Philos. Stud. Bd. X, S. 498 ff. 1894.
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Fordenmgy dk jedoch auch dnrdi die jüngste ans Wundt's
LabofalofTlira stammoide und diese fVagesteümig«! betreffende
UntersodinDg toq Alechsieff^ kerne eingehende Würdigimg
erbbren hat Ebensowenig können in dieser Bichtnng die
Beaktionsnntemichimgen Ton Erdmann und Dodge* trotz
mancher YorzDge befriedigen. Es and eben immer nnr gelegent-
Ikhe Selbstibeobachtongen, auf denen sich die Betrachtnngen der
erwähnten Arbeiten aafi»iien. '
Es genngt nicht nnr einen Teil des Erlebnisses z. Bw die
gerade auffallenden oder interessiefenden pqrdiologischen Er-
scheinmigen in der Säbstbeobaditong zu anaijseren oder ein-
zelne Yersodie, weldie dmtJi abnorme Zeitwarte ans der Beihe
^dlen^ mit den Besohaten der 8eIb6d)eobachtmig in BezidEimg
ZQ bringen. Eine eingehende^ bis in alle Einzelheiten des er-
lebten Prozesses Tordringende Zergliedenmg des BewuBtsdn»-
inhahes ist nur dann möglich, wenn sidi die Analyse mmiittdbar
an jeden einzelnen Yersodi anschließt und denselben^ auch wenn
er sdieinbar keine neuen Erlebnisse bietet, anf das s(Nrg£Utigsle
za zergliedern sucht Grelegentliche Beobachtungen einzelner
Beaktionen oder einzelner TeQe ein»* Beaktion können uns nie
ein Tollstandiges^ znreriassiges und nnbe&mgenes Bild d^ wiik-
lidi Torhandenen Bewußtseiosüihalte geben. Um dies za er-
reichen , maß die experimentelle Selbstbeobachtong ^^tematis<^
betrieben werden.
§2.
Die systematiseke experimentelle Selbstbeobaektuig.
Die Methode der systematischen experimentellen Selbstbe-
obachtong geht, wie b^ieits bemerkt, darauf aas, das durch äußare
experimentelle Hül&mittel yeranlaßte Erlebnis dar Yersuchs-
Person jedesmal in der dem Yersache anmittelbar folgenden Zeit
einer Tollständigen Beschreibang and Analyse za anterwerfai.
Hierbei findet ein fortwährender enger Gredankenaastaasdi
zwischen der beobachtenden Yersachiqperson and dem protokollie-
renden Yersachsleiter statt Da jede Yersachsanordnang im
1. a. a. 0. 2. Erdmann und Dodge, Psychologische Unter-
saehnngen über das Lesen. Halle 1898.
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9
aUgemeinen durch ein vorbereitendes Signal, welches die not-
wendige Einstellimg der Aufmerksamkeit bezweckt, eingeleitet
wird, so lassen sich beim psychologischen Einzelversuche drei
Zeitabschnitte unterscheiden:
1) die Vorperiode, welche die Zeit zwischen Signal und
Eintritt des Eeizes umfaßt,
2) die Hauptperiode, welche das eigentliche experimentell
zu untersuchende Erlebnis in sich schließt,
3) die Nachperiode, welche die sich unmittelbar an den
Abschluß des Experimentes anschließende Zeit umfaßt
Der gesamten jeweiligen Versuchsreihe hat außerdem die
Angabe der Instruktion vorauszugehen. Die Instruktion der
Versuchsperson hinsichtlich der Selbstbeobachtung lautet dahin,
die in der Vorperiode und Hauptperiode erlebten Vorgänge in
der Nachperiode eingehend zu schildern. Selbstverständlich hatte
die Versuchsperson auch die Pflicht, bemerkenswerte Erlebnisse
in den Zwischenpausen zwischen den einzelnen Versuchen, so
«ine stattfindende associative Einübimg u. dergl. dem Versuchs-
leiter anzugeben. Es fällt hiermit jener Einwand weg, der schon
von Kant^ angedeutet und seitdem häufig wiederholt wurde,
daß eine direkte Beobachtung der psychologischen Pha^nomene
während ihres Erlebtwerdens oder die Absicht, während des Vor-
ganges zu beobachten, den zu untersuchenden Prozeß unmöglich
macht Denn hier findet während des Erlebnisses für gewöhn-
lich keine Beobachtung statt, ebensowenig besteht die Absicht,
während des Erlebens das zu untersuchende Geschehen zu be-
obachten. Daß die Selbstbeobachtung auf das Erlebnis, so lange
dasselbe sich nicht öfters wiederholt hat, einen störenden Einfluß
ausübt, davon konnte ich mich bei meinen Untersuchungen viel-
fach überzeugen. Daß das Erlebnis während seines Gtegeben-
seins in der Regel nicht beobachtet werden kann, hat seinen
Grund darin, daß sich, wie wir später sehen werden, determinie-
rende Tendenzen verschiedenen Inhaltes, die sich auf dasselbe
Erlebnis beziehen, gegenseitig ausschließen. Die Determinierung
kann nur in einer bestimmten Richtung erfolgen. Diese Rich-
tung ist aber durch den Verlauf des Erlebnisses selbst gegeben.
Es kann also während des Erlebens nicht noch eine weitere
1. Eant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft.
Vorrede S. XI. 1786.
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Determinierung z. B. eine Selbstbeobachtung stattfinden, die eine
andere Richtung der Aufmerksamkeit — eine Richtung wie sie
durch das Verhalten des Subjektes zimi Objekt charakterisiert
ist — in sich schließt Ist dagegen der Ablauf des Phänomens
z. B. der Reaktionsversuch sehr häufig gegenwärtig gewesen, so
tritt die Determinierung ziuiick, der Ablauf wird ein durch
associative Reproduktionstendenzen bestimmter, und diesem In-
halte kann nun das Subjekt die Aufmerksamkeit ebenso zu-
wenden wie den perseverirenden Erlebnissen, den Erinnerungs-
bildern und den äußeren Wahrnehmungen. Derartige Vorgänge
können zudem auch beobachtet werden, ohne daß neuerdings die
Absicht, Selbstbeobachtungen anzustellen, aufzutreten braucht i»
Bei der vorliegenden Methode wird die Tatsache, daß ein auf-
merksam erlebter Bewußtseinsinhalt die Tendenz hat, als solcher
im Bewußtsein weiter zu verharren, zur Durchführung der Selbst-
beobachtung benutzt. Diese schnell abklingende Tendenz eines
psychischen Erlebnisses frei ins Bewußtsein zu steigen oder in
demselben als Nachwirkung zu verharren, wurde bereits von
G. E. Müller und A. Pilzecker* experimentell festgestellt
und als Perseveratiönstendenz bezeichnet Die Perseve-
rationstendenzen sind nach den Untersuchungen dieser Autoren
um so stärker, je intensiver die Aufmerksamkeit auf den be-
treffenden Bewußtseinsinhalt gerichtet war. Außerdem tritt eine
Verstärkung derselben dann ein, wenn sich die betreffende Vor-
stellungsreihe oft und nach kurzen Intervallen wiederholt Dies
sind zwei Bedingungen, welche sich gerade bei der experimen-
tellen Anordnung in hohem Grade verwirklicht finden. Denn
erstens erlebt die Versuchsperson mit gespannter Aufmerksam-
keit den zu untersuchenden Vorgang und zweitens wird jeder
Versuch häufig wiederholt, so daß die einzelnen Bestandteile
durch ihre Perseveration in der Nachperiode immer klarer her-
vortreten und der Beobachtung zugänglich werden. Ein weiterer
Umstand, welcher auf die Perseveration in demselben Sinne wie
1. Vergl. hierzu auch die Auseinandersetzung zwischen Volkelt
und Wundt (Philos. Stud. Bd. 4. 1888. S. 292 ff. und Zeitschr, f. Philo»,
u. philos. Kritik, Bd. 90, S. 1 ff.).
2. G. E. Müller & A. Pilzecker, Experimentelle Beiträge zur
Lehre vom Gedächtnis, Zeitschrift f. Psychologie. Ergänzungsbd. 1.
1900. S. 58 ff.
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11
Wiederholung und Aufmerksamkeitszuwendung wirkt, ist die
Absicht der Versuchsperson, das Erlebnis in der Nachperiode zu
beobachten und zu schildern. Wie aus den späteren Ausfüh-
rungen hervorgeht, tritt eine im Sinne der Absicht gelegene
Determinierung — in unserem Falle also ein klares Hervor-
treten des eben erlebten Inhaltes — auch dann ein, wenn die
Vorstellung, an welcher sich diese Absicht betätigen soll, nicht
speziell im Bewußtsein gegeben ist, sowie wenn zwischen dieser
Vorstellung und der Absicht andere geistige Vorgänge erlebt
werden 1. Hierdurch wird das deutliche Hervortreten des Pro-
zesses in der Nachperiode ebenfalls noch erhöht Die Absicht
bezieht sich lediglich auf die Perseveration und kommt infolge
dessen ausschließlich der Nachperiode zu gut, während in der
Hauptperiode keine Störung des bewußten Ablaufes der zu
untersuchenden Erscheinung durch diese Absicht eintritt Dieser
Einfluß festigt sich durch die Übung immer mehr, wobei
zugleich die bewußte Absicht, in der Nachperiode zu beobachten^
inuner weniger notwendig wird. Darauf, daß Vorsatz, Übung
und Gewohnheit einen tiefgehenden Einfluß auf die Beobach-
tung ausüben, hat bereits Volkelt* hingewiesen. Daß wir
durch das Experiment eine eigenartige Nachwirkung des jewei-
ligen Erlebnisses erreichen können, welche in dieser Weise sonst
überhaupt nicht möglich ist, ergibt sich aus dem Gesagten.
Die Vorstellungen der Nachperiode, welche ihr Vorhanden-
sein den perseverierenden Eeproduktionstendenzen verdanken^
sind von associativ reproduzierten Vorstellungen, den sogenannten
Erinnerungsbildern, sowohl durch ihre Klarheit, welche fast sinn-
liche Lebhaftigkeit erreichen kann, als auch durch die Art und
Weise ihres Entstehens wesentlich unterschieden». Beim Ab-
schluß des Experimentes, also zu Beginn der Nachperiode, hat
die Versuchsperson häufig ein eigentümliches Bewußtsein de&
eben Erlebten. Es ist als ob das gesamte Erlebnis auf einmal
gegeben ist, aber ohne eine spezielle Differenzierung der Inhalte»
Der ganze Vorgang ist nach der Äußerung einer Versuchsperson
wie in nuce gegeben. Hieraus treten dann klar die Einzelheiten
1. Vergl. Kapitel IV. 2. Volkelt, Psychologrische Streitfragen.
Zeitschr. f. Philoß. u. philos. Kritik. Neue Folge. Bd. 90. S. 11. 1887-
3. Vergl. hierzu auch die Ausführungen von Fechner über Er-
innernngsnachbilder (Elemente der Psychophysik II, S. 491 ff.).
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des Prozesses hervor. Diesen perseverierenden Vorstellungen
gegenüber geschieht nun die Beobachtung in derselben Weise
wie einem äußeren Naturvorgang gegenüber. Sie können beob-
achtet werden, ohne daß die hierbei gegebene Richtung der Auf-
merksamkeit das Erlebnis stört Die Aufmerksamkeit kann sich
bald dem einen bald dem anderen Teile des perseverirenden In-
haltes zuwenden, sodaß die simultanen und successiven Teile des
Erlebnisses einer eingehenden analytischen Zergliederung imd Be-
schreibung unterworfen werden können. Die jetzt vorhandene
Absicht der Beobachtung stört die Perseveration ebenso wenig, wie
dieselbe bei der Beobachtung eines äußeren Vorganges stört, son-
dern sie hat den gleichen Erfolg wie dort, d. h. sie läßt den
beobachteten Inhalt klarer und deutlicher hervortreten.
Was die Dauer einer klaren Perseveration betrifft, so ist
dieselbe durch die Veranlagung der Versuchsperson, sowie durch
die oben erwähnten Bedingungen ihrer Verstärkung, nämlich durch
Absicht, Aufmerksamkeitskonzentration, Ubimg und Grewöhnung
bestimmt. Im allgemeinen wird man eine Dauer von mehreren
Minuten annehmen können. Genauere Bestimmungen hierüber
habe ich nicht ausgeführt. Doch sind bereits in der Literatur
hierher gehörige Untersuchungen vorhanden. Wolfes ^ Versuche
zeigen ebenso wie die von A. Lehmann*, daß das Wieder-
erkennen eines Eindruckes nur in ganz km^er Zeit, ca. 60 Sekunden
nach dem j^ufhören der ursprünglichen optischen oder akustischen
Empfindung einigermaßen sicher ist». Ahnliches hat auch Lewy
bei Lokalisationsversuchen im Gebiete des Tastsinnes nachge-
wiesen*. Da aber die Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß für das
Wiedererkennen noch andere psychologische Faktoren von Bedeu-
tung sind, sowie auch die vom peripheren Sinnesorgane ausgehen-
den Nachwirkungen zu berücksichtigen sind, so lassen sich diese
1. Wolfe, Untersuchungen über das Tongedächtnis. Philos. Stud.
Bd. III, S. 534 ff. 1886.
2. A. Lehmann, Über Wiedererkennen, Philos. Stud. Bd. V,
S. 96 ff. 1889.
3. Vergl. auch die Untersuchungen über das Wiedererkennen von
F. An gell und H. Harwood. Americ. Joum. of Psychol. vol. 11,
S. 67, 1899.
4. Lewy, Experim. Untersuchungen über das Gedächtnis, Zeitschr.
f. Psych. Bd. VIII, S. 231 ff. 1895.
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13
Untersuchungen nur unter großem Vorbehalt heranziehen. Wich-
tiger für uns sind die Untersuchungen von Finzi i. Nach diesen
Versuchen, bei denen die Merkfähigkeit für momentane Ein-
wirkung von Buchstaben untersucht wurde, zeigte sich der Umfang
des Eingeprägten am größten nach 8 bis 30 Sekunden, die Zu-
verlässigkeit derselben schon früher, nach 4 bis 15 Sekunden;
später nehmen beide Größen wieder ab. Durch die Übung
steigert sich im ganzen mehr die Zuverlässigkeit der Einprägung
als ihr Umfang. Aus den Untersuchungen von Radoslawow-
Hadje-Denkow*. geht hervor, daß die Perseveration nicht
gleichmäßig, sondern in Schwankungen abklingt Vor allem
kommt aber die von G. E. Müller und A. Pilzecker gefundene
Tatsache in Betracht, daß infolge der Wirksamkeit der Perseve-
rationstendenzen innerhalb etwa der ersten 10 Minuten nach dem
Lesen einer SilbenreUie die Reproduktionszeit bei gleicher relativer
Trefferzahl um so kürzer ausfällt, je frühzeitiger das Vorzeigen
stattfindet Die Beinträchtigung der Perseveration durch rück-
wirkende Hemmung macht sich ebenfalls innerhalb der ersten
5 bis 10 Minuten nach der Stiftung der Associationen geltend.
Aus den vorHegenden Untersuchungen läßt sich nicht ersehen,
wie sich das Verhalten der Perseveration bei Reaktionsversuchen
gestaltet Nach meinen Beobachtungen scheinen die Bedingungen
der experimentellen Anordnung auch für die zeitiiche Dauer
einer klaren Perseveration nicht ungünstig zu sein. Daß es jedoch
mannigfache Übergänge in der ^ärke und Dauer der Perseve-
ration gibt, zeigt uns die Abnahme dieser Fähigkeit im höheren
Alter. In pathologischen Fällen kann ihre Dauer unter Um-
ständen nahezu auf Null herabsinken, wie z.B. ein von Rieger*.
veröffentHchter Fall beweist
Die experimentelle Selbstbeobachtung, die sich auf das per-
severierende Erlebnis bezieht, ist insofern systematisch, als sie
den in der Nachperiode perseverierenden Bewußtseinsinhalt einer
planmäßigen Analyse unterzieht Hierzu ist es notwendig, jedes-
1. Finzi, zur Untersuchung der Auffasßungsfähigkeit und Merk-
fähigkeit Kraepelins Psych. Arb. Bd. III, S. 289 ff. 1900.
2. E.-H.-Denkow, Untersuchungen über das Gedächtnis für ränm-
liche Distanzen. Philos. Stud. Bd. XV, S. 318 ff. 1900.
3. Eieger, Beschreibung der Intelligenzstörung infdlge einer Hirn-
verletzung. Würzburg 1889.
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mal das gesamte Erlebnis vollständig zu beobachten. Nur auf
diese Weise ist es möglich, die Schilderung des Erlebnisses von
dem Gutdünken und der Willkür der Versuchsperson zu befreien.
Geschieht dies nicht, so werden nur solche Teile des Erlebnisses
herausgegriffen, welche der Versuchsperson gerade als wichtig
erscheinen oder die besonders lebhaft hervortreten. Dabei ist
nur durch eine vollständige Schilderung zu erreichen, daß bei dem
Verfahren soweit als möglich die XJnwissentlichkeit gewahrt wird.
Aber auch die Befreiung der experimentellen Selbstbeobach-
tung von einer willkürlichen Behandlung durch den Versuchs-
leiter muß mit allen Mitteln erstrebt werden. Es ist deshalb
nicht angängig, daß der Versuchsleiter sich nur Einzelheiten des
Erlebnisses schildern läßt und so die Darstellung des Erlebnisses
von seinem Gutdünken abhängig macht Bei einer derartigen
oberflächlichen Behandlung würde der Willkür ohne Zweifel
Tür und Tor geöffnet, so daß von einer unbefangenen wissen-
schaftlichen Behandlung keine Rede mehr sein könnte. A priori
kann man selbstverständlich nie wissen, welche Seite eines Erleb-
nisses wichtig ist und welche nicht
Es ist unser Bestreben, auch diese »subjektive«
Methode der Selbstbeobachtung wenigstens insofern
objektiv zu gestalten, als die willkürliche und unkon-
trollierbare Behandlung des zu untersuchenden Ge-
bietes sowohl von Seiten der Versuchsperson als auch
vonseiten des Versuchsleiters möglichst ausgeschaltet
wird. Dies gelingt nur dadurch, daß das ganze Erlebnis vom
Eintritt des Signals bis zum Abschluß des Experimentes voll-
ständig geschildert und protokolliert wird. Der Versuchsleiter
hat deshalb die Pflicht, die gegebene Schilderung durch Frage-
stellungen zu ergänzen. Er hat sich durch Fragestellungen
darüber zu vergewissem, ob die von der Versuchsperson benützte
«prachliche Bezeichnung wirklich den adaequaten Ausdruck des
Ukt» ein stimm «ingzugehörigen geistigen Inhaltes darstellt, d. h. also die Identität
des sprachlichen Symboles und seiner logischen Formulierung
mit dem erlebten geistigen Inhalte nachzuweisen. Zu diesem
Behufe muß er sich an die einzehien begrifflichen Merkmale
dieser sprachlichen Bezeichnung halten und zusehen, ob dieselben
wirklich im Bewußtsein der Versuchsperson vorhanden waren
imd wie die Versuchsperson zur Aufstellung ihrer Aussagen
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gekommen ist Grerade hierin zeigt sich der große Nachteil der
psychologischen Beobachtung gegenüber der Beobachtung äußerer
Objekte wie sie bei den übrigen experimentell arbeitenden Dis-
ziplinen geübt wird. Der Chemiker z. B. kann sofort auf Grund
einer potentiell vollständigen Induktion nachweisen, ob der ihm
zur Beobachtung vorliegende Stoff wirklich das ist, was wir
»Zink« nennen, einfach dadurch, daß er die Eigenschaften und
Reaktionen dieses Körpers durch seine Sinne und durch das
Experiment bestimmt und so die Idontitö t der begrifflichen Be- lib&TTtin-
zeichnung mit dem vorliegenden Stoffe nachweist Granz anders st*«ninung
ist es aber infolge der Unzulänglichkeit der Tätigkeit des »inneren
Sinnes« bei der psychologischen Beobachtung. Hier hat sich der
Forscher erst auf Grund einer eingehenden Fragestellung und
durch Zuhülfenahme experimenteller Variierung der Versuchs-
umstände darüber zu vergewissem, ob der von der Versuchsperson
erlebte geistige Inhalt adaequat ist der Bedeutung der von ihr
benutzten sprachlichen Bezeichnung. Aber wie der Chemiker
sich nicht in jedem einzelnen Falle durch eigene Versuche über
die Natur der als Zink bezeichneten Substanz vergewissert,
sondern dies nur unter besonderen Umständen durchführt, so ist
es selbstverständlich auch bei der psychologischen Selbstbeob-
achtung nicht notwendig, diese KoiTespondenz der logischen For-
mulierung und des real gegebenen psychischen Inhaltes stets
durchzuführen. Bei einfachen, begrifflich allgemein eindeutig
bestimmten Inhalten kann diese Notwendigkeit wegfallen oder
nur am Anfang von Einzeluntersuchimgen und in einzelnen kri-
tischen Fällen zur Kontrolle notwendig sein*
Ein weiterer Nachteil der psychologischen Beobachtung gegen-
über der naturwissenschaftlichen Beobachtung liegt in dem schon
oben angedeuteten Umstände, daß bei der psychologischen Beob-
achtung, abgesehen von jenen Fällen, bei denen die unmittelbare
Beobachtung des erlebten Inhaltes möglich ist, die Identität des
perseverierenden Erlebnisses mit dem wirklictj^vorbandenen voraus- -t») Grcsch^ljfctj
gesetzt wird, eine Voraussetzung, die bei der Beobachtung von Ob-
jekten der Außenwelt nicht notwendig ist, da die immittelbare und •
absichtliche Richtung der sinnlichen Aufmerksamkeit auf die Ge-
genstände der Wahrnehmung ihre Qualität normalerweise nicht
ändert Einen dritten Umstand, der dem psychologischen Expe-
riment nicht zum Vorteil gereicht, möchte ich nur vorübergehend
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erwähnen, nämlich daß es auf dem Gebiete des Psychischen
viel weniger als bei naturwissenschaftlichen Disziplinen möglich
ist, bei der Wiederholung die für das exakte Experimentieren
notwendige Gleichheit der Bedingungen durchzuführen und daft
wir infolgedessen auf eine viel größere Häufung der Einzel-
versuche angewiesen sind.
Der Versuchsleiter hat also die Pflicht sich durch die Frage-
stellung Gewißheit darüber zu verschaffen, ob die notwendige
Korrespondenz zwischen der von der Versuchsperson benützten
sprachlichen Bezeichnung und dem zu schildernden Erlebnisse
tatsächlich besteht Und wie der Naturforscher durch die will-
kürliche Betätigung der Sinne und durch das Experiment sich
Gewißheit über die begrifflichen Merkmale des ihm vorliegenden
Stoffes verschafft, so hat der Versuchsleiter durch eine vorsich-
tige Fragestellung und durch Variierung der Bedingungen zu
experimentieren und eine Kontrolle der von der Versuchsperson
aufgestellten Behauptungen auf diese Weise durchzuführen. Dies
ist namentlich bei der Beschreibung von komplizierten Vorgängen
zur Ermöglichung des Verständnisses unumgänglich notwendig,
besonders zur begrifflichen Bestimmung einzelner Bewußtseins-
inhalte, welche sprachlich noch nicht eindeutig abgegrenzt sind.
Gerade bei dieser Analyse zeigt sich häufig die Unbestimmtheit
unserer psychologischen Bezeichnungen, welche das gegenseitige
Verständnis sehr erschwert Eüerzu tritt für die Versuchsperson
noch die Unmöglichkeit die Erlebnisse sprachlich eindeutig aus-
zudrücken. Die Fragestellung ist aber noch aus weiteren Gründen
unumgänglich notwendig. Bei den überaus reichhaltigen psychi-
schen Erlebnissen ist es nämlich keiner Versuchsperson möglich,
die gesamten von ihr erlebten psychischen Phaenomene voll-
ständig zu schildern. Diese UnvoUständigkeit der Darstellung
haftet jeder derartigen Schilderung an. Sie macht sich, wie
ich mir wohl bewußt bin, auch bei den folgenden Darlegungen
geltend. Die zeitlichen und räumlichen Qualitäten, die phaeno-
menologischen Bestandteile, die Gefühle und Affekte, die als
Bewußtheiten 1 bezeichneten Bewußtseinsbestände, das simultane
G^gebensein eines sehr komplexen Inhaltes, die Art und Weise
des gesamten Verlaufes, die gegenseitigen Beziehungen u. s. w.,
dies sind Erlebnisse, welche an die Fähigkeit der Beobachtung
1. Vergl. Kap. IV.
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zumeist eine übergroße Aufgabe stellen. Nur auf Grund der
Fragestellung läßt sich das Vorhandensein oder das Fehlen der
einzelnen Elemente nachweisen. Die Versuchsperson selbst über-
sieht nicht selten viele Einzelheiten des überaus reichhaltigen
simultan erlebten Inhaltes. Ich verweise z. B. auf die Analyse
der Erwartung und auf die Analyse komplexer Bewußtheiten.
Die Fragestellung liegt aber auch im Interesse der Vollständig-
keit der Analyse. Eine ideale Vollständigkeit wird sich aller-
dings nie erreichen lassen. Aus diesen Gründen fällt dem Ver-
suchsleiter die sicher nicht leichte Aufgabe zu, sich an der
Hand der Analyse völlig in den Seelenzustand des Beobachtenden
zu versenken. Die Person des Versuchsleiters tritt infolgedessen
bei der Methode der systematischen experimentellen Selbstbeob-
achtung mehr als bei jeder anderen psychologischen Methode
in den Vordergrund. Das Eingreifen des Versuchsleiters an
sich bietet noch keine zureichende Garantie dafür, daß der
gesamte Tatbestand des Erlebnisses zur Darstellung gekonmien ist.
Die notwendigen Fragestellungen haben selbstverständlich in
einer vorsichtigen und unbestinamten Form zu geschehen, um einer-
seits eine suggestive Beeinflussung der Versuchsperson durch den
Versuchsleiter zu verhindern, anderseits aber auch den Charakter
eines unwissentlichen Verfahrens so weit als möglich zu wahren.
Hier ist natürlich dem Geschick und Takt des Versuchsleiters
vorerst ein weiter Spielraum gelassen. Um Mißverständnisse im
gegenseitigen sprachlichen Verkehr auszuschalten, wurde bei kom-
plizierteren Schilderungen das Protokoll der Versuchsperson zur
Kontrolle noch einmal vorgelesen. Die Fragestellungen bezogen
sich auf die zeitiiche Aufeinanderfolge, so daß z. B. nach der
Schilderung der Versuchsperson gefragt wiu-de: was ging diesem
Zustande vorher? was war zwischen diesen beiden Vorgängen?
schlössen sie sich unmittelbar aneinander? standen sie in irgend
einer bewußten Beziehung? Auch der simultane Inhalt wurde
in ähnlicher Weise besprochen, z. B. waren die Vorgänge gleich-
zeitig im Bewußtsein? welchem war die Aufmerksamkeit zuge
wendet? wie war der Vorgang im Bewußtsein? was für Merkmale
hat dieser Vorgang? wai-en Gefühle dabei u. s. w.? Ist der Vor-
gang gleich einem vorhergehenden Vorgang? wodurch unterscheiden
sie sich? was war in diesem Zeitpunkt Ihnen gegenwärtig?
Nur durch eine derartige Zergliederung ist es dem Versuchs-
Ach, WiUenst&tigkeit. 2
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leiter möglich, sich wirklich ein Verständnis des in Frage
stehenden Zustandes zu verschaffen. Wenn er sich auf die
Aussagen der Versuchsperson stützen würde, ohne sich durch
Fragestellungen fortwährend zu vergewissem, würde eine in die
Tiefe gehende Analyse unmöglich sein, eine Tatsache, von deren
Richtigkeit man sich auch bei Versuchen mit in der Selbstbeob-
Biphtung geübten Psychologen fortwährend überzeugen kann. Ich
glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß die fol-
genden Darlegungen eine durchaus unvollständige Analyse der
jeweiligen Erlebnisse enthalten würden, wenn ich mich mit den
Schilderungen der Versuchspersonen stets begnügt hätte.
Dabei ist es die Pflicht des Versuchsleiters sich mit völlig
imbefangener, voraussetzungsloser, aber doch kritischen Hingabe
in das Erlebnis der Versuchsperson zu vertiefen, und außerdem
zur Erziehung der Versuchsperson in der Selbstbeol^chtung bei-
zutragen. Seine bedeutungsvolle Aufgabe ist die, sich eine mög-
lichst objektive Kenntnis des Seelenlebens der Versuchsperson zu
verschaffen.
Um nun diese Aufgabe des Versuchsleiters von seiner Person
möglichst zu lösen, hat die Versuchsperson wieder die Pflicht,
eine fortwährende Kontrolle darüber auszuüben, daß ihre Angaben
nicht mißverstanden werden, und daß der Versuchsleiter ein
getreues Bild des Erlebnisses protokolliert.
In den folgenden Ausführungen kann leider das gesamte
Protokoll der jeweiligen Selbstbeobachtungen nicht aufgeführt
werden; dasselbe würde selbst ein Buch füllen, dabei aber insofern
noch unvollständig sein, als es nicht die Fragestellungen des
Versuchsleiters in genauer Weise enthält Es übersteigt die
Arbeitskraft des einzelnen bei der notwendigen durch das Ab-
klingen der Perseveration bedingten Eile die Aussagen der Ver-
suchsperson und auch noch die Fragestellungen durchgehend zu
protokollieren. Ich mußte mich vielmehr in der überwiegenden
Zahl der Fälle mit der Protokollierung der Aussagen der Ver-
suchsperson begnügen. Dagegen ist zu hoffen, daß man sich
nach dieser Richtung die Fortschritte der modernen Technik zu
Nutzen machen und sämtliche sprachlichen Äußerungen durch
einen Phonographen fixieren wird.
Bei der Durchführung der Selbstbeobachtung kann nicht
immer das zeitlich zuerst Erlebte auch zuerst geschildert werden;
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vielmehr ist es wegen des raschen Abklingens der Zuverlässigkeit
der Perseveration zuweilen notwendig, in der Weise vorzugehen,
daß zuerst diejenigen Punkte, welche in vorausgegangenen Ver-
suchen eben wegen des Abklingens oder aus anderen Umständen
nicht hinreichend durch die Beobachtung festgestellt werden
konnten, der analytischen Betrachtung unterzogen werden. Dies
trifft zuweilen auch für solche Teile des Erlebnisses, in denen =tu
ein spezielles auffallendes psychisches Phaenomen vorhanden war.
Im allgemeinen entspricht jedoch der Gang der Analyse auch
dem zeitlichen Ablaufe des Greschehens. Ein systematisches Vor-
gehen nach dieser den zeitlichen Ablauf des Erlebnisses be-
treffenden Richtung wurde nicht für notwendig gehalten. Viel-
mehr wurde im Interesse der Methode vorgezogen, dieselbe auch
nach dieser Seite hin möglichst unwissentlich durchzuführen. Das
Herausgreifen einzelner Teile des gehabten Erlebnisses durch die
Selbstbeobachtung wurde also mögUchst vermieden, was im In-
teresse des Zusammenhanges der einander folgenden Prozesse
imd ihrer gegenseitigen Abhängigkeit als zweckmäßig und not-
wendig erschien. Denn die Teüerscheinung eines psychischen
Vorganges ist, wie sich auch aus den folgenden Untersuchungen
ergibt, bei der wechselseitigen Beeinflussung der geistigen Phaeno-
mene nur verständlich in ihrer Beziehung zum gesamten Erlebnis.
Losgelöst aus diesem Zusammenhang verliert sie ihre Bedeutung.
Es ist selbstverständlich, daß bei der fortwährenden Wieder-
holung der Versuche die bereits bekannten und eingehend analy-
sierten Zustände einer rascheren Beschreibung unterzogen werden,
so daß sich die Betrachtung immer mehr anderen Teilen zu-
wenden und in die Breite und Tiefe gehen kann. Es werden
so Elemente eingehend beobachtet, welche bei einem einmaligen
Erlebnis überhaupt nicht analysiert werden können, da hier die
Aufmerksamkeit in der Nachperiode durch die Gresamtsumme
der Vorgänge zu stark in Anspruch genommen ist Es hilft
hierbei der Umstand, daß es bei hoher Übung in der Methode
des experimentellen Selbstbeobchtung möglich ist, auch einzelne
Teile des Erlebnisses in der Perseveration hervortreten zu lassen,
denen während des Erlebens für gewöhnlich die Aufmerksamkeit
nicht im hohen Grade zugewendet ist Es wird dies einerseits
durch die vorherige Absicht bewirkt, andererseits durch den
Umstand, daß die übrigen Teilerscheinungen des betreffenden
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Erlebnisses infolge der häufigen Wiederholung im Bewußtsein
mehr und mehr zurücktreten können. Auf diese Weise ist es
möglich immer mehr Einzelheiten in die Beobachtung einzube-
ziehen. Das Gleiche ist bekanntlich auch bei der Beobachtung
äußerer Objekte der Fall. Daß wir aber trotz der Anwendung
der systematischen experimentellen Selbstbeobachtung das Erlebnis
nicht selten nur unvollständig zur Darstellung bringen können^
ist ein Nachteil, der gerade gegenüber der naturwissenschaftlichen
Methodik mit ihrer unmittelbaren Beobachtung des Wahmehmungs-
inhaltes in die Augen springt Immerhin liefert nur die systema-
tische Benützung der Perseveration ein treueres Bild des G^
schehens als irgend eine Bekonstruktion des Erlebnisses ohne
Benützung der wiUkürhchen Perseveration.
Da es infolge der Flüchtigkeit einzelner perseverierender
Vorstellungen trotz vorsichtigster Handhabung der Methode der
experimentellen Selbstbeobachtung möghch ist, daß Täuschungen
unterlaufen, so habe ich bei den folgenden Besultaten nur solche
Beobachtungen verwertet, welche bei verschiedenen Versuchs-
personen übereinstimmend gefunden wurden. Beobachtungen, die
zwar wiederholt aber nur an einer Versuchsperson festgestellt
sind, werden ausdrücklich als solche bezeichnet Vielleicht ist es
möglich, bei der Anwendung dieser Methode künftig in einer
Nebenuntersuchung auch die Zuverlässigkeit und SuggestibUität
der Versuchsperson nach der Methode vonFinzi oder mit Hülfe
des Trefferverfahrens objektiv festzustellen und als Faktor in die
Würdigung der Besultate mit einzubeziehen. Auch die Anwen-
dung der Hypnose selbst dürfte in einzelnen Fällen zur Fest-
stellung des Stärkegrades der Suggestibilität nicht unangebracht
sein.
Bekanntlich gibt uns aber gerade das Experiment Hülfs-
mittel an die Hand, derartige Täuschungen zu beseitigen. Denn
wir sind ja in der Lage, die Versuche an der nämlichen und an
verschiedenen Personen zu wiederholen. Die gemachten Angaben
können durch diese Wiederholung, sowie dm^ch die Variierung
der Umstände kontrolliert werden, sodaß sich die Eesultate den
allgemein gültigen Erkenntnissen einreihen lassen, was bei der
Methode »der inneren Erfahrung« ohne Zuhülfenahme des Ex-
perimentes in dieser Weise ausgeschlossen ist Denn hier fehlt
die Möglichkeit der Kontrolle der gemachten Angaben, da una
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die Bedingungen, unter denen das betreffende Geschehen stattge-
funden hat, nicht hinreichend bekannt sind, und auch nicht beliebig
wiederholt werden können, was dagegen z. B, für jede der in den
folgenden Darlegungen beschriebenen Versuchsanordnungen mög-
lich ist. Außerdem ist wie bei jedem Experiment, so auch bei
der experimentellen Selbstbeobachtung bekanntlich durch die
willkürliche Variierung der einzelnen Versuchsbedingungen die
Möglichkeit zur Peststellung des gesetzmäßigen Verhaltens gegeben.
Daß sich demnach die Selbstbeobachtung nur in Grestalt der
systematischen experimentellen Selbstbeobachtung entwickeln kann,
erscheint zweifellos. Dabei wird der häufig gegen die experi-
mentelle Psychologie erhobene Einwand, daß es Grebiete gibt,
welche der experimentellen Behandlung imüberwindliche Schranken
entgegenstellen, mit der fortschreitenden Ausbildung der Methodik
von selbst verschwinden, und mehr und mehr die ükenntnis
Platz greifen, daß Psychologie und experimentelle Psychologie
zusammeiifallen. Ob sich zur Untersuchung komplexer Vorgänge
der von 0. Vogt für die Selbstbeobachtung empfohlene Zustand
des systematisch eingeengten Bewußtseins eignet, erscheint mir
zweifelhaft Meine nach dieser Richtung angestellten Versuche
führten zu keinem positiven Ergebnis ^
Den Besultaten, welche uns die Psychologie der inneren
Erfahrung liefert, ist ein erkenntni sJihoorotiBohor Wert nur insofern wtrt
zuzusprechen, als sie die Anregung zu experimentellen Frage-
stellungen geben können. Dabei nehmen sie dort, wo eine experi-
mentelle Behandlung noch nicht möglich ist, häufig die Stelle
vorläufiger Erkenntnisse ein. In den folgenden Darlegungen kann
deshalb auf nicht experimentelle Resultate nur gelegentlich ein-
gegangen werden. Dasselbe gilt auch für die Ergebnisse des
sogenannten »inneren Experimentes«. Die Unzulänglichkeit der-
artiger Erkenntnisse ergibt sich aus den oben gegebenen Aus-
führungen, welche sich auf das ungemein rasche Nachlassen der
Treue und Zuverlässigkeit von Perseveration und Reproduktion
beziehen. Wie sollte es da möglich sein, einigermaßen getreu ein psy-
xjhisches Erlebnis zu rekonstruiren! Gerade auf dem Gebiete der
1. Yergl. N. Ach: Über die geistige Leistungsfähigkeit im Zu-
stande des systematisch eingeengten Bewußtseins. Zeitschr. f. Hyp-
notism. Bd. 9, S. 1. 1899.
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"Willenstätigkeit ist der bisherige Mangel einer experimentellen
Behandlung, der in einer Unklarheit der Begriffsbestinunungen
und in dem Auftreten der verschiedenartigsten Anschauungen
zum Ausdruck kommt, sehr in die Augen fallend.
Auch gewisse Nachteile hat die vorliegende Methode aufzu-
weisen. Da die Analyse der Selbstbeobachtung, je nach dem
Inhalte des Erlebten, eine verschieden lange Zeit in Anspruch
nimmt, so ist es unmöglich, die Zwischenzeit zwischen den ein-
zelnen Versuchen gleich lang zu machen. Der gleiche Umstand
bewirkt, daß man nicht im stände ist, in einer etwa durch äußere
Verhältnisse festgesetzten Zeit die gleiche Zahl von Versuchen
auszuführen. Noch weniger ist dies bei verschiedenen Versuchs-
personen mit verschiedenen psychischen Erlebnissen möglich, da
dieselben für die Selbstbeobachtung verschieden lange Zeit bean-
spruchen. Bei späteren Untersuchungen wird es sich mit weitere
Entwicklung der Methode wohl erreichen lassen, auch hierin die
notwendige Gleichheit der Verhältnisse herbeizuführen. Außerdem
treten gelegentlich durch die Nachwirkung der Analyse Störungen
des darauf folgenden Versuches ein. Selbstverständlich wurde
dies stets im Protokoll vermerkt So kam es zuweilen vor, daß
durch die Fragestellung die Aufmerksamkeit auf einzelne Erleb-
nisse mit dem Erfolg gerichtet wurde, daß dieselben beim nächst-
folgenden Versuche während ihres Gregebenseins von der Versuchs-
person beobachtet wurden. So beobachtete z. B. L. in einem
Falle die intentionalen Bewegungsempfindungen in der Vorperiode,
stellte also während des Erlebens Selbstbeobachtungen an.
Während in diesem Falle eine Beeinträchtigung des Gresamt-
verlaufes des Beaktionsvorganges nicht eintrat, die gemachte
Selbstbeobachtung im Gregenteil für die Bereicherung der Er-
kenntnis von Vorteil war, ließ sich in anderen Fällen eine solche
störende Beeinflussung nachweisen. So hat die Versuchsperson
H. veranlaßt durch die Fragestellung, ihr Verhalten bei der
Apperzeption des Beizes in der Hauptperiode zu beobachten
gesucht, wodurch sie in einen Zustand der Verwirrung geriet,
der den weiteren Verlauf des Prozesses ungünstig beeinflußte.
Im ganzen kamen jedoch derartige durch die Fragestellung ver-
anlagte Selbstbeobachtungen während der Keaktion nur selten
vor. Daß durch die Fragestellung eine nicht kontrollierbare
Beeinflussung des Erlebnisses eintritt, halte ich auf Grund dieser
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Befunde für ausgeschlossen. Wie weit der Einfluß überhaupt geht,
läßt sich wohl nur durch eigene Untersuchungen exakt nachweisen.
Daß die systematische experimentelle Selbstbeobachtung nicht
in gleichem Grade auf Prozesse, welche in sehr langen Zeit-
räumen ablaufen, ausgedehnt werden kann, ist zwar ein Nachteil,
doch ist auch hierin diese Methode der gewöhnUchen Selbst-
beobachtung weit überlegen.
Bei der Schwierigkeit der Durchführung ist es wünschens-
wert, Psychologen als Versuchspersonen zu wählen, welche in
dieser Methode bereits geübt sind, sowie allmähKch von den
einfacheren zu den schwierigeren Versuchen aufzusteigen. Be-
sonders bei Anfängern zeigt sich nicht selten eine Neigung zu
phantastischer Darstellung der Erlebnisse, der nur durch Schulung
und stetige Kontrolle entgegengewirkt werden kann.
Ausländer können zu diesen Untersuchungen nur dann
herangezogen werden, wenn sie die deutsche Sprache vollkommen
beherrschen, ein Punkt, auf den bereits Cordes^ bei den Selbst-
beobachtungen seiner Associations- Versuche hingewiesen hat Bei
ihm war die Durchführung der Selbstbeobachtung in verschiedener
Beziehung unvollständig, indem sie sich z. B. nur auf das Erlebnis
der Hauptperiode erstrekte, während ja bekanntlich die Vorperiode
für den associativen Ablauf ebenfalls von Bedeutung ist. Während
in Prankreich die Selbstbeobachtung beim experimentellen Arbeiten
bereits seit längerer Zeit geübt wird z. B. durch Binet, Henri,
ist sie in Deutschland in eingehender und systematischer Weise
erst in den letzten Jahren durchgeführt worden. In größerer
Ausdehnung hat bis jetzt Marbe* bei seinen Untersuchungen
über das Urteil die experimentelle Selbstbeobachtung in Anwendung
gezogen. In ähnlicher Weise wurden Selbstbeobachtungen auch
von Mayer und Orth angestellt «. Auf dem Grebiete der
Eeaktionsversuche suchte Dwelshauvers* unter Zuhülf enahme
1. Cordes, Experimentelle Untersuchungen über Associationen,
Phil. Stud. Bd. XVn, S. 30fiF. 1901.
2. Marbe, Experim.-Psychol. untersuch, über das Urteil, Leipzig 1901.
3. A. Mayer und J. Orth: Zur qualitativen Untersuchung der
Association, Zeitschr. f. Psychol. Bd. 26, 1901; ebenso J. Orth: Gefühl
und Bewußtseinslage, Berlin 19Qß,
4. Dwelshauvers, Untersuchungen zur Mechanik der aktiven Auf-
merksamkeit, Philos. Stud. Bd. VI, S. 217 fiF. 1891:
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der Selbstbeobachtung eine Verbesserung der Methodik zu er-
reichen. Sein »Verfahren der subjektiven Beziehungen« bestand
darin, daß die Besultate der vom Beagenten im Verlaufe des
Experimentes angestellten Selbstbeobachtungen in Beziehung
gebracht wurden zu der am Chronoskop abgelesenen Dauer des
Reaktionsprozesses. Die Selbstbeobachtung bestand jedoch nicht
in einer eingehenden systematischen Analyse des erlebten Ge-
schehens, sondern sie ging in der Weise vor sich, daß der Reagent
sogleich nach jeder Einzelbeobachtung die betreffende Versuchs-
ziffer mit einem konventionellen Zeichen versah, durch welches
angedeutet wurde, wie sich die Aufmerksamkeit bei dem empfun-
denen Eindrucke oder während des Intervalls verhalten hatte.
»Verschiedene Beagenten fügten noch hinzu, ob sie die Dauer der
Reaktion als lang, kurz oder normal betrachteten, und was sie
sonst im allgemeinen zu bemerken hatten (äußere und innere
Störungen)«. In ähnlicher Weise verfuhr auch B. Watanabe^.
Daß dieses Verfahren mit der von mir geübten Methode nichts
gemein hat, ist klar ersichtiich. Eingehende Selbstbeobachtungen
hat Flournoy* bei seinen Versuchen angestellt Doch leiden
sie trotz ihrer sonstigen Gründlichkeit unter dem Mangel, daß
sie immer erst nach einer Beihe von 30 Versuchen angestellt
wurden. Wer den wechselnden Inhalt der Erlebnisse kennt, wird
diesen Mangel wohl zu würdigen wissen. In dieser Hinsicht
sind die von G. Martins* ausgeführten Selbstbeobachtungen
vorzuziehen. Hier hatte die Versuchsperson ähnlich wie bei
Dwelshauvers nach dem jedesmaligen Einzelversuche ihre Be-
obachtungen über die Bichtung der Aufmerksamkeit im Augen-
blicke des Beagierens sowohl als über den Erfolg und die schein-
bare Länge der Beaktionszeit aufzuschreiben.
Erdmann und Dodge(a. a. 0.) geben überhaupt nicht an,
wie die bei ihren Beaktionsversuchen erhaltenen Selbstbeobachtungen
gewonnen wurden. Bei Alechsieff (a. a. O.) hängen wie bei
Dwelshauvers die Aufzeichnungen von der Willkür derVer-
1. B. Watanabe: Two points in reaction- time experimentation.
Americ. Journ. of Psych. Vol. VI, S. 408, 1894.
2. Th. Floumoy: Observations zur quelques Types de Beaction
flimple. Genere, 1896.
3. G. Martius: Über die muskuläre Beaktion u. die Aufmerk-
samkeit. Philos. Stud. VI, S. 199, 1891.
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Stichsperson ab, da der Beobachter auch hier mit vereinbarten
Zeichen das, )>wa8 er bei der ausgeführten Beaktion subjektiv
wahrnahm«, notierte. Nicht die Selbstbeobachtung, sondern die
Gewinnung einer großen Zahl von Zeitwerten bildet die Absicht
der Untersuchung.
Die systematische experimentelle Selbstbeobachtung hat jedoch
keinen Wert, wenn es nicht gelingt, durch Änderung der äußeren
Versuchsanordnung und der Instruktion auch eine dem jeweiligen
Zwecke entsprechende Änderung des inneren Erlebnisses herbei-
zuführen, und so durch Variierung der äußeren Umstände auch
eine Kontrolle der in der Selbstbeobachtung gemachten Angaben
durchzuführen 1. Die Wahl der Versuchsanordnung ist neben
der Durchführung der Selbstbeobachtung von entscheidender Be-
deutung für 'das Besultat
§3.
Die Yersachsanordnung.
Die Anordnung für die Reaktionsversuche war in technischer
Hinsicht derjenigen gleich, welche ich bei früheren Versuchen
gelegentlich benutzte*. Wie bei allen Reaktionsversuchen sind
drei Hauptapparate notwendig: ein Apparat zur Applikation
des Reizes, ein Apparat zur Beantwortung dieses Reizes durch
die Versuchsperson und das Hippsche Chronoskop als zeitmes-
sendes Instrument Alle drei Apparate waren unter sich leitend
verbunden und zwar in der Weise, daß durch das Erscheinen
des Reizes der von einer Meidinger-Batterie kommende Strom
geschlossen wurde*. Durch die Reaktion der Versuchsperson
wurde dann wie gewöhnlich der Strom unterbrochen. Es bestand
also Stromschluß wahrend der zu messenden Zeit, wobei die
imteren Elektromagnete des Chronoskopes in Anwendung kamen.
In den Stromkreis waren noch ein Kommutator und ein Wider-
stand eingeschaltet Nach jeder Zeitmessung wurde die Wippe
1. Vergl. auch Ziehen: Das Verhältnis der Herhartschen Psy-
chologie zur physiologisch-experimentellen Psychologie, S. 73, Berlin 1900.
O. 2. a. a.-G; Seite 266 ff. 3. Statt der Meidinger-Batterie wurde
bei den späteren Versuchen als Stromquelle die elektrische Lichtleitung
benützt, wobei ein »tellerförmiger Widerstand« (cfr. Anhang) vorgeschaltet
-wurde.
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gewendet Als Eeizapparat diente der Kartenwechsler, der es
in bequemer Form erlaubt, die auf Karten aufgedruckten Buch-
staben, Wörter, Zahlen und dergl. dem Beobachter darzubieten.
Als Reaktionsapparate dienten je nach dem speziellen Zwecke
entweder Morse-Taster oder der Roem ersehe Schallschlüssel i.
Nur in einer Versuchsanordnung kamen statt der optischen Beize
akustische in Anwendung und zwar mittelst des Roemerschen
Schallschlüssels.
Die Zeitangaben des Chronoskopes wurden mittelst eines
Pendels oder eines Kontrollhammers an jedem Tag zu Beginn
und nach Schluß der einzelnen Versuchsstunden geprüft*. Beim
Schallschlüssel kommt für die Unterbrechung des vorher ge-
schlossenen Stromes keine Latenzzeit in Betracht. Die Wirkung
eines etwaigen remanenten Magnetismus kann hier, wie ich mich
mehrfach durch eigene Versuche überzeugte, vernachlässigt werden^
sobald der Eisenkern gut durchgeglüht ist und zwischen den
einzelnen Benutzungen des Relais eine Pause besteht, die bei
meinen Versuchen immer sehr lang war. Deshalb war es un-
nötig im Nebenstrom des Relais einen Kommutator zu benutzen.
Selbstverständlich hängt dies im einzelnen Falle von der vorher-
gehenden Prüfung des Apparates ab. Wurde der Schallschlüssel
als akustischer Reizapparat benutzt, so mußte die dem Fallen
des Ankers entsprechende Latenzzeit von 20 a als positiver
Fehler in Rechnung gezogen werden. Dasselbe gilt von der
Latenzzeit für die Öffnung der Verschlußplatte des Karten-
wechslers. Dieselbe betrug bei 10 Messungen im Durchschnitt
4,8 a mit einer mittleren Variation von 0,5 a^.
1. B em er, Beitrag zur Be'stimmung zusammengesetzter Beaktions-
zelten, Kraepelins Psychol. Arb. Bd. I. 566 fiF. 1896.
2. Hinsichtlicli der Konstanz dieser Zeitwerte verweise ich auf
den Anhang.
3. Die Bestimmung der Latenzzeit des Schallschlüssels geschah in
der von Boemer angegebenen Weise. Die Bestimmung der Latenz-
zeit des Kartenwechslers geschieht ebenfalls in einfacher Weise.
An der Verschlußplatte wird nach unten ein Metallstift angelötet*
Diesen Stift ließ ich in einen Quecksilbernapf tauchen. Dadurch wird
ein Strom, der gleichzeitig durch ein elektrisches Signal des Chrono-
graphen geht, geschlossen und zwar so lange als die Öffnung des
Kartenwechslers durch die Verschlußplatte verdeckt ist. Geht die Ver-
schlußplatte in die Höhe, so wird der Strom im Quecksilber-Napf unter-
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Versuchsleiter, und Reagent befanden sich in einem Zimmer^
Sie saßen ungefähr 2,5 m von einander entfernt derart, daß die
Versuchsperson von den Manipulationen des Versuchsleitera
nichts sehen konnte. Das Wechsehi der Karten geschah mit
Hiüfe einer Schnurleitung, welche vom Kartenwechsler über
Rollen zum Tische des Experimentators ging. In ähnlicher
Weise geschah auch das Auslösen des Reizes am Kartenwechsleri.
Bei den späteren Versuchen wurde das Wechseln der Karten
in der Zwischenpause durch die Versuchsperson selbst vorge-
nommen.
Die Taster waren am Tische so angeschraubt, daß daa
Handgelenk auflag und bequem reagiert werden konnte. Wurden
4 Taster benutzt, so waren dieselben für Daimien und Zeige-
finger beider Hände so angeordnet, daß die Pingerkuppen nicht
in einer Linie lagen, sondern der natürlichen Lage der Finger
entsprechend war der Taster des Zeigefingers ca. 4 cm schräg
»ach vom und außen von dem Taster des Daumens angeordnet.
Es wurde häufig, zuerst von Tigerstedt und Bergqvist \
darauf hingewiesen, daß es unstatthaft für exakte Untersuchungen
sei, Versuchsleiter und Versuchsperson in einem Raimie unter-
zubringen. Bei der hier in Anwendung kommenden Methode
ist es wegen des innigen Konnexes zwischen Versuchsleiter und
Versuchsperson nicht anders möglich, es müßte denn fortwäh-
render telephonischer Verkehr hergestellt werden, der aber min-
destens ebenso viele Störungen nach sich ziehen würde, wie die
vorliegende Anordnung. Daß die Versuchsperson selbst proto-
koUiert, ist bei der systematischen experimentellen Selbstbeob-
achtung ausgeschlossen. Es bliebe noch übrig, daß eine dritte
Person im Zimmer des Reagenten die Protokollierung und Frage-
stellung übernehme. Die Störung, welche durch die Anwesen-
brochen, da der Metallstift mit der Platte nach oben geht. In den
Apparat selbst ist durch die vorhandenen Klemmen ein zweiter Strom
geleitet, der ebenfalls ein elektrisches Signal betätigt. Dieser zweit»
Strom wird durch die YerschluBplatte selbst in der gewöhnlichen Weise
geschlossen. Die Differenz der beiden Marken ergibt unter Berücksich-
tigung der Latenzzeiten der beiden elektrischen Schreiber die Latenz-
zeit für die Öffnung der Verschlußplatte des Karten Wechslers.
1. Tig er stedtu. Bergqvist, Zur Kenntnis der Apperceptionsdauer
zusammengesetzter Gesichtsvorstellungen, Zeitschr. f. Biologie Bd. XIX,.
S. 5fif. 1883.
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heit einer weiteren Person entstehen kann, würde hier auch vor-
handen sein. Schon nach wenigen Versuchen sind die Beagenten
an das Greräusch des Chronoskopes gewöhnt Durch die Ein-
stellung der Aufmerksamkeit auf die Versuchsanordnung wird
dasselbe vollständig vernachlässigt. Es stimmt dies mit den
Ergebnissen von Ziehen^ überein, bei dem sich herausstellte,
-daß eine nachweisbare Verlängerung der Associationszeit durch
-das Hören des Geräusches des Chronoskopes etc. nicht eintrat
Die Resultate mit und ohne räumliche Trennung zeigten keine
zeitlichen Differenzen. Dasselbe ergibt sich aus den Versuchen
Ton Erdmann und Dodge*, welche schreiben: »Wir konnten
4urchgehends feststellen, daß die mehrfachen und verschieden-
artigen kleinen Greräusche des funktionierenden Apparats zwar
wahrgenommen wurden, aber unbeachtet blieben, so lange sie
normal erfolgten. Trat in ihrem Verlauf eine Änderung ein,
«0 wurde die Aufmerksamkeit auf diese hingelenkt und diese
Ablenkung als Störung gefühlt«. Unter meinen Versuchen
finden sich nur drei Falle, bei denen die Versuchsperson angab,
daß das Chronoskop-Geräusch gestört habe und zwar waren es
^wei verschiedene Versuchspersonen aber bei gleicher Anordnung,
bei der durch Verlängerung der Vorperiode eine hingezogene
Erwartungsspannung entstand. Daß derartige Geräusche nicht
wirksam sind, ergibt auch meine Untersuchung über die Wir-
kung des Geräusches, welches der Kartenwechsler beim Er-
scheinen des Beizes durch das Emporschnellen der Verschluß-
platte verursacht Dieses Geräusch wurde von den Versuchs-
personen fast nie bemerkt, da ihre Aufmerksamkeit auf den
optischen Eeiz gerichtet war. Wenn ich nun die Versuchs-
person durch eigene Instruktion veranlaßte, nicht auf den opti-
schen Eeiz, sondern auf das Geräusch zu reagieren, wurden, wie
jaus der folgenden Zusammenfassung hervorgeht, ganz andere
Zeitwerte erhalten. Unter je 40 optischen und akustischen
einfachen Beaktionen betrug der Zentralwert für die ersteren
227,5 Oj für die letzteren 163,5 a mit einer Mittelzone von 60
resp. 43,5 a\
1. Ziehen, Die Ideenassociation des Kindes 2. Abhdl. S. 8. Bd. III,
4. Heft der Samml. von Abhandl. Berlin 1900. Vergl. auch Erdmann
und Dodge a. a. 0. S. 325.
2. a. a. 0. S. 325. - 3. Vergleiche S. 30.
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Nur am Schallschlüssel hatte die Versuchsperson einige
Handgriffe vor Beginn des eigentlichen Versuches auszuführen
(: Schluß des Belaisstromes und Anziehen des Ankers :). Damit
die Vorperiode, welche durch das Signal »jetzt« eingeleitet wurde
und gerade bei den folgenden Untersuchungen von Wichtigkeit
ist, nicht durch diese Manipulationen der Versuchsperson gestört
wurde, ging ich in der Weise vor, daß ich bei Benutzung des^
Schallschlüssels noch ein weiteres Signal »fertig« oder »ja« vor-
ausschicktet Auf dieses Signal hin wurden von der Versuchs-
person die betreffenden Handgriffe ausgeführt Bei »jetzt«
setzte der Versuch mit der vorbereitenden Vorperiode ein. Das.
Vorsignal »fertig« erscheint mir auch für die einfachen Reak-
tionen angebracht, damit die Versuchsperson sich in ihrer äußeren
Körperhaltung für den kommenden Versuch einstellt Die Unter-
suchungen wurden möglichst zu gleicher Tageszeit durchgeführt
Wo Ausnahmen vorkamen, wird dies angegeben werden. Ebenso
werden auch Anomalien in der Disposition der Versuchsperson^
angeführt
Da sich die Analyse der Selbstbeobachtung auf die Be-
schreibung des eben erlebten Bewußtseinsinhaltes beschränkte,
während die Beziehung zu anderen Versuchsreihen, zum erhal-
tenen Zeitwert sowie der Zweck der jeweiligen experimentellen
Anordnung unbekannt blieb, kann das Verfahren als ein un-
wissentliches bezeichnet werden.
Ein gewisser Mißstand für meine Untersuchungen liegt
darin, daß dieselben zum Teil nicht in einer zeitlich ununter-
brochenen Beihenfolge ausgeführt werden konnten. Es war dies
aus äußeren Gründen leider unmöglich. Ein etwaiger Nachteil
kann sich jedoch nur darauf beziehen, daß der Einfluß der
Übung nicht fortschreitend untersucht werden kann, sowie dafr
die später erhaltenen Zeitwerte sich zuweilen nur unter Vorbe-
halt mit den früheren vergleichen lassen. Dagegen bietet aber
für die vorliegenden Untersuchungen dieses unterbrochene Ver-
fahren in sofern einen gewissen Vorteil, als die fortschreitende
Mechanisierung der Reaktionsversuche durch den Einfluß der
Zwischenpausen wieder rückgängig gemacht wm^de, was gerade
für die Untersuchungen der Willenstätigkeit nicht unerwünscht war.
1. Bei einzelnen Versuchen diente hierzu auch das Geräusch de»
in Gang gesetzten Chronoskopes.
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Bei der Verwertung der erhaltenen Zeitwerte
mußte demnach mit einer gewissen Vorsicht vorgegangen werden*
Zur Berechnung der Reaktionszeiten wurde der Zentralwert
in Anwendung gezogen, welcher auf diesem Gebiete bereits von
Kraepelin^, Scripture*, Aschaffenburg«, Ziehen*
benutzt wurde. Zur Unschädlichmachung von aus der Reihe
fallenden Werten eignet er sich bekanntlich besser als das
arithmetische Mittel. Bei den vorliegenden Untersuchungen ist
das arithmetische Mittel fast ausnahmslos größer als der Zen-
tralwert, jedoch gewöhnlich nur um einen geringen Betrag. Es
entspricht dies dem gewöhnlichen psychologischen Verhalten,
daß nämlich die Summe der positiven Abweichungen vom Zen-
tralwert größer ist als die der negativen Abweichungen, da im
allgemeinen leichter solche Einflüsse wirksam sind, welche eine
Verlängerung der Zeitwerte bedingen, als solche, welche die
Reaktionsseiten verkürzen. Mit zunehmender Übung verschwinden
diese Unterschiede mehr und mehr, und es ist anzunehmen, daß
bei einer durch lange Zeit fortgesetzten maximalen Übung mit
der Abnahme der mittleren Variation und der Mittelzone sich
auch die Differenzen zwischen arithmetischem Mittel und Zen-
tralwert mehr und mehr ausgleichen. Um ein Maß über die
Streuung der Einzelwerte zu erhalten, bestimmte ich auch die
Zentralwerte derjenigen Werte, welche kleiner und derjenigen,
welche größer als der Zentralwert Z waren. Sie sind mit Zu
und Zo bezeichnete Die Differenz Zo — Za bildet die Mittel-
zone (M Z) «. Diese Werte wurden nur bestimmt wenn
n > 20 war.
1. Kraepelin, Über die Beeinflussung einfacher psych. Vorgänge
durch einige Arzneimittel. Jena 1892. S. 22 ff.
2. Scripture, Untersuchungen über die geistige Entwicklung der
Schulkinder. Zeitschr. f. Psychol. Bd. X, S. 161 ff.
3. Aschaffenburg, Experimentelle Studien über Associationen.
n. Teil. Kraepelins Psych. Arb. Bd. II. S. 36 ff.
4. a. a. 0. Seite 11 ff.
5. Da der Buchstabe C anderweitige Verwendung fand, so wird
hier der Zentralwert nicht wie gewöhnlich mit C sondern mit Z be-
zeichnet.
6. Aschaffenburg bezeichnete in ähnlicher Weise als Mittelzone
•das Verhältnis -.
Zo — z
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31
Da, wie erwähnt, die ZaM der Beobachtungen für die ver-
schiedenen Versuchsumstände keine gleiche ist, so sind sowohl
die Zentralwerte als auch die Streuungswerte selbstverständlich
nur unter Vorbehalt mit einander zu vergleichen. Daß die
Differenzen der Werte bei verschiedenen mit einander in Be-
ziehung gesetzten Konstellationen nicht auf ein zufälliges Ver-
halten zurückzuführen sind, sondern den Ausdruck einer gesetz-
mäßigen Abweichung darstellen, läßt sich wie gewöhnlich nur aus
dem übereinstimmenden Verhalten bei verschiedener Art der
Zusammenfassung der Zeitwerte bei der gleichen und bei ver-
schiedenen Versuchspersonen, sowie daraus folgern, daß sich jene
Differenzen bei einer Änderung der psychologischen Faktoren
ebenfalls ändern und zwar in einem Sinne, welcher den verän-
derten psychologischen Bedingungen entspricht
Bei den Berechnungen fand ein willkürliches Weglassen
irgendwelcher stark abweichender Einzelwerte nicht statt, viel-
mehr war es ebenfalls Zweck der Untersuchung die psychologi-
schen Bedingungen derartiger Abweichungen festzustellen.
n. Kapitel.
Reaktionen mit Zuordnung.
§4.
Eintellang der Reaktionen.
Als Reaktionen werden in der Psychologie im allgemeinen
solche Vorgänge bezeichnet, bei denen auf einen vorher bekannten
oder nicht bekannten Sinnesreiz in einer irgendwie vereinbarten
Weise mit einer Bewegung geantwortet wird. Hierbei wird die
Dauer dieses Vorganges — von Exner Reaktionszeit genannt
— mit Hülfe zeitmessender Einrichtungen bestimmt Die Re-
aktionen sind seit Donders der Gegenstand vielfacher Unter-
suchungen gewesen. Man kann jedoch nicht gerade sagen, »daß
der Raum dieser Veröffentlichungen durch anderweite eingehende
psychologische Analysen oder Ideenentwicklungen bereits hin-
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länglidi in Anspmdi genommen ist«. Diesem urteil, welches
Gr. E. Müller^ bereits Tor mehr als zehn Jahren ausgesprochen
hat, müssen wir uns aadi heute noch toII ansdiließen. Es ist,
als ob die letzten zehn Jahre, welche in der Psychologie mannig-
fache Fortschritte bewirkten, an diesem weiten Gebiete spurlos
Torübergegangen wären. Das Verfahren von Donders, unver-
gleichbare Zeitwerte mit einander zu vei^leichen und auf Grund
von physiologischen Konstruktionen gegenseitig in Bechnung zu
bringen, herrscht im allgemeinen noch wie früher, von einer
psychologischen Analyse ist fast nirgends die Bede. In der
folgenden Darstellung wird darauf verzichtet werden, die auf
Grund des Experimentes gewonnenen Besultate mit unsicheren
physiologischen Hypothesen in Beziehung zu bringen. Sie
wechseln zwar nicht mehr wie zu Lotzes Zeiten alle vier Jahre,
aber viel länger ist dieser Zeitraum auf dem in Bede stehenden
Gebiete leider auch noch nicht geworden*.
Es sind vielmehr ausschließlich psychologische Gesichts-
punkte, welche bei der Würdigung der vorliegenden Besultate in
Betracht kommen werden. Wenn ich eine Einteilung der Be-
aktionsversuche, welche mit den verschiedenartigsten Äußerungen
psychischer Betätigung in Beziehung stehen, versuchen will, so
geschieht dies in der Absicht, eine XJbersicht über das in Bede
stehende Gebiet zu ermöglichen und so die Mannigfaltigkeit
der Beaktionsformen in eine übersichtliche Form zu bringen.
Die Einteilung geschieht dementsprechend von einem bestimmten
Gesichtspunkte aus, dem sich die einzelnen Beaktionsformen
unterordnen lassen. Es ist selbstverständlich, daß man unter
Zugrundelegung anderer Einteilimgsprinzipien zu anderen Auf-
stellungen kommen kann.
Auf Grund meiner Untersuchungen lassen sich die Beak-
tionen einteilen in Beaktionen mit vorher eindeutig bestimmter
Zuordnung zwischen Beiz und Bewegung und in Beaktionen
ohne vorherige eindeutige Zuordnung.
Bei den Beaktionen mit eindeutiger Zuordnung besteht der
Anordnung und Instruktion gemäß bereits vor dem vorbereiten-
den Signal eine eindeutig bestimmte Zuordnung von Sinnesreiz
1. a. a. 0. S. 401.
2. R. H. Lotze, Medizinische Psychologie, Vorwort, Leipzig 1852.
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33
und Reaktionsbewegung, bei den Reaktionen ohne Zuordnung
ist dagegen die Zuordnung in irgend einer Weise der Versuchs-
person überlassen.
Hierdurch ergibt sich folgendes Einteilungsschema:
A. Reaktionen mit eindeutiger Zuordnung.
L Reaktionen mit einfacher Zuordnung.
a) gleich bleibende^ Reiz und gleich bleibende Bewegung
(einfache Reaktion z. B. auf weiße Karte Loslassen des
rechten Zeigefingers, a-Methode von Donders)
b) verschiedene Reize und gleiche Bewegung, (Erkennungs-
Reaktionen),
c) verschiedene Reize (Wörter, Farben etc.) und wechsehide,
aber adäquate Bewegung (Aussprechen der Bezeichnung).
IL Reaktionen mit mehrfacher Zuordnung
und zwar mit zwei-, drei-, vier- etc. f acher Zuordnung.
Jedem der erscheinenden zwei, drei oder vier Reize ist
eine bestimmte, vorher vereinbarte Bewegung zugeordnet.
(b-Methode von Donders).
IIL Bedingte Reaktionen.
Bei diesen ist die Anordnung in der Weise getroffen,
daß nur bedingungsweise reagiert wird. Es wird z. B,
nur auf rote Karten (Hauptreiz) mit dem rechten Zeige-
finger reagiert, auf andere Karten (Nebenreiz) erfolgt
keine Reaktion, (c- Methode von Donders). Oder es
ist die Anordnung so getroffen, daß auf zwei gleichzeitig
erscheinende Buchstaben a c nur dann reagiert wird,
wenn a rechts steht u. s. w.
IV. AssociationS'Redktionen.
a) Die sogenannten freien Associations- Reaktionen, bei
denen nur die Aufgabe besteht, die erste auftauchende
Vorstellung auszusprechen.
b) Associations -Reaktionen mit spezieller Determi-
nierung, so z. B. beim Trefferverfahren, wenn vorher
durch Versuche Associationen gestiftet werden und die
der vorgezeigten Silbe in der gelesenen Silbenreihe un-
mittelbar nachfolgende Silbe auszusprechen ist
Oder wenn wie bei den sog. Urteilsreaktionen
durch die vorherige Aufgabestellung die Urteilsrichtung
▲eh, WUlenstätigkeit. 3
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34
bestimmt wird. Es wird z. B. der Name einer Stadt ge-
werden zeigt und es soll der Name des Flusses ausgesprochen,
an dem diese Stadt liegt (Münsterberg a. a. 0.) u. s. w.
B. Reaktionen ohne eindeutige Zuordnung.
Auch hier besteht dem Charakter des Experimentes ent-
sprechend eine im allgemeinen umgrenzte Zuordnung, jedoch
ist die Anordnung so gewählt, daß die spezielle Zuordnung
der Versuchsperson überlassen ist Es ist klar, daß auf
diese Weise eine Untersuchung der Willenstätigkeit und
anderer psychischer Punktionen in weiterem Umfange mög-
lich ist. Es lassen sich vorläufig Eeaktionen ohne Zuord-
nung des Reizes, Reaktionen ohne Zuoi'dnung der Tätigkeit
und Reaktionen ohne Zuordnung des Reizes und der Tätig-
keit unterscheiden.
Die Reaktionen A 11 u. m wurden früher vielfach als
Wahlreaktionen bezeichnet, da man von der Ansicht ausging,
daß bei diesen bereits eindeutig zugeordneten Prozessen die
Ausführung der Bewegung von einer Wahl abhängig sei.
Zu den bedingten Reaktionen sind auch die Durchgangs-
beobachtungen der Astronomen zu rechnen, welche in jüngster
Zeit von Alechsieff einer speziellen Untersuchung unterzogen
wurden. Während jedoch bei den obigen bedingten Reaktionen
die Reaktions-Bedingung objektiv gegeben ist und fest hegt,
hängt die Reaktions-Bedingung bei diesen Durchgangsbeobach-
tungen wesentUch von dem subjektiven Geschehen des Beob-
achters ab, womit die schwankenden und individuell verschiedenen
Zeitwerte zusammenhängen. Denn ein subjektiver Maßstab kann
dem wechselnden psychischen Geschehen entsprechend nie ein
fester sein^.
Die Reaktionen mit Zuordnung lassen sich noch in mannig-
facher Weise erhebUch erweitem. Die Versuchsperson kann
vorher in der Weise instruiert werden, daß sie bei einer be-
grenzten Anzahl von bekannten Eindrücken erst dann reagiert,
1. Zu den bedingten Reaktionen lassen sich unter Umständen auch
die Erkennungsreaktionetf rechnen, insofern bei denselben der Moment
der richtigen Erfassung des Beizeindruckes der subjektiven Eon trolle
der Versuchsperson unterliegt (vergl. hierzu 0. Kfilpe Grundriß der
Psychologie S. 431).
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35
wenn sie den gegebenen Eeiz als solchen den anderen gegen-
über unterscheidet (: Unterscheidungs-Eeaktion :). Auch Eeize
verschiedener Sinnesgebiete können mit einer gleichbleibenden
oder mit verschiedenen vorher zugeordneten Bewegungen beant-
wortet werden. XJberhaupt l^eten die Beaktionsuntersuchungen
besonders diejenigen ohne Zuordnung ein weites Gebiet für
experimentelle Forschung. Es ist in ihnen, wie Külpe* sagt,
»die Möglichkeit geboten, ein großes Gebiet unserer wichtigsten
psychologischen Erfahrungen von den einfachsten Triebhandlungen
bis hinauf zu komplizierten Willenshandlungen zu analysieren
und der Erklärung zugänglich zu machen, falls nur die Bedin-
gimgen erfüllt sind, daß jede solche Handlung mit einem
Sinneseindruck beginnt und mit irgend welchen bestimmten
Bewegungen endet«.
§5.
Reaktionen mit einfacher Zuordnung.
Die ursprüngliche Absicht ging dahin, die früher als Wahl-
reaktionen bezeichneten Vorgänge d. h. Reaktionen mit mehr-
facher, eindeutiger Zuordnung einer Untersuchung zu unterziehen.
Bei diesen Untersuchungen wurden auch Reaktionen mit ein-
facher Zuordnung ausgeführt, die vor allem den Zweck hatten,
Anomalien in der jeweiligen Tagesdisposition festzustellen, eine
Vorsicht, die sich später als unnötig herausstellte. Da nun bei
diesen einfachen Reaktionsversuchen die experimentelle Selbst-
beobachtung nicht in der geschilderten Weise zur Durchführung
kam, so können dieselben bei der folgenden Darstellung nicht
verwendet werden. Dagegen wurden nach Ausführung der
mehrfach zugeordneten Reaktionen noch einige ergänzende Reihen
von Reaktionen mit einfacher Zuordnung ausgeführt, deren Be-
sprechung wir uns zuerst zuwenden wollen.
Es wurden sogenannte einfache Reaktionen, sowie Erken-
nungs- und bedingte Reaktionen in die Untersuchung einbezogen.
1. 0. Külpe» Anfänge und Aussichten der exper. Psychologie,
Arch. f. Gesch. d. Philos. — Bd. VI, S. 466.
3*
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36
Bei sämtlichen Versuchen wurde der Reiz visuell durch den
Kartenwechsler geboten. Versuchszeit, insofern nicht anders
angegeben, zwischen 11 und 1 Uhr.
a) Einfache Reaktionen.
Bei den einfachen Reaktionen erschienen weiße Karten zur
Auslösung der Bewegung und zwar wurde sowohl die sensorische
als die motorische Form der einfachen Reaktion untersucht, die
Art der Vorbereitung sollte durch die Insüniktion festgelegt
werden. Die Versuchsperson hatte den mit dem rechten, beziehw.
linken Zeigefinger niedergedrückten Hebel eines Morsestasters
1 beim Erscheinen des Reizes loszulassen. Die Vorperiode dauerte
ca. 3 Sekunden, war also länger als die Einstellungszeit früherer
Versuche, bei denen l*/2 Sek. als die beste Zeit für die Ein-
stellung gefunden wurden K Doch haben wir es dort mit ununter-
brochenen, rhythmisch einander folgenden Versuchen zu tun, die
bereits unter hoher Übung stehen, während hier nach jedem Ver-
such die Analyse der Selbstbeobachtung erfolgte und eine maximale
Übung überhaupt nicht zur Ausbildung kam. Unter diesen Um-
ständen schien diese relativ lange Dauer der Vorperiode adaequat,
und in der Tat wurde sie auch nur in seltenen Ausnahmen von
der Versuchsperson als zu lang empfunden. Für eine gute Ein-
stellung und für die spätere Analyse ihres Inhaltes hat sie sich
vielmehr als recht praktisch erwiesen.
Die Instruktion bei den sensoriellen Reaktionen lautete: »Bei
Jetzt wird der Finger nach unten gedrückt, ungefähr 3 Sekimden
später wird eine weiße Karte erscheinen. Sobald Sie die weiße Karte
sehen, lassen Sie den Finger los. Richten Sie die Aufmerksamkeit
auf den kommenden Eindruck. Nachher schüdem Sie, was Sie
erlebt haben!« Diese Anweisung wurde am ersten Tage zwei-
mal gegeben, am 2. Tag einmal. Später wurde nur gesagt
»Instruktion wie gewöhnlich«. Doch wurde sie gelegentlich auch
noch zwischen den einzelnen Versuchen wiederholt, besonders
wenn ein Mißverständnis oder eine falsche Einstellung Platz
gegriffen hatte. Außerdem ging jedem Versuch ein allgemeines
Avertissement »fertig« voraus, um der Vp. Gelegenheit zu geben,
1. vergl. Dwelshauwers, Philos. Stud. Bd. 6, S. 217 ff; 1891.
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37
sich in ihrer äußeren Haltung einzurichten. Bei den mus-
kulären Reaktionen war die Instruktion in der Fassung gleich,
nur wurde eine entsprechende Änderung eingefügt »Richten sie
die Aufmerksamkeit auf die auszuführende Bewegung!« Waren
bereits sensorielle Reaktionen vorhergegangen, so woide noch
hinzugefügt »nicht auf den kommenden Eindruck«.
Ich möchte gleich jetzt bemerken, daß die erwähnte Instruktion
kein eindeutiges Verhalten der Versuchsperson bedingte. Ent-
sprechend der Lange sehen Aufstellimg wollte ich durch die An-
weisung »Richten Sie die Aufmerksamkeit auf den konmienden
Eindruck beziehw. auf die auszuführende Bewegung« eine Richtung
der Aufmerksamkeitseinstellung bewirken. Es zeigte sich aber bei
diesen und den späteren Versuchen die der Psychologie bekannte
Tatsache, daß die Bedeutung dessen, was wir Richtung der Auf-
merksamkeit nennen, durchaus nicht eindeutig ist (vergl. Kap. IV).
Während dem Sinne der Instruktion gemäß durch diese Art
der Einstellung eine höhere Bereitschaft des Sinnesorganes für
die Apperception des Eindruckes oder des motorischen Organes
für die auszuführende Bewegung erreicht werden sollte, verhielt
sich die Versuchsperson, durch die Instruktion veranlaßt, zuweilen
in der Weise, daß sie dem in der Vorperiode gegebenen Inhalte
z. B. Spannungsempfindungen ihre Aufmeiiosamkeit zuwandte,
dieselben also während ihres Bestehens beobachtete.
Derartige Selbstbeobachtungen kamen besonders bei zwei Ver-
suchspersonen vor. Sie sind abgesehen von Anderem insofern
von Interesse, als sie mit Änderung der Instruktion verschwinden,
während dies bei den durch die Fragestellung der Nachperiode
veranlaßten Selbstbeobachtungen nicht der Fall ist Es war in-
folgedessen noch notwendig, der Versuchsperson einzuschärfen,
während der Vorperiode möglichst wenig Selbstbeobachtungen
durchzuführen.
Versuchsreihen stehen von den Versuchspersonen H, J, K,
L zur Verfügung. Nur die Versuchsperson J hatte schon vorher
längere Versuchsreihen (Associationsreaktionen) ausgeführt Die
übrigen hatten nur bei psychologischen Übungen gelegentlich
reagiert Die Versuche verteilen sich auf 39 Tage mit zusammen
218 Einzelversuchen. Hierzu konmien noch einige spätere Reihen,
welche den Vexirversuchen vorhergingen. (Versuchszeit bei L
im 1. Teil der Versuche Abends V«? Uhr, im 2. Teil Vor-
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38
mittag 9 Uhr). Wir besprechen zuerst die Eesultate von H,
J, L.
Es wurden an 6 Tagen sensorielle, dann an 6 Tagen mus-
kuläre Eeaktionen durchgeführt, und zwar wurde jeweils an den
beiden ersten Tagen mit dem rechten Zeigefinger reagiert, an
den beiden folgenden Tagen mit dem linken, am 5. Tag mit dem.
rechten, am 6. Tag mit dem linken Zeigefinger. Bei L fallen
die beiden letzten Tage der motorischen Reihe weg.
Sensorielle Reihe.
Die Vorbereitung auf den konmienden Eindruck war
nicht nur bei den verschiedenen Versuchspersonen verschieden,
auch die gleiche Versuchsperson verhielt sich bei den fortlaufenden
Versuchen der Reihe wechselnd. Im allgemeinen zeigte allerdings
die einzelne Versuchsperson bei den verschiedenen Versuchen ein
übereinstimmendes Verhalten.
Versuchsperson H.
Bei Jetzt wurde der Pinger auf den Taster niedergedrückt
mit dem Wissen, daß er niedergedrückt werden soll. Dann wurde
die Blechplatte (Verschlußplatte des Kartenwechslers) fixiert und
innerlich gesprochen »wird gleich kommen« oder »jetzt kommts«
»jetzt kommts« mit der Bedeutung, daß dort, wo fixiert wird,
etwas (L e. weiße Karte) eintreten wird. Dabei bestanden
Spannungsempfindungen als sinnliche Begleiterscheinungen der
Aufmerksamkeitskonzentration in den Augen, Stimgegend, Schläfen,
zuweilen auch in den Gesichtsmuskehi und in den Schultern,
sowie ein Anhalten des Atems. Spannungsempfindungen in der
Hand oder im Pinger waren nur ausnahmsweise vorhanden.
Trotzdem war in dem gesamten Spannungszustand das Wissen
enthalten, daß sofort reagiert werden soll, ohne daß dies innerlich
gesprochen wurde, oder sonst phänomenologisch repräsentiert war.
Außerdem bestand die Bewußtheit, daß in kurzer Zeit das Er-
wartete eintreten d. h. die Karte kommen wird, also neben der
sonstigen Bestimmtheit des Erwarteten auch eine zeitliche Kom-
ponente.
Die Erwartung selbst konzentrierte sich auf die kommende
Karte, so daß diese im Mittelpunkt des gesamten Erlebnisses
stand. Aber nur ausnahmsweise war dieselbe visuell gegeben
(1. Versuch des 5. Tages), und auch hier war es nur »wie die
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39
Andeutung eines visuellen Streifens an der oberen Kante der
Verschlußplatte, dessen Helligkeitsqualität nicht als weiß zu be-
zeichnen war«. Sonst war die weiße Karte nur als Bewußtheit
im Erwartungsinhalt gegenwärtig d. h. Versuchsperson wußte,
daß dort, wo sie fixierte, die weiße Karte erscheinen wird, ohne
daß dieser auf die weiße Karte sich beziehende Vorstellungsinhalt
anschaulich repräsentiert war. Vom 4. Versuche des 3. Tages
an umfaßte die Fixation nicht mehr die ganze Platte, sondern
es wurde nur der obere Rand der Platte fixiert, damit die Karte
beim Erscheinen sofort gesehen werden konnte. Hiermit ging eine
Änderung des akustisch-kinästhetischen Vorstellungsbildes einher,
indem jetzt »Karte konmit« (2 — 3 mal) oder »Kante« (3 — 4 mal)
innerlich gesprochen wurde. Hier kam es dann auch vor, daß
bei der Fixation nicht etwas (i. e. die Karte), sondern etwas
(i. e. die obere Kante der Karte) erwartet wurde, so beim 2. Ver-
such des 6. Tages, wo der Zustand einer sehr stark gespannten
Erwartung vorlag mit der gleichzeitigen Bewußtheit, daß nach
Erfassung des Eindruckes sehr schnell reagiert werden soll
(Dauer =» 159 a). Dieser Teil des Vorsatzes, nämlich möglichst
rasch zu reagieren, trat überhaupt mehr und mehr hervor. Extrem
sensorielle Reaktionen, bei denen sich die gesamte vorbereitende
Spannung dem zu erwartenden Sinneseindruck zuwandte, ohne
daß an die auszuführende Bewegung gedacht wurde, kamen
ebenfalls zur Beobachtung. Derartige rein sensorielle Reaktionen
zeichneten sich durch relativ hohe Zeitwerte aus, so ergab der
3. Versuch des 4. Tages einen Zahlenwert von 241 er. Ebenso
der 3. Versuch des letzten Tages mit aufmerksamer Erwartung
der oberen Kante der Karte 173(7, gegen 159(7 des vorher-
gehenden Versuches u. 145 a des darauf folgenden, bei denen die
Bewußtheit, daß schnell reagiert werden soll, gegeben war. Nur
einmal kam diese Bewußtheit auch sprachlich zum Ausdruck
durch die Worte »sofort« »reagieren«. Doch war dieses Ver-
halten durch «ine Störung in der Vorperiode veranlaßt worden.
Während in allen diesen Fällen die Erwartung des kom-
menden Eindruckes im Mittelpunkte der Erwartungsspannung
stand, kamen doch, der Instruktion widersprechend, vereinzelte
Reaktionen vor (2. und 4. Versuch des 5. Tages), bei denen die
Aufmerksamkeit auf die auszuführende Bewegung gerichtet war.
Derartige muskuläre Reaktionen zeichnen sich durch stark her-
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40
vortretende Spannungen in dem reagierenden Organ (Hand und
Finger) aus, Spannungen, welche den Charakter der später zu
beschreibenden intentionalen Bewegungsempfindungen aufweisen,
also mit der Bewußtheit auftreten, daß dort, wo diese Spannungen
sind, sehr bald reagiert werden soll. Ein Grund für das aus-
nahmsweise Auftreten dieser Reaktionsform konnte von der Ver-
suchsperson nicht angegeben werden. Diese muskulären B«ak-
tionen genügten nicht der Lang eschen Forderung, daß an den
bevorstehenden Sinneseindruck überhaupt nicht gedacht werden
soll. Es bestand zwar keine intensive Bewußtheit des kommenden
Eindrucks, aber ein Wissen, daß eine Veränderung eintreten
wird, auf welche sich die Spannungsempfindung bezieht, war bei
der Fixation der Platte gegeben. Hiermit mag die relativ lange
Dauer der beiden Versuche mit je 177 a zusanmienhängen. Sie
waren keine Typen extrem muskulärer Form*. — Bei verschie-
denen Versuchen z. B. den 4 letzten Versuchen des vorletzten
Tages lag während der Vorperiode ein Zustand der Erregung und
Ungeduld mit leichter Unlust vor.
Versuchsperson J.
Bei Jetzt wurde der Hebel des Tasters niedergedrückt mit
dem Wissen, daß er niedergedrückt werden soll. Dieser Vorgang
war zuweilen in der Weise auseinander gezogen, daß Spannungs-
empfindungen im betreffenden Finger gegeben waren mit dem
Wissen, daß niedergedrückt werden soll, worauf dann der Hebel
niedergedrückt wurde.
Hierauf verstärkte Richtung der Aufmerksamkeit auf die
Verschlußplatte und Einstellung auf die kommende Karte. Bereits
vom 3. Versuch des 1. Tages an wurde der obere Rand der
Platte schärfer fixiert D^e Erwartung war ähnlich wie bei H
eine Bewußtheit: dort, wo fixiert wird, wird etwas (i. e. Karte)
erscheinen. Es besteht keine visuelle Vorstellung der Karte,
auch kein innerliches Sprechen, nur Spannungsempfiadungen in
der Augengegend sind gegeben. Aber trotzdem ist eindeutig
bestimmt, was kommen wird. Es könnte z. B. in dem betref-
fenden Moment sofort gesagt werden, was erscheinen wird.
Außerdem besteht die Bewußtheit, daß die Veränderung in aller-
1. vergl. auch die Schilderung der Hauptperiode bei dieser Ver-
Buchsperson.
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41
nächster Zeit eintreten wird, daß sie möglichst rechtzeitig bemerkt
werden muß, sowie die Bewußtheit, daß diese Veränderung »mit
meinem Verhalten in Beziehung stehen wird« oder »daß bei
dieser Veränderung meinerseits etwas geschehen soll«. Was
geschehen soll, ist eindeutig bestinunt, nämlich den nieder-
gedrückten Pinger loszulassen, ohne daß aber Spannungsempfin-
dungen in diesem Körperorgan irgendwie nachweisbar sind^.
Es ynrd also durch die Einstellung der Aufmerksamkeit
der Vorsatz entwickelt, die kommende Karte möglichst rasch
aufzufassen und danach möglichst rasch zu reagieren. Der Zu-
stand des Vorsatzes geht dann gegen Ende der Vorperiode
in einen Zustand der aktiven gespannten Erwartung über, in dem
die Erwartung der kommenden Veränderung (i. e. der erscheinenden
Karte) im Vordergrund steht, in dem aber auch noch die übrigen
Elemente des Vorsatzes, möglichst rasch aufzufassen und möglichst
rasch loszulassen, als Wissen gegenwärtig sind. Der gesamte
Komplex ist simultan gegenwärtig bei der bestehenden Spannung,
ohne daß jedoch Einzelheiten hervortreten.
Mit zunehmender Übung traten mit dem Nachlassen der
Aufmerksamkeitsspannung die verschiedenen Elemente des beim
Vorsatz und bei der aktiven Erwartung gegebenen bewußten Kom-
plexes mehr imd mehr zurück. Schon bei den zwei letzten Ver-
suchen des 2. Tages wurde überhaupt nicht mehr an die auszu-
führende Handbewegung gedacht, ebenso bei den 2 letzten Versuchen
des 3. Tages, beim 2. Versuch dieses Tages, sowie bei 3 Versuchen
des 4. Tages. Bei diesen rein sensoriellen Reaktionen, dei-en
Zeitwerte kein aus der Reihe fallendes Verhalten zeigten, trat
zuweilen wieder die Erwartung der kommenden Karte mehr
hervor, was durch inneres Sprechen »Da muß die Karte er-
scheinen« (letzter Versuch des 3. Tages) oder »muß jetzt konunen«
(1. Versuch des 4. Tages) zum Ausdruck kam.
Am vorletzten Tage war bei dieser Erwartung der konunenden
1. Die Schilderung dieser »Bewaßtheiten« ist für die Versuchs-
person sehr schwierig, da der Inhalt zwar eindeutig bestimmt ist, der-
selbe aber, da eine phänomenologische Bepräsentation nicht vorliegt,
beziehw. nicht nachgewiesen werden kann, sprachlich nur schwer zu
fassen ist. Dies sind die Fälle, wo an die Fähigkeit der Selbstbeob-
achtung und die vorsichtige Fragestellung des Versuchsleiters die größten
Anforderungen gestellt werden.
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42
Karte zweimal ein schwaches visuelles Bild einer sich nach unten
bewegenden Karte, über deren Farbe nichts angegeben werden
konnte, nachzuweisen Die muskuläre Form der Reaktion kam
hier überhaupt nicht zur Beobachtung. Nur einmal war die An-
deutung einer solchen insofern vorhanden als mit dem Wissen,
daß bei der eintretenden Veränderung »bei mir« eine eindeutig
bestimmte Veränderung (i. e. die Bewegung des linken Zeige-
fingers) statt zu finden hat, eine Empfindung vorhanden war, als
bewegten sich die Augen nach der linken Köiperseite, wodurch
die Richtung, wo die Bewegung stattfinden sollte, angezeigt
wurde.
Versuchsperson L.
Bei Jetzt: Niederdrücken des Tasterhebels mit dem Wissen,
daß niedergedrückt werden soll, später zuweilen auch "hierbei
Gefühl der Zufriedenheit und ein Wissen wie »dies ist gut«.
Hierauf Fixieren der Verschlußplatte und fast immer innerliches
Sprechen wie »jetzt möglichst schnell reagieren«, »so schnell als
möglich«, »sobald ich sehe, in die Höhe fahren«, »schnell rea-
gieren« einigemal wiederholt, »möglichst schnell« einige mal,
ebenso »bald, möglichst schnell« »möglichst momentan«. Hierbei
bildete sich eine allgemeine Spannung mit den sinnlichen Begleit-
erscheinungen aus, aber ohne irgendwelche Spannungsempfin-
dungen im reagierenden Organ (zuweilen Atem anhalten). Außer-
dem entwickelte sich bei dem wiederholten inneren Sprechen
die Bedeutung des Vorsatzes in dem Sinne, mögUchst gleich-
zeitig, momentan mit dem Auffassen der weißen Karte zu rea-
gieren. Diese Absicht, möglichst gleichzeitig mit dem Erscheinen
der Karte zu reagieren, war gewöhnlich in der Weise gegeben,
daß in gleichem Takte mit dem Erscheinen der Karte los gelassen
werden soll, ähnlich wie wenn der Dirigent den Taktstock bewegt
und möglichst gleichzeitig eingesetzt werden soll. Bei den ersten
Versuchen waren auch visuelle Vorstellungen des sich bewegenden
Taktstockes, über deren optische Qualität jedoch nichts angegeben
werden konnte, hiermit verbunden, zuweilen waren solche auch
in den Zwischenpausen vorhanden; später, schon bei den letzten
Versuchen des 1. Tages waren dieselben nicht mehr nachzuweisen.
Dagegen entwickelte sich stets mit dem inneren Sprechen das
eindeutige Wissen, mögUchst gleichzeitig die beiden Veränderungen
(i. e. die Auffassung und das Loslassen) vor sich gehen zu lassen.
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43
Die Wiederholung des inneren Sprechens, welche vom 3. Tage
an Begel war, diente dazu den Spannungsgrad allmählich mehr
und mehr zu erhöhen, weil beim erstmaligen Sprechen noch nicht
die Höhe der Spannung und ihres Bedeutungsinhaltes gegeben
war und zudem beim ersten Mal noch Zerstreuungen vorhanden
zu sein pflegten. Mit der Einstellung und dem Vorsatz war stets
gleichzeitig das bewußte Streben verbimden, alle anderen, nicht zu-
gehörigen Gedanken möglichst auszuschalten. Die Versuchsperson
kann nach ihren Angaben den Zustand der gespannten Auf-
merksamkeit nicht plötzlich herstellen, deshalb innerliches Sprechen
in Worten, damit durch die Worte möglichst bald der Inhalt
gegeben ist Gtegen Ende der Vorperiode (kurz vor dem Er-
scheinen des Reizes) war dann der Inhalt des Vorsatzes in der
Hegel als unteilbares Ganzes gegeben, ohne daß innerlich gesprochen
wurde. Der Eintritt dieser aktiven gespannten Erwartung hing
von der Länge der Vorperiode ab, beziehw. davon, wie rasch die
Versuchsperson sich eingestellt hatte.
Hier trat dann auch zuweilen (z. B. beim 1. Versuch des
4. Tages) die zeitliche Komponente, daß der Eindruck innerhalb
einer gewissen Zeit, nämlich sehr bald kommen wird, hervor^
während dieselbe beim Vorsatz selbst nicht in dieser Weise
gegenwärtig war. Dabei war die Aufmerksamkeit darauf gerichtet^
das Erscheinen des Reizes und die Bewegung des Fingers mit
möglichst kleiner Zwischenpause, mögUchst gleichzeitig vor sich
gehen zu lassen. Oder es konnte, besonders bei etwas verlängerter
Vorperiode das Wissen auftreten »jetzt könnte es schon da sein«,
ohne daß dies jedoch innerlich gesprochen wurde. In diesem
Teile der Vorperiode traten zuweilen auch kleine Schwankungen
der Aufmerksamkeit auf. Erschien zur Zeit einer stärkeren Ab-
flachung der Aufmerksamkeitswelle der Reiz, so machte sich eine
Verlängerung des Zeitwertes bemerkbar (211 a beim letzten Ver-
suche des vorletzten Tages). Wurde gegen Ende der Vorperiode,
nachdem die Einstellung beendet war, und der gesamte Komplex
gegenwärtig war, noch einmal innerlich gesprochen z. B. »mög-
lichst rasch«, was insgesamt zweimal vorkam, so diente dies nicht
zur Förderung des Ablaufes, sondern wurde als Störung empfunden
(224 <j letzter Versuch des 1. Tages).
Eine Einstellung auf den Inhalt des Vorsatzes, ohne daß
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vorher innerlich gesprochen wurde, kam nur einmal zur Beob-
achtung (4. Versuch des 4. Tages 193 a).
Wenn nun auch im Vorsatz selbst bei der Fixation der
Verschlußplatte die Erwartung des kommenden Eindruckes in
der geschilderten Weise gegeben war (zweimal war bei der Ein-
stellung auf die weiße Karte eine verschwonunene, visuelle Vor-
stellung von »Weiß«, das vielleicht die Helligkeit eines mittleren
Grau hatte, gegeben), so war doch das vorherrschende der ge-
samten Einstellung die Tendenz, mögUchst rasch zu reagieren.
Sämtliche Versuche hatten also einen muskulären Charakter,
ohne daß aber Spannungsempfindungen in ^em ausfühi'enden
Organe oder ein sonstiger Hinweis z. B. ein visuelles Bild des
Muskelorgans irgendwie nachweisbar hervorgetreten wären. Daß
aber die reagierende Hand tatsächlich auf die Bewegung stark
eingestellt war, zeigt sich nach dem Beagieren nicht selten durch
ein Vibrieren der Hand beziehw. des Zeigefingers (z. B. letzter
Versuch des 3. Tages 161 a).
Die gesamte Spannung der Aufmerksamkeit nahm im Laufe
der Versuche während der ganzen Eeihe und auch bis zu einem
gewissen Grade bei den Versuchen des gleichen Tages ab. Der
Zustand der Anstrengung und 'des Gespanntseins trat zurücL
Es ist keine anstrengende Einstellung mehr nötig, und das Ver-
halten ist ein ruhigeres, gleichgültigeres geworden. Aber auch
noch beim letzten Versuch des letzten Tages ist die Einstellung
insofern konzentriert als der gesamte Inhalt des Vorsatzes klar
gegenwärtig ist
Einheitlicher als in der Vorperiode war das Verhalten der
drei Versuchspersonen in der Hauptperiode.
Versuchsperson H.
Nur beim ersten Versuch wurde nach dem Erscheinen der
Karte nicht sofort reagiert Es war der Versuchsperson so, als
ob erst eine gewisse innere Trägheit überwrmden werden mußte.
Hiermit gleichzeitig oder daran anschließend war die Bewußtheit
gegeben, daß reagiert werden soll. Dann ging der Pinger in
die Höhe. Doch schon beim 2. Versuch ging der Finger nach
dem Erscheinen der Karte unmittelbar in die Höhe, was von
da ab normalerweise immer der Fall war. Hierbei besteht un-
mittelbar nach dem Vereuch in der Nachperiode noch das Wissen,
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daß der Finger in die Höhe ging. Nur bei Störungen in der
Vorperiode trat vor der Bewegung die Bewußtheit auf, daß rea-
giert werden solL Hier war beim Erscheinen des Reizes ein
»XJberwinden«, ein »Loswerden« von der ablenkenden Störung
notwendig (1. und 3. Versuch des 2. Tages 638 er, 256 a). Auch
die Apperception des Reizes war bei derartigen Ablenkungen
verzögert (5. Versuch des 1. Tages 353 a). Beim 4. Versuch
des 1. Tages (457 a) war die verzögerte Apperception und
infolge dessen die verlängerte Reaktion auffallender Weise
durch Spannungsempf indimgen im Finger veranlaßt worden, mit
denen sich die Versuchsperson in der Vorperiode auf die aus-
zuführende Bewegung eingestellt hatte. Mit der Reaktions-
bewegung war bei einigen Versuchen ein Zustand der Erleich-
terung (leichtes Lustgefühl) verbunden. Über die Art und Weise,
wie die Karte aufgefaßt wurde, konnte gewöhnlich keine An-
gabe gemacht werden. Bei völliger Apperception der Karte
dauerte die Reaktion länger als gewöhnhch (1. Versuch des
3. Tages 367 a). Doch war beim 2. Versuch des folgenden
Tages die Karte angeblich ebenfalls vollständig wahrgenommen
worden, obwohl die Reaktionszeit nur 163 a betrug. Der Ein-
stellimg entsprechend wurde an den 3 letzten Tagen reagiert,
sobald die Kante der Karte bemerkt war. Die Bewegung
wurde mehr und mehr automatisch, so daß vom vorletzten Tag
ab häufig über die Ausführung der Bewegung überhaupt nichts
mehr ausgesagt werden konnte. Auch in diesen Fällen wird die
Bewegung von der Versuchsperson stets als eine gewollte be-
zeichnet. Zuweilen machten sich nach dem Reagieren Span-
nungsempfindungen in der Hand und im Finger bemerkbar.
Hier waren dann sehr kurze Zeiten erhalten worden (137 er
3. Vers, des vorl. Tages, 145 a 4. Vers, des letzten Tages).
Versuchsperson J.
Beim Erscheinen der Karte war beim ersten Versuche ein
Zustand der Überraschung und Verwirrung gegeben, d. h. Versuchs-
person wußte nicht, was sie tun sollte, dann trat die Bewußtheit
auf, daß reagiert werden soll, worauf der Finger in die Höhe ging
(611 a). Beim zweiten Versuch trat nach dem Erscheinen die
Bewußtheit auf, daß reagiert werden soll, hierbei waren Organ-
empfindungen im Kopf und im rechten Finger vorhanden, worauf
die Bewegung erfolgte (356 a). Beim 3. Versuch ging nach dem
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Auffassen der Karte der Finger unmittelbar d. h. ohne die er-
wähnte Bewußtheit in die Höhe (322 a). War die Vorbereitung
nicht gut (keine starke Konzentration), so pflegte nach dem Er-
scheinen der Karte diese Bewußtheit stets aufzutreten (4. Ver-
such 463 a, 3. Versuch des 2. Tages 212 a). Hatte in der Vor-
periode eine Störung z. B. durch Selbstbeobachtung stattgefunden,
so war das Verhalten wie beim 1. Versuch (IJberraschimg, Be-
wußtheit und Bewegung, 2. Versuch des 2. Tages 310 a und
2. Versuch des 5. Tages 392 a).
Vom 6. Versuch des 2. Tages an fiel die Bewußtheit, daß
reagiert werden soll, endgültig weg, die Bewegung wurde auto-
matisch. Die Handlung wurde aber stets als eine gewollte be-
zeichnet Am letzten Tage konnte bei 2 Versuchen in der
Nachperiode über die Ausführung der Bewegung nichts mehr
angegeben werden.
Versuchsperson L.
Hier ging sofort beim ersten Versuch nach der Auffassung
des Reizes der Finger unmittelbar in die Höhe (176 a). Die
Bewegung wird als eine gewollte bezeichnet. Nur beim 1. Ver-
such des 2. Tages war nach dem Erscheinen des E^izes eine
Pause, ohne daß diese Pause ausgefüllt war. Hierbei war das
Wissen gegeben, daß es länger dauerte als sonst (256 a). Über
die Auffassung des Reizes konnte keine andere Angabe gemacht
werden als die, wenn »etwas Weisses« gesehen wurde, ging der
Pinger in die Höhe.
Eine Zusammenstellimg der bei der sensoriellen Reihe er-
haltenen Zeitwerte gibt uns die folgende
Tabelle a.
H
J
L
z
177
215,5
176
Zu:Zo
160,5 : 234,5
168 : 271
161 : 189,5
MZ
74
103
28,5
n
29
22
21
F.R
—
1
—
In diese Tabelle sind sämtliche Zahlenwerte einbezogen mit
Ausnahme jener Werte, bei denen in der Vorperiode eine zu-
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fällige Störung z. ß. durch Selbstbeobachtung stattgefunden
hatte, sowie der Fehlreaktionen. Die ersteren werden später
(vergl. Tab. g) einer eigenen Betrachtung unterzogen. Die Zeit-
werte sind, wie üblich in a = Viooo See. angegeben.
Die Angaben der systematischen Selbstbeobachtung finden
in ihren allgemeinen Zügen durch diese Tabelle eine quantitative
Bestätigung. L mit dem mehr muskulären Charakter der Re-
aktion zeigt den kürzesten Zentralwert Ihm nähert sich H, wo
besonders im 2. Teil die Absicht möglichst rasch zu reagieren
hervortrat Dagegen weist J, bei dem sich nie eine Andeutung
reiner motorischer Einstellung fand, einen bedeutend höheren
Wert auf. Besonders interessant sind die Mittelzonen. Die
Versuche von L mit ihrer vorherrschenden Tendenz möglichst
rasch zu reagieren, zeigen diesem motorischen Verhalten ent-
sprechend den geringsten StreuungsbereicL Viel größer ist der-
selbe bei H und hierin ist der quantitave Ausdruck des Unter- ti
schiedes in der E^aktionsweise der beiden Versuchspersonen ge-
geben. Einerseits kommen hier die Streuungen zum Ausdruck,
welche durch rein sensorielle, sowie durch muskuläre Einstellung
nach oben und nach unten hin veranlaßt sind und so eine mehr-
gipflige Streuungskurve andeuten, andererseits hängt die größere
Mittelzone mit der gleichzeitig sensoriellen und muskulären Ein-
stellung der Versuchsperson zusanmien, ein Verhalten, das sich
insbesondere auch bei J fand und hier die Veranlassimg der
großen Mittelzone gewesen ist Bei J würde die aus einer
großen Versuchszahl gewonnene Streuungskurve ebenfalls dop-
pelte Erhebungen zeigen, da auch rein sensorische Reaktionen
zur Beobachtung kamen. Die einzige F. R bei J war am
3. Tage in der Weise zustande gekommen, daß die Einstellung
auf den kommenden Eindruck in der Vorperiode nicht intensiv
war und nach dem Eintritt der Veränderung reflektorisch auf
das Geräusch des Kartenwechslers der Finger in die Höhe ging
(187 &). Diese Bewegung wurde als eine nicht gewollte be-
zeichnet, weil sie durch das Greräusch und nicht durch die Auf-
fassung der weißen Karte veranlaßt war.
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48
Tabelle b.
H
J
L
Rechts
Z
n
224
11
227
10
176
9
Links
Z
n
170,5
18
171,5
12
174,5
12
In Tabelle b sind die Zentralwerte, die bei den Versuchen
mit dem rechten Zeigefinger erhalten wurden, denen mit dem
linken Zeigefinger gegenübergestellt Es zeigt sich auffallender
Weise, daß die Werte rechts bei H und J bedeutend größer
sind als die Werte links, obwohl beide rechtshändig sind. Es
kann dies durch die Zeitlage bedingt sein. Doch widerspricht
dem das Verhalten der drei letzten Tage, wo bei H 165,5 a
(links), 177 a (rechts) und 160,5 (links) als Zentralwerte erhalten
wurden. Viel eher dürfte die Erscheinung auf ein triebartiges
Eingreifen der Versuchsperson zurückzuführen sein ähnlich wie
es durch den Antrieb bei der fortlaufenden Arbeit geschieht.
Wie durch den Antrieb, sei es nun der Anfangs-, der Ermü-
dungs- oder der Wechselantrieb, eine Besserleistung bewirkt
wird, so sehen wir auch hier unter seinem Einflüsse die Zeit-
werte heruntergehen. Und wie der Antrieb die Besserleistung
bewirkt, ohne daß ein bewußter Entschluß diesem Verhalten
vorhergeht, so war der Versuchsperson auch bei unseren Ver-
suchen nicht bewußt, daß sie triebartig bei den Bewegungen
mit der ungeübteren linken Hand ihre Aufmerksamkeit viel
stärker konzentrierte als bei den übrigen Reaktionen. Doch be-
dürfen gerade diese Ausführungen dringend der weiteren experi-
mentellen Behandlung.
Tabelle c.
H
J
L
2 ersten
Tage
Z
n
234
5
283
7
180
6
2 letzten
Tage
Z
n
162,5
5
175
7
188
7
Zur Feststellung des Übungs- und Gewöhnungseinflusses
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49
sind in Tabelle c die Zentralwerte der zwei ersten Tage denen
der zwei letzten gegenüber gestellt. Es zeigt sich, daß die
Zeitwerte bei den Versuchspersonen unter dem Einflüsse der
Übung bedeutend abnehmen. L zeigt auch hier wieder ein
abweichendes Verhalten. Die Übung vermag bei ihm vom Ende
des 2. Tages an keinen oder nur einen sehr geringen Einfluß
auszuüben. Daß der Zentralwert der letzten Tage 188 a be-
trägt, ist ausnahmsweise und auf die drei letzten Versuche des
letzten Tages zurückzuführen.
Auf die verschiedenen Einflüsse, welche bei der Verkürzung
der Zeitwerte durch die Übung wirksam sind, werden wir später
zurückkommen.
Muskuläre Reihe.
Vorperiode,
Versuchsperson H.
Das Verhalten von H war erst vom 4. Tage an einheit-
licher, da es für die Versuchsperson ihrer Veranlagung ent-
sprechend schwer war, sich auf die auszuführende Bewegung
einzustellen.
Bei »Jetzt« wurde der Zeigefinger niedergedrückt imd es
trat die Bewußtheit auf, daß die Aufmerksamkeit auf die Be-
wegung zu richten sei. Hierbei oder kurz nachher waren Druck-
empfindungen in der Hand und im Finger gegeben. Es wurde
innerlich gesprochen »Bewegung«, »Bewegung« oder »sofort be-
wegen« oder »bewegen« »sofort bewegen« oder nur »bewe . . .«
Hierdurch entwickelten sich eigentümliche Spannungsempfin-
dungen im Finger, welche sich durch ihre Beziehung zur aus-
zuführenden Bewegung als intentionale Bewegungsempfindungen
erwiesen. Während dieser Vorgänge wurde die Verschlußplatte
starr fixiert, ohne daß die Platte in ihren Einzelheiten deutlich
gesehen wurde. Zwischen dem Fixieren der Platte und den
intentionalen Bewegungsempfindungen war eine bewußte Be-
ziehung in dem Sinne gegeben, daß auf eine, sich auf das Hin-
sehen beziehende Veränderung (i. e. das Erscheinen der Karte)
reagiert werden soll. Eine genauere Analyse dieses Vorganges
war nicht möglich. Man kann nur sagen, daß ein eindeutiges
Wissen davon besteht, daß möglichst schnell reagiert werden
Ach, WiUenstatigkeit. 4
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50
soll, sobald an der Platte die bekannte Veränderung eintreten
wird. In diesem Komplex überwiegt aber die in der Hand be-
stehende Spannlingsempfindung, welche den möglichst be-
schleunigten Eintritt der auszuführenden Bewegung repräsen-
tiert. Außerdem ist noch gegeben, daß diese Bewegung in
einer sehr kurzen Zeit eintreten soll.
Zuweilen kam es aber überhaupt nicht zur Ausbildung
der intentionalen Empfindungen mit dem zugehörigen bewußten
Komplex, sondern es bestanden nur Druckempfindungen im
Finger imd Spannungen in der Hand, welche im Mittelpunkte
des Erlebnisses standen, ohne daß eine Beziehung zur auszu-
führenden Bewegung und zur eintretenden Veränderung bestand.
Derartige Reaktionen dauerten lang (200 a, 199 a).
Sowohl auf diese Druckempfindungen, als auch auf die
intentionalen Bewegungsempfindungen richtete sich nicht selten
die Aufmerksamkeit in dem Sinne, daß sie beobachtet wurden,
-also Selbstbeobachtungen in der Vorperiode angestellt wurden.
Besonders bei den ersten Versuchen war dies häufiger der Fall,
ein Verhalten, das, wie früher erwähnt, hauptsächlich durch die
Instruktion veranlaßt war. Die Versuchsperson verhielt sich
bei diesen Beobachtungen auch in der Weise, daß nach der
Fixation der Blechplatte die Frage, ob Empfindungen in der
Hand vorhanden sind als Bewußtheit auftauchte, worauf durch
die Wahrnehmung der Berührung von Zeiger- und Mittelfinger
und durch Druckempfindungen im Unterarm eine innerUche Be-
jahung dieser Frage gegeben war. Die Selbstbeobachtung
diente hier als Kontrolle dafür, ob sich die Versuchsperson der
Instruktion entsprechend verhielt.
Die Spannungsempfindungen im Finger imd Unterarm
hatten erst vom dritten Tage an ausgeprägten intentionalen
Charakter. Hier war es dann der Versuchsperson, als ob etwas
Hand und Finger in die Höhe treibt, während vorher die Be-
stimmtheit, daß dort, wo sie bestehen, in kurzer Zeit die Be-
wegung eintreten wird, nicht gegeben war.
Auch die vorhergegangene sensorielle Instruktion, beziehw.
die Versuche der sensoriellen Reihe zeigten Nachwirkungen.
So schwankte die Aufmerksamkeit beim 1. Versuch zwischen
der Erwartung des kommenden Eindruckes und zwischen
Spannungsempfindungen im Arm hin und her. Beim Erscheinen
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51
des Reizes entstand eine leichte Verwirrung, da Versuchsperson
nicht gleich wußte, was sie tun sollte (174 o). Ahnlich beim
vorletzten Versuch dieses Tages. Zuerst Fixation der Platte
und Erwartung des kommenden Eindruckes, dann Gedanke,
daß die Aufinerksamkeit auf den Finger gerichtet werden muß
(als Bewußtheit) imd Auftreten von Druck- und Spannungs-
empfindungen im Finger, wobei innerlich gesprochen wurde
»schwer«', dann wieder Richten der Aufmerksamkeit auf den
kommenden Eindruck (193 a). Die Schwierigkeit, die für die
Versuchsperson in der Ausführung der Instruktion lag, machte
sich wiederholt geltend. So z. B. 5. Versuch: Erwartung des
kommenden Eindruckes, plötzHch Gedanke, daß dies falsch ist
und auf den Finger geachtet werden muß (wahrscheinlich nicht
innerlich gesprochen — bei anderen Versuchen wurde hier inner-
lich gesprochen »Finger, Finger« oder »Finger drücken« — ).
Hierbei Zusammenzucken und Erschrecken der Versuchsperson,
leichte Verwirrung und kleine Pause, dann Richten der Auf-
merksamkeit auf den Finger (= Auftreten von Spannungs-
empfindungen). Dabei Bewußtheit einer komischen Situation
(183(7).
Versuchsperson J.
Bei »Jetzt« sofortiges Niederdrücken des Fingers, Fixieren
der Platte, Wissen, daß die Aufinerksamkeit auf den Finger
gerichtet werden solP. Spannungsempfindimgen im Finger und
Arm »als ob ein Versuch da wäre, den Hebel loszulassen« oder
»als wollte er (Finger) sich nach oben bewegen«. Dabei meistens
noch Organempfindungen in derjenigen Hälfte des Oberkörpers,
deren Arm zu reagieren hatte mit dem Empfinden als zöge es
die Versuchsperson gegen den Taster hin. Zeitweise verschwindet
hierbei die Platte aus dem Bewußtsein. Im zweiten Teil der
Vorperiode, wo sich die gespannte Erwartung auch auf die ein-
tretende Veränderung erstreckt, pflegt dies nicht der Fall zu
sein. Die Platte wird aber »nur so neben her« betrachtet, da-
bei wird die ganze Platte fixiert. Erst vom 3. Tage an richtet
sich die Fixation auf den oberen Rand. Mit dem Hinsehen
auf die Platt« ist die bewußte Beziehung gegeben zwischen der
1. Nach der Instruktion soll die Aufmerksamkeit auf die auszu-
führende Bewegung gerichtet werden.
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52
kommenden Veränderung und der auszuführenden Bewegung,
Die Einstellung auf die auszuführende Bewegung stand in*
Mittelpunkt des Erlebnisses, sie nahm durch die allmählich an-^
wachsenden intentionalen Empfindungen im Knger und Arm
bis zum Ende der Vorperiode mehr und mehr zu und war mit
dem Wissen verbunden, daß in sehr kurzer Zeit die Bewegung^
ausgeführt werden soll und daß sie mögUchst rasch ausgeführt
werden soll. Diese intentionalen Empfindungen waren zuweilen
auch in der rechten beziehw. linken Augengegend gegeben, »ala
ob sich das Auge nach rechts unten zum Taster bewegen sollte«^
oder »als ob das Auge nach Hnks gedreht würde«, wobei der
Inhalt der Instruktion als Wissen gegenwärtig war. Eine
Änderung der Zeitwerte zeigten diese Reaktionen nicht (143y
142, 167, 144 a).
Die intentionalen Bewegungsempfindungen (Pinger, Arm)
können so überwiegen, daß eine Erwartung der kommenden
Veränderung nicht gegeben ist, sondern nur die Einstellung
auf die Bewegung besteht Während nun derartige rein
muskuläre E^aktionen am 1. Versuchstage relativ hohe Zeit-
werte zeigten (210, 228 o) , war dies bei späteren Versuchen
nicht mehr der Fall (167 a 4. Vers, des 4. Tages, 144 a 1. Vers,
des letzten Tages). Die Erwartungsspannung und auch die
starke Spannung der intentionalen Empfindungen nahmen mit
der fortschreitenden Übung am gleichen Tage und im Verlauf
der ganzen Reihe mehr und mehr ab. Beim Fixieren der Platte
war das Wissen um die Instruktion noch gegeben, es bestanden
aber nur sehr schwache Spannungsempfindungen in der Hand und
keine Erwartung des kommenden Eindruckes. Das ganze Ver-
halten in der Vorperiode wurde gleichgültiger. Die zeitliche Kom-
ponente der Einstellung und der Erwartung fehlten. Es war
ein Zustand passiver Erwartung. Doch war das Wissen, was zu
tun ist, immer noch gegenwärtig. Aber es war wie die Ver-
suchsperson sich äußerte »abgeblaßt«. Die Zeitwerte dieser
Versuche sind verhältnismäßig kurz (119, 132 a zwei letzten
Vers, des 5. Tages). Doch kommen auch längere Zeiten vor
(174, 165 a 1. und 3. Vers, des vorletzten Tages). Dazwischen
sind auch Versuche zu finden, bei denen stärkere Spannungs-
empfindungen auftreten, die jetzt im Gegensatz zu fiiiher während
ihres Bestehens beobachtet werden können, sowie Versuche, bei
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53
denen die Erwartung der kommenden Veränderung deutlich
gegenwärtig ist.
Reine sensorielle Reaktionen kamen nicht zur Beobachtung.
Nur einmal war am Schlüsse der Vorperiode die Erwartung
der kommenden Veränderung nach der vorherigen Einstellung
auf die Bewegung im Vordergrunde des Bewußtseins (3. Vers,
-des 4. Tages 144 o). Dagegen zeigte auch diese Versuchsperson
nicht selten die Nachwirkung der früheren Instruktion, indem
«in Schwanken zwischen der Einstellung auf die Bewegung und
-der Einstellung auf die Platte beziehw. die kommende Ver-
änderung zu bemerken war. So beim 3. Versuche. Zuerst
iHxation der Platte, dann Wissen, daß die Aufinerksamkeit auf
die auszuführende Bewegung zu richten ist, schwache Spannungs-
«mpfindungen in Pinger und Hand, dann wieder Einstellung
auf die Platte mit dem Wissen, daß dort eine Veränderung
i. e. Karte erscheinen wird. Dabei Unlust und Wissen, daß
dies nicht richtig, instruktionswidrig ist (209 o). AhnUch bei
den 3 letzten Versuchen des 2. Tages. Beim ersten dieser Ver-
suche siegte die Fixation der Platte und die ihr zugehörige Be-
deutung d. h. dieser Inhalt war nach dem Hin und Her am
Schluß der Vorperiode ausschließlich im Bewußtsein, dasselbe
völlig und dauernd erfüllend (338 a). Beim nächsten Versuche
«etzte sich dieser Kampf fort Fixation der Platte mit der Be-
wußtheit der kommenden Veränderung, dabei Wissen, daß die
Instruktion anders lautet. Das »anders« ist bestimmt durch
leichte, andeutungsweise auftretende Spannungsempfindungen in
der rechten Körperseite; auf diese sucht Versuchsperson die
Aufinerksamkeit zu richten, inneres Sprechen »muß los kommen«
dabei Organempfindungen im Kopf und für kurze Zeit Zurück-
treten der Platte und ihrer Bedeutung im Bewußtsein, dann
leichte Unlust (Arger) und weitere Fixation der Platte. Hier
erschien der Eeiz. Verlangsamte Auffassung, automatisches
Loslassen (295 a). Beim 3. Versuch des 2. Tages ähnüch, nur
war das Bewußtsein durch den Vorgang nicht so intensiv in
Anspruch genommen (254 a). Ebenso die beiden letzten Ver-
suche des vorletzten Tages (i46, 242 a),
Versuchsperson L.
Von dieser Versuchsperson stehen hier nur die vier erstea
Tage zur Verfügimg.
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64
Bei der Fixation der Platte war das Wissen, daß dort
etwas (i. e. Karte) erscheinen wird, eindeutig bestimmt (Ver-
suchsperson weiß, daß eine Karte erscheinen wird, ohne daß
irgendwelche visuellen Elemente oder irgendwelche akustisch-
kinästhetischen Vorstellungsbilder gegeben waren). Ebenso war
die Beziehung zur auszuführenden Bewegung gegeben durch
Empfindungen in der Hand, über deren QuaUtät vorerst nichts
angegeben werden konnte. Vom 2. Tage an traten diese
Spannungsempfindungen mehr hervor mit der QuaUtät, daß
hieraus eine Bewegung hervorgehen soll. Sobald diese Ein-
stellung gut gelungen war, wurde die Aufmerksamkeit auf die
Platte gerichtet mit dem Wissen, daß dort die Karte erscheinen
wird. Zuvor trat zuweilen noch die Bewußtheit in Gestalt einer
Frage auf »Ist die Spannung (in> Finger imd Hand) wie sonst?«
und mit der Bewußtheit der Bejahung (Zufnedenheit) wurde
die Aufmerksamkeit der Platte zugewendet. Es bestand jetzt
im 2. Teil der Vorperiode die Erwartung der kommenden Ver-
änderung. Zur Einleitung der Einstellung in der 1. Hälfte der
Vorperiode wurde häufig innerUch gesprochen »möglichst rasch«,
»möglichst rasch«. Wenn schon einige Versuche am gleichen
Tage gemacht waren, entwickelte sich die Einstellung auch ohne
dieses innere Sprechen, welches den Vorsatz möglichst rasch zu
reagieren, repräsentierte. Vor der Einstellung tauchte hier nach
Jetzt der Gedanke auf »was soll ich tun?«, worauf mit der Be-
wußtheit »mögUchst schnell« die Spannungsempfindungen in
der Hand auftraten. Diese wuchsen in ihrer Intensität an, und
es stellte sich wie oben eine eigentümUche Bewußtheit ein »ob die
Spannungen jetzt so sind wie fiiiher ?« Näheres konnte über diesen
Bewußtseinsinhalt, der sich unmittelbar als eine beruhigende
Kontrolle ergab, nicht gesagt werden. Es bestand außerdem
die Bewußtheit, daß die auszuführende Bewegung (intentionalen
Bewegungsempfindungen) in Beziehung steht mit der Veränderung
an der Platte. Ob diese Bewußtheit schon bei der Entwicke-
lung der Spannungsempfindungen vorhanden war, oder ob sie
erst, nachdem das gewünschte Maximum derselben erreicht war,
eintrat, Ueß sich nicht feststellen.
Die Veränderung an der Platte wurde gegen Ende der
Vorperiode in einer ungefähr bestimmten Zeit d. h. sehr bald
erwartet Tritt in diesem 2. Teil der Vorperiode, der aktiven
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55
Erwartung, kurz vor dem Erscheinen des Eeizes, wo die Ab-
sicht möglichst rasch zu reagieren in den intensiven intentionalen
Bewegungsempfindungen gegeben ist, zugleich aber auch die
Beziehung derselben zur eintretenden Veränderung gegenwärtig
ist, die visuelle Wahrnehmung der fixierten Platte oder die Be-
wußtheit des erscheinenden Etwas (i. e. Karte) deutiicher her-
vor, so wirkt dies als Störung. Beide Vorstellungen können
nicht in einer einigermaßen gleichen, sehr hohen Intensität
vorhanden sein. Auch bei starker Konzentration auf die
Spannungsempfindungen in der Hand ist doch eine Beziehung
zum erscheinenden Etwas gegeben; dieselbe liegt in den Span-
nungsempfindungen und der gleichzeitigen Fixation der Platte
schwach, aber eindeutig vor. Nur einmal scheint eine Beziehung
zur eintretenden Veränderung nicht vorhanden gewesen zu sein
(letzter Vers, des 2. Tages 184 a). Im 2. Teil der Vorperiode
machen sich die normalen Schwankungen der Aufmerksamkeits-
konzentration geltend und während des Nachlassens der Spannimg
tritt dann zuweilen die erwähnte Beziehung schärfer hervor oder
es macht sich ein Zwischengedanke (wie »es könnte bald los-
gehen«) bemerkbar.
Von der Einstellung bei den sensoriellen Versuchen unter-
scheidet sich die vorliegende dadurch, daß die Einstellung nicht
wie fiüher auf die Gleichzeitigkeit von eintretender Veränderung
(Karte) und eintretender Bewegung (Pinger) gerichtet ist,
sondern daß bei der jetzigen muskulären Einstellung die
Erwartung der kommenden Karte mehr in den Hintergrund
tritt, obwohl sie, wie erwähnt, stets einen Bestandteil des Er-
wartungsinhaltes ausmacht.
Die Nachwirkung der finiheren Versuche kam wohl infolge
dieses weniger bedeutenden Unterschiedes im Verhalten der
Versuchsperson nicht so stark zum Ausdruck wie bei den beiden
anderen Versuchspersonen. Nachweisen läßt sie sich aber auch
hier. So beim 4. Versuch des 1. Tages, wo die Aufmerksam-
keit einige Mal zwischen Blechplatte mit der zugehörigen Be-
deutung und Hand hin und her schwankte (173 a). Näheres
konnte nicht angegeben werden. Oder beim 2. Versuch des
2. Tages, wo bald mehr die Blechplatte, bald mehr die inten-
tionalen Bewegungsempfindungen beobachtet wurden und die
letzteren gegen Ende der Vorperiode vorherrschend blieben (166a).
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56
Hauptperiode.
Über das Verhalten in der Hauptperiode läßt sich wenig
berichten. Beim Erscheinen des Reizes entstand bei der Ver-
suchsperson H am Anfang eine kleine Verwirrung. Ver-
suchsperson wußte nicht sofort, was sie tun sollte (1., 4. und
7. Versuch mit 174, 184 und 188 a). Es war dies wohl auf
die veränderte, der Bewegung zugewandte Einstellung zurück-
zuführen. Auch sonst trat beim Erscheinen des Reizes eine
kleine Verwirrung dann auf, wenn in der Vorperiode eine ab-
lenkende Störung z. B. durch Selbstbeobachtimg vorhanden ge-
wesen war. Vom 5. Versuche an ging nach dem Erscheinen
des Reizes der Pinger wie früher unmittelbar in die Höhe. Bei
den ersten Versuchen war vorher oder gleichzeitig noch ein
eigentümlicher Bewußtseinszustand, der die Versuchsperson ver-
anlaßte zu sagen, »ich habe losgelassen« und den sie von dem
automatischen »in die Höhegehen des Fingers« nach ihren An-
gaben wohl unterscheiden konnte. Über die Auffassung des
Reizes kann nichts gesagt werden. Sobald etwas Weiß gesehen
wird, geht der Finger in die Höhe. Über die Qualität des auf-
gefaßten »Weiß« kann aber keine Angabe gemacht werden.
Bei der Versuchsperson L ging schon vom 1. Versuch
an der Finger nach der Auffassung, automatisch in die Höhe,
also ohne daß ein Wissen vorhanden war, daß er in die Höhe
gehen soll. Nur beim 1. Versuch des 2. Tages war ein der-
artiges Wissen gegeben (233 o). Die Auffassung der Karte
war in der Regel insofeni keine klare, als die Karte nicht in
einer bestimmten QuaHtät d. h. nicht als weiße Karte aufgefaßt
wurde, sondern als ein Etwas. Es war also die Veränderung,
auf die reagiert wurde. Erst nach dem Reagieren wurde die
weiße Karte deutlich wahrgenommen. Zuweilen kamen Versuche
vor, bei denen eine Auffassung von Weiß schon vor der Be-
wegung gegeben war, vor allem, wenn eine mehr sensorische
Einstellung in der Vorperiode bestanden hatte. Eine Befriedi-
gung (leichtes Lustgefühl) war bei der Auffassung dann gegeben,
wenn der Reiz im Momente der besten Einstellimg erschien.
In der letzten Hälfte der Versuche wird der Vorgang gleich-
gültiger. Die Versuchsperson kann häufig in der Nachperiode
über die Bewegung überhaupt nichts mehr angeben. Die Hand-
lung wird aber stets als eine gewollte bezeichnet.
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57
Bei der Versuchsperson L ging der Finger nach dem
Erscheinen des Beizes vom 1. Versuche an unmittelbar in die
Höhe. Ob die AuflFassung der weißen Karte vor dem Reagieren
oder erst bei oder nach dem Reagieren vor sich ging, konnte
nicht angegeben werden. Bestand in der Vorperiode eine ab-
lenkende Störung, so war das Erscheinen der Karte mit einer
geringen Überraschung verbunden. Ebenso bei jenem Versuche,
in dem ausschließUch eine Spannung in der Hand und keine
Vorbereitung auf die kommende Veränderung gegeben war
(letzter Versuch des 2. Tages 184 a).
Eine Zusammenstellung der bei der muskidären Reihe er-
haltenen Zeitwerte findet sich in Tabelle d.
Tabelle d.
H
J
L
z
157
171
165
Zu:Zo
141,5 : 174
144 : 204
152 : 166,5
MZ
32,5
60
14,5
n
33
23
17
RR.
—
—
—
Die Zentralwerte der drei Versuchspersonen zeigen hier
nur geringe Unterschiede, was zum großen Teil auf den Übungs-
einfluß zurückzuführen ist. Die Werte sind dabei durchgängig
niedriger als bei der sensoriellen Reihe. Die Werte der Mittel-
zone MZ sind ebenfalls bedeutend zurückgegangen, ungefähr
auf die halbe Höhe. Dabei zeigen die Zahlen dasselbe Ver-
halten wie früher. L hat den geringsten Betrag von nur 14,5 a,
der seiner regelmäßigen Einstellung mit dem stark motorischen
Charakter entspricht. Den größten Betrag hat wieder J, dessen
Streuungskurve auch hier Neigung zu mehrgipfeliger Ausbildung
hat, einerseits durch rein muskuläre Reaktionen, anderseits durch
-das schwankende Verhalten, welches in der Vorperiode durch
die Nachwirkung der sensorischen Determinierung so häufig auf-
tritt. Die Stärke dieser Nachwirkung, welche sich besonders
beim Nachlassen der muskulären Einstellung am Ende der Ver-
suche des gleichen Tages geltend machte (3 letzten Versuche
des 2. Tages und 2 letzten Versuche des vorletzten Tages),
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58
scheint für den sensorischen Charakter dieser Versuchsperson
zu sprechen. Die Mittelzone von H nimmt wie früher eine
mittlere Stellung ein. Auffallend ist das völlige Fehlen von
vorzeitigen und von Fehlreaktionen. Es ist dies wohl darauf
zurückzuführen, daß der Ablauf der Versuche noch nicht so
automatisch und das Verhalten der Versuchspersonen nicht so
passiv war, wie es bei maximaler Übung zu sein pflegt. Hier
können dann bei der gegebenen Einstellung auf die kommende
Veränderung viel leichter irgend welche äußeren oder inneren
Reizeinwirkungen die Ausführung der Bewegung veranlassen.
Dazu kommt noch, daß eine zeitliche Einstellung bei unserer
Anordnung in einer ausschlaggebenden Weise sich deswegen
nicht ausbilden konnte, weil die Intervalle zwischen den ein-
zelnen Versuchen zu groß waren, noch größer als bei L. Lange,
der mit regelmäßigen Intervallen (Versuchsperioden wie er es
nannte) von 30 Sek. arbeitete. Außerdem war auch die Zeit
der Vorperiode bei den einzelnen Versuchen nicht vollkommen
gleich, da ihre Dauer nicht objektiv festgelegt war.
Tabelle e.
H
J
L
Rechts
Z
n
151
16
206^
10
165
9
Links
Z
n
163
17
147
13
166
8
In Tabelle e sind die bei den Reaktionen mit dem rechten
und dem Unken Zeigefinger erhaltenen Werte einander gegen-
übergestellt. Bei der Versuchsperson J sind auch hier die
Leistungen hnks erheblich besser als diejenigen rechts. Die
Zeitwerte von L zeigen hier wie früher bei den sensoriellen
Reaktionen fast die gleichen Werte. Dagegen sind bei H die
Reaktionen rechts im Gegensatz zu früher kürzer als die Re-
aktionen hnks. Worauf dies beruht, konnte nicht festgestellt
werden. Der Unterschied ist sehr gering und kann infolge
dessen zufällig sein. Immerhin scheint aus der Gegenüber-
stelluilg der Reaktionen rechts und links bei der sensoriellen
und der muskulären Reaktionsform hervorzugehen, daß bei diesen
zentralen Einstellungen die Ausführung der Versuche mit einem
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59
Organ der rechten Körperhälfte auch der Einstellung für das
entsprechende Organ der anderen Körperhälfte zu gute kommt,
was auch durch die Ergebnisse der Selbstbeobachtung bestätigt
wird. Trotzdem an sich das Reagieren mit dem linken Finger
schwieriger war als dasjenige mit dem rechten, ging doch die
Einstellung der Aufmerksamkeit selbst leichter vor sich als bei
den vorhergegangenen Versuchen mit dem Zeigefinger der
rechten Hand. Es scheint also] die füi* die motorische Ein-
stellung festgelegte Tatsache, daß eine Einstellung für ein Körper-
organ keine Einstellung für das symmetrische Körperorgan nach
sich zieht^, für die zentrale Einstellung nicht zu gelten, vielmehr
scheint hier im Ebbinghausschen Sinne der Vorgang der
Mitübung wirksam zu sein^
Tabelle f.
H
J
L
2 ersten
Tage
Z
n
157
11
210
7
165
9
2 letzten
Tage
Z
n
144
9
165
7
166
8
Um den Einfluß der Übung und Gewöhnung quantitativ
darzustellen, sind in der Tabelle f die Werte der zwei ersten
Tage und die Werte der zwei letzten Tage aufgeführt. Die
Werte von L sind nur unter Vorbehalt zu benützen, da von
ihm wie erwähnt, nur 4 Tage zur Verfügung stehen. Bei den
Versuchspersonen H und J scheint der Übungszuwachs in dem
Sinken der Zentralwerte hervorzutreten, wenigstens bei J ist
das Zurückgehen ohne Zweifel auf den Übungseinfluß zurück-
zuführen. Mit der fortschreitenden Übung nahm die starke
Spannung in der Vorperiode ab, der Vorgang lief auf Grund
der gestifteten Assoziationen ohne Anstrengung ab und hiermit
ging eine Verkürzung der Reaktionszeiten einher.
Um den Einfluß der Zeitlage zu eliminieren, waren in der
Anordnung noch Versuchsreihen vorgesehen, bei denen zuerst
muskulär und dann sensoriell reagiert werden sollte. Leider
mußten diese Reihen schon bald abgebrochen werden, so daß
1. Laura Steffens, Zeitschr. f. Psychologie, Bd. XXIII, 1900,
S.241. 2. H. Ebbinghaus, Grundzüge d.Psych. Bd. 1. S. 675, 1902.
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60
nur von der Versuchsperson K eine muskuläre Reihe zur Ver-
fügung steht Lehrreich ist zur Beurteilung des Einflusses der
Zeitlage noch die vergleichende Betrachtung der Tabellen c u. f.
Die zwei letzten Tage der sensoriellen Keihe zeigen bei H einen
Mittelwert von 162^ a, bei den zwei ersten Tagen der musku-
lären Keihe 157 o. Ein Zurückgehen der Werte bei der mus-
kulären Keihe findet sich auch bei L (188 a : 165 a). Nur bei
J steigen die Werte von 175 o auf 210 a an. Dies scheint mit
den Elrgebnissen der Selbstbeobachtung insofern in Einklang
zu stehen als bei J die Nachwirkung der vorhergegangenen
sensoriellen Instruktion seinem sensorischen Typus entsprechend
am ausgeprägtesten war und infolgedessen auch in einer Ver-
längerung der Zeitwerte bei den muskulären Keaktionen zur
Geltung kommen mußte.
Muskuläre Reihe der Versuchspersoii K.
Im Verlaufe der Versuche stellte es sich heraus, daß es
der Versuchsperson leichter und angenehmer war, sich auf den
koounenden Eindruck als auf die auszuführende Bewegung ein-
zustellen. Diese sensorielle Disposition führte in ihrem Wider-
streit mit der Instruktion ein Verhalten herbei, das interessante
Züge aufweist, das aber für die Feststellung der ursprünglichen
Absicht, den Einfluß der Zeitlage zu eliminieren, wenig geeignet
war. Es stehen 5 Versuchstage mit insgesamt 42 Versuchen
zur Verfügung.
Vorperiode.
Bei »Jetzt« Wissen, daß der Rnger niedergedrückt werden
solL Hierauf Niederdrücken desselben und Auftreten von Span-
nungsempfindongen ii4 Finger, Hand und Arm, mit intentionalem
Charakter (ak ob er rasch in die Höhe gehen soll). Hierbei
wurde auch innerlich gesprochen wie > Auf die Bewegung richtenc
oder »Bewegung« »Bew^ung« oder »Bewegung« »sehnelle Be-
wegung«. Vom 3. Tage an war dies die K^eL Durdi dieses
Zeichen wurde der Inhalt der Instruktion gegenwärtig, nämlich
m^hchst rasch zu bewegen, sobald dort, wo fixiert wird, eine
Veränderung eintritt Vom Ende des 2. Tages an war bei den
Versodien, während deren Verlauf nicht innerlich gespanodien
wurde, dieser der Instruktion entsprediende Inhalt mit den
j^pannungsempfindungen und der flxation der Verschlußplatte
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61
simultan gegenwärtig. Vorher war . meist ein Wechsel in der
Deuthchkeit des Hervortretens der TeiUnhalte gegeben. Zuerst
Spannungsempfindungen in der Hand mit der Bedeutung, mög-
lichst rasch in die Höhe zu gehen, dann Blick auf die Platte
mit Erwartung der kommenden Karte (beim 3. Versuch des
2. Tages ein unbestimmtes visuelles Bild derselben), dann wieder
Hervortreten der Spannungsempfindungen, oder es zeigten sich
statt dessen eigentümliche Empfindungen in der Augengegend,
als ob die Augen zum Finger und dann wieder zur Platte
blicken würden, wobei die Spannungsempfindungen in der Hand
zurücktraten. Mit der jeweiligen Aufmerksamkeitsrichtung auf
den Finger beziehw. auf die Platte, welche in den erwähnten
Empfindungen in der Augengegend vorlag, war der zugehörige
Bedeutungsinhalt gegeben. Ebenso war die Beziehung der
beiden eintretenden Veränderungen zu einander (am Finger imd
an der Platte) gegenwärtig. Vom letzten Versuche des 3. Tages
an traten bei der Einstellung die Spannungsempfindungen in
Ajm und Hand mehr und mehr zurück. Sie waren vom
4. Tage an nur noch gelegentlich nachweisbar. Es wurde
innerlich gesprochen »Bewegung« :&schnelle Bewegung« oder
»rasche Bewegung« oder einige mal »Bewegung«. Hiermit und
mit der gleichzeitigen starren Fixation der Platte war der In-
halt der Instruktion gegenwärtig, der, wie schon oben, eine zeit-
liche Komponente in dem Sinne enthielt, daß die Veränderungen
bald d. h. in der bekannten kurzen Zeit eintreten werden. Ob
die mit dem inneren Sprechen und mit der Fixation gegebenen
Bedeutungsinhalte gleichzeitig auftraten, konnte nicht angegeben
werden. Einige mal war deutlich eine Succession bemerkbar,
indem zuerst innerlich gesprochen wurde mit der Bewußtheit,
daß rasch reagiert werden soll, worauf mit der Fixation der
Platte der übrige Teil der Instruktion auftrat, und dann der
gesamte Inhalt simultan gegenwärtig war. Durch das wieder-
holte innere Sprechen trat der Bedeutungsinhalt mehr hervor.
Die Änderung in der Einstellung, bei der an Stelle der Span-
nungsempfindungen im Bewegungsorgan die akustisch-kinästhe-
tischen Vorstellungsbilder »Bewegung, schnelle Bewegung« den
Hinweis auf die auszuführende Bewegung übernahmen, ging
mit einer bedeutenden Verkürzung der Zeitwerte einher. — Die
fortschreitende Übung bewirkte eine weitere Vereinfachung der
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62
Einstellung noch in der Richtung, daß die Intensität der Auf-
merksamkeitsspannung, die früher mit Anstrengung, zuweilen
C)'bü auch mit leichter Unlust veA«nden war, erheblich nachließ
und einem gleichgültigeren Verhalten wich. Trotzdem war der
Inhalt der Instruktion noch eindeutig, aber nicht mehr so in-
tensiv gegenwärtig. War er überhaupt nicht mehr gegenwärtig,
was auch vorkam, — Versuchsperson dachte überhaupt nicht
mehr daran, was zu tun war — , so machte sich dies beim Er-
scheinen des Reizes durch den Zustand der IJberraschung und
eine geringe Verlängerung des Zeitwertes geltend (169 a gegen
147 a des vorhergehenden und 154 a des folgenden Versuches).
Das Nachlassen der Aufmerksamkeitsspannung war noch dadurch
gekennzeichnet, daß in der Vorperiode erst später angefangen wiu*de
innerlich zu sprechen, und dies auch langsamer als früher geschah.
Reine muskuläre Reaktionen kamen nicht zur Beobachtung.
Dagegen reine sensorielle Reaktionen, wenigstens insofern, als
gegen Ende der Vorperiode bei einigen Versuchen die mit der
Fixation der Platte vorhandene Erwartung des kommenden
Eindruckes den gesamten Bewußtseinsinhalt ausmachte (2. und
6. Versuch des 2. Tages 381, 193 a).
An Einzelheiten ist noch zu bemerken, daß die Einstellung
auf die intentionalen Bewegungsempfindimgen im Finger für
die Versuchsperson mit Schwierigkeit verknüpft war. So mußte
die Versuchsperson bei den Versuchen des 1. Tages wiederholt
ihre ganze Aufinerksamkeit auf das Niederdrücken des Fingers
richten, da das Streben in die Höhe zu gehen zu stark war.
Es wurde hierdurch ein Wechsel im Charakter der Spannungs-
empfindungen bedingt, zuerst als ob der Finger rasch in die
Höhe gehen öoll, dann Niederdrücken mit Druckempfindungen,
hierauf wieder intentionale Spannungsempfindungen. Erschien
der Reiz in dem Zeitraum, in dem Druckempfindungen be-
standen, so war es der Versuchsperson als ob sie den Finger
vom Hebel nicht los bekommen konnte. Es trat dann die Be-
wußtheit auf, daß der Finger losgelassen werden muß, dann
ging er in die Höhe. Ob dies durch intentionale Bewegungs-
empfindungen eingeleitet wurde, konnte nicht angegeben werden
(588 er). Auch sonst zeichneten sich diese Reaktionen, bei denen
K den Finger nicht los bekommen konnte, durch hohe Werte
aus (342, 488, 522 o).
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63
Hau]pt]periode.
Bei den eben erwähnten Versuchen tauchte stets nach dem
Auffassen der weißen Karte, welche deuthch gesehen wurde,
die Bewußtheit auf, daß der Finger losgelassen werden soll,
worauf er in die Höhe ging. Mit der Bewegung selbst war
hier ein Gefühl der Lösung, eine Erleichterung, verbunden. Die
Bewußtheit, daß losgelassen werden soll, fehlte bereits bei den
letzten Versuchen des 1. Tages. Später trat sie nur noch unter
besonderen Umständen auf z. B. wenn die Aufmerksamkeits-
spannnng in der Vorperiode geringer war als gewöhnlich (4. Ver-
such des 2. Tages 384 a). Oder eine Selbstbeobachtung in der
Vorperiode als Störung wirkte (2. Versuch des 3. Tages 398 a).
Die Auffassung war hierbei mit Überraschung und Verwirrung
verbunden. Versuchsperson wußte nicht recht, was sie tun
sollte. Vom 3. Tage an ging nach dem Auffassen von »etwas
Weiß« der Pinger in die Höhe. Über die Auffassung selbst
konnte hier nichts angegeben werden. Bei den beiden ersten
Versuchen des 2. Tages war mit der deutlichen Auffassung ein
Gedanke ähnlich wie »das ist weiß« verbunden, worauf der
Finger in die Höhe ging (312, 381 a).
Was die Zahlenwerte von K betrifft, so beträgt der
Zentralwert aus insgesamt 37 Versuchen 185 a, ist also höher
als der entsprechende Mittelwert bei den früheren Versuchen
(Tab. d). Daß dieser hohe Wert hauptsächHch der Unfähig-
keit der Versuchsperson, sich in der gewünschten Weise moto-
risch einzustellen, zuzuschreiben ist, geht aus der Berücksichti-
gung der Mittelzone MZ von 147 o hervor, ein Betrag, der den
höchsten Wert der unter gleicher Zeitlage stehenden sensoriellen
Reaktionen der Tabelle a (Versuchsperson J) bedeutend über-
trifft. Es kommt hierdurch die Schwierigkeit der Einstellung
auf die muskuläre Reaktionsform und das mehrgipfelige Ver-
halten der Streuungskurve von K zum Ausdruck. Der Einfluß
der Übung war entsprechend der erwähnten dem Typus der Ver-
suchsperson adaequaten Änderung der Einstellung im Laufe
der Versuche bei dieser Versuchsperson sehr groß. Die Zentral-
werte fielen von 361,5 o bei den zwei ersten Tagen auf 160,5 o
bei den zwei letzten Tagen. Dieser letztere Wert mit einer
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64
Mittelzone von 32(7 entspricht durchaus den Zeitwerten der
muskulären Reaktionsform (vergl. Tab. d).
Bei den bisherigen quantitativen Betrachtungen sind jene
Zeitwerte nicht berücksichtigt worden, bei denen in der Vor-
periode eine Störung stattgefunden hatte, sei es durch Selbst-
beobachtung, durch Auftreten eines störenden Zwischengedanken
oder durch eine sonstige Ablenkung. Hierher gehören auch die-
jenigen Versuche der muskulären Reihe von J, bei denen die
Versuchsperson sensorisch eingestellt war (3 letzten Versuche des
2. Tages, 2 letzten Versuche des vorletzten Tages). Eine Zu-
sammenstellung dieser Zeitwerte findet sich in Tabelle g.
Tabelle g.
H
J
K
L
Sensor.
Z
n
353
7
347
7
—
224
1
muskul.
Z
n
199,5
6
242
7
339
5
—
In Bestätigung der Angaben der systematischen experimen-
tellen Selbstbeobachtung zeigt diese Tabelle, daß die Zentral-
werte durchgehends beträchtlich höher sind als die bei normalem
Verhalten der Versuchspersonen und zwar ergibt sich in Über-
einstimmung mit den früheren Tabellen, daß dort, wo sowohl
bei den sensorischen als bei den muskulären Reaktionen der-
artige Werte vorkommen (H und J) die ersteren beträchtHch
längere Zeiten erfordern als die letzteren. Im allgemeinen kamen
diese Reaktionen, deren qualitative Schilderung bereits früher
gegeben wurde, nur selten zur Beobachtung. Bei H waren
von den 7 der sensorischen Reihe 3 durch Selbstbeobachtungen
in der Vorperiode, 3 durch ungenügende Konzentration infolge
von Ermüdung oder ablenkenden Vorstellungen veranlaßt, bei
einer war eine Störung durch das Geräusch der Uhr die Ur-
sache (1. Versuch des 2. Tages). Von den 6 motorischen waren
4 durch ungenügende Konzentration und Ablenkung, 1 durch
Selbstbeobachtung, 1 durch falsche Richtung der Aufmerksam-
keit veranlaßt. Bei J waren von den sensorischen Reaktionen
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65
5 auf ungenügende oder nicht vollständig entwickelte Einstellung,
1 auf Selbstbeobachtung zurückzuführen, bei einer war auf das
Geräusch des Karten Wechslers reagiert worden ; bei den musku-
lären war 6 mal sensorische Einstellung die Ursache, 1 mal
fand eine Selbstbeobachtung statt Bei K waren 2 durch Selbst-
beobachtung, 1 durch noch nicht abgeschlossene Einstellung und
2 durch ungenügende Einstellung bewirkt worden.
Das Erscheinen des Reizes war bei diesen Reaktionen mit
Verwirrung oder leichtem Erschrecken verbunden, eine Er-
scheinung, die bei unvorbereiteten Reaktionen ja bereits be-
kannt ist.
Bei der Versuchsperson L kam seinem regelmäßigen Ver-
halten entsprechend nur ein derartiger abnormer Wert und
zwar am ersten Tage zur Beobachtung, wo durch das innere
Sprechen »jetzt möglichst schnell reagieren« ein Nachlassen
der Aufmerksamkeitsspannung bewirkt wurde.
Bei einem Versuche dieser Versuchsperson (muskul. Reihe)
war auf einen Nebenreiz (Holzplatte des Karten Wechslers) reagiert
worden, und diese Fehlreaktion gab Veranlassung zur Durch-
führung der Versuche mit Nebenreizen (Vexierversuche), deren
Besprechmig wir uns jetzt zuwenden.
b) Versuche mit Nebenreizen.
(c-Methode nach Donders.)
Bereits L. Lange ^ hat bei der Ausführung von musku-
lären und sensorischen Reaktionen die Einschaltung von Vexier-
versuchen für wertvoll gehalten. Geschieht dies nicht, so zeigt
nach meinen Erfahrungen die sensorielle Reaktionsform starke
Neigung in die muskuläre Form überzugehen. Leider macht
Lange über diesen Punkt keine näheren Angaben. Hervor-
zuheben ist, daß die der Versuchsperson gestellte Aufgabe,
möglichst rasch auf den einwirkenden Reiz, auf den sie ihre
Aufmerksamkeit richten soll, zu reagieren, bei diesen Versuchen
eine wesentliche Modifikation erfährt. Die Versuche nähern
sich der von Donders beschriebenen c-Methode, bei der in
1. L. Lange, Philos. Stud. IV, S. 497.
▲ eh, Willenstätigkeit.
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66
bedingter Weise reagiert wird, also z. B. nur auf rote Karten,
während auf andersfarbige Karten keine Bewegung erfolgen soll.
Mit den Versuchspersonen L und H wurden drei Eeihen
derartiger Reaktionen mit Nebenreizen ausgeführt. Das Ver-
fehren war unwissentlich, d. h. die Versuchsperson hatte keine
Kenntnis davon, ob und wann ein Nebenreiz kam. Außerdem
war die Versuchsperson vor Beginn der Versuche nicht darüber
instruiert worden, daß Nebenreize erscheinen werden. Erst
durch die Versuche selbst erwarb sie sich diese Kenntnis.
Hierdurch unterscheiden sich die vorliegenden Versuche von
denen der Dondersschen c-Methode.
I. Reihe.
Die Versuche von L schlössen sich unmittelbar an seine
muskuläre Reihe an. Es gelangten zwei Versuchsgruppen an
je drei Tagen zur Ausführung. Bei der ersten Gruppe wurde
ausschließlich die frühere muskuläre Instruktion gegeben, bei
der zweiten die sensorielle. Bei den muskulären Reaktionen
vnirden insgesamt 16 Versuche ausgeführt, darunter befanden
sich 4 Vexierversuche, mid zwar der 1. Versuch des 1. Tages,
der 2. des 2. Tages, der 3. und der letzte Versuch des 3. Tages.
Als Nebenreiz wurde entweder eine blaue oder eine rote Karte
geboten.
Bei der sensoriellen Reihe sind es 24 Versuche mit
4 Vexierversuchen. Zum ersten Mal wurde hier beim
3. Versuch des 2. Tages eine Vexierkarte geboten, zum zweiten
Mal beim vorletzten Versuch dieses Tages, zum dritten Mal
beim 3. Versuch des 3. Tages und zum vierten Mal beim
5. Versuch dieses Tages.
Muskuläre Grujppe.
Der Zentralwert der 12 Reaktionszeiten auf den Hauptreiz
»weiß« beträgt 164 a, ist also nahezu identisch mit dem ent-
sprechenden Wert der Tab. d und f. Bei sämtlichen 4 Neben-
reizen wurde falsch reagiert Und vrir haben hier eine Be-
stätigung der La n gesehen Angabe, daß »in einer extrem mus-
kulären Reihe auf jeden unerwartet eingeschobenen vexierenden
Reiz fremder Sinnesqualität mit Notwendigkeit reagiert wird«,
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67
auch für Nebenreize des gleichen Sinnesgebietes. Die Ein-
stellung bezieht sich eben bei den muskulären Reaktionen nicht
auf die QuaUtät des Reizes, sondern auf die kommende Ver-
änderung. Hiermit stehen die Selbstbeobachtungen in Über-
einstimmung. Die Einstellung in der Vorperiode geschah in
ähnlicher Weise wie j&üher. Starke Spannungsempfindungen
in dem reagierenden Oi^an mit intentionalem Charakter und
der Absicht, möghchst rasch loszulassen und mögUchst gleich-
zeitig in dem Momente, in dem die bekannte Veränderung an
der Pixationsstelle eintritt In dem bewußten Komplex der
gespannten Einstellung nimmt der durch die intentionalen Be-
wegungsempfindungen repräsentierte Vorsatz, möglichst rasch
zu reagieren, die dominierende Stelle ein, der übrige Inhalt
tritt nicht speziell hervor, ist aber als Wissen gegenwärtig. Nur
beim 2. Versuch (== 1. Versuch nach dem ersten Vexirversuch)
war die Einstellung anders. Es fand eine Änderung in der
Richtung der Aufmerksamkeit statt, indem nicht mehr die aus-
zuführende Bewegung, d. h. die Spannungsempfindungen mit
dem Vorsatze mögUchst rasch zu reagieren, im Mittelpunkte
des Erlebnisses standen, sondern intermittierend trat ein visuelles
Bild der weißen Karte auf mit dem Wissen, nur auf die weiße
Karte zu reagieren, wobei die intentionalen Bewegungsem-
pfindungen zurücktraten. Durch die vorhergegangene Erfahrung
hatte der Vorsatz sich geändert. Aber schon beim 3. Versuche
war wieder die fiühere Einstellung gegeben, die nur in dem
Sinne sich geändert hatte, daß auch Spannungsempfindungen
im Oberkörper, Brustkorb auftraten.
In der Hauptperiode erfolgte die Bewegung immittelbar
nach dem Eintritt der Veränderung. Bei den Versuchen mit
Nebenreizen merkte L erst nach dem Reagieren, daß falsch
reagiert worden war. Die Veranlassung hierzu erblickte die
Versuchsperson in der Instruktion beziehw. in dem Vorsatz
mögUchst rasch zu reagieren. Sie bezeichnet es als unmögUch,
mögUchst rasch zu reagieren durch die gespannte Einstellimg
auf die auszuführende Bewegung und außerdem erst zu reagieren,
wenn Weiß erkannt ist. Auch beim 2. Versuch, in dem die
oben erwähnte Änderung der Einstellung bestand, überwog
trotz dieser sensorischen Einstellung noch die Absicht möglichst
rasch zu reagieren. Die Versuchsperson wurde sich erst während
5*
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68
des Reagierens bewußt, daß eine weiße Karte erschienen war
(156 (j).
Daß die sensorielle Vorbereitung an sich noch nicht genügt,
derartige Fehlreaktionen auf Nebenreize zu verhüten, ergibt sich
aus der zweiten Versuchsreihe.
Sensorielle Gruppe.
Der Zentralwert der 11 Versuche vor dem 1. Vexierversuch
beträgt 197 ex, ist also um 9 a länger als der Zentralwert der
zwei letzten Tage der Mheren sensoriellen Reihe (Tab. c).
Der Zentralwert der zweiten Hälfte (vom 1. Vexierversuch an)
beträgt dagegen 268 a, also eine recht erhebliche Steigerung,
welche ihren Grund in der durch die Nebenreize veranlaßten
Änderung des psychologischen Verhaltens der Versuchsperson
hat Auf die ersten beiden Nebenreize wurde falsch reagiert,
die Zahlenwerte sind in die Berechnung mit einbezogen. Bei
den zwei Vexierversuchen des letzten Tages führte L keine
B^aktionsbewegung aus. Der Einfluß der Nebenreize hatte
also ein Unterbleiben der Reaktionsbewegung veranlaßt. Doch
hatte sich dieses Verhalten, das mit einer Verlängerung des
Zentralwertes um 71a einherging, erst durch die wiederholte
Wirkung der Nebenreize ausgebildet.
Daß die Versuchsperson der Instruktion entsprechend sen-
soriell eingestellt war, geht aus den protokollierten Selbstbeob-
achtungen hervor.
Nur bei den 5 ersten Versuchen war die Einstellung ge-
mischt sensoriell-muskulär. Zuerst entwickelten sich die inten-
tionaJen Bewegungsempfindungen im Finger und Hand, dann
war mit der Fixation der Verschlußplatte die Erwartung der
kommenden Karte (ohne visuelle oder sonstige Repräsentation)
gegeben. Im letzten Teil der Vorperiode war mit dem ge-
spannten Fixieren der Platte und den Spannungsempfindimgen
im Muskelorgan sowie der gegenseitigen Beziehung dieser In-
halte der dem Vorsatz entsprechende Inhalt simultan gegeben.
Um die Vorbereitung mehr sensorisch zu gestalten, wurde noch
einmal eindringlich die Instruktion wiederholt. Die Zeitwerte
blieben nahezu gleich. Der Zentralwert der folgenden 6 Ver-
suche betrug 200 a, Dagegen war in qualitativer Beziehxmg
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69
insofern eine Änderung eingetreten als jetzt zwar auch zu Be-
ginn der Vorperiode intentionale Empfindungen auftraten, die-
selben aber im 2. Teil der Vorperiode nicht mehr nachweisbar
sich geltend machten. Hier beherrschte die Erwartung der
kommenden Karte, welche zuweilen als visuelles Vorstellungs-
bild gegeben war, den Bewußtseinsinhalt. Das Wissen mögUchst
rasch zu reagieren, war gleichzeitig gegenwärtig.
Nach dem ersten Vexierversuch trat eine Änderung ein,
indem mit der Erwartung der weißen Karte bei der Fixation
der Platte die Bewußtheit gegeben war, dieselbe erst »abzu-
warten«. In der Hauptperiode bestand hier eine deutUche Auf-
fassungszeit (326 a). Der Rnger ging erst in die Höhe nach
dem klaren Erfassen der weißen Karte, während vorher
unmittelbar nach dem Erscheinen der Karte reagiert wurde.
Dasselbe Verhalten zeigte sich auch noch beim folgenden Ver-
such (360 a). Aber bereits beim nächsten war die Erfassung
von Weiß nicht mehr so klar (256 a) und beim darauf folgenden
2. Vexierversuch wurde wieder falsch reagiert Der Vorsatz,
mögUchst schnell zu reagieren, hatte auch hier wieder die Hand-
lung bestimmt und die Fehlreaktion veranlaßt, obwohl in der
Vorperiode das »Warten auf Weiß« klar gegenwärtig gewesen
war, also eine sensorische Einstellung bestanden hatte (225 a).
Von jetzt ab (letzter Versuch des 2. Tages) ändert sich
die Determinierung. Es ist für die Versuchsperson nicht möglich,
zwei Determinierungen, welche sich in ihrem Sinne bis zu
einem gewissen Grade widerstreiten, gleichzeitig einzustellen
und durchzuführen, nämlich 1) unter allen Umständen mögUchst
rasch zu reagieren und 2) die weiße Karte voUständig zu er-
fassen. Intentionale Bewegungsempfindimgen im reagierenden
Organ treten jetzt nur zu Anfang der Vorperiode auf und zwar
in erhebUch geringerer Stärke als vorher. Hierauf wird inner-
Uch gesprochen »wenn etwas anderes kommt, nicht reagieren«
oder »wenn Weiß« mit der Bedeutimg, nur zu reagieren, wenn
Weiß kommt und nicht zu reagieren, wenn etwas anderes
kommt Diese Bedeutung ist bei zwei der späteren Versuche
nur als Bewußtheit bei der Fixation der Platte gegeben, ohne
daß innerUch gesprochen wird. Dabei bestand die Erwartung
der kommenden Karte, welche in einem Falle schwach visuell
gegenwärtig war. Auf Grund dieser Einstellung wurde bei den
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70
Versuchen mit Nebenreizen richtig d. h. nicht reagiert. Der
Zentralwert dieser 6 Versuche unterscheidet sich um 83 a von
dem Zentralwert der in dieser Gruppe erwähnten 6 Versuche mit
sensorieller Einstellung (283 a : 200 a).
In der Hauptperiode war jetzt nach dem Erscheinen des
Beizes deutlich eine Zeit bemerkbar, bis der Beiz klar erfaßt war.
Hierauf trat die Bewußtheit auf, daß der Finger losgehen darf,
worauf er in die Höhe ging. Vom 4. Versuche des 2. Tages
an (= 4. Versuch mit Hauptreiz) war diese Bewußtheit nicht
mehr nachweisbar, sondern nur eine kurze Pause nach dem
Auffassen von Weiß, worauf der Einger in die Höhe ging. Bei
dem ersten Versuch mit Nebenreiz war nach der Auffassung
der blauen Karte eine gewisse Tendenz zu einer Bewegung
vorhanden (intentionale Bewegungsempfindung im Finger), die
in Wirklichkeit vielleicht auch schon in den Beginn einer Be-
wegung übergegangen war, worauf dann der Finger auf dem Taster
liegen blieb, ohne daß eine bewußte Gegenbewegung ausgeführt
wurde. Beim 2. Vexierversuch trat nach dem Erscheinen nur
die Vorstellung einer intentionalen Bewegungsempfindung auf,
ohne daß im Muskelorgan selbst eine Empfindung bestanden
hätte. Über die genauere qualitative Bestimmtheit der kinästhe-
tischen Vorstellung konnte nichts angegeben werden.
n. Reihe.
Um die Wirkung der Nebenreize bei sensoriellen Reak-
tionen einer Nachprüfung zu unterziehen, wurde bei der gleichen
Versuchsperson ein Jahr später eine weitere Reihe derartiger
Versuche durchgeführt Es wurde zuerst eine der sensoriellen
Reihe dieses Paragraphen conforme Versuchsserie von 6 Tagen
durchgeführt, nur eröffneten hier die Reaktionen mit dem linken
Zeigefinger die Serie. Hieran schlössen sich zwei weitere Ver-
suchstage (einer mit dem linken und einer mit dem rechten
Zeigefinger), an denen drei Vexierversuche ausgeführt wurden. Die
sensorielle Instruktion lautete wie finiher. Insgesamt stehen
55 Zeitwerte zur Verfügung. Von diesen treflfen 39 auf die
ersten 6 Tage, 16 auf die letzten zwei.. Der Zentralwert der
ersteren betrug bei einer Mittelzone von 25 nur 150 a, ist also
um 26 a niedriger als der entsprechende Wert der Tab. a. Die
Reaktionen mit dem linken und dem rechten Zeigefinger dan-
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71
erten auch wieder ungefähr gleich lang (links 153a, n = 17^
rechts 150 a, n = 22). Die Übung bewirkte eine Verkürzung
der durchschnittlichen Reaktionsdauer um 12,5 a, nämlich von
161,5a (Zentral wert der beiden ersten Tage) auf 149a (Zentral-
wert der zwei letzten Tage). Diese kurzen Zeitwerte lassen den
sensoriellen Charakter dieser Reaktionen als zweifelhaft er-
scheinen, eine Vermutung, welche durch die Angaben die- syste- Er
matischen experimentellen Selbstbeobachtung bestätigt wird.
Auch hier hatte sehr bald wieder der Vorsatz, möghchst rasch
zu reagieren, dem Ablauf der Prozesse seinen Stempel auf-
gedrückt, und die anfänghch sensorielle Einstellung machte
einer gemischten sensoriell-muskulären Platz, bei der jedoch
die motorische Einstellung, welche durch starke intentionaJe
Bewegungsempfindungen repräsentiert war, im Vordergrund
stand.
Im einzelnen gestaltete sich dieser interessante Prozeß kurz
folgendermaßen. Am Anfange des 1. Versuches waren inten-
tionale Spannungsempfindungen im Finger gegeben, diese traten
bei der Fixation der Platte völlig zurück. Hier wurde die
kommende Karte intensiv als Bewußtheit erwartet, wobei noch
die Beziehung zur auszuführenden Bewegung gegenwärtig war,
ohne aber speziell hervorzutreten. Nach dem Erscheinen des
Reizes, über dessen Auffassung keine Angaben gemacht werden
konnten, ging der Finger unmittelbar in die Höhe (207a).
Beim 2. Versuch trat bereits insofern eine Änderung ein, als
in der Vorperiode die Spannungsempfindungen im Finger mehr
zur Geltung kamen. Abwechselnd war die Aufmerksamkeit
auf die Spannungsempfindungen, d. h. auf die auszuführende
Bewegung und auf die Blechplatte, d. h. auf die kommende
Karte gerichtet, wobei ihre gegenseitige Beziehung bewußt gö^
gegeben war, nämlich möglichst rasch zu bewegen, sobald die
Karte erschienen ist. Der Reiz erschien, als das Maximum der
Spannung auf die auszuführende Bewegung gerichtet war. Be-
wegung unmittelbar (138 a). Beim dritten Versuch trat die Er-
wartung der kommenden Karte nur einmal kurz hervor, während
sonst der Vorsatz »möglichst schnell loslassen« (innerlich ge-
sprochen) und die Spannungsempfindungen im Finger und Ober-
körper (Atemanhalten) im Vordergrund standen (169 a). Das
Verhalten bei den späteren Versuchen war entweder ähnlich
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72
dem des 2. Versuches oder so, daß zuerst die Spannungsempfin-
dungen sich auf das Maximum einstellten, dann bei der Fixa-
tion der Platte die Erwartung der kommenden Karte hervortrat,
worauf beide Inhalte auf einer gewissen Höhe der Spannung
simultan gegenwärtig waren.
Insgesamt 10 Versuche sind vorhanden, bei denen die in-
tentionalen Bewegungsempfindungen besonders stark hervor-
traten. Diese Versuche weisen sämtUch Zeitwerte unter 140 a
auf. Es bestand bei ihnen eine starke Konzentration auf den
Vorsatz, mögUchst rasch zu reagieren. Sie sprechen für den
motorischen Charakter dieser Versuchsreihe. Bei den letzten
Versuchen der vier letzten Tage ließ die starke Spannung der
Vorperiode nach, ohne daß hierdurch eine merkbare Änderung
der Zeitwerte bedingt wurde.
Auf die ersten beiden Nebenreize (2. und 6. Versuch des
7. Tages) wurde falsch reagiert In der Vorperiode des 3. Ver-
suches wurde in Wortrudimenten innerhch gesprochen »Muß
vorher abwarten, ob es weiß sein wird«. In der Hauptperiode
ging beim Sehen von Weiß der Finger in die Höhe (186 a).
Beim 4. Versuch war nur am Anfange eine schwache inten-
tionale Bewegungsempfindung vorhanden, hierauf Erwartung der
kommenden Karte mit der Absicht abzuwarten. Erst als Weiß
klar aufgefaßt war und die Bewußtheit, jetzt darf' es losgehen,
gegeben war, ging der Rnger in die Höhe (286 g). Beim fol-
genden Versuch bestand in der Vorperiode Erwartung des
Nebenreizes; wie dieser gegeben war, konnte nicht gesagt werden.
Beim Erscheinen der weißen Karte war zuerst ein Zustand der
Verwirrung. Nachdem gewartet war, bis Weiß erkannt wiu'de,
und die Bewußtheit gegeben war, daß der Finger in die Höhe
gehen soll, erfolgte die Bewegung (341a). Trotzdem jetzt in
der Einstellung die Erwartung des kommenden Reizes stark
hervortrat, wurde auch auf den folgenden Nebenreiz falsch re-
agiert. Bei der Auffassung des Nebenreizes war hier die Be-
deutung, nicht zu reagieren, gegeben, aber der Finger ging un-
vrillkürlich in die Höhe, dabei oder kurz nachher Wissen, daß
dies falsch ist (311 a). Die sensorische Einstellimg schützt also
auch bei dieser Reihe nicht vor Fehlreaktionen. Bei dem fol-
genden Versuch war eine sensorielle Einstellung mit dem inneren
Sprechen »Weiß oder Rot« gegeben, wobei Weiß die Bedeutung
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hatte, zu reagieren und Eot, nicht zu reagieren. Außerdem
trat stark hervor, die Auffassung von Weiß beziehw. Kot abzu-
warten. Dieser Inhalt war bei den zwei folgenden Versuchen
ohne inneres Sprechen gegenwärtig. Am letzten Versuchstage
war zuerst eine schwache intentionale Bewegungsempfindung
gegeben, hierauf bei der Fixation der Platte die Bedeutung »nur
Weiß« d. h. nur zu reagieren, wenn Weiß kommt, ohne daß
speziell an Nebenreize gedacht wurde. In der Hauptperiode
ist ein Nacheinander des Ablaufes insofern bemerkbar, als
zuerst die weiße Karte auftaucht, welche vollständig und klar
erkannt wird, und dann der Finger in die Höhe geht. Die
Bewußtheit, daß losgelassen werden soll, war am letzten
Tage nicht mehr nachweisbar. Über diesen Vorgang macht
die Versuchsperson die Angabe, daß es nach der vöUigen
Entwickelung von Weiß noch eine Zeit lang dauert, bis der
Knger losgeht. Der Nebenreiz (blaue Karte) dieses Tages ver-
anlaßte keine Fehlreaktion. In der Hauptperiode wurde sofort
aufgefaßt, daß dies blau ist, mit der Bedeutung, daß nicht re-
agiert werden soll. Ein schwacher Impuls zu einer Bewegung
ähnlich wie eine intentionale Bewegungsempfindung war vor-
handen. Ob gleichzeitig mit dem Bedeutungsinhalt oder vor
demselben, konnte nicht angegeben werden. Der Zentralwert
der 10 letzten Versuche nach dem 2. Vexierversuch beträgt
327 (T, ist also höher als der entsprechende Wert der früheren
Keihe (283 a).
ni. Keihe.
Tim den Einfluß der Instruktion bei den Versuchen mit
Nebenreizen zu untersuchen, wurde eine weitere Versuchsreibe
sowohl bei L als bei H durchgeführt. Die Instruktion bezog
sich nicht auf die Bestimmung einer sensorischen oder motori-
schen Einstellung, sondern sie lautete: »Es werden nur weiße
Karten erscheinen, lassen Sie den rechten beziehw. linken
Zeigefinger los, wenn Sie die weiße Karte erkannt haben.«
Hier stehen Versuchsreihen von L und H mit je 6 Tagen zur
Verfügung und zwar von L insgesamt 41 Versuche und von
H 31 Eeaktionen. Am 1., 3., 5. Tage wurde mit dem rechten,
am 2., 4., 6. Tage mit dem linken Zeigefinger reagiert. Nur
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74
an den zwei letzten Tagen wurden Nebenreize geboten. Der
letzte Versuchstag von H schloß sich nicht unmittelbar an die
fiühere Reihe an, sondern war durch ein Intervall von 8 Tagen
getrennt
Das Verhalten von L war ähnlich dem der vorher-
gegangenen Reihe mit Vexierversuchen. Er sagte deshalb auch
beim Verlesen der Instruktion: Dies ist ja dieselbe Instruktion.
Zuerst schwach ausgeprägte Spannungsempfindungen, dann Er-
wartung des kommenden Weiß mit der Bewußtheit dasselbe
abzuwarten. In der Hauptperiode ging der Finger in die Höhe,
nachdem sich Weiß entwickelt hatte. Nicht selten war dieser
Vorgang begleitet von einem Zustande des Einverständnisses
damit, daß der Finger jetzt in die Höhe gehen darf oder es
war bei der Entwickelung von Weiß das Wissen gegenwärtig,
daß abgewartet werden soll, worauf der Finger in die Höhe
ging. Hierbei ist es sehr schwer für die Versuchsperson darüber
klar zu werden, ob Weiß schon erkannt ist, da »man schon
den ersten Schimmer von Weiß für genügend erklären und den
Finger loslassen kann«. Es ist nicht leicht, einen bestimmten
Moment im Erscheinen des Weiß abzupassen, da auch nicht zu
spät reagiert werden soll. Infolgedessen kamen hier drei falsche
Reaktionen vor, bei denen fast gleichzeitig mit dem Erscheinen
der Karte beim Eintritt der Veränderung oder beim Aufleuchten
von etwas Weiß der Finger in die Höhe ging. Hier wurden
kurze Zeiten erhalten (167, 151, 186 o). Nach der letzten fal-
schen Reaktion (1. Vers, des 4. Tages) erfolgte die Reaktion
gewöhnlich in der Weise, daß das zeitHche Intervall zwischen
dem Eintritt der Veränderung (Erscheinen des Reizes) und der
Reaktionsbewegung in seiner Dauer als Urteilsmaßstab für das
Loslassen benützt wurde. Die Entwickelung in der Auffassung
des Reizes wurde kontrolliert, indem sich die Aufinerksamkeit
darauf richtete, daß die beiden Veränderungen in dem richtigen
Takte einander folgen. Diesem Verhalten in der Hauptperiode
entsprechend gestaltete sich die Einstellung in der Vorperiode.
Mit der Fixation der Platte war das Wissen gegeben, daß Weiß
erscheinen wird, daß kurze Zeit später reagiert werden ^oll und
daß beide Veränderungen in dem bekannten Takte einander
folgen sollen. Näheres darüber, wie dieser Inhalt im Bewußt-
sein vorhanden war, konnte nicht angegeben werden. Diese Ein-
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75
Stellung erinnert an diejenige der sensoriellen Reihe der gleichen
Versuchsperson, wo sich die Einstellung darauf bezog, die beiden
Veränderungen in möglichst kurzem Intervall, also möglichst
gleichzeitig einander folgen zu lassen, während hier die durch
die früheren Versuche bekannte ^eitUche Succession der beiden
Veränderungen abgewartet werden sollte.
Tabelle h.
L
H
z
288
255
Za:Zo
264,5 : 322,5
228:405
MZ
58
177
n
25
11
r.R.
3
7
In der Tabelle h sind die Zahlen werte der vier ersten
Tage zusammengestellt. Die Zentralwerte sind bedeutend höher
als bei den sensoriellen Reaktionen (Tab. a). Die Mittelzonen
übersteigen bei beiden Versuchspersonen den doppelten Betrag
des Vergleichswertes entsprechend dem unsicheren subjektiven
Gradmesser, der eine durch die Qualität des Reizes veranlaßte^
eindeutige Bestimmung des Zeitmomentes, in dem nach dem
Erscheinen des Reizes die Bewegung zu erfolgen hat, nicht zu-
läßt. Besonders stark tritt dies bei H hervor. Es wurde unter
18 Reaktionen 7 mal falsch reagiert. Fünf dieser Reaktionen
waren veranlaßt durch eine ungenügende Auffiassung beziehw.
Erkennung des Reizeindruckes, 2 waren durch Störung in der
Vorperiode bedingt (Selbstbeobachtung imd störender Zwischen-
gedanke). Während die Dauer der beiden letzteren ziemUch
lang ist (358 und 337 a), sind die anderen 5 sehr kurz (Z = 154^
längste Zeit 180 o, kürzeste 150 a). Also auch hier wieder voll-
kommene Übereinstimmung des quantitativen Ergebnisses mit
demjenigen der systematischen experimentellen Selbstbeobachtung.
Ebenso wie bei den beiden früheren Reihen mit
Nebenreizen beantwortete L die beiden ersten Vexierreize
mit einer Bewegung (2. imd 5. Versuch des 5. Tages). Die
Bewegung des Fingers war beim ersten Vexierversuch mit dem
Wissen verbunden, daß die Instruktion falsch sei (286 a). Tat-
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76
sächlich hat dieselbe ja auch gelautet, es werden nur weiße
Karten erscheinen etc. Diese Reaktion ist deshalb nicht als
eine Pehlreaktion zu bezeichnen. Von hier ab änderte sich die
Einstellung und zeigte ein ähnliches Verhalten wie es früher
zuweilen vorhanden war. Mit der Fixation war die Bewußtheit
verbunden, nur auf Weiß zu reagieren. Auch die Auffassung
in der Hauptperiode änderte sich und die weiße Karte wurde
mit einer Bedeutung aufgefaßt wie »dies ist jetzt sicher keine
andere Karte«. Das Weiß wurde im Gegensatz zu den Neben-
reizen aufgefaßt, ohne daß dies innerlich gesprochen wurde
(376, 460 a). Trotzdem wurde bei dem drittnächsten Versuch
auf eine blaue Karte wieder reagiert (255 a). Allerdings war
hier in der Vorperiode die Konzentration nur gering gewesen.
Die ganze Erwartung war abgeblaßt Beim Reagieren war die
Bewußtheit gegeben, daß es falsch ist. Dagegen erfolgte bei
den zwei nächsten Nebenreizen (folgender Tag) keine Bewegung.
Das Erscheinen des ersteren löste das Wissen aus, daß es nicht
Weiß ist, dann stellte sich das Wissen ein, daß es Blau ist. Hier-
bei trat eine intentionale Bewegungsempfindung im Pinger auf,
aber, ohne daß der JFinger bewegt wurde. Beim weiteren Vexier-
versuch war mit der Auffassung der roten Karte die Bedeutung
gegeben, daß der Pinger nicht in die Höhe gehen soll; hierbei
war keine intentionale Bewegungsempfindung nachzuweisen, viel-
mehr wurde ein Gegenimpuls ausgelöst, der sich als Verstärkung
der Druckempfindung (nach unten) auf den Taster kennzeichnete.
Der Mittelwert aus den 7 letzten Versuchen (nach dem 2. Ver-
such) beträgt hier 365 a. Betrachten wir die entsprechenden
durch die Nebenreize veranlaßten Werte der früheren Versuchs-
reihen, so sehen wir eine allmähliche Steigerung dieses Wertes :
283 a bei der 1. Serie, 327 a bei der zweiten und 365 a jetzt.
Es ist dies wohl darauf zurückzuführen, daß das Verhalten der
Versuchsperson auf Grund der gemachten Erfahrungen vor-
sichtiger geworden ist, und das motorische Element in der Ein-
stellung dieser Versuchsperson, welches dahin ging, möglichst
rasch zu reagieren, den veränderten Versuchsbedingungen ent-
sprechend mehr und mehr zurückgetreten ist.
Eine Gegenüberstellung der Reaktionen, welche an den 4
ersten Tagen mit dem rechten und dem linken Zeigefinger ge-
wonnen wurden, gibt die Tabelle i. Es zeigt sich hier das
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77
gleiche Verhalten der beiden Versuchspersonen wie früher (vergL
Tab. b und c). Bei L sind die beiden Zentralwerte nur wenig
verschieden, bei H ist der Zentral wert links erheblich kürzer
als der rechts.
Tabelle i.
L
H
redits
Z
n
288
13
291
7
links
Z
n
280
15
241,5
4
Was das psychische Verhalten der Versuchsperson H
bei dieser Versuchsreihe betrifft, so ist folgendes zu bemerken.
Intentionale Bewegungsempfindungen im Muskelorgan waren in
der Regel nicht gegeben, zuweilen waren sie für kurze Zeit zu.
Beginn der Einstellung nachweisbar. Diese Einstellung konnte
auch durch inneres Sprechen »sofort reagieren«, »sofort« ein-
geleitet werden. Bei der hierauf folgenden starren Fixation der
Platte traten Spannungsempfindungen in der Augengegend, zu-
weilen auch in den Gesichtsmuskeln auf. Sie hatten die Be-
deutung, das dort an der Platte Erscheinende (i. e. die weiße
Karte) rasch zu erfassen und abzuwarten, bis es vollständig er-
schienen ist Hierbei war auch die Beziehung zur auszuführen-
den Bewegung gegenwärtig. Sie lag in diesem Erwartungs-
komplex, ohne speziell hervorzutreten. Nur gelegentlich trat
diese Beziehung durch auftauchende Spannungsempfindungeu
im Finger stärker hervor. Es war bei einzelnen Versuchen
(Ende des 1. Tages) so, als ob durch den Empfindungsverlauf
(Platte — Augengegend — Arm — Finger) ein Kreis beschrieben
würde, der wieder zur Fixation der Platte und der Erwartung
von Weiß zurückführte. Zuweilen wurde die Platte in der
Vorperiode starr fixiert, ohne daß ein Bedeutungsinhalt gegen-
wärtig war. (Hier wurden lange Zeiten erhalten, 462, 405 er
3. Tag). Überhaupt war das Verhalten nicht so bestimmt und
eindeutig wie bei L. Es kamen auch Versuche vor, bei denen
nur innerlich gesprochen wurde »sofort reagieren«, »reagieren«
»sofort«, also eine muskuläre Einstellung bestand (171 a 1. Tag)^
oder solche, bei denen gesprochen wurde »sofort reagieren«,.
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78
»weiß« mit der Bedeutung rasch zu reagieren, ohne daß inten-
tionale Empfindungen nachweisbar vorhanden gewesen wären
(180 a 4. Tag). Im allgemeinen war jedoch der hervorstechende
Inhalt der Vorperiode abzuwarten, bis Weiß erschienen ist, und
zwar war die Erwartung um so spezieller auf Weiß gerichtet,
je intensiver die Aufinerksamkeitskonzentration hierbei war.
Visuelle Vörstellungsbilder von Weiß waren nicht zu bemerken.
In der Hauptperiode wurde infolge dessen beim Eintritt
der Veränderung abgewartet, bis sich Weiß entwickelt hatte,
worauf der Pinger unmittelbar in die Höhe ging. Mit dem Ab-
warten war bei den 3 ersten richtigen Reaktionen des 1. Tages
das Wissen gegeben, daß abgewartet werden soll, später nicht
mehr. Zuweilen war vor der Bewegung eine Bewußtheit ge-
geben ähnlich wie »dies ist das richtige (sc. Weiß)«, worauf
reagiert wurde. Es war auch für H schwierig, den Zeitpunkt
in der Entwicklung der Wahrnehmung von Weiß zu erfassen,
bei dem die Fingerbewegung zu geschehen hatte. Deshalb er-
folgte auch am 3. Tage eine Änderung dieses Urteilsmaßstabes
in dem Sinne, daß abgewartet wurde, bis Weiß deutiich er-
kannt war. Hiermit ging vorübergehend eine Verlängerung der
Reaktionsdauer einher (420 a). Aber auch hier traten vorzeitige
Reaktionen auf, indem reagiert wurde, bevor die weiße Karte
vollständig erkannt war (180 a). Durch diese Schwankungen
des Verhaltens ist bei H die hohe Mittelzone von 177(7 ver-
anlaßt.
Die 2 ersten Nebenreize wurden mit einer Bewegung be-
antwortet. Beim ersten Vexierversuch war das Erscheinen des
Reizes mit Überraschung verbunden, hierauf folgte eine Pause,
dann ging der Finger in die Höhe. Die Handlung wurde als
eine gewollte bezeichnet, da die rote Karte als rot erkannt war,
bevor die Bewegung vor sich ging. Es besteht also ein ähn-
liches Verhalten wie bei L. Die Reaktion kann unter Berück-
sichtigung der gegebenen Instruktion nicht als eine Fehlreaktion
bezeichnet werden. Von hier ab trat wie bei L eine Änderung
in der Einstellung ein. Es wurde innerlich gesprochen »sofort
reagieren«, »weiß oder rot«, »erkennen« mit der Bedeutung,
nur auf Weiß zu reagieren. Trotzdem reagierte auch H auf
den zweiten Nebenreiz (3. Versuch des 5. Tages). Bei der Auf-
fassung des Reizes entstand eine Überraschung über die Ver-
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79
dunkelung des Gesichtsfeldes. Als sich Rot entwickelt hatte,
ging der Pinger in die Höhe.
Um das wechselnde Verhalten dieser Versuchsperson ein-
deutiger zu bestimmen, wurde jetzt eine neue Instruktion ge-
geben, durch welche ein bedingtes Reagieren veranlaßt
werden sollte. Sie lautete: »Außer Weiß können auch andere
Karten erscheinen. Reagieren Sie nur, wenn Sie Weiß erkannt
haben«. Die Reaktionszeiten verlängerten sich auf Grund dieser
Instruktion recht beträchtlich. Der Zentralwert der folgenden
9 Versuche beträgt 642 a mit 765 a als Maximum und 539 a
als Minimum. In der Vorperiode wurde innerlich gesprochen
»Reagieren, weiß, erkennen« oder »sofort, sofort, reagieren.
Weiß«, »Weiß« mit der Bedeutung, auf nichts anderes zu
reagieren als auf Weiß und abzuwarten, bis der Reiz erkannt
ist, was auch den Sinn des innerlichen Sprechens »Weiß, so-
fort, reagieren, nur« bildete. Am Schlüsse der Vorperiode be-
standen bei starrer Fixation der Platte starke Spannungs-
empfindungen in der Augengegend mit dem Inhalte der In-
struktion, ohne daß noch innerlich gesprochen wurde. Inten-
tionale Bewegungsempfindungen im reagierenden Organ wurden
nicht bemerkt. In der Hauptperiode entstand nach dem Er-
scheine^i des Reizes eine kurze Pause, bis die Bewußtheit auf-
trat, »dies ist das, worauf ich warte« oder »dies ist weiß und
nichts anderes«, worauf der Finger unmittelbar in die Höhe
ging-
Bei den zwei Versuchen mit Nebenreizen (mit Buchstaben
bedruckte Karten, 5. imd letzter Versuch des letzten Tages)
verhielt sich H der Instruktion gemäß, d. h. es wurde nicht
reagiert. Als der Nebenreiz erschien und der weiße Untergrund
der Karte wahrgenommen wurde, trat eine intentionale Be-
wegungsempfindung (Impuls zu einer Bewegung) im Finger auf.
Mit der Erkennung der Buchstaben wußte Versuchsperson, daß
nicht zu reagieren ist, worauf vielleicht ein stärkerer Druck des
Fingers nach unten erfolgte. Der Nebenroiz des letzten Vexier-
versuches löste keine intentionale Beweguugsempfindung aus,
vielmehr war bei der Entwickelung des Reizes mit der Erkennung
sofort das Wissen verbunden, daß nicht zu reagieren ist.
Die im Vorstehenden beschriebenen Reaktionen mit Neben-
reizen nähern sich hinsichtlich des Verhaltens der Versuchs-
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80
Personen, wie dasselbe in der Hauptperiode bei der Darbietung
von Hauptreizen gegeben ist, den Erkennungsreaktionen, zu
deren Beschreibung wir jetzt tibergehen.
c) Erkennungs- und Unterscheidungsreaktionen.
Da diese Versuche in ihren mit Hülfe der Methode der
experimentellen Selbstbeobachtung gewonnenen Ergebnissen
nur verhältnismäßig geringe Erweiterungen unserer Kenntnisse
des qualitativen psychischen Verhaltens brachten, und es zu-
dem nicht in der Absicht der Ilntersuchimg lag, das gesamte
Gebiet der Reaktionsversuche eingehend zu untersuchen, ge-
langten nur wenige Reihen zur Ausführung. Als Versuchs-
personen stellten sich H imd L zur Verfügung. Die Versuche
schlössen sich den eben beschriebenen unmittelbar an. Auch
die einzelnen Reihen folgten sich ohne zeitliche Unterbrechung.
L Reibe.
Die Instruktion lautete: »Es werden weiße oder rote Karten
erscheinen, lassen Sie den Pinger los, sobald Sie die Karte er-
kannt haben«. Diese Anweisung wurde wie früher am 1. Tage
zweimal, am 2. Tage einmal gegeben.
Bei L wurden an 4 Versuchstagen insgesamt 32 Einzel-
versuche ausgeführt, bei H sind es nur 3 Versuchstage mit 21
Reaktionen. Es wurde an den einzelnen Tagen wie früher mit
der Pingerbewegung gewechselt Begonnen wurde mit Links.
Die Reize wurden in zufälHgem Wechsel geboten. Jede Gruppe
enthält nahezu gleich viel weiße und rote Karten (vergl. Tab. 1).
Tabelle k.
L
H
z
372,5
477
Zu :Zo
342 : 420
418 : 615
MZ
78
197
n
32
18
E.R
1
3
Die Tabelle k gibt eine Gegenüberstellung des quantita-
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81
tiyen Verhaltens der beiden Versuchspersonen. Der Zentralwert
von L ist nahezu gleich demjenigen, der bei der HL Reihe mit
Nebenreizen nach der Einstellung auf die Vexierversuche erhalten
wurde (372,5 : 365 o), aber um nahezu 200 a länger als derjenige
der sensoriellen Reaktionen dieser Versuchsperson (Tab. a). Auch
die Mittelzone ist hier, veranlaßt durch die Unsicherheit in der
Beurteilung desjenigen Momentes, in dem der Erkennungsakt
vollzogen ist, nahezu auf das dreifache angewachsen. Sr ist Sit
auch noch um 20(7 höher als dorjoniga der Tab. h. Die ent- 'H
sprechenden Zentralwerte differieren um 84,5 a. Das Verhalten
der Versuchsperson L bei der Erkennung des Reizeindruckes
scheint, nach diesen numerischen Angaben zu schließen, dem-
jenigen adaequat zu sein, das L bei den Versuchen der III. Reihe
mit Nebenreizen an den Tag legte, nachdem die Versuchsperson
gelernt hatte, sich auf die kommenden Reize derart einzustellen,
daß auf den Nebenreiz nicht mehr falsch reagiert wurde. Und
hiermit stehen im allgemeinen die Angaben der systematischen
experimentellen Selbstbeobachtung in der Tat in Einklang.
Doch war hier in der Vorperiode nach einigen Versuchen
die Aufmerksamkeit nicht so gespannt wie bei der erwähnten
Reihe. Die Instruktion schien der Versuchsperson leichter zu
sein. Es wurde nur darauf geachtet, nicht zu rasch zu reagieren,
während dort auch die Erwartung der Qualität des kommenden
Reizes dadurch gegeben war, daß die Bewußtheit, nur auf Weiß
zu reagieren, gegenwärtig war. Zu Beginn der Vorperiode
waren schwache intentionale Empfindungen im Finger nur bei
den ersten Versuchen der beiden ersten Tage gegenwärtig (keine
allgemeine Spannung im Oberkörper). Beim Fixieren der Platte
war der Inhalt der Instruktion simultan gegenwärtig, ohne daß
innerlich gesprochen wurde oder eine sonstige phänomenologische
Repräsentation gegeben war. Zu Beginn der Versuchsreihe eines
Tages z. B. des letzten Tages schien dieser komplexe Inhalt in
seiner Bedeutung intensiver gegenwärtig zu sein als gegen Ende
der Reihe, wo er abgeblaßter zu sein schien. Doch konnten
genauere Angaben hierüber nicht erhalten werden.
In der Hauptperiode entwickelt sich zuerst die Empfindung
von Weiß oder Rot, womit das Wissen verbunden ist, daß ab-
gewartet werden soll, ohne daß dies speziell hervortritt. Es ist
mit der Entwickelung der Auffassung gegeben. Hierauf ist die
Ach, WmensUtigkeit. 6
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82
Bewußtheit, daß losgelassen werden darf, gegeben, wobei der
Finger in die Höhe geht Diesem Wissen ging in der Regel
ein Zustand der Zustimmung oder des Einverständnisses voraus.
Mit der fortschreitenden TJbung trat die Bewußtheit, daß los-
gelassen werden soll, zurück, aber trotzdem wurde die Bewegung
durch ihren bewußten Verlauf als eine gewollte charakterisiert und
war als Erlebnis für die Versuchsperson sehr wohl davon unter-
schieden, wenn nach dem Erscheinen von Bot in der Zerstreutheit
der Finger in die Höhe ging, wie dies bei einer vorzeitigen
Reaktion (5. Vers, des 3. Tages 308 o) geschaL Hier fehlte
dieser Begleitakt des Einverstandenseins. Auch das Wissen, daß
abgewartet werden soll, trat mit der fortschreitenden Übung mehr
und mehr zurück. Der Ablauf des Prozesses wurde automatisch,
ohne daß aber hierdurch eine Verkürzung der Zeitwerte bewirkt
wurde. In dieser Phase der Versuchsreihe trat eine allmähliche
Umänderung insofern ein, als die rhythmische Aufeinanderfolge
der beiden Veränderungen (Erscheinen der Karte und Reaktions-
bewegung) mehr beachtet wurde, also ein Verhalten sich ein-
stellte, ähnlich demjenigen der ersten Versuche der m. Reihe.
Es ist von demselben aber insofern unterschieden, als gleichzeitig
die Erkennung der Qualität des Reizeindruckes vor sich ging,
imd der oben erwähnte Zustand des Einverständnisses in einer
eigentümlichen bewußten Weise als Erlebnis noch gegenwärtig
war.
Bemerkenswert ist noch der erste Versuch dieser Reihe, bei
dem eine rote Karte erschien, die bei der vorigen Reihe als
Nebenreiz benützt worden war. Nach dem Eintritt der Ver-
änderung und der Entwickelung der Empfindung, trat eine
merkbare Pause ein, worauf erst die Bedeutung, daß reagiert
werden soll und im Anschluß hieran die Bewegung sich einstellte
(590 a). In dieser Pause und in dem verzögerten Eintreten der
Bewußtheit, daß reagiert werden soll, ist eine Nachwirkung der
früheren Versuche zu sehen, bei denen L auf Rot nicht reagieren
durfte.
Wie früher, so war auch hier das Verhalten der Ver-
suchsperson H viel wechselnder, als das von L. In der Vor-
periode geschah die Einstellung zumeist durch inneres Sprechen
wie »weiß oder rot, sofort reagieren« oder »sofort weiß oder rot«
oder »weiß oder rot« u. dergl. Diese akustisch-kinästhetischen
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83
Vorstellungsbilder wurden 2 — 3 mal nach einander wiederholt
und hatten die Bedeutung der Instruktion. Bei drei Versuchen
des 1. Tages wurde auch noch »blau« innerlich gesprochen mit
der Bedeutung hierauf nicht zu reagieren (676 a, 710 a, 757 a).
War ein Versuch mit Ablenkung in der Vorperiode durch
störenden Zwischengedanken vorhergegangen, so wurden die
erwähnten Worte accentuiert innerlich gesprochen, womit eine
energische Konzentration auf den Vorsatz verbunden war und
nach dem Auftreten des Vorstellungsbildes »reagieren« vorüber-
gehend eine intentionale Bewegungsempfindung im Finger gegeben
war (418 a gegen 682 a beim vorhergegangenen Versuch). Diese
Spannungsempfindungen waren nur selten nachweisbar (3. Vers
des 3. Tages beim Sprechen von »sofort«). In dem Erwartungs-
komplex war wie früher das zeitiiche Moment vorhanden in dem
Sinne, daß der Reiz in einer ungefähr bekannten Zeit erscheinen
wird.
In der Hauptperiode entstand nach dem Eintritt der Ver-
änderung normalerweise eine Pause des Abwartens, bis sich
Rot oder Weiß, das zuerst schmutzig-grau erschien, als Rot-
beziehw. Weißempfindung entwickelt hatte und mit der Bewußt-
heit gegeben war »dies ist das, was der Erwartung entspricht
und worauf reagiert werden soll«. Hierauf ging der Finger in
die Höhe, ohne daß eine intentionale Bewegimgsempfindung (ein
Impuls) gegenwärtig gewesen wäre. Ein spezielles Wissen »los-
zulassen« war bei H nicht gegeben. Es lag dies vielmehr in der
Auffassung des Reizeindruckes vor. Ebenso wird »Rot« als das
betreffende aufgefaßt, worauf reagiert werden soll. Der imsichere
Gradmesser in der Auffassung des Reizes äußerte sich ver-
schiedentlich. So war beim 3. Versuch des 1. Tages ein Zustand
des Zweifels gegeben bei der Entwickelung von Weiß mit der
Bedeutung, ob jetzt zu reagieren ist (478 a). Oder es kamen
Reaktionen vor, bei denen H unmittelbar nach den Bewegungen
im Zweifel darüber war, ob sie nicht vorzeitig gewesen waren.
Daß die Wahrnehmung des Reizes mit einer besonderen, durch
die Instruktion beziehw. die von derselben ausgehende» Deter-
minierung, veranlaßten Bedeutung zu geschehen hatte, geht aus
den Versuchen mit schlechter Einstellung hervor. So war beim
1. Vers, des 3. Tages das Erscheinen des Reizes mit Verwirrung
verbunden, d h. Versuchsperson wußte nicht, was sie tun sollte.
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84
Weiß wurde erst später wahrgenommen, worauf automatisch der
Finger in die Höhe ging (500 a). In der Vorperiode bestand
eine Zerstreutheit: inneres Sprechen »weiß rot«, hierauf wußte
Versuchsperson nicht, was zu machen sei, dann Sprechen von
»erblicken« mit der Bewußtheit, daß dies falsch ist und Unlust
hierbei. Infolge dieser ungenügenden Einstellung ging die Wahr-
nehmung des Eeizes nicht mit der entsprechenden Bedeutung vor
sich. Ahnlich beim 1. Versuch, wo ebenfalls beim Erscheinen
des Beizes (rote Karte) eine Verwirrung emtrat, weil H nicht
sofort wußte, ob sie zu reagieren hatte. Beim 5. Versuch des
1. Tages gestaltete sich der Vorgang folgendermaßen. Bei »jetzt«
entstand eine kurzdauernde Verwirrung, da Versuchsperson nicht
wußte, was sie tun sollte, hierauf automatisches Sprechen von
»rot weiß«, also ohne Bedeutung, dann inneres Sprechen »Loslassen«
und Suchen, was dieses Wort bedeuten soll, dann inneres Sprechen
»niederdrücken« mit darauf folgender intentionaler Bewegungs-
empfindung im Finger. Hier erschien der B;eiz, Erkennungs-
pause, Empfindung von Weiß, auch hier wußte Versuchsperson
noch nicht, was sie zu tun hatte, dann wahrscheinlich Bewußtheit,
daß losgelassen werden soll, worauf der Finger in die Höhe ging
(684 a). Ähnhch 2. Vers, des 2. Tages 818 a. Hier wurde auf
die Verschlußplatte gesehen, ohne daß ein Bedeutungsinhalt vor-
handen war. In der Hauptperiode trat mit der Empfindung
»Rot« ein Zustand ein, der dem einer Mahnung, ähnlich wie
»Obacht«, glich, worauf die Bedeutung loszulassen auftrat imd
der Finger in die Höhe ging. Ebenso der 5. Vers. d. 3. Tages
(670 a). Mit diesem Verhalten und mit der Unsicherheit in dem
Erkennungsakte des Reizes hängt die hohe Mittelzone der Zeit-
werte von H zusammen (197 a Tab. k). Der Zentralwert selbst
ist um 165 a niedriger als derjenige nach der c-Methode (642 a),
was seinen Grund in der Vereinfachung der Aufgabe haben
mag. Die Angabe von 3 falschen Reaktionen ist mögUcherweise
zu niedrig, da es in manchen Fällen zweifelhaft blieb, ob vor-
zeitig reagiert wurde. Nur die Reaktionen, bei denen sicher
vor Erkennung des Reizeindruckes die Fingerbewegung erfolgte,
sind einbezogen.
(Tabelle 1 siehe folgende Seite.)
Eine Gegenüberstellung derjenigen Werte, welche bei den
Reaktionen auf die weißen Karten und derjenigen, welche auf
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85
Tabelle 1.
L
H
Weiß
Z
n
354,5
14
477
10
Rot
Z
n
398,5
18
449
8
die roten erhalten wurden, findet sich in Tabelle 1. BeiL ist
der Wert von Kot um 44 (T länger als der von Weiß, bei H ist
umgekehrt der von Weiß um 28 a länger als der von Kot Bei
den Schwankungen der Zeitwerte von H ist diesem letzteren
Unterschied nur geringe Bedeutung beizumessen.
Tabelle m.
L
H
rechts
Z
n
362,5
16
410
5
links
Z
n
385,5
16
500
13
In Tabelle m sind die Zentralwerte der Reaktionen mit dem
rechten denjenigen mit dem linken Zeigefinger gegenübergestellt
Bei L ist diesmal der Zentralwert links um 23 a länger als rechts,
bei H sogar um 90 a, was mit dem früheren Verhalten der Ver-
suchsperson in Widerspruch steht, da ja bisher die Keaktionen
links stets kürzer waren als diejenigen rechts. Es ist nicht aus-
geschlossen, daß dies mit der Erschwerung der Aufgabe zu-
sammenhängt
IL Reihe.
Hier stehen von L und H zwei Reihen von je 4 Tagen zur
Verfügung, bei denen ebenfalls abwechselnd rechts und links
reagiert wurde. Am 1. und 3. Tage links, 2. und 4. Tage rechts.
Die Instruktion lehnte sich diesmal an die Wundtsche Defini-
tion der Erkennungsreaktionen an. Sie lautete: »Es werden
weiße oder farbige Karten erscheinen; lassen Sie den Finger los,
sobald Sie die betreffende Karte erkannt haben«. Als Reize
wurden weiße, grüne, blaue, gelbe und rote Karten geboten*
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86
Von L haben wir insgesamt 60 Versuche, täglich 15 Versuche,
Jeder Reiz wurde 12 mal geboten. An den zwei ersten imd an
den zwei letzten Tagen wurden je 30 Karten (von jeder Qualität 6)
gemischt und in zufälligem Wechsel an diesen beiden Tagen als-
Reizeindrücke benützt. Bei H sind es nur 30 Versuche, an den
zwei ersten Tagen wurden je 7 Einzelversuche ausgeführt, an
den zwei letzten je 8. Jeder Reiz wurde 6 mal in zufälligem
Wechsel geboten.
Tabelle n.
L
H
z
362
587,5
ZvL-.Zo
341,5:393,5
529 : 680
MZ
52
151
n
60
26
F. R.
—
4
Eine Zusammenstellung der quantitativen Resultate ist in
Tabelle n gegeben. Der Zentralwert dieser Erkennungsreak-
tionen ist bei L um 10,5 a niedriger als derjenige der Tabelle k,
wo nur auf Rot und Weiß reagiert wurde. Die Mittelzone ist
um 26 niedriger, ein Zeichen dafür, daß das Verhalten der Ver«
Suchsperson bei diesen Versuchen noch einheitlicher wurde. Der
Betrag der Mittelzone ist auch bei H zurückgegangen und zwar
um 46 a. Dagegen ist hier der Zentralwert um 110,5 a in die
Höhe gegangen. Der Unterschied in dem Verhalten der Ver-
suchsperson bei diesen Reaktionen, wo auf 5 verschiedene Reize
nach der Erkennung derselben zu reagieren war, wird durch die
Betrachtung des psychologischen Tatbestandes erklärlich.
Derselbe unterschied sich bei der Versuchsperson L
nicht wesentiich von demjenigen der ersten Reihe. Wahrnehmung
der Blechplatte und geringe Spannung im Oberkörper (Erwartung
der kommenden Veränderung) sind in der Vorperiode mit dem
Bedeutungsinhalt der Instruktion gegenwärtig, nämlich abzuwarten
bis der Reiz erkannt ist Eine bestimmte Karte wurde nicht
erwartet Gegen früher war die Spannung geringer und das
Verhalten gleichgültiger. Dabei war die Einstellung darauf ge-
richtet, den Moment zu fassen, in dem das Kommende (i. e. die
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87 .
erscheinende Karte) hinreichend erkannt ist, ohne daß dies inner-
lich gesprochen wurde oder sonst phänomenologisch repräsentiert
-war. Nur einmal wurde innerlich gesprochen »weiß oder farbig
reagieren« (1. Vers, des 2. Tages 444 a blau). Es war auch hier
das Bestreben von L, keine überflüssigen Akte im Ablaufe des
Prozesses aufkommen zu lassen.
In der Hauptperiode wurde abgewartet bis die Empfindung
hinreichend gegeben war, wobei ein Zustand des Einverständ-
nisses etwa wie »jetzt ist alles da« oder nur »ja jetzt« sich ein-
stellte. An diesen schloß sich die Bewußtheit, loszulassen an,
worauf die Bewegung erfolgte. Oder der Eindruck wurde in seiner
Qualität aufgefaßt ähnlich wie »ja dies ist gelb«, »ja dies ist
weiß«, ein Zustand, der begleitet von der Bewußtheit »jetzt darf
ich loslassen«, unmittelbar in die Bewegung überging. Mit der
zunehmenden TJbung trat auch hier diese letztere Bewußtheit in
den Hintergrund. Doch ist die Handlung stets als eine gewollte
zu bezeichnen. Der Moment der hinreichenden Erkennung mit
der sich anschließenden Bewegung enthielt auch jetzt noch stets
ein Wissen ähnlich wie eine Bejahung, worauf der Finger bewegt
wurde. Doch war diese Bewußtheit, wie sich die Versuchsperson
ausdrückte, abgeblaßt. Überhaupt bietet die Bewußtseinsreprä-
sentation dieses Erkennungsaktes der Analyse in der Selbst-
beobachtung manche Schwierigkeit Weiß wurde bei diesen
Erkennungsreaktionen abweichend von den früheren Versuchen
mit Nebenreizen nicht im Gegensatz zu einer Farbe aufgefaßt
Auf einen Nebenreiz, der am Schlüsse des letzten Tages erschien,
wurde nicht reagiert
Etwas anders gestaltete sich der Ablauf des Prozesses bei
der Versuchsperson H. In der Vorperiode wurde auch hier
wieder innerlich gesprochen »weiß rot farbig schnell« oder »farbig
weiß sofort reagieren« oder »rot weiß sofort reagieren« u. dergl.
Hierbei war die Instruktion mit der gespannten Fixation der
Pla;tte gegenwärtig, nämlich die Erwartung, daß etwas kommen
wird dort, wo fixiert wird und daß zu warten ist, bis es sich
entwickelt hat mit der Bewußtheit, daß dieser konmaende Vor-
gang in eindeutiger Beziehung steht zu »meinem« Verhalten, d. h.
daß ich zu reagieren habe. Zuweilen wurde auch wiederholt
innerlich gesprochen, besonders wenn der Inhalt beim ersten Mal
noch nicht hinreichend gegenwärtig war. Am Ende der Vor-
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88
periode war bei den übrigen Fällen der Bedeutungsinhalt ohne
inneres Sprechen simultan gegeben. Spannungsempfindungen im
reagierenden Muskelorgan traten nicht hervor. Dagegen bestanden
Spannungsempfindungen in der Augengegend. Die Intensität
derselben war zuweilen stärker und ihre Ausbreitung bezog sich
auch auf den Oberkörper, wenn der vorhergegangene Versuch
nicht gut gelungen war oder kurz vorher eine stärkere Ablenkung
bestanden hatte.
In der Hauptperiode war der Ablauf des Vorganges nicht
einheitlich. Es lassen sich 3 verschiedene Formen des Er-
kennungsaktes unterscheiden. Besonders bei den farbigen
Karten wurde, nachdem sich die Empfindung entwickelt hatte, die
Bezeichnung der betreffenden Farbe also rot, gelb, mit einer ge-
wissen Bejahung oder Zustimmung innerlich gesprochen, worauf
der Finger in die Höhe ging, oder es war nm* der Zustand des
Einverständnisses, der Bejahung in dem Sinne gegeben wie ja
dies ist rot, ohne daß innerlich gesprochen wurde. Derartige
Reaktionen waren relativ kurz (585, 529, 500, 478 a). In anderen
Fällen wurde Q^lb oder Blau als farbig, wie es in dem Wort-
laut der Instruktion gegeben ist, angefaßt, worauf die Bewegung
erfolgte. Diese Reaktionen pflegten länger zu dauern (762, 941,
707 a). Und drittens konnte die Apperzeption auch so vor sich
gehen, daß die weiße oder farbige Karte als das appercipiert
wurde »worauf zu reagieren ist«. Diese Reaktionen dauerten
verschieden lang (605, 588, 536, 741 o). Eine Bewußtheit, daß
zu reagieren ist, trat am Anfang auch bei der ersten Form vor
der Bewegung des Fingers auf. Im Gregensatz zu der I. Reihe
war bei diesen Versuchen bei der Entwickelung der Wahr-
nehmung die Bewußtheit, daß abgewartet werden soll, nicht nach-
weisbar, obwohl der Einstellung gemäß die Entwickelung der
Wahrnehmung tatsächlich abgewartet wurde. Bei Versuchen
mit schlechter Vorbereitung war das Erscheinen des Reizes mit
Verwirrung verbunden, worauf ein Zustand eintrat wie, ich muß
loslassen, über dessen Q^gebensein nichts näheres gesagt werden
konnte. Dann ging der Finger in die Höhe (Fehlreaktion 880 a
4. Vers. d. 1. Tages). Beim ersten Versuch trat ebenfalls ein
Zustand der Verwirrung auf, nach der Apperzeption von G^lb
als farbig erfolgte unmittelbar, d. h. ohne Vorhandensein der
Bewußtheit, daß bewegt werden soU, die Bewegung.
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Drei von den 4 Fehlreaktionen sind durch Störungen in
der Vorperiode veranlaßt; bei einer war die Vorperiode zu kurz,
so daß die Einstellung noch nicht abgeschlossen war. Auch hier
bewirkte das Erscheinen des Eeizes eine Verwirrung.
Inwieweit das wechselnde Verhalten von H hinsichtlich der
Erkennung des Eeizes durch die jeweilige Einstellung in der
Vorperiode veranlaßt war, ließ sich nicht feststellen. Die erwähnte
Steigerung des Zentralwertes bei diesen Versuchen (Tabelle n)
ist ohne Zweifel auf diesen Tatbestand ziuückzuführen.
Tabelle o.
L
H
rechts
links
Z
n
Z
n
362,5
30
361,5
30
583,5
14
627,5
12
In Tabelle o sind die Zentralwerte der Reaktionen rechts
Tind links aufgeführt. Die überraschende Grieichförmigkeit im
Verhalten von L findet sich auch hier wieder. Bei H ist wie
in der Tab. m der Zentralwert links größer (Differenz = 44 a),
Tabelle p.
weiß
grün
blau
rot
gelb
L
Z
n
354,5
12
356
12
419,5
12
360
12
358,5
12
H
Z
n
583,5
6
584
6
558
6
622
6
606,5
6
Tabelle p führt uns die Zentralwerte der bei den ver-
schiedenen optischen Qualitäten erhaltenen Mittelwerte vor. Bei
L sind vier Werte (weiß, grün, rot, gelb) nahezu übereinstimmend.
Das arithmetische Mittel dieser vier Zentralwerte beträgt 357,25 a,
welche wir wohl als die mittlere Dauer einer Erkennungsreaktion
von L auf diese optischen Reize bezeichnen können. Die mittlere
Variation beträgt nur 2 a ! Die Reaktion auf Blau,
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90
Weißvalenz geringer war \ war 62,25 a länger als die erwähnte
mittlere Dauer. Viel größere Streuungen zeigen dagegen die
Werte von H. Nur die Zentralwerte von weiß und grün sind
fast gleich. Doch sind sie um über 200 er länger als bei L.
Am kürzesten ist hier die Keaktionsdauer auf Blau (im Gegensatz
zu L), während Rot die längste Zeit erforderte. Der Unterschied
dieser Zeitwerte beträgt 64 ct.
III. Reihe.
Die Instruktion lautete : »Es werden farbige Karten erscheinen,
lassen Sie den linken Zeigefinger los, sobald Sie die farbige
Karte erkannt haben«. Als farbige R^ize erschienen blaue oder
rote Karten und zwar wurden 4 blaue und 6 rote Karten ge-
mischt und in zufälliger Folge geboten. Von L und H stehen
je 10 derartige Erkennungsreaktionen zur Verfügung.
Tabelle q.
L
H
Z
415
586
n
10
10
F. B.
—
1
In Tabelle q sind die quantitativen Resultate aufgeführt
Der Zentralwert ist bei H nahezu identisch mit dem der vor-
hergehenden Reihe (587,5 a Tab. n). Da die Instruktion in
beiden Reihen bis auf die Zahl der gebotenen Eindrücke gleich
ist, so scheint dieses Resultat wohl begreiflich. Daß die Ver-
mehrung der R^izeindrücke bei der EL Reihe beziehw. die Ver-
minderung bei der vorliegenden Reihe eine wesentliche Änderung
des psychologischen Verhaltens und hiermit der Zeitwerte bei
diesen Erkennungsreaktionen nach sich ziehen muß, ist nicht an-
zunehmen. Nach dieser Richtung unterscheiden sich die vor-
liegenden Versuche von denen M. Friedrich (Philos. Stud.
Bd. I, S. 56, 1883), der bei Versuchen mit zwei und mit vier
Farbenerkennungen deutliche zeitliche Differenzen gefunden hat
1. Genauere Bestimmungen über die Weißvalenz der einzelnen
Farben-Qualitäten wurden nicht ausgeführt. Am höchsten war die der
grünen, dann folgte die der gelben Karten.
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91
Die Erhöhung des Zentralwertes von L ist ausschließlich
die Reaktionen bei rotem Eindruck zurückzuführen.
auf
Tabelle r.
L
H
rot
Z
n
409,5
6
60P,5
6
blau
Z
n
418,5
4
586
4
Denn wie aus der Tabelle r hervorgeht, ist der Zentral-
wert von Blau nahezu gleich dem früheren (Tab. p). Der
Zentralwert von Rot ist um 49,5 a in die Höhe gegangen. Ob
hier ein ähnliches Verhalten vorliegt wie früher, bei den Ver-
suchen mit Nebenreizen, wo sich die Zentralwerte allmählich in-
folge der zunehmenden Zurückhaltung der Versuchsperson ver-
längerten, läßt sich nicht entscheiden. Die Werte für Blau und Rot
bei H zeigen eine gute Übereinstimmung mit denen der Tabelle p.
Der erstere ist um 28 (X gestiegen, der letztere um 21,5 (X zurück-
gegangen. Dieser geringe Unterschied dürfte wohl durch das
schwankende Verhalten von H bedingt sein. Jedenfalls läßt sich
trotz der Abnahme der gebotenen Reize keine dieser Verminderung
quantitativ entsprechende Abnahme der Zeitwerte feststellen.
Und hiermit stehen auch die Angaben der systematischen
Selbstbeobachtung in Einklang. Das psychologische Verhalten
von L war in der Vor- und Hauptperiode wie dasjenige der
n. Reihe. In XJbereinstimmung hiermit steht die Äußerung von
L: »Es ist die alte Instruktion!«
Bei H war ebenfalls kein wesentlicher Unterschied zu be-
merken. In der Vorperiode wmxle meistens innerlich gesprochen
»farbig sofort reagieren« mit der Bedeutung abzuwarten, bis der
Reiz erkannt ist Es kamen auch Versuche vor, wo bei der
Fixation der Platte der Inhalt gegenwärtig war, ohne daß inner-
lich gesprochen wurde. In der Hauptperiode war das Verhalten
analog demjenigen der 1. Form der früheren Reihe. Rot wurde
als Rot aufgefaßt, also in dem Sinne einer Bejahung oder eines
Einverständnisses wie, ja dies ist rot, worauf der Finger in die
Höhe ging, ohne Bewußtheit, daß er in die Höhe gehen soll.
Zum Unterschied von früher wurde Blau oder Rot bei den
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92
letzten 4 Versuchen als das Bekannte appercipiert Wir haben es
hier mit einer 4. Form des Erkennungsaktes zu tun. Ein Neben-
reiz, der am Schlüsse dieser Reihe erschien, löste einen Zustand
der Verlegenheit, Unentschlossenheit infolge des ungewohnten
Eindruckes aus, worauf ohne inneres Sprechen die Bewußtheit
gegeben war, daß nicht reagiert zu werden braucht Eine Re-
aktionsbewegung erfolgte nicht.
IV. Reihe.
Diese Versuchsreihe schloß sich an die eben gegebene an
und sollte die Versuchspersonen auf Grund der Instruktion zur
Ausführung von Unterscheidungsreaktionen veranlassen.
Die Instruktion lautete: »Es wird eine blaue oder eine rote
Karte erscheinen, lassen Sie den linken Zeigefinger los, sobald
Sie die betreffende Karte von der anderen unterschieden haben«.
Auch hier wurde eine Versuchsreihe mit L und eine mit H
ausgeführte
Der Erwartungszustand von L war wie früher. Mit der
Fixation der Platte war die Bewußtheit gegeben, abzuwarten,
bis die eintretenden Veränderungen als Blau oder Rot erkannt
sind. Dieser Inhalt war simultan gegeben, ohne daß Einzel-
heiten hervortraten. Nur zweimal tauchte der Gedanke auf
(wahrscheinlich innerlich gesprochen) »blau-rot«. Li der Haupt-
periode war wie bei der IL und HE. Reihe ein Zustand des
Einverständnisses wie, ja dies ist rot (blau) gegeben, und mit der
Bewußtheit, jetzt kann ich in die Höhe fahren, erfolgte die Be-
wegung. Auch hier gingen diese beiden Vorgänge — der Zu-
stand des Einverständnisses und die Bewußtheit, zu reagieren —
unmittelbar in einander über. Letztere trat bei den späteren
Versuchen zurück. Auf die Frage »wie unterschieden Sie diese
Karte (rot) von der anderen?« erfolgte die Antwort: »Sobald
ich die Karte als rot erkenne, ist sie nicht blau, also hierdurch
von ihr unterschieden. Es braucht keinen besonderen Akt«.
Die Einstellung von H vollzog sich in der Weise, daß
innerlich gesprochen wurde »blau rot erkennen reagieren«. In
der Hauptperiode wurde blau (rot) aufgefaßt mit einem Zustande
des Einverständnisses wie, ja dies blau, worauf die Bewegung
erfolgte. Zweimal wurde hierbei ähnlich wie bei der 1. Form
der n. Reihe innerlich gesprochen »blau«. Nur beim 11. Ver-
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93
such war gegen Ende der Entwickelung von Rot eine Pause,
deren Zustand als Unentschlossenheit bezeichnet wurde; hierauf
Wissen, daß »ich« zu reagieren habe (keine nachweisbaren Be-
wegungsempfindungen), dann habe »ich« den Finger losgelassen
(615 a). Der dargebotene Beiz wurde auch hier nicht im
Untersdiied vom anderen Reiz apperzipiert, sondern in derselben
Weise wie bei den zwei vorhergegangenen Reihen. Es zeigten
also übereinstinmiend beide Versuchspersonen bei diesen soge-
nannten Unterscheidungsreaktionen das gleiche psychologische
Verhalten wie bei den vorhergegangenen Erkennungsreaktionen,
Wie sich der Ablauf des Greschehens gestaltet, wenn keine Er-
kennungsreaktionen vorausgehen, oder wenn die Instruktion in
anderer Weise gegeben wird, ist nicht untersucht worden. Von
den drei Fehlreaktionen waren zwei durch Störung in der Vor-
periode bedingt Hier ging einmal der Finger in die Höhe, als
Rot gesehen wurde, ohne daß Rot mit dem Zustande des Ein-
verständnisses apperzipiert war (935 a). Das andere Mal er-
folgte eine verspätete Apperzeption (861 a). Bei ' der 3. Fehl-
reaktion war in der Vorperiode nach dem inneren Sprechen ein
kurz dauerndes visuelles Bild einer grauen Karte gegeben, welche
erwartet wurde. In der Hauptperiode wurde ähnlich wie früher
bei den Nebenreizen Rot als nicht Grau aufgefaßt, worauf die
Bewegung erfolgte (841 a). Auf einen Nebenreiz, welcher bei
H und L am Schlüsse der Versuchsreihe geboten wurde, erfolgte
auch dieses mal keine Bewegung. In beiden Fällen war mit
der Erkennung des Nebenreizes die Bewußtheit gegeben, nicht
los zu lassen.
Mit den qualitativen Ergebnissen stehen die quantitativen
einigermaßen in Ubereinstinamung. Tabelle s führt uns die-
Tabelle s.
■
L
H
z
400
619
n
13
9
F.R
—
3
selbe vor. Der Zentralwert von L ist von der Größenordnung
desjenigen der Tab. q, derjenige von H ist um 33 er höher. Auf
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94
eine Änderung des Verhaltens, veranlaßt durch einen »XJnter-
scheidungsakt«, ist diese Steigerung, welche nur ungefähr 5,3 ^/o
des Gresamtwertes (619 a) betrifft, nicht zurückzuführen. Wenn
sie nicht der Ausdruck zufälliger Variabilität ist, wofür die
relativ hohe Zahl der P.R. spricht, so ist in ihr vielleicht eine
Bestätigung unserer oben ausgesprochenen Vermutung von der
zunehmenden Vorsicht zu sehen, welche die Versuchsperson
zurückhaltender und infolge dessen langsamer reagieren läßt
Tabelle t
L
H
rot
Z
n
403,5
6
617
4
blau
Z
n
381
7
661
5
Li Tabelle t findet sich eine Gegenüberstellung der Werte
für Rot und Blau der beiden Versuchspersonen. Die Größen-
ordnungen sind im allgemeinen dieselben wie früher, nur der
Wert für Blau hat bei H eine weitere Steigerung und zwar um
75 CT erfahren.
Im Anschluß an die eben besprochene Eeihe kam noch
eine Ergänzungsreihe bei L zur Ausführung. Die Instruktion
lautete: »Es wird eine weiße, eine rote, eine grüne, oder eine
gelbe Karte erscheinen. Lassen Sie den linken Zeigefinger los,
sobald Sie die betreffende Karte von der anderen unterschieden
haben«.
In der Vorperiode war der Inhalt der Instruktion mit der
Fixation der Platte und den hiermit verbundenen Spannungs-
empfindungen, deren Stärke sich nicht von der bisherigen unter-
schied, insofern gegenwärtig, als L wußte, daß auf 5 von den 6
Grundfarben nach ihrer Erkennung zu reagieren ist Dieser
Inhalt lag in der Erwartung, ohne daß speziell daran gedacht
wurde, d. h. ohne daß derselbe phänomenologisch bestimmt re-
präsentiert war. Es wurde nie an eine spezielle Karte gedacht
In der Hauptperiode war das Verhalten wie bei den eben
besprochenen Eeaktionen. Durch die XJbung folgten sich die
beiden Akte des Einverständnisses und der Bewußtheit loszu-
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95
lassen sehr schnell. Sie waren nicht mehr zu trennen. Der
zweite Akt trat gegen Ende der Versuche mehr und mehr
zurück. Auch hier war von einer ^^Unterscheidung« nichts
zu bemerken.
Der Zentralwert von 24 Versuchen, deren Eeizeindrücke in
zufälligem Wechsel einander folgten, betrug bei einer Mittelzone
von 58,5 a ungefähr wie früher 425 a. In Tabelle u sind die
Tabelle u.
weiß
grün
blau
rot
gelb
z
n
428,5
4
454
4
412
6
390
5
420
5
einzelnen Werte getrennt aufgeführt. Sämtliche Werte sind bis
auf den von Blau höher als diejenigen der Tab. p. Auffallend
ist, daß gerade jene Werte gestiegen sind, deren Weißvalenz am
größten war, also weiß, grün mid gelb. Wir werden wohl nicht
fehl gehen, wenn wir hierin eine Nachwirkung der beiden vorher-
gegangenen Reihen erblicken, bei denen nur rote und blaue
Karten erschienen. Es hatte sich wahrscheinhch eine Einstellung
auf die dunklere Farbenqualität ausgebildet. Aus den Resultaten
der Tab. p und u scheint in Übereinstimmung mit den Beob-
achtungen von Berger (Philos. Stud. Bd. 3. 1886. S. 68)
hervorzugehen, daß die XJnterscheidungs- beziehw. Erkennungs-
reaktionen für verschiedene Farbenqualitäten keine erheblichen
Unterschiede beim gleichen Individuum aufweisen.
d) Abschluss.
Bei der Fülle des Beobachtungsmaterials, welches die An-
wendung der systematischen experimentellen Selbstbeobachtung
bei den verschiedenen Versuchspersonen geliefert hat, ist es
schwierig, die gemeinsamen Züge und die charakteristischen in-
dividuellen Unterschiede herauszuschälen. Wenn wir einen
kurzen XJberblick über das Verhalten der Versuchspersonen bei
den bisherigen Versuchen geben, so ist folgendes zu bemerken:
Bei den sensoriellen Reaktionen stellte sich H in der
Weise ein, daß durch innerliches Sprechen wie »jetzt kommts«
(= akustisch-kinästhetische VorsteUimgsbilder) die Erwartung der
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96
kommenden Karte gegeben war, welche im Mittelpunkte des
Erlebnisses stand. Außerdem war, abgesehen von den sinn-
lichen Begleiterscheinungen der gespannten Aufmerksamkeit, das
Wissen gegenwärtig, möglichst rasch nach dem Erscheinen der
Karte zu reagieren. Die Absicht, möghchst rasch d. h. in
möghchst kurzer Zeit die gestellte Aufgabe zu erledigen, tritt
mit zunehmender Wiederholung der Versuche mehr und mehr
hervor, so daß im 2. Teil der Versuchsreihe das Erlebnis der
Vorperiode beherrscht wird vom Vorsatz, möglichst rasch aufzu-
fassen und möghchst rasch zu reagieren. Die Fixation richtete
sich demgemäß auf die obere Kante der Verschlußplatte.
Unmittelbar nach dem Erscheinen von etwas Weiß ging der
Finger in die Höhe. Über die Art der Auffassung des Eeizes
konnten keine oder nur sehr ungenaue Angaben gemacht
werden.
Bei der Versuchsperson J bestanden in der Vorperiode
Spannungsempfindungen in der Augengegend und der bewußte
Erwartungsinhalt der phänomenologisch nur durch den Span-
nungszustand repräsentiert, also unanschauhch gegeben war,
daß dort, wo fixiert wird, eine Veränderung eintreten wird und
zwar in sehr kurzer Zeit, und daß dieselbe möghchst rechtzeitig
bemerkt werden muß, sowie daß dann sofort reagiert werden soll,
ohne daß hierbei intentionale Bewegungsempfindungen im Muskel-
organ nachweisbar waren. Nur zu Beginn der Einstellung waren
dieselben gegeben. An die Einstellung, möghchst rasch aufzu-
fassen und möghchst rasch zu reagieren, schloß sich in der
Vorperiode ein Zustand aktiver gespannter Erwartung an, wobei
die Erwartung der kommenden Veränderung (i. e. Karte) im
Vordergrund stand, aber auch noch die übrigen Elemente des
Komplexes in der Spannung als Wissen gegenwärtig waren.
Die Erwartung war hier bereits vom 3. Versuche an auf die
obere Kante gerichtet Mit der Übung trat ein Nachlassen der
Aufmerksamkeitsspannung ein. Der Inhalt der Einstellung und
der gespannten Erwartung war noch eindeutig gegenwärtig (Ver-
suchsperson weiß, was erscheinen wird und was sie zu tun hat),
aber trotzdem war ein Unterschied gegen früher, indem d^
Gegenstand des Wissens nicht mehr so intensiv gegenwärtig war.
Dieses Nachlassen des bewußten Inhaltes ist wohl als ein Nach-
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97
lassen der Intensität der Bewußtheit zu bezeichnen K Dabei
trat eine erhebliche Verkürzung der Zeitwerte ein. Vom 6. Ver-
suche des 2. Tages an ging der Finger nach der Auffassung
des Reizes immittelbar in die Höhe. Auch J konnte hier keine
bestinunten Angaben über die Art der Auffassung machen.
Das motorische Element trat von Anfang an stark hervor
in der Einstellung von L. Es bestanden zwar keine ausgeprägten
intentionalen Bewegungsempfindungen im Finger, aber durch das
innere Sprechen »so schnell als möglich« »schnell reagieren«
überwog doch der Vorsatz, so schnell als möglich zu reagieren
gegenüber der sensorischen Richtung der Aufmerksamkeit. Die
sinnliche Aufmerksamkeit ist auf die Verschlußplatte des Karten-
wechslers gerichtet TJnd mit dieser Fixation und dem wieder-
holten inneren Sprechen entwickelt sich ein intensiver Spannungs-
zustand mit der stark hervortretenden Bewußtheit des Vorsatzes,
möglichst gleichzeitig die beiden Veränderungen dort an der
Platte, wo die Karte erscheinen wird und dort, wo der Taster
niedergedrückt wird, vor sich gehen zu lassen. Bei den ersten Ver-
suchen waren hier visuelle Vorstellungsbilder nachweisbar. Es
bestand eine Einstellung, die man wohl als eine gemischt sen-
soriell-muskuläre bezeichnen kann, in der der Vorsatz »möglichst
rasch« die Übermacht hatte. Auch hier nahm die Spannung
mit der fortschreitenden Übung ab und zwar war diese Span-
nungsabnahme, bei der auch die Intensität des Bewußtheit
zurückging, der Inhalt aber immer noch klar gegenwärtig war,
sowohl bei den Versuchen der einzelnen Tage wie bei der fort-
laufenden Reihe nachzuweisen. In der Hauptperiode ging vom
1. Versuche an der Finger, nachdem etwas Weiß gesehen war,
unmittelbar in die Höhe, ohne daß ein bewußter Inhalt dieser
Bewegung vorausgegangen wäre.
L unterscheidet sich auch in diesem Verhalten der Haupt-
periode von den beiden anderen Versuchspersonen. Bei H war
beim ersten Versuche nach dem Erscheinen des Reizes eine ge-
wisse innere Trägheit und die Bewußtheit nachweisbar, daß der
1. Als ein Nachlassen der Klarheit der Bewußtheit kann man es
nicht bezeichnen, da der Inhalt immer noch klar und eindeutig gegen-
wärtig ist. Ebenso wenig kann man sagen, der Inhalt ist unbestimmter
geworden.
Aeh, Willenstätigkeit. 7
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98
Finger in die Höhe gehen soll. Erst dann erfolgte die Be-
wegung. Vom 2. Versuche an war diese Bewußtheit nicht mehr
nachweisbar. Bei J konnte sie auch noch beim 2. Versuche
bemerkt werden. Sie trat bei H und J immer auf, wenn in
der Vorperiode eine Störung vorhanden war. Vom 6. Versuche
des 2. Tages an war sie bei J nicht mehr nachzuweisen.
L zeigte bei den einzelnen Versuchen das gleichmäßigste
Verhalten. Diese Gleichförmigkeit war mit auf die Absicht
zurückzuführen, alle Nebengedanken möglichst auszuschalten.
Diese Absicht war nur zu Beginn der Versuche und zuweilen
in den Zwischenpausen durch inneres Sprechen speziell gegen-
wärtig, sonst war sie in der gesamten Bewußtheit des in der
Vorperiode bestehenden Vorsatzes als Teilinhalt gegenwärtig.
Demgegenüber sehen wir bei H mannigfache Störungen in
der Vorperiode durch Zwischengedanken oder Selbstbeobachtungen
sich bemerkbar machen, in geringerem Grade bei J. Auch rein
sensorische Reaktionen finden sich bei H und J, bei dem letzteren
unter dem Einflüsse der Übung, wo nicht mehr an die auszu-
führende Bewegung gedacht zu werden brauchte, da dieselbe
rein associativ (automatisch) erfolgte. Während sich diese Werte
zeitiich nicht von den übrigen unterscheiden, sind die rem sen-
soriellen Reaktionen von H mit ausschließhcher intensiver Er-
wartung des Sinneseindruckes durch relativ hohe Zeitwerte aus-
gezeichnet. Rein muskuläre Reaktionen mit intentionalen Be-
wegungsempfindungen im Finger zeigt H. Auch diese Reak-
tionen, bei denen in der Vorperiode die Beziehung zur kommen-
den Veränderung durch die Fixation der Platte gegenwärtig war,
zeichnen sich durch relativ hohe Zeitwerte aus. Die Auffassung
des Reizes war hier merkbar verzögert J zeigte nur einmal
durch intentionale Bewegungsempfindungen in den Augen die
Andeutung einer derartigen muskulären Form.
Mit diesem wechselnden Ablauf der psychischen Prozesse
hängt der relativ große Streuungsbereich der Einzelwerte dieser
Versuchspersonen zusammen, und wir werden nicht fehl gehen,
wenn wir in dem Auftreten derartiger Abarten des regulären
Reaktionstypus die Andeutungen einer mehrgipf eligen Streuungs-
kurve der Zeitwerte dieser beiden Versuchspersonen erblicken,
ein Verhalten, wie es die Betrachtung der Streuungskurven bei
Versuchsreihen mit einer großen Zahl von Einzelwerten zeigt.
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99
Derartige Ergebnisse liegen auf dem in Bede stehenden
Gebiete vor in den Untersuchungen von N. Alechsieff ^ und
iL Bergemann >. Besonders sind die üntersuchimgen von
Alechsieff heranzuziehen, wo speziell bei sensoriellen Be-
aktionen auf Lichtreize die Streuungskurven große Schwan-
kungen — zumeist mit zwei Hauptspitzen — aufweisen. Auch
auf anderen Gebieten ist bei statistischen Feststellungen ein
derartiges mehrgipfeliges Verhalten der Streuungskurve be-
obachtet worden imd deutet, wie Pearson auf dem Gebiete
der Botanik nachgewiesen hat, die Entstehimg von Abarten an.
Bei meinen Untersuchungen ist es nicht möglich, derartige
statistische Betrachtungen an der Hand von Streuungskurven
anzustellen, da hierzu die mit Hülfe der Methode der systema-
tischen experimentellen Selbstbeobachtung gewonnenen Zeitwerte
an Zahl zu gering sind. Immerhin scheint sich aus der Ana-
lyse des qualitativen Verhaltens eine gewisse Bestätigung der
diesbezüglichen Wundtschen Ausführungen zu ergeben. Doch
glaube ich, daß bei derartigen Au&tellungen mehr als bisher
die Schwankungen der Aufinerksamkeitskonzentration, wie sie
durch Störungen in der Vorperiode bedingt werden, zu berück-
sichtigen sind. Die Zeitwerte selbst bewegen sich bis auf die
durch ihren stark motorischen Charakter ausgezeichneten Werte
von L in der für Beaktionen auf Idchtreize bekannten Größen-
ordnimg. Bemerkenswert ist die starke Verkürzimg derselben
bei H und J infolge der wiederholt fortgesetzten Versuche, ein
Verhalten, auf dessen psychologische Ursache wir weiter unten
noch zusprechen kommen.
Bei der muskulären Beihe geschah die Einstellung von
fl wieder durch innerliches Sprechen wie »Bewegung, Bewegung«
oder »sofort bewegen«. Dabei bestanden intentionale Bewe-
gungsempfindimgen im reagierenden Organ. Dieselben waren
erst vom 3. Tage an gut ausgeprägt. Es besteht zwischen
diesen Empfindungen und der durch die Fixation der Platte
gegebenen Erwartung der kommenden Veränderung eine Be-
ziebung in dem Sinne, daß auf diese eindeutig bestimmte,
1. N. Alechsieff, Beaktlonszeiten bei Darchgangsbeobachtangen,
PMloB. Stud. Bd. 16, S. 20fr., 1900.
2. Angefahrt bei W. Wundt, Gnindzüge der physiolog. Psycho-
logie, 5. Aufl. m, S. 417 fr, 1903.
7»
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100
kommende VeränderuDg möglichst schnell reagiert werden soll.
Die Absicht, möglichst schnell zu reagieren, beherrschte die
Einstellung. Der Ablauf war erst vom 4. Tage an einheit-
licher, da es der Versuchsperson Schwierigkeiten machte, sich
muskulär einzustellen. Sobald etwas Weiß gesehen wurde, er-
folgte vom 5. Versuche an unmittelbar die Bewegung. Über
die Qualität des aufgefaßten Reizes, d. h. über den Auffassungs-
vorgang selbst konnte nichts Näheres angegeben werden. Mit
der Übung nahm die Intensität der Spannimg ab.
Bei J waren hier ausgedehntere intentionale Bewegungs-
empfindungen nachzuweisen (im Finger und Arm sowie auf der
zugehörigen Seite des Oberkörpers, zuweilen auch nur in der
Augengegend der betreffenden Körperseite). Dieselben nehmen
in der Vorperiode allmählich an Intensität zu. Mit der gleich-
zeitigen Fixation der Platte, welche sich vom 3. Tage an auf
den oberen Teil derselben beschränkte, war die bewußt« Be-
ziehung zur kommenden Veränderung und zur auszuführenden
Bewegung gegeben in dem Sinne, möglichst rasch nach dem
Eintritt der Veränderung zu reagieren. Die Absicht, möglichst
rasch zu reagieren, welche gegen das Ende der Vorperiode mit
dem erwähnten komplexen Inhalte den Zustand einer gespaimten
aktiven Erwartung darstellte, stand im Mittelpimkt des Erleb-
nisses. Die Auffassung des Reizes erfolgte nicht in einer be-
stimmten Qualität desselben, sondern derselbe wurde als ein
Etwas, als eine Veränderung apperzipiert Auf diese Apper-
zeption erfolgte vom ersten Versuch ab unmittelbar die Be-
wegung. Eine Auffassung des Reizes in seiner Qualität »Weiß«
erfolgte erst nachträglich. Hiermit ist jedoch durchaus nicht
gesagt, daß der vorhergegangene Zustand nur die Perzeption
dieses Weiß darstellte, vielmehr bestand hier ebenfalls eine
Apperzeption, aber die dei^ Einstellung entsprechende Apper-
zeption einer Veränderung. Die Übung bewirkte eine Ab-
nahme der Intensität der Spannungsempfindungen, sowie der-
jenigen der Bewußtheit und zwar am gleichen Tage sowie bei
der fortlaufenden Reihe. Es war jetzt ein passiver, gleich-
gültiger Erwartungszustand gegeben. Die zeithche Komponente,
welche, wie immer, so auch bei diesen Versuchen, durch die
intentionalen Bewegungsempfindungen in der Einstellung ge-
geben ist und den Charakter hat, daß die Bewegung in sehr
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101
kurzer Zeit ausgeführt werden soll, war nicht mehr nachweisbar;
ebenso auch nicht die zeitliche Komponente, welche sich auf
die Erwartung des kommenden Eindruckes bezieht und den
Charakter hat, daß die Veränderung in der bekannten kurzen
Zeit eintreten wird. Auch die Erwartung des kommenden
Eindruckes konnte an Intei^tät so abnehmen, daß ein be-
wußtes Gegenwärtigsein nicht mehr festzustellen war. Es war
mit der Fixation der Platte und sehr schwachen intentionalen
Empfindungen im i^eagierenden Organ nur noch die schwach
ausgeprägte Bewußtheit gegenwärtig, daß reagiert werden soll.
Unmittelbar nach der Ausführung der Bewegung konnte über
den Ablauf der Beaktionsvorganges selbst häufig keine Angabe
mehr gemacht werden.
Die Einstellung vollzog L durch inneres Sprechen »mög-
lichst rasch«, wobei sich vom 2. Tage an intentionale Bewegungs-
empfindungen im reagierenden Organ entwickelten. Auch hier
war die bewußte Beziehung zwischen diesen Spannungs-
empfindungen und der durch die Eixiation der Platte ge-
gebenen kommenden Veränderung gegenwärtig, ebenso die zeit-
lichen Komponenten der Einstellung und der Erwartung. Da-
bei war es der Versuchsperson nicht möglich, die beiden In-
halte (Spannungsempfindungen mit der Bedeutung, möghchst
rasch zu reagieren, sowie die Erwartung der kommenden Ver-
änderung) gleichzeitig in gleicher, hoher Intensität festzuhalten.
Vielmehr war hier die Erwartung der kommenden Veränderung
mehr im Hintergrund d. h. diese Bewußtheit hatte nicht die
Intensität der anderen. Unmittelbar nach der AufTassimg, über
die nichts Näheres angegeben werden konnte, erfolgte die Ee-
aktionsbewegung. Durch die Übung trat bei dieser Reihe,
welche sich nur über 4 Tage erstreckte, keine wesentliche
Änderung ein.
Bei K vollzog sich die Einstellung durch innerliches
Sprechen »Bewegung, schnelle Bewegung« mit dem bewußten
Inhalt, möglichst rasch zu bewegen, sobald dort, wo fixiert
wird, eine Veränderung eintreten wird. Gegen Ende des
2. Tages und am 3. Tage waren bei einigen Yersuchen auch
intentionale Bewegungsempfindungen im Knger gegeben. Büer
fiel dann das innerliche Sprechen weg, und es war ein Wechsel
in dem Hervortreten dieser Empfindungen und der mit der
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102
Fixation der Platte gegebenen Erwartung des Sinneseindrucke»
zu bemerken. Vom 4. Tage an traten die intentionalen Be-
wegungsempfindungen im Muskelorgan nur noch gelegenüich
auf. Mit der starren Fixation der Platte war der Inhalt der
Instruktion, der durch wiederholtes innerliches Sprechen in seiner
Intensität zunahm, gegenwärtig. Dabei bestanden die zeitlichen
Komponenten der Einstellung imd der Erwartung, sowie ein
Gegenwärtigsein der Beziehung der beiden eintretenden Yer-
änderungen zu einander. Dieser letztere Inhalt konnte auch
durch intentionale Empfindungen in den Augen (zum Finger
hin und zur Platte hin) gegeben sein. Die Unfähigkeit, sich in
der durch die Instruktion gewünschten Weise auf die auszu-
führende Bewegung einzustellen, hat die Versuchsperson mit
ihrer sensorischsn Veranlagung nicht gehindert, sich motorisch
einzustellen. Trotz des Fehlens von intentionalen Bewegungs-
empfindungen im reagierenden Organ herrschte doch die Ab-,
sieht, möglichst rasch zu reagieren. Ihre Repräsentation ge-
schah durch das innerliche Sprechen.
Nach der Auffassung von etwas Weiß, über dessen Qua-
lität nichts Näheres angegeben werden konnte, ging der Finger
von den letzten Versuchen des 1. Tages an unmittelbar in die
Höhe. Die Übung bewirkte eine Abnahme der Spannungs-
intensität Der Inhalt der Absicht war bei den letzten Ver-
suchen noch eindeutig gegenwärtig.
Auch bei der muskulären Reihe zeigte L im Ablauf des
Prozesses die geringsten Schwankungen. L hat demgemäß bei
den Zahlenwerten die niedrigste Mittelzone. Besonders^ be-
merkbar machte sich die Nachwirkung der vorhergegangenen
Instruktionen und zwar sowohl bei H und J als bei L, bei
letzterem allerdings nur selten. Bei J wirkte noch die senso-
rielle Veranlagung mit, um Abweichimgen im Reaktionstypus
hervorzurufen. Bei H und J war nicht selten ein Schwanken
zwischen der sensorischen und der muskulären Einstellung ge-
geben, Reaktionen, bei denen in der Regel längere Zeitwerte
erhalten wurden. Ebenso gingen auch die Zeitwerte jener Re-
1. Hinsichtlich der übrigen diese Zahlen werte betreffenden Fest-
stellungen verweise ich auf die Besprechung der Tab. d.
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103
aktionen von H über den Zentralwert hinaus, bei denen die
Einstellung auf die auszuführende Bewegung nur durch Druck-
empfindungen , nicht aber durch intentionale Bewegungsempfin-
dungen vor sich ging. Reine muskuläre Reaktionen mit langen
Zeiten finden sich bei J. Hier machte sich die Nachwirkung
der früheren Instruktion besonders bei den letzten Versuchen
einzelner Tage geltend, wo ein Nachlassen der Intensität der
muskulären Einstellung einzutreten pflegte. Auch Selbst-
beobachtungen kamen bei der muskulären Reihe nicht selten
vor. Sie waren, wie früher erwähnt, durch die Instruktion ver-
anlaßt, indem sich die Aufmerksamkeit auf die intentionaJen
Bewegungen richtete (H). Rein sensorielle Einstellungen gegen
Ende der Vorperiode mit langen Zeiten waren bei J und K
zu beobachten. Bei letzterem zeigten sich lange Zeit, besonders €*?
auch dann, wenn 'die Versuchsperson in der Hauptperiode den
Pinger vom Taster gicht losbekommen konnte. Hier bestanden
im Muskelorgan Druckempfindungen ohne intentionalen Charakter.
Bei K finden sich auch reine Erkennungsreaktionen, bei denen
die Apperzeption mit der Bewußtheit »dies ist weiß» erfolgte.
Diese Reaktionszeiten dauerten über 300 (x. Die Streuungs-
kurven von H, J und^ K würden dementsprechend mehrere
Maximalwerte aufweisen.
Nach dem Erscheinai des Reizes pflegte hier die Bewußt-
heit, daß der Rnger losgelassen werden soll, nicht aufzutreten.
Bei L war sie überhaupt nicht nachweisbar, bei J nur beim 1.
Versuch des 2. Tages, bei K zeigten sie jene Versuche, bei
denen die Versuchsperson den Finger nicht losbekommen konnte.
H endlich zeigte bei den ersten Versuchen nach dem Erscheinen
der Karte einen eigentümUchen, nicht näher beschreibbaren Be-
wußtseinszustand, der zwar nicht mit der Bewußtheit, daß
losgelassen werden soll, identisch war, der aber doch die Be-
wegung von einer geübten, automatisch verlaufenden wohl unter-
scheiden Ueß.
Wenn nun auch bei den bevorstehenden Versuchen längere
Reihen mit maximaler Übung nicht zur Verfügung stehen, so
scheinen mir doch die erhaltenen Resultate für die Deutung
der muskulären und der sensoriellen Reaktionsform von Bedeu-
tung zu sein und zwar weniger hinsichtUch der quantitativen
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104
Bestimmung als yielmehr hinsichÜich des quaUtativen Ablaufes.
Infolge der Anwendung der systematischen experimentellen
Selbstbeobachtung lassen sie jene Faktoren erkennen, welche
bei diesen einfachsten Formen der Willensbetätigung bei ein-
zelnen Personen wirksam sind und feststellen, wie die definitive
maximal geübte Reaktionsweise unter dem Einfluß einer be-
stimmten Aufgabestellung zu stände kommt
Der Ablauf des Beaktionsvorganges gestaltete sich in der
Hauptperiode ziemlich einheitlich, indem in der überwiegenden
Zahl der Falle nach der Auffassung von etwas Weiß bei den
sensoriellen Reaktionen unmittelbar der Finger in die Höhe
ging. Zwischen Auffassimg und Bewegung war nur bei den
ersten Versuchen und in Ausnahmefällen, z. B., wenn in der
Vorbereitung eine Störung bestanden hatte, die Bewußtheit ge-
geben, daß der Finger losgelassen werden solL Es steht dies
im Widerspruch mit den Annahmen Wundts, der bei der sen-
soriellen oder vollständigen Reaktionsweise das Gegebensein
eines Willensimpulses annimmt. Es liegt nahe einzuwenden,
daß dies deswegen nicht der Fall ist, weil die vorUegenden Re-
aktionen nicht der vollständigen, sondern der verkürzten Re-
aktionsform zuzuzählen sind. Dem widerspricht die Tatsache,
daß die Versuchsperson J mit sensorischer Reaktionsweise und
langen Zeiten schon beim 3. Versuche unmittelbar, d. h. ohne
nachweisbares Gegebensein eines Willensimpulses (= Bewußt-
heit, daß die Bewegung erfolgen soll) reagierte {S22a)K Daß
dieser Willensimpuls auch bei den muskulären Reaktionen zu
fehlen pflegt, ist bekannt. Über die Auffassung des Sinnesreizes
konnten keine bestimmten Angaben gemacht werden. Bei den
sensoriellen Reaktionen pflegte die Bewegung nach der Auf-
fassung von etwas Weiß zu erfolgen. Bei den muskulären Re-
aktionen war die Auffassung noch unbestimmter insofern, als
entweder über die QuaUtät des aufgefaßten Reizes überhaupt
nichts angegeben werden konnte oder der Reiz als ein Etwas,
als eine Veränderung aufgefaßt wurde.
Weniger übereinstimmend war das Verhalten der Versuchs-
personen bei der Vorbereitung in der Vorperiode.
1. Außerdem mad hier auch die bei den Erkennungsreaktionen
gegebenen Feststellungen heranzuziehen.
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105
Es lassen sich sowohl bei den sensoriellen als bei den mus-
kulären Reaktionen mehrere Arten von Einstellung unterscheiden.
Sensoridle Einstellungsformen:
1) Die extreme oder reine sensorielle Einstellung.
Hier ist nur die Erwartung des kommenden Eindruckes
mit der Fixation der Platte gegeben, ohne daß überhaupt
an die auszuführende Bewegung gedacht wird (selten).
2) Die sensorielle Einstellung, bei der mit der Erwartung
des kommenden Eindruckes auch die Bewußtheit der
auszuführenden Bewegung gegeben ist, aber ohne inten-
tionale Bewegungsempfindungen.
3) Die sensoriell-phänomenologische Einstellung, bei
der die Erwartung des kommenden Eindruckes durch inneres
Sprechen wie »jetzt kommts«, oder durch ein visuelles
Bild des Reizes u. dergl. gegeben ist und zugleich die
Bewußtheit der auszuführenden Bewegung besteht, aber
ohne intentionale Bewegungsempfindungeu.
4) Die sensoriell-muskuläre Einstellung. Hier ist die
Einstellung von 2 oder 3 mit ihren Bewegungsem-
pfindungen im Muskelorgan oder in der Augengegend
u. dergl. verbunden.
5) Die zeitliche Einstellung. Bei dieser besteht eine Er-
wartung des kommenden Eindrucks mit der Fixation der
Platte, dabei aber eine starke muskuläre Einstellung, in-
dem mit dem inneren Sprechen :»so schnell als möglich«
die Bedeutung gegeben ist, die beiden Veränderungen —
Reiz und Bewegung — in möglichst kurzem zeitlichen
Intervall (möglichst gleichzeitig) vor sich gehen zu lassen.
Zuweilen anschauliche Vergegenwärtigung durch das
visuelle Vorstellungsbild eines sich bewegenden Takt-
stockes. Die Aufmerksamkeit ist hier darauf gerichtet,
das zeitliche Intervall zwischen Reiz und Bewegung
möglichst kurz zu machen.
Außerdem kamen auch noch andere Einstellungen vor, so
rein muskuläre mit starken intentionalen Bewegungsempfindungen.
Sämtliche Einstellungen gingen mit den jeweiligen Begleit-
erscheinimgen der sinnlichen Au&nerksamkeit einher.
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106
Muskuläre Einstdlungsformen:
1) Die extreme oder reine muskuläre Einstellung. Hier
bestehen ausschließlich intentionale ßewegungsempfin-
düngen ohne Beziehung zum erscheinenden Eeize (selten).
2) Die muskuläre Einstellung. Intentionale Bewegungs-
empfindungen mit der Absicht möglichst rasch zu rea-
gieren. Dabei Gregenwärtigsein der Beziehung zur kom-
menden Veränderung (Eeizeindruck) durch die Fixation
der Platte und Gregenwärtigsein der Beziehung der beiden
eintretenden Veränderungen (daß, sobald der Reiz er-
scheint, die Bewegung erfolgen soll).
3) Die muskulär-phänomenologische Einstellung. Die
Einstellung auf die Bewegung ist nicht durch intentionale
Bewegungsempfindungen, sondern in anderer Weise phäno-
menologisch durch inneres Sprechen wie »Bewegung« oder
durch ein visuelles Bild des ruhenden oder des sich be-
wegenden Muskelorganes u. dergl. gegeben. Dabei ist die
Beziehung zum kommenden Eindruck gegenwärtig.
4) Die muskulär-sensorielle Einstellung. Intentionale
Bewegungsempfindungen im Muskelorgan und inneres
Sprechen wie »Bewegung« mit der Beziehung zur ein-
tretenden Veränderung (Eeizeindruck), welche als Be-
wußtheit durch die Fixation der Platte gegeben ist Diese
Erwartung der kommenden Veränderung kann zeitweise
stärker hervortreten.
Auch hier kamen noch andere Formen zur Beobachtung, so
rein sensorische Reaktionen. Auch eine zeitliche Einstellung
dürfte bei den muskulären Reaktionen, sofern dieselben mit ab-
solut gleich langer Vorperiode und kurzem, ebenfalls stets gleich-
bleibenden Intervall zwischen den einzelnen Versuchen, also
rhythmisch zur Ausführung kommen, sich einstellen, wie sich
aus den früheren auf diesem Gebiete vorliegenden Erfahrungen
ergibt Bei den vorliegenden Versuchen kam diese Form in-
folge der anderweitigen Bedingungen nicht zur Beobachtung.
Die unter 2 aufgeführte muskuläre Einstellungsform ist
wohl identisch mit dem Type kinesomoteur von Flournoy^
während die unter 4 beschriebenen beiden Reaktionsformen dem
Type central dieses Autors, der sich mit dieser Bezeichnung
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107
G. Martins anschließt, zn entsprechen scheint Diese Eeaktions*
form fällt ohne Zweifel unter die von Alechsieff und Wundt
beschriebene natürliche Eeaktionsweise, bei der die Aufmerk-
samkeit zugleich auf den Sinneseindruck und auf die Ausfüh-
rung der Bewegung gerichtet ist Die' Type visuomoteur ist vr
der muskulär-phänomenologischen Einstellung zuzurechnen. Diese
Beaktionsweise wurde bei einer Versuchsperson (K) zweimal be-
obachtet, und zwar war bei der Einstellung das visuelle Bild
(verschwommen) des in die Höhe gehenden Pingers gegeben.
Dieselbe Versuchsperson hatte außerdem einmal bei einer sen-
soriellen Einstellung das visuelle Bild des sich bewegenden
Sinneseindruckes (Karte). Es ist also auch eine visuelle Eeprä-
sentation des sich bewegenden Muskelorganes bei muskulärer
Einstellung möglich, was bereits Q-. E. Müller^ feststellte, von
Wundt* aber auf Grund von Beobachtungen, die, wie aus
seinen Mitteilungen zu schließen ist, sich nur auf seine eigenen
Selbstbeobachtungen beziehen, geleugnet wird.
Aus den verschiedenen Formen der sensoriellen und mus-
kulären Einstellung, die bei der geringen Zahl von Versuchs-
personen auf Vollständigkeit selbstverständlich keinen Anspruch
erheben kann, ergibt sich, daß die Einstellung auf den kom-
menden Beiz und auf die auszuführende Bewegung, wie schon
bekannt, in verschiedener Weise erfolgen kann, daß z. B. auch
eine muskuläre Einstellung nur durch inneres Spi*echen ohne
intentionale Bewegungsempfindungen und ohne visuelle Bilder
möglich ist und bei dieser Einstellung Zeitwerte erhalten werden,
welche der für die muskuläre Eeaktionsweise charakteristischen
Größenordnung sich einreihen. Von größerem Einflüsse auf den
Ablauf des Prozesses als diese verschiedenartigen Einstellungs-
weisen scheint ein anderer Paktor zu sein.
Sämtliche Versuche zeigen als einheitliches Charakteristikum
die Absicht möglichst rasch zu reagieren. Diese Ab-
sicht braucht nicht speziell anschaulich hervorzutreten, z. B. durch
inneres Sprechen wie »möglichst schnell«, sie kann vielmehr auch
in der gesamten Spannung, und dies ist die Eegel, als Bewußt-
1. Bei Pilzecker, Die Lehre von der sinnl. Aufmerksamk. Diss.1889.
S. 63 ff.*
2. W. Wundt, Grundzüge d. phys. Psycho!. 5. Aufl. 1903. Bd. HI^
S. 427 Anmerk.
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108
heit gegenwärtig sein. Besonders ausgeprägt ist diese Absicht
bei den verkürzten, den muskulären Eeaktionen. Hierauf hat
speziell Alechsieff hingewiesen, indem er sagt*: »Wird die
Aufmerksamkeit fast ausschließUch auf die Ausführung der Be-
wegung, also auf das Ende des Eeaktionsprozesses gerichtet, so
sucht die Versuchsperson die Reaktion so schnell wie möglich
auszuführen«. Wie sich aus unseren Versuchen ergibt, tritt
auch bei der sensoriellen Reaktionsweise die Absicht, mögUchst
rasch loszulassen, stark hervor und zwar werden die Zeitwerte
um so kürzer, je stärker die Konzentration auf diese Absicht
ist (vergl. S. 72). Dabei machte sich die Wirkung dieser
Absicht bei sämtlichen Versuchspersonen mit der zimeh-
menden Übung mehr und mehr geltend. Ihr gegenüber konnte
mit der Wiederholung der Versuche die der Instruktion ent-
sprechende Absicht, die Aufmerksamkeit auf den konunenden
Sinneseindruck zu lenken, nicht aufkommen. Vielmehr wurde
bei der Auffassung mehr und mehr von einer deutlichen Apper-
zeption der weißen Karte abstrahiert Die Bewegung erfolgte
nachdem etwas Weiß, über dessen sinnhche Qualität häufig über- .
haupt nichts ausgesagt werden konnte, gesehen war. Und hierin
haben wir den Grund dafür zu suchen, daß die sensorische Re-
aktionsweise starke Neigung zeigt, in die verkürzte, muskuläre
Form überzugehen, eine Tatsache, auf die bereits L. Lange
aufmerksam gemacht hat
Es zeigt sich hier die Wirkung einer von der Absicht,
möglichst rasch zu reagieren, ausgehenden determinierenden
Abstraktion. Die Determinierung, möglichst rasch zu reagieren,
bewirkt in dem wiederholten Ablauf des Prozesses mehr und
mehr eine Abstraktion von der QuaUtät des Sinneseindruckes
auch bei den Reaktionsweisen, bei denen sich die Aufmerksam-
keit auf den kommenden Sinneseindruck eingestellt hat. Für
diesen Vorgang dient als Erleichterung der Umstand, daß die
Apperzeption der weißen Karte in ihrer völligen räumUchen
Ausdehnung für die Ausführung der Bewegung selbst gleich-
giltig ist und sich die Versuchsperson bei der Apperzeption des
Reizes nur schwer darüber Rechenschaft geben kann, in welcher
Phase der Entwicklung von Weiß die Bewegung zu erfolgen hat
Hiermit steht in Übereinstimmung, daß sich im Laufe der Ver-
1. a. a. 0. S. 18.
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109
suche sowohl bei H als bei J schon in der Vorperiode die Ein-
stellung auf die obere Kante der Verschlußplatte richtete*.
Ich stimme den Lang eschen Worten bei: »Mit fortschrei-
tender Praxis dürften allerdings wohl die meisten schließlich der
muskulären Reaktionsweise sich nahem, indem sie bei dem
Streben nach möglichst schneller Reaktion unbewußter Weise
das zum Ziel führende Mittel treffen« K Deswegen ist es
durchaus nicht immer eindeutig bestimmt, ob die vorliegenden
Reaktionen der sensorischen oder ob sie der motorischen Form
zuzurechnen sind* So sagt auch Qr. Martins*: »Im Grunde
hat die volle Apperzeption des Eindrucks mit der sensoriell ge-
richteten Aufmerksamkeit nicht mehr zu tun als mit der mus-
kulär gerichteten«, indem eben mit fortlaufender Übung von der
Qualität des Reizes mehr und mehr abstrahiert wird.
Daß die Zeitwerte der sensoriellen Reaktionen trotz des
Einflusses einer im Laufe vielfacher Wiederholung wirksamen
determiniereöden Abstraktion doch in der Regel noch länger
sind als diejenigen der muskulären Form, wie es sich z. B. aus
den Versuchen von Gr. Martius, von J. R. Angell und A. W.
Moore* ergibt, hat seinen Grund darin, daß in der Regel immer
erst reagiert wird, wenn »etwas Weiß« auftaucht, der Abstrak-
tionsprozeß also nicht so weit fortschreitet, daß von der Qualität
des Reizes bei der Apperzeption vollständig abstrahiert wird wie
bei den muskulären Reaktionen.
Bei den letzteren pflegt die Abstraktion von der Qualität
des Reizes in der Regel vollkommen ausgesprochen zu sein. Auf
Grund der Absicht, mögUchst rasch zu reagieren, findet nm' die
Apperzeption einer Veränderung statt, dagegen keine Apper-
zeption von Weiß. Diese pflegt erst nachträglich einzutreten*
Dabei kann sich dieses Verhalten schon bei den ersten Ver-
suchen oder nach geringer Übung zeigen. Hiermit steht die
1. BemerkeiiBwert ist, daß sich zur raschen Erfassung von etwas
WeiJß eigentlich die Fixation der unteren Kante besser eignete, da die
Yerschlußplatte des Karten Wechslers sich von unten nach oben bewegte.
Beide Versuchspersonen waren der Meinung, daß diese Bewegung von
oben nach unten erfolge.
2. a. a. 0. S. 496. 3. a. a. 0. S. 211.
4) J. E. An gell und A. W. Moore, Keaktion-Time. A Study in
Attention and Habit. Psych. Eeview III, 1896, S. 245 ff.
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110
Analyse des Erlebnisses, soweit hier exakte Angaben möglich
sind, vollkommen im Einklang (vergl. die oben bei J gegebenen
Ansfühnmgen) \ Die Einstellmig bezieht sich auf die kommende
Verändenmg, der Reiz wird in diesem Sinne apperzipiert, imd
die Bewegung erfolgt auf eine Verändenmg. Nm* dm-ch be-
sondere Verhaltungsmaßregeln ist es mögüch, die Wirkung der
determinierenden Abstraktion bei der sensoriellen Eeaktionsweise
auszuschalten. Hierher sind jene Vorschriften zu rechnen, welche
L. Lange zur Verhinderung von vorzeitigen Reaktionen ange-
geben hat, wie Verlängerung der Zeit zwischen zwei aufeinander
folgenden Versuchen, sodaß eine rhythmische Folge der Ver-
suche in kurzen Inijervallen unmöglich wird, sowie Beachten des
Umstandes, daß der Reagent erst mit der Erfassung des Signals
seine Aufmerksnmkeit anspannt Vor allem aber ist eine häufig
wiederholte genaue Instruktion notwendig, der eine die Auffas-
sung des Sinnesreizes betreffende, besondere Anweisung beizu-
fügen ist Geschieht dies nicht, so macht sich in der Regel mit
der Wiederholung der Versuche das Bestreben geltend, möglichst
kmrze Zeitwerte zu erhalten, und die Apperzeption des Sinnes-
eindruckes (der weißen Karte) geht in die Apperzeption einer
Veränderung über. Da die subjektiven Angaben gerade hin-
sichtlich der qualitativen Apperzeption des Sinnesreizes sehr un-
sicher sind*, dürfte sich die gelegentliche Einführung einer ob-
jektiven Kontrolle durch Nebenreize empfehlen. Allerdings nahem
sich die Versuche, bei denen die Ausführung der Bewegung von
der Auffassung des Reizes abhängig sein soll, mehr und mehr
den bedingten Reaktionen, speziell der c-Methode von Donders.
Was die Resultate der Versuche mit Nebenreizen be-
trifft, so verweise ich hinsichtiich der mannigfachen Einzelheiten
üuf die früheren Ausführungen. Bemerkt sei, daß bei einer
muskulären Reihe von L auch auf die Nebenreize des gleichen
Sinnesgebietes (blaue oder rote Karten) ausnahmslos reagiert
1. Inwiefern ein derartiger Abstraktionsprozeß möglich ist, ergibt
-sich aus den Darstellungen des Kapitels lY.
2. Auf die Unsicherheit einer klaren Apperzeption des Eeizes hat
u. A. bereits Martius hingewiesen (a. a. 0. S. 212). »Immer aber
wird durch das Bestehen auf der klaren Apperzeption des Beizes ein
unsicheres und nur schwer regulierbares Element in die Versuche ein-
geführt.«
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111
wurde, eine Tatsache, die L. Lange bereits für vexierende Eeize
fremder Sinnesqualität hervorgehoben hat. Die Bewegung er-
folgte unmittelbar nach dem Eintritt der Veränderung. Erst
nach der Bewegung merkte L, daß falsch reagiert worden war.
In der Vorperiode trat eine Änderung in der Einstellung nur
bei einem Versuch (nach dem 1. Nebenreiz) ein, wo inter-
mittierend das VorsteUungsbild einer weißen Karte auftauchte
mit dem Wissen,. nur auf Weiß zu reagieren. Die Veranlassung
zu den falschen Eeaktionen erblickte die Versuchsperson selbst
darin, daß es unmöghch ist, möglichst rasch zu reagieren, wie
es die muskuläre Einstellung bedingt, und außerdem erst zu
reagieren, wenn Weiß erkannt ist
Aber auch bei sensoriellen Eeaktionen mit 200 a als Mittel-
wert wurde auf die beiden ersten Vexierversuche reagiert Diese
Resultate stehen mit den Lang eschen Angaben im Wider-
spruch, nach denen bei den sensoriellen Beaktionen die Be-
wegung auf Nebenreize im Gregensatz zu den muskulären un-
fehlbar unterbleibt, allerdings beziehen sich die Lang eschen
Aufstellungen auf vexierende Eeize fremder Sinnesqualität Nach
diesen Vexierversuchen änderte sich dauernd die Einstellung.
Die Versuchsperson hatte die Absicht nur zu reagieren, wenn
Weiß kommt, dagegen nicht zu reagieren, wenn etwas anderes
kommt Dieser Inhalt war entweder durch inneres Sprechen
wie »wenn Weiß« oder als Bewußtheit durch die Fixation der
Platte imd den Spannungszustand gegenwärtig. Beim Erscheinen
des Eeizes wurde abgewartet, bis die weiße Karte vollständig
und klar aufgefaßt war. Hierauf erfolgte die Bewußtheit (Ein-
verständnis), daß der Finger in die Höhe gehen darf, worauf
die Bewegung erfolgte. Diese Bewußtheit fehlte bei späteren
Versuchen. Stets war aber ein deutliches Nacheinander (Auf-
fassen der Karte und Loslassen des Fingers) im Ablaufe des
Prozesses zu bemerken. Große Schwierigkeiten bereitete es der
Versuchsperson, den richtigen Moment bei der Entwickelung der
Auffassimg abzupassen. Denn es soll einerseits nicht zu spät
reagiert werden, andererseits kann man schon den ersten
Schimmer von Weiß für genügend erklären und den Finger
loslassen, ein Verhalten, das leicht zu falschen Eeaktionen Ver-
anlassung gibt Um diesen unsicheren subjektiven Maßstab
mögüchst auszuschalten, bediente sich die Versuchsperson bei
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112
der 3. Versuchsreihe eines Verfahrens, das Ähnlichkeit hat mit
der von ihr bei den früheren sensoriellen Versuchen benutzten
zeitiichen Einstellung. Die Aufeinanderfolge der Auffassung
und der Bewegung geschah bei richtigem Verhalten in einem
bestimmten, bekannten Intervall. Dementsprechend stellte sich
L in der Weise ein, die beiden Veränderungen in dem bekannten
Takte einander folgen zu lassen.
Mit der qualitativen Änderung des Verhaltens stellte sich
auch eine quantitative Änderung der Resultate ein. In der
ersten Reihe stieg der Mittelwert von 200 a auf 283 a. Diesen
letzteren Zentralwert ergaben jene Versuche, bei denen auf den
ü Nebenreiz stets richtig d. h. nicht reagiert w^rde. Bei den ersten
Vexierversuchen trat bei der Auffassung des Nebenreizes stets
eine intentionaJe Bewegungsempfindung (Impuls) im Pinger auf,
ohne daß jedoch eine Bewegung erfolgte. Bei den letzten Ver-
suchen der einzelnen Reihen fehlte sie. Hervorzuheben ist, daß
sich erst allmählich die Einstellung auf die neuen Bedingungen
dauernd einrichtete. Nach dem 1. Vexierversuch trat wohl eine
Änderung im qualitativen Verhalten ein, sie machte aber ent-
weder wieder der früheren Einstellung Platz, oder sie war noch
nicht so intensiv, um beim abermaligen Erscheinen eines Neben-
reizes die falsche Bewegung zu verhindern. Erst vom 3. oder 4
Vexierversuche an wurde auf Nebenreize nicht mehr reagiert
Bemerkenswert ist femer, daß das Verhalten der Versuchsperson
bei den aufeinander folgenden Reihen immer vorsichtiger
wurde. Es ergibt sich dies einerseits aus den Angaben der
systematischen experimentellen Selbstbeobachtung, indem vor der
Ausführung der Bewegung das Abwarten des sich entwickelnden
Reizes deutlicher hervortrat und die erwähnte Ausschaltung des
subjektiven Maßstabes durch Zuhülfenahme einer rhythmischen
Kontrolle sich einstellte, sowie andererseits aus den quantitativen
Ergebnissen. Bei den drei einander folgenden Reihen stiegen
die Mittelwerte derjenigen Versuche, bei denen auf die einge-
schalteten Nebenreize nicht reagiert wurde, von 283 a auf 327 a
und 365 a. Offenbar ist hier durch den Einfluß der Neben-
reize das Bestreben, möglichst kurze Zeitwerte zu liefern, mehr
und mehr zurückgetreten.
Ahnliche Resultate wie L ergab eine mit der Versuchs-
person H angestellte Vergleichsreihe. Auch hier trat bei den sen-
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113
soriellen Reaktionen unter dem Einflüsse von Nebenreizen eine
qualitative und quantitative Änderung des Geschehens ein.
Nach dem ersten Vexierversuch stellte sich diese Änderung ein.
Die Einstellung hatte jetzt beim inneren Sprechen »weiß oder
rot« die Bedeutung, nur auf Weiß zu reagieren und den Reiz
abzuwarten. Trotzdem wurde auch auf den zweiten Nebenreiz
reagiert Hervorzuheben ist, daß es auch für H mit Schwierig-
keit verbunden war, den Zeitpunkt in der Entwicklung der
Wahrnehmung von Weiß zu erfassen, bei dem die Reaktion zu
erfolgen hatte. Anfangs trat hier die Bewußtheit auf, daß ab-
gewartet werden soll. Später war die Bewußtheit gegeben »dies
ist das, worauf ich warte« oder »dies ist Weiß und nichts an-
deres«, ohne daß dies innerlich gesprochen wurde, worauf stets
unmittelbar, d. h. ohne Bewußtheit, daß bewegt werden soll, die
Bewegung erfolgte.
Der Zentralwert der Zeitwerte stieg bei einer Instruktion, welche
der c-Methode von Donders entspricht, auf 642 a. Die Neben-
reize, auf die jetzt nicht mehr reagiert wurde, lösten mit Ausnahme
des letzten intentionale Bewegimgsempfindungen im Finger aus.
Da bei den Versuchen mit Nebenreiz normalerweise auch
eine Einstellung besteht, nicht zu bewegen, (nämlich wenn ein
Nebenreiz erscheint), sowie der Reiz als solcher im Gegensatz
zu anderen (»dies ist Weiß und nichts anderes«) aufgefaßt zu
^werden pflegt, so besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen
diesen Reaktionen und den sensoriellen Reaktionen. Trotzdem
ist der Ausfall dieser Versuche von großer Bedeutung für die
Auffassung der sensoriellen Reaktionsweise. Sie bilden eine
Bestätigimg dafür, wie unsicher die Auffassung des Reizein-
druckes ist, speziell mit welchen Schwierigkeiten es für die
Versuchsperson verbunden ist, jenen Moment in der Ent-
wickelung des Reizes zu erfassen, in dem sie zu reagieren hat*.
Zweitens zeigen sie das starke Hervortreten des motorischen
Elementes, indem die Absicht, rasch zu reagieren, auch dann
noch zu falschen Reaktionen führen kann, wenn die Einstellung
auf den kommenden Reiz gerichtet ist.
1. In anderem Zusammenhange hat schon v. Kries (Über Unter-
scheidnngszeiten, Vicrteljahrschr. f. wiss. Philoß. Bd. XI, S. 10, 1887)
auf die Schwierigkeit bei der Bildung derartiger Urteile hingewiesen.
Ach, WiUenst&tigkeit. 8
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114
Wird bei den sensoriellen Reaktionen nicht ständig eine
subjektive oder objektive Kontrolle über die Richtigkeit ihrer
Ausführung geübt, d. h. darüber, daß die Bewegung erst dann
erfolgt, wenn die Auffassung des Reizes in seiner Qualität voll-
zogen ist, wobei eine häufige Wiederholung der Instruktion von
Seiten des Versuchsleiters oder der Versuchsperson zu em-
pfehlen ist, so macht sich in der geschilderten Weise der Einfluß
der von der Absicht, möglichst rasch zu reagieren, ausgehenden
determiniereaden Abstraktion mehr und mehr geltend. Der Vor-
gang nähert sich in seinem qualitativen und quantitativen Ablauf
der muskulären Reaktion. Wir können dementsprechend die
beiden Reaktionsweisen auch als zwei verschiedene Auf-
gabestellungen auffassen. Bei der muskulären Form besteht
die Aufgabe, möglichst rasch nach dem Erscheinen des bekannten
Reizes zu reagieren. Da sich zu diesem Zweck in der Regel
die Aufinerksamkeit auf die Ausführung der Bewegung, welche
die Zielvorstellung bildet, einstellt, so besteht eine muskuläre
Richtung der Aufinerksamkeit, und umgekehrt pflegt die Re-
aktion dann am raschesten abzulaufen, wenn sich die Aufinerk-
samkeit auf die Bewegung einstellt. Eine andere Aufgabe
liegt dagegen bei den sensoriellen Reaktionen vor. Hier be-
steht die gestellte Aufgabe darin, erst zu reagieren, nachdem
die Auffassung des vorher bekannten Reizes vollzogen ist.
Dies geschieht am besten dadurch, daß sich die Aufmerk-
samkeit auf den kommenden Reizeindruck einstellt, da in diesem
Fall das Ziel der Absicht die Erfassung des Reizes und erst
sekundär die Ausfuhrung der Bewegung bildet. Wird nun um-
gekehrt auf Grund der Instruktion durch Richten der Aufmerk-
samkeit auf den kommenden Eindruck die Auffassung des
Reizes zur Ziel Vorstellung gemacht, so ist die Apperception
dieses Reizes der Änderung entsprechend eine andere als bei
der muskulären Instruktion. Wir erhalten infolgedessen bei
sensoriellen Reaktionen längere Zeiten als bei muskulären,
ebenso auch einen relativ größeren Streuungsbereich der Einzel-
werte. Denn der Moment, in dem der Abschluß der Erfassung
des Eindruckes für die Versuchsperson gegeben ist, ist, wie oben
ausgeführt wurde, außerordentlich schwankend, so daß die Be-
wegung bei der einen Reaktion fiiiher, bei der anderen später erfolgt.
Aus den gemachten Ausführungen geht hervor, daß es
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115
zweckdienlicher ist, die beiden ßeaktionsweisen nicht nach dem
Vorgang von L. Lange als sensorielle und muskuläre Formen
zu unterscheiden, sondern sie mit Wund t als verlängerte und
verkürzte Formen der einfachen Eeaktion zu bezeichnen, denen
flieh dann noch die natürliche ßeaktionsweise anreiht, bei der
keine spezielle Instruktion hinsichtlich der Geschwindigkeit der
Bewegimg sowie hinsichtiich der Erfassung des Reizes ge-
geben ist
Die drei Aufgaben würden dementsprechend für uns un-
gefähr in folgender Weise zu fassen sein:
1) Es wird eine weiße Karte erscheinen; sobald Sie die
weiße Karte sehen, lassen Sie den Zeigefinger los,
Reagieren Sie möglichst rascjh. (Verkürzte Form.)
2) Es wird eine weiße Karte erscheinen; reagieren Sie erst,
wenn Sie die weiße Karte vollständig er&ßt haben.
(Verlängerte Form.)
3) Es wird eine weiße Karte erscheinen; reagieren Sie, wenn
Sie die weiße Karte erfaßt haben. (NatürUche Form.)
Dabei wäre die jeweilige Instruktion möglichst oft und
eindringlich zu wiederholend
Auf die Bedeutung der Versuchsvorschriften hat schon
Martins (a. a. 0. S. 211) hingewiesen. In richtiger Erkennt-
nis ihres Einflusses führt er auf die Verschiedenheit der Ver-
fluchsvorschriften die geringe Differenz der muskulären und senso-
riellen Reaktionszeit bei seinen Versuchen zurück.
Im Gegensatz zu Lange, Wundt u. A. stehen in mancher
Beziehung meine Resultate, soweit sie sich auf den qualitativen
Ablauf des Vorganges beziehen. Eine gegenseitige Verständi-
gung wird sich von selbst dann ergeben, wenn bei der Wieder-
holung dieser Versuche einerseits peinlichst die Angabe der
Instruktion, welche ja die Aufgabestellung in sich schließt, be-
rücksichtigt wird, sowie andererseits an Versuchspersonen, welche
in der Selbstbeobachtung geschult sind. Versuche unter An-
wendung der systematischen experimentellen Selbstbeobachtung
1. Durch die gegebenen Anweisungen, welche sich natürlich dem
jeweiligen Zweck entsprechend ändern lassen, wird es vermieden, von
einer Richtung der Aufmerksamkeit auf den Sinnesreiz oder die Be-
wegung in der Instruktion zu sprechen, was, wie schon oben aus-
geführt wurde, leicht zu Mißverständnissen Anlaß giebt.
8*
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durchgeführt werden. Die spätere Rekonstruktion eines längere
Zeit vorher erlebten Reaktionsvorganges — ein Verfahren, wie
es auf diesem Gebiete nach der vorliegenden Idtteratur zu ur-
teilen, zuweilen leider noch geübt wird — schließt bei dem un-
gemein raschen Abklingen der Perseveration imd der Er-
innerungstreue jede Identität des rekonstruierten mit dem früher,
sei es auch recht oft erlebten Vorgänge, aus. Der einfache
aber doch komplexe Vorgang läßt sich nur unmittelbar nach
seinem Erlebtwerden analysieren. Diese Analyse hat ergeben,
daß auch bei dem muskulären Reaktionsvorgang eine Apper-
zeption stattfindet. Aber nicht die AufiEassung des Reizes in
seiner sinnlichen Qualität ist gegeben, sondern die Apperzeption
einer Veränderung, bei der von der speziellen Qualität des
Reizes abstrahiert wird.
Wir haben es demnach bei der verkürzten Re-
aktionsform nicht mit einer Perzeption des Reizes zu
tun, wie Wundt^ annimmt, sondern mit einer Apper-
zeption, aber nicht mit der Apperzeption des Reizes,
sondern mit der Apperzeption einer Veränderung.
Diese Apperzeption einer »Veränderung« erfolgt entsprechend
der vorherigen durch einen Willensakt, die Absicht, bedingten
Richtung der Aufmerksamkeit auf eine kommende »Veränderung«.
Der Apperzeptionsakt selbst ist aber auch bei den muskulären
Reaktionen normalerweise nicht eliminiert Er ist es allerdings
bei jenen Formen, bei denen die Einstellung nicht auf die
kommende Veränderung gerichtet ist, sondern sich infolge des
rhythmischen Ablaufes der einander folgenden Einzelversuche
eine zeitliche Einstellung in der oben geschilderten Weise
ausgebildet hat und dieses Verhalten dürfte dann den Anlaß
bieten zum Auftreten von sogenannten vorzeitigen Reaktionen,
d. h. Reaktionen, bei denen die Bewegung bereits vor dem Eintritt
des Reizes erfolgt. Eine weitere Ursache dieser vorzeitigen Re-
aktionen kann auch in einer übermäßigen, rein muskulären Ein-
stellung auf Grund der Absicht, möglichst rasch zu reagieren,
gegeben sein, die zu einer Entladung drängt und erfolgt, ohne
daß der Reiz oder die eintretende Veränderung zu ihr in Be-
ziehung steht*. Fehlen diese Bedingungen für vorzeitige Re-
1. Physiol. Psychologie, 5. Aufl., Bd. III. 1903, S. 410 ff.
2. Über die Intensität der muskulären Einstellung lassen sich
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117
aktionen^ so pflegen sie, wie bei unseren Versuchen, nur sehr
selten aufzutreten. Das gelegentliche Vorkommen von Fehl-
reaktionen, bei denen auf einen anderen als den vereinbarten
Sinnesreiz reagiert wird, hängt mit der erwähnten für diese
Beaktionsweise charakteristischen Einstellung auf eine kommende
Veränderung zusammen. Diese Pehlreaktionen können umgekehrt
im jeweiligen Falle eine Bestätigung dafür bilden, daß die Ver-
suchsperson tatsächlich auf eine Veränderung und nicht auf
den speziellen Eeiz eingestellt war.
Wenn wir mit Wundt als Apperzeption einen seelischen
Akt verstehen, bei dem sich die Aufinerksamkeit einem be-
stimmten Bewußtseinsinhalt zuwendet, während der übrige si-
multan gegebene Inhalt als perzipiert bezeichnet wird, so gibt
es auch bei der verlängerten Reaktionsform keine Perzeption
des Beizes, welche der Apperzeption desselben vorausgeht.
Wir haben es ausschließUch mit der Entwickelung der Apper-
zeption des Reizes beim Erscheinen desselben zu tun, welche
eine bestimmte Dauer in Anspruch nimmt Diesem Bewußt-
seinsinhalt ist hierbei von dem Momente des Erscheinens des
Eindruckes an stets die Aufmerksamkeit auf Grund der vor-
herigen Einstellung zugewendet, und während der Entwickelung
des Eeizeindruckes ist kein anderer simultaner Inhalt gegeben,
dem die Aufmerksamkeit in höherem Grade zugewendet wärei.
Vielmehr befindet sich von dem Momente des Erscheinens des
Reizes ab — von dem Eintritt der Veränderung an — der sich
entwickelnde Reizeindruck im Blickpunkte des Bewußtseins.
Bei der sensoriellen Reaktion besteht infolgedessen
wohl eine Entwickelung der Apperzeption des Reizes,
dagegen sind wir nicht berechtigt, von einer der
Apperzeption unmittelbar vorhergehenden Perzeption
dieses Reizes zu sprechen.
Diese Entwickelung der Apperzeption des Reizes kann in
ihren einzelnen Phasen unmittelbar in die Bewegung übergehen.
Geschieht der Übergang schon im ersten Moment, so haben wir es
Vergleich sversuche in der Weise anstellen, daß man den Weg bestimmt,
welchen das reagierende Organ bei der Eeaktionsbewegung, z. B. dem
Loslassen eines Tasters, zurücklegt, und die Geschwindigkeit mißt, mit
der dies geschieht.
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118
in der Regel mit einer muskulären Reaktionsweise zu tun, und es
ißt so verständlich, inwiefern bei dieser Reaktionsform die Apper-
zeption einer »Veränderung« möglich ist, geschieht der Übergang
zweitens in einer daraufEolgenden späteren Phase der Entwickelung,
so können wir es mit einer sensoriellen Reaktion zu tun haben,
bei der die Reaktion unmittelbar erfolgt, nachdem der Reiz
(z. B. die weiße Karte) in seiner Qualität eben erkannt wurde.
Über diesen Akt selbst kann die Versuchsperson keine weiteren
Angaben machen. Drittens kann die Reaktion noch später er*
folgen. Hier ist die Apperzeption des Reizes nach ihrer völligen
Entwickelung entweder mit der Bewußtheit gegeben, daß dies
der bekannte erwartete Reiz ist, worauf unmittelbar die Be-
wegung erfolgt, oder es tritt nach der vöUigen Apperzeption ein
bewußter Vorgang ein, ähnlich wie »so jetzt darf bewegt werden«,
worauf die Bewegung erfolgt. Dieser Vorgang ist wohl mit
dem identisch, was meistens als Willensimpuls beschrieben
wurde. Außerdem können auch diese beiden Bewußtheiten zu-
sammen mit der völligen Apperzeption gegeben sein, wobei die
Bewußtheit des »Willensimpulses« zurückzutreten pflegt.
Hieraus geht hervor, daß eine bewußte Willenserregung
durchaus nicht immer bei der sensoriellen Reaktion der Be-
wegung unmittelbar vorausgeht. Es gilt dies nicht nur für die
zweite der beschriebenen Formen, die an sich Neigung zeigt, in
die muskuläre Form überzugehen. Vielmehr gilt dies auch für
diejenigen sensoriellen Reaktionen, bei denen eine vöUige Apper-
zeption des Reizes stattgefunden hat. Wenn der Reiz als der
erwartete Reiz apperzipiert ist, kann unmittelbar die Bewegung
erfolgen. Besonders mit zunehmender Wiederholung, wobei der
Vorgang mehr und mehr automatisch wird, treten, wie wir
gesehen haben, die bewußten Begleiterscheinungen zurück.
Dieser verschiedenartige Ablauf geht in der Regel mit
einer verschieden langen Dauer des Reaktionsvorganges einher,
vorausgesetzt, daß keine andersartigen Faktoren wie Nachlassen
der Aufinerksamkeitsspannung, Störung durch Selbstbeobachtung
u. dgl. wirksam sind. Hierauf ist schon wiederholt hingewiesen
worden. So ist nach der Auffassung von Münsterberg* bei
den von L. Lange mitgeteilten sensoriellen Reaktionen ein
1. Münsterberg, Beiträge etc., Bd. I. S. 74f.
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119
Eeflexionsakt zwischen Erkennen des Reizes und Ausführung
der Bewegung eingeschoben, ein Vorgang, der nach der Ansicht
von M. mit der veränderten Richtung der vorher gespannten
Aufmerksamkeit an sich nichts zu tun hat^. Diese Zwischen-
schiebung ist nach M. die Ursache dafür, daß Lange bei seinen
sensoriellen Reaktionen erheblich längere Zeitwerte erhalten
hat als Münsterberg selbst. Die Zeitwerte verhalten sich im
Mittel ungefähr wie 228,5 a : 162 ct. Die Entscheidung läßt
sich allerdings nur bei Anwendung der Methode der systemati-
schen experimentellen Selbstbeobachtung fällen.
Daß der Vorgang einer Willenserregung bei diesen ein-
fachen Handlungen nach dem Eintritt des Sinnesreizes nicht
notwendig als bewußtes Erlebnis gegeben zu sein braucht, wie
Wundt u. A. annehmen, hat seinen Grund darin, daß die
Determinierung bereits durch die vorbereitende Einstellung ge-
schieht Die Bewegungsvorstellung ist, wie man sich ausdrückt,
in Bereitschaft gesetzt oder es werden determinierende Ten-
denzen durch die Absicht zu bewegen gestiftet, so daß unmittel-
bar nach dem Erscheinen des Reizes die zugeordnete Bewegung
erfolgt. Der Willensakt pflegt nicht erst nach dem Erscheinen
des Reizes zu erfolgen, er geht vielmehr dem ganzen Versuche in
Gestalt der Einstellung voraus^. In extremer Weise zeigt sich diese
Erscheinung bei den verkürzten Reaktionen, bei denen in der
Vorperiode die stark ausgeprägte Absicht besteht, möglichst
rasch zu reagieren. Hier tritt bei den Versuchspersonen nach
dem Erscheinen des Sinnesreizes entweder überhaupt keine Be-
wußtheit auf, daß reagiert werden soll, so daß die Bewegung
schon vom ersten Versuch an unmittelbar erfolgt oder sie zeigt
sich nur bei den ersten Versuchen. Auch L. Lange* betonte,
daß die Bewegung bei der muskulären Reaktion unter dem
nachwirkenden Einflüsse eines vorangegangenen Willens-
impulses erfolgt. Der Umstand, daß bei der verkürzten Re-
aktionsform, wie wir gesehen haben, die Bewegung in der
Regel unmittelbar, d. h. ohne Bewußtheit, daß reagiert werden
1. Mit dieser Ansicht von M. stimme ich nach den gemachten
Darlegungen ttberein. Denn es gibt sensorielle Eeaktionen ohne einen
derartigen Eeflexionsakt.
2. Vgl. hierzu auch Münsterberg a. a. 0. S. 90.
3. a. a. 0. S. 510.
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120
soll, nach der Apperzeption einer Veränderung erfolgt, hat
Veranlassung zu der irrtümlichen Meinung gegeben, daß die
muskuläre Reaktion bei ihrer extremen Ausbildung zu einem
♦Gehimreflexc wird (Lange, Wundt, Erdmann imd Dodge
u. a.), eine Ansicht, die nach der Meinung von Münsterberg
unter Umständen auch noch bei zusammengesetzten und mehr-
fach zugeordneten Reaktionen verwirklicht sein kann. Gegen
diese Ansichten wendet sich schon G. Martins, dessen Aus-
führungen auf dem in Bede stehenden Gebiete überhaupt mit
am wertvollsten sind. Er hält eine gewisse Mitwirkung des
Bewußtseins bei der muskulären Beaktion für selbstverständlich
und die Ansicht von der inneren Gleichartigkeit des muskulären
und sensoriellen Reaktionsvorgangs für im höchsten Grade wahr-
scheinUch. Die Unrichtigkeit der erwähnten die muskuläre
Eeaktionsweise betreffenden Auffassung ergibt die systematische
Selbstbeobachtung, indem sie nachweist, daß die Willenserregung
in der Vorperiode gegeben ist durch die intensive Absicht, mög-
lichst rasch zü reagieren, welche bereits nach der Apperzeption
einer Veränderung die Bewegung ausführen läßt. Da mit
der zunehmenden Übung diese bewußte Absicht in der Vor-
periode mehr imd mehr zurücktritt, ihre Wirksamkeit aber in-
sofern wächst, als durch zunehmende Abstraktion von der Qualität
des Reizes auf eine Veränderung i. e. möglichst rasch reagiert wird,
wodurch leicht Fehlreaktionen eintreten können, so läßt es sich
verstehen, warum die maximal geübte verkürzte Reaktion einen
»Gehirnreflex« vorzutäuschen vermochte.
SelbstverständHch gelten die über die sensorielle und mus-
kuläre Reaktionsformen gemachten Darlegungen nur für jene
Bedingungen, unter denen sie zur Ausführung kamen, also vor
allem nur für Reaktionen mit einem die Einstellung veran-
lassenden Vorsignal.
Die natürliche Reaktionsweise, welche nach der Aufgabe-
stellung in der Mitte zwischen der verlängerten imd der ver-
kürzten Reaktionsweise steht, ist wie Wundt nach den Ver-
suchen von Bergemann und Alechsieff annimmt, durch einen
großen Streuungsbereich der JEinzelwerte gekennzeichnet Sie
ist in ihrer qualitativen Charakteristik entweder dadurch be-
stimmt, daß die Einstellung sich sowohl dem Sinneseindruck
als auch der Ausführung der Bewegung zuwendet, wie wir es
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121
bei unseren Versuchen in der sensoriell-muskulären und in der
muskuläx-sensoriellen Form antrafen (zentrale Einstellung) i, oder
die Keaktionsweise zeigt die Eigentümlichkeit, daß die Ver-
suchsperson bei den aufeinanderfolgenden Versuchen bald die
verkürzte, bald die verlängerte Reaktionsform bevorzugt, und so
ein mehrgipfeliges Verhalten der Kurve zur Beobachtung kommt.
Auch wir hatten Gelegenheit, dieses Verhalten zu beobachten.
Besonders auflfallend tritt dieser Wechsel in der- B^aktions-
weise dann hervor, wenn die Versuchsperson in einer Reaktions-
form sich eingeübt hat und dann zu einer anderen Form über-
geht. Dieser Übergang ist durch das Schwanken der quantita-
tiven Werte und des qualitativen Verhaltens gekennzeichnet,
indem sehr leicht ein Rückfall in die frühere Reaktionsweise
sich geltend macht, ein Verhalten, auf das z. B. auch Angell
und Moore hingewiesen haben*. Hieraus ergibt sich, daß bei
der Durchführung von Reaktionsversuchen auch die Zeitlage
der einzelnen Versuche einer eingehenden Berücksichtigung be-
darf, einer Forderung, der zwar L. Lange bei seiner mehrfach
erwähnten Untersuchung entsprochen hat, der aber sonst durch-
aus nicht immer Rechnung getragen wurde. Insbesonders ist
hier ein Teil jener Untersuchungen heranzuziehen, welche sich
auf die Aufetellung der sogenannten Typentheorie beziehen.
Die Berücksichtigung der ZeiÜage läßt das verschiedenartige
Verhalten der Versuchspersonen in einem anderen Lichte er-
scheinen. Sind erst die aus dem Übergänge von einer Reaktions-
form in eine andere resultierenden Schwankungen des qualita-
tiven und quantitativen Verhaltens ausgeglichen, so wird das
Verhalten der Versuchsperson, wie auch aus meinen Versuchen
hervorgeht, einheitlicher. Dabei sehen wir, wie sich die einzelne
Versuchsperson der gegebenen Aufgabestellung ihrer Ver-
anlagung entsprechend anpaßt So löste die sensorisch ver-
anlagte Versuchsperson K die bei der verkürzten (muskulären)
Reaktion gegebene Aufgabe, möghchst rasch zu reagieren, nicht
dadurch, daß die Zielvorstellung durch starke intentionale Be-
1. Hierbei kann die einzelne Versuchsperson ihrer Veranlagung
beziehw. Gewohnheit entsprechend auch mehr sensoriell oder muskulär
«ingestellt sein.
2. J. E. An gell und A. W. Moore, Psych. Review. III, 1896.
S. 246ff.
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122
wegungsempfinduDgen im Muskelorgan, wie gewöhnlich, gegeben
war, sondern die motorische Einstellung vollzog sich sensorisch
durch inneres Sprechen. Erst hierdurch näherten sich die Zeit-
werte und der Streuungsbereich den entsprechenden Werten
der übrigen Versuchspersonen. Umgekehrt löste die motorisch
veranlagte Versuchsperson L die bei den sensoriellen Reaktionen
gegebene Vorschrift, die Aufinerksamkeit auf den kommenden
Sinneseindruck zu richten, in der geschilderten Weise durch eine
gemischt sensoriell-muskuläre Einstellung, bei der die Absicht^
möglichst rasch zu reagieren, vorherrschte. Dieselbe war aber
hier nicht durch intentionale Bewegungsempfindungen wie bei
den muskulären Reaktionen gegeben, sondern durch inneres
Sprechen. Um bei dieser Versuchsperson eine den sensoriellen
Reaktionen entsprechende Aufgabestellung (zu reagieren nach
dem völligen Erfassen des Reizes) durchzuführen, war die wieder-
holte Einschiebung von vexierenden Nebenreizen notwendig.
Das Verhalten der Versuchspersonen bei den ver-
schiedenen Reaktionsformen zeigt, daß nicht die Ein-
stellung der Aufmerksamkeit auf den kommenden Reiz
oder auf die auszuführende Bewegung das Wesentliche
ist, sondern vielmehr der Umstand, wie sich die Ver-
suchsperson bei ihrer Absicht zu den oben (S. 115) ge-
gebenen Aufgabestellungen verhält, also ob sie z. B»
die intensive Absicht hat, möglichst rasch zu reagieren
(muskuläre-verkürzte Form) oder zu reagieren, nach-
dem sie den Sinnesreiz vollständig erfaßt hat (senso-
rielle-verlängerte Form). Dabei ist es von untergeordneter
Bedeutung wie diese Einstellung anschauHch im Bewußtsein
repräsentiert ist, ob sie visuell, durch Fixation der Verschluß-
platte, durch inneres Sprechen, durch intentionale Bewegungs-
empfindungen im reagierenden Muskelorgan oder in anderen
Organen, z. B. in den Augenmuskeln u. dergl., gegeben ist.
Werden diese beiden Momente, sowie der erwähnte Ein-
fluß der ZeiÜage berücksichtigt, so läßt sich das mannigfache
Verhalten der verschiedenen Versuchspersonen, das zur Auf-
stellung einer großen Zahl von einzelnen Typen geführt hat,
verstehen, ebenso auch die Tatsache, daß unter Umständen die
muskuläre Reaktion länger sein kann als die sensorielle (Martins,
Münsterberg, Baldwin, Flournoy). Wir haben es nicht
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mit einem gesetzmäßigen Verhalten in dem Sinne zu tun, daß
stets die muskuläre Einstellung die kürzeren Zeitwerte liefert,^
sondern mit verschiedenen Aufgaben. Fällt für die betreffende
Versuchsperson die muskuläre Einstellung mit der Aufgabe,,
möglichst rasch zu reagieren, zusammen, was die Regel ist, sa
liefert sie kürzere Zeiten als die sensorielle £;eaktionsweise, so-
fern bei der letzteren mit der Bichtung der Aufmerksamkeit auf
den kommenden Eindruck die Absicht besteht, erst zu reagieren
nachdem der Eeiz vollständig oder klar erfaßt ist Fällt da-
gegen die Sichtung der Aufinerksamkeit auf den kommenden
Eindruck mit der Absicht, möglichst rasch zu reagieren, zu-
sammen, sei es auf Grund einer starken motorischen Veranlagung
der Versuchsperson oder durch die Wirksamkeit einer deter-
minierejwlen Abstraktion, so können hier ähnliche Zeitwerte wie
bei den verkürzten Reaktionen erhalten werden. Ebenso braucht
wiederum die Richtung der Aufmerksamkeit auf die auszu-
führende Bewegung für die betreffende Versuchsperson nicht
notwendig mit der Absicht, möglichst rasch zu reagieren, zu-
sammenzufallen, so daß diese muskulären Reaktionen länger
dauern können als sensorielle. So erklären sich die verschie-
denen Typen durch die verschiedenen Aufgabestellungen und
durch das verschiedene Verhalten, mit dem die einzelnen Per-
sonen auf Grund ihrer Gewohnheit, Veranlagung und Auf-
fassung der Instruktion diesen Aufgaben gegenübertreten. Ein-
heitiichere Resultate werden wir dann erhalten, wenn dem-
entsprechend auf eine möglichst genaue Formulierung und
auf eine häufige Wiederholung der Aufgabestellung Gewicht
gelegt wird. Daß bei den individuellen Verschiedenheiten
auch noch andere Faktoren mitwirken können, speziell bei
leicht abnormer Veranlagung, ist selbstverständHch. So konnte
ich gelegentlich bei suggestibeln Personen in der Vorperiode
eine starre Fixation der Verschlußplatte ohne Gegenwärtig-
sein des Bedeutungsinhaltes der beabsichtigten sensoriellen Ein-
stellung beobachten oder auch Spannungsempfindungen inten-
tionalen Charakters bei muskidärer Einstellung. Durch das
Erscheinen der Platte wurde dieser Zustand des Verlorenseina
unterbrochen, und es dauerte in beiden Fällen lange Zeit bia
die Fingerbewegung erfolgte. Diese Reaktionen, speziell die-
jenigen mit muskulärer Einstellung, erinnern an die katalepti-
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124
sehen Zustände leichter Hypnose. Längeres Verharren der
Aufinerksamkeit in einer bestimmten Bichtung kann bei sehr
fiuggestibehi Personen diesen Zustand herbeiführen. Sie können
dann auf Grund dieses leicht kataleptischen Zustandes beim
Erscheinen des Reizes den Einger vom Taster nicht los be-
kommen. Wir haben also hier wieder Fälle, wo bei muskulärer
Einstellung abnorm lange Zeitwerte auftreten können.
Daß die Zeitlage bei den Beaktionsversuchen nicht ohne
Einfluß ist, ergibt sich aus dem Ausfall der Erkennungs-
xeaktionen, welche an L und H und zwar in unmittelbarem
Anschluß an Reaktionen mit Nebenreizen ausgeführt wurden.
Die Versuchspersonen waren in ihrem Verhalten durch die vorher-
gegangenen Versuche zur Vorsicht erzogen und ließen die Weiß-
oder Rot-Empfindung bei der Auffassung sich voll entwickeln,
was bei L durch einen Zustand der Zustimmung oder des
Einverständnisses markiert war. Der Bewegung ging die Be-
wußtheit, daß der Knger losgelassen werden darf, kurz vorher,
oder sie war von derselben begleitet Bei H war die Auf-
fassung mit der Bewußtheit gegeben, »dies ist das, was der
Erwartung entspricht und worauf reagiert werden soll«, worauf
der Rnger in die Höhe ging.
Die Bewußtheit loszulassen war hier nicht als eigener
Akt gegeben, sondern unmittelbar mit der Auffassung des Reizes
verbunden. Infolge dieses Verhaltens, bei welchem wohl auf
Orund der vorausgegangenen Versuche mit Nebenreizen die
völlige Erkennung des jeweiligen Reizes abgewartet wurde,
lieferten beide Versuchspersonen einerseits sehr hohe Zeitwerte
(Tab. k), andererseits war auch der Streuungsbereich infolge
der Unsicherheit in der Beurteilung desjenigen Momentes, in
dem der Erkennungsakt vollzogen war, sehr gestiegen. Er
nähert sich bei den beiden Versuchspersonen dem dreifachen
Betrage der Mittelzonen der sensoriellen Reaktionen. Die Auf-
merksamkeitsspannung bei der Einstellung und Erwartung ist
hier geringer als bei den Versuchen mit Nebenreizen, da nur
darauf geachtet wird, abzuwarten, bis sich die Reizqualität voll
entwickeln wird, während dagegen die Bewußtheit, nur auf
Weiß und nicht auf andere Reize zu reagieren, bei der Ein-
stellung fehlt. Die Aufgabe erscheint dementsprechend leichter.
Das Charakteristische dieser Versuche ist der Umstand, daß
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die Apperzeption des Eeizes mit der durch die Instruktion und
die Einstellung veranlaßten besonderen Bedeutung geschieht^
nämlich abzuwarten, bis der Reiz völlig erkannt ist^ Mit der
zunehmenden Übung nimmt die Intensität der Einstellung ab.
Der Reaktionsvorgang läuft mehr und mehr automatisch ab,.
indem die mit oder nach der Apperzeption des Eindruckes
auftretenden bewußten Komponenten abblassen oder völUg ver-
schwinden.
Ahnliche Resultate ergaben Erkennungsreaktionen, bei
denen auf fiinf verschiedenfarbige Eindrücke reagiert wurde
und zwar unter Benützung einer Instruktion, welche sich an
die Wundtsche Definition der Erkennungsreaktionen anlehnte.
Nur H zeigte eine Änderung seines Verhaltens, indem drei
verschiedene Arten von Apperzeption des Reizes zur Ausbildung
kamen. Hiermit ging eine beträchtliche Verlängerung der Zeit-
werte einher. Bei einer weiteren Versuchsreihe zeigte sich noch
eine 4. Art der Apperzeption wohl auf Grund der fortschreiten-
den Übung, indem der erscheinende Eindruck Blau oder Rot
als das Bekannte apperzipiert wurde. HinsichtUch der Einzel-
heiten sei auf die fiiiher gemachten Ausführungen zurück-
verwiesen.
Bei einer letzten Reihe von »Unterscheidungsreaktionen «^
1. Eine motorisclie Hemmung, welche wie Wandt (a. a. 0. S. 459)»
meint, die Bewegung solange zurückhält, bis die Erkennung vollzogen
ist, kam hier nicht zur Beobachtung. Eine derartige motorische
Hemmung bestand bei den früher besprochenen Versuchen mit Neben-
reizen, ohne daß jedoch eine bewußte Komponente derselben nachzu-
weisen war. Sie erfolgte auf Grund der Einstellung nicht zu reagieren,.
wenn ein anderer als der Hauptreiz erschien. Bei unseren Erkennungs-
reaktionen bestand nnr die Absicht, abzuwarten bis der Beiz völlig
erkannt ist. Infolgedessen bezog sich beim Erscheinen des Beizes da&
Abwarten nur auf die völlige Erfassung des Eindruckes, nicht aber
auf eine Hemmung der Beaktionsbewegung. Die Erkennungsreaktione;n
nähern sich so in ihrem qualitativen Ablauf den verlängerten senso-
riellen Beaktionen. Eine scharfe Grenze zwischen diesen beiden
Beaktionsformen scheint nicht zu existieren, worauf auch Ziehen hin-
weist (Leitf. d. physiol. Psycho!., 6. Auü., 1902, S. 238). Dagegen be-
steht, wie oben (S. 113) betont wurde, ein wesentlicher Unterschied
zwischen den sensoriellen Beaktionen und den Versuchen mit Neben-
reizen.
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126
l)ot sich bei beiden Versuchspersonen keine Änderung ihres
quantitativen und qualitativen Verhaltens gegenüber den Er-
kennungsreaktionen. Es handelt sich zwar nur um wenige
Versuche y die zudem ohne Berücksichtigung des Einflusses der
^eitiage zur Ausführung kamen, aber immerhin bilden sie eine
Bestätigung der Anschauung Külpes^, daß der Vorgang bei
•der ünterscheidungsreaktion im wesentUchen derselbe ist wie
bei der Erkennungsreaktion.
§6.
Beaktionen mit zweifacher Znordiinng.
Bei den Keaktionen mit zweifacher Zuordnung wurden
sowohl optische als akustische Reize in Anwendung gezogen.
Bei den optischen, zweifach zugeordneten Beak-
tionen erschienen im Karten Wechsler Karten mit den Buch-
staben E und (Antiqua) bedruckt. Fünfzig E-Karten und
fünfzig 0-Karten waren vorher gemischt worden, und diese
wurden dann in zufälliger Folge dem Beobachter geboten. So
wurde der von E. J. Swift* aufgestellten Forderung Rechnung
getragen, bei mehrfach zugeordneten Reaktionen die Reihenfolge
der Versuche nicht dem Versuchsleiter zu überlassen, sondern
dieselben auf Grund eines objektiven Verfahrens in zufälliger
Folge darzubieten. Auf die Karten wurde unter Benutzung
xler Taster in der Weise reagiert, daß bei E der vorher nieder-
gedrückte rechte und bei O der linke Zeigefinger losgelassen
vnirde. Die Anweisung wurde dem entsprechend in folgender
Weise gegeben: »Es werden Karten mit E oder O erscheinen;
bei jetzt drücken Sie beide Finger nach unten. Wenn E er-
scheint lassen Sie rechts los, wenn erscheint links«. Hin-
sichtlich der Art der Vorbereitung wurde keine spezielle In-
struktion gegeben. Die Zeitdauer der Vorperiode betrug ca.
3 Sekunden.
Versuchsreihen stehen von den Versuchspersonen A, B, C,
D zur Verfügung und zwar sind es insgesamt 617 Einzel-
1. Külpe, Grundriß der Psychologie, S. 428.
2. E. J. Swift, Disturbance of the attention during simple mental
Processes. American. Journ. of Psychol. V, 1892, S. Iff.
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127
versuche mit zweifach zugeordneten optischen Reaktionen, welche
sich auf 32 Versuchstage verteilen (Versuchszeit von 11 — 1 Uhr,
bei den zwei ersten Versuchstagen von C Abends von 6 — 7
Uhr). Bei C bestand zwischen dem 2. und 3. Versuchstage
eine mehrwöchentUche Pause.
Die Vorbereitung auf den kommenden Eindruck geschah
bei den verschiedenen Versuchspersonen in verschiedener Form.
Bei A ging sie in der Weise vor sich, daß tägUch vor Beginn
der Versuche und in den Zwischenpausen eine assoziative Ein-
übung vorgenommen wurde und zwar in der Art, daß durch
innerliches Sprechen die Worte »E rechts, links« als akustisch-
kinästhetische Vorstellungsbilder wiederholt wurden. In der
Vorperiode selbst hat A nie an einen bestimmten Buchstaben
oder an die auszuführende Bewegung gedacht, vielmehr bestand
eine unanschauliche Erwartung von etwas Kommendem. Die
Erwartung war insofern unanschaulich, als ihr Inhalt phänomeno-
logisch, durch inneres Sprechen, visuelle Bilder u. dergl., nicht
weiter bestimmt war, aber trotzdem war der der Instruktion
entsprechende Inhalt, »daß nämUch, wenn dort wo fixiert wird,
eine bestimmte Veränderung eintreten wird, eine eindeutig be-
stimmte Veränderung im Verhalten der Versuchsperson zu er-
folgen hat« in einer eindeutigen, aber nicht naher zu bezeich-
nenden Weise gegenwärtig. Als Begleiterscheinungen wurden
diflFuse Spannungsempfindungen im Kopf (Augen- und Stim-
gegend, Oberkiefer) regelmäßig wahrgenommen. Die Augen
fixierten die Verschlußplatte des Kartenwechslers, jedoch wurde
die Platte selbst während der Erwartung nie so deutUch ge-
sehen wie bei sonstiger Fixation. Die Vorbereitung bestand
demnach in einer unanschaulichen sensorischen Einstellung der
Aufknerksamkeit und ihren sinnlichen Begleiterscheinungen.
Ahnlich verhielt sich B. Normaler Weise hat B in der
Vorperiode weder an E noch an O gedacht. Zuweilen jedoch
hatte B einen der beiden erscheinenden Buchstaben als akustisch-
kinästhetisches Bild im Bewußtsein. War dies der Fall, so
blieb dies beim Erscheinen des Eeizes nicht ohne Einfluß auf
den Ablauf des Prozesses. Ein wechselndes Verhalten zeigte
C. Bei der Vorbereitung mit unanschauHcher Erwartung be-
standen neben den erwähnten mit der Fixation der Platte zu-
sammenhängenden Begleiterscheinungen noch Spannungsempfin-
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128
düngen in den beiden Annen und den zugehörigen Rngem,
welche den Charakter von Bewegungstendenzen aufwiesen.
Häufig geschah die Vorbereitung auch in der Weise, daß die
Lautbilder »E rechts, O links« oder in den späteren Versuchen
nur »E, O« mehrere Mal abwechselnd im Bewußtsein erschienen.
Sowohl in den Pausen als auch in der Vorperiode trat an Stelle
der akustisch-kinästhetischen Vorstellungen in seltenen Fällen
ein optisches Bild, welches E und O nach Art eines Mono-
grammes darstellte. Sind in der Vorperiode die kommenden
Sinnesreize visuell, akustisch, kinästhetisch repräsentiert, so
können wir diese Art der Vorbereitung als eine spezielle oder
anschauHche Vorbereitung bezeichnen, im Gegensatz zu der
unanschauHchen Vorbereitung, die, wie erwähnt, in der Begel
bei A imd bei B bestanden hat.
Zeichnete sich bei spezieller Vorbereitung für den er-
scheinenden Buchstaben das Lautbild durch besondere Deut-
lichkeit aus, so trat häufig noch das optische Bild des betreffen-
den Buchstaben im Bewußtsein auf.
Bei derartiger Vorbereitung bestanden sowohl bei B als
bei C lebhafte Spannungsempfindungen (intentionale Bewegungs-
empfindungen) im zugehörigen Arme und Zeigefinger^.
Das Verhalten von D war nur am ersten Tage ein
wechselndes.
Hier war die Erwartung meistens in unbestimmbarer Weise
auf den kommenden Eindruck eingestellt, wobei Spannungs-
empfindungen in den Augen und in der mittleren Stimgegend
bestanden. Zweimal traten hierbei Bewegungstendenzen in den
Händen und Mngem in den Vordergrund der Aufinerksamkeit,
welche »als nach der Peripherie zu gerichtete Verstärkungen
der Druckempfindungen« bezeichnet wurden.
Im übrigen wurde in der Vorperiode die Zuordnung durch
wiederholtes innerliches Sprechen »E rechts, O links« eingeübt
Vom zweiten Tage an vereinfachte sich dieselbe (akustisch-
kinästhetische Vorstellungsbilder E-0, E-0), wobei schwache
intentionale Bewegimgsempfindungen in den zugehörigen Armen
und Fingern auftraten sowie auch Bewegungsempfindungen in
den Augen nach rechts, beziehungsweise Unks. Diese assoziative
1. Vergl. § 8.
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129
Vorbereitung war die herrschende. Gelegentlich kamen auch
Spannungsempfindungen in der Kopfgegend in Verbindung mit
einem leichten Vorneigen des Kopfes zur Beobachtung.
In der Hauptperiode hat sich bei A, infolge seiner guten
assoziativen Einübung, trotz imanschaulicher Erwartung in der
Vorperiode, nur bei den ersten Versuchen an die Auffassung
des Buchstaben ein Zwischenglied angeschlossen, welches in
dem Wortbild »links« (»rechts«) bestand. Hieran reihte sich
dann unmittelbar die Bewegung des betreffenden Fingers. Am
ersten Versuchstage trat nach 16 Versuchen in der Weise eine
Abkürzung ein, daß der erscheinende Buchstabe O sofort die
Bewegung des Unken Fingers und E diejenige des rechten
Fingers auslöste; eine merkUche zeitliche Verkürzung wurde
hierdurch jedoch nicht bewirkt. Am 2. Tage tauchte bei den
ersten sieben Versuchen im Bewußtsein wieder die reproduzierte
akustisch-kinästhetische Vorstellung »rechts« oder »links« auf,
an die sich dann die Bewegung anschloß. Vom 8. Versuche
ab löste der Buchstabe sofort die zugehörige Bewegung aus.
Am 3. Tage war dies gleich vom ersten Versuche an der Fall,
Bei B ging diese Ausschaltung des Mittelgliedes, welches
durch das Erscheinen des Sinnesreizes reproduziert wurde, auch
hier nicht so rasch von statten. Erst beim zehnten Versuche
des zweiten Tages schloß sich zum ersten Mal unmittelbar an
den Reiz die Bewegung an. Am 3. Tage war bereits die
fünfte Reaktion unmittelbar. Vorher zeigte das Mittelglied
keinen akustisch-kinästhetischen Charakter, sondern an den
Reiz schloß sich ein eigentümhcher Empfindungskomplex im
betreffenden Unterarm und Finger an (intentionale Bewegungs-
empfindung). Hieraus ging die Bewegung hervor. In wenigen
Fällen war zwischen dieser Bewegungstendenz und der Be-
wegung noch ein Bewußtseinszustand, der von der Versuchs-
person als »Entschluß« bezeichnet wm'de und sich durch das
Bewußtsein des Einverständnisses »jetzt zu reagieren« aus-
drückte, ohne daß jedoch dieses Erlebnis in einem sprachlichen
Wortbild gegeben war. Auch beim ersten Versuch des 4. Tages
war noch eine intentionale Bewegungsempfindung als Mittelglied
vorhanden. Von da ab kamen derartige Mittelgheder zwischen
Reiz und Reaktion nur noch gelegentlich, z. B. nach einseitiger
Ach, WiUenstätigkeit. 9
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130
Vorbereitung vor. An die Auffassung des Keizes schließt sich
jetzt unmittelbar die Bewegung an.
Die Wortvorstellüng rechts oder links hat auch bei C am
ersten Tag die Vermittelung zwischen Reiz und Bewegung ge-
bildet Beim fünften Versuche des 2. Tages war sie zum ersten
Mal nicht mehr nachweisbar. Diese Vermittelung war mit
einer nicht näher beschreibbaren Bewußtheit einer Anstrengung
verbunden.
Später zeigte sich das Mittelglied nur noch ausnahmsweise,
z. B. beim fünften Versuch des 3. Tages, wo eine schwache
Einstellung auf die Bewegung des anderen Fingers vorhanden
war.
Bei D schloß sich bereits beim ersten Versuche des 1. Tages
ohne Zwischenglied an das Erscheinen des Reizes die zuge-
hörige Bewegung an. Es ist dies darauf zurückzuführen, daß
D sich in der assoziativen Zuordnung bereits eine hohe Übung
angeeignet hatte.
Bei sämtlichen Versuchspersonen kamen Fälle vor, wo die
Auffassung des Reizes nicht in der gewohnten Weise prompt
vor sich ging, sondern eine Apperzeptionspause bemerkbar war;
zuweilen hat sich auch nach bereits eingetretener assoziativer
Einübung und nach der prompt erfolgten Apperzeption die Be-
wegung nicht unmittelbar angeschlossen, sondern es trat eine
Pause ein, in der nur der Buchstabe angeschaut wurde.
Wie stark der Einfluß der Vorbereitung auf den Ablauf
des Prozesses der Hauptperiode ist, ergibt sich aus einem Ver-
gleich der Residtate, welche bei zufälliger Einstellung auf einen
der beiden Reize E oder O erhalten wurden, mit den Zeit-
werten, welche bei den verschiedenen Arten der normalen Vor-
bereitung zur Beobachtung kamen.
Eine Zusammenstellung für diese letzteren Werte gibt uns
Tab. I.
(Tabelle s. folgende Seite.)
Wegen des Einflusses der Zeitlage sind nur die Resultate
des 3. bis 7. Tages in die Berechnung einbezogen, und zwar
sämtliche Zahlen mit Ausnahme derjenigen, bei denen eine
spezielle Vorbereitung vorhanden war (Tab. III), sowie der
wenigen Werte, bei denen im Moment des erscheinenden Reizes
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131
Tab. I.
A
B
C
D
z
399
438;5
413
410
Zu : Zo
362 : 446
389 : 532
362^:475^
365 : 452
MZ
84
143
113
87
n
113
99
61
55
57
54
23
26
E
56
45
38
29
durch zufällige Störung überhaupt noch keine Vorbereitung ein-
geleitet war und außerdem der Fehlreaktionen (F.B.).
O ist die Zahl der Beizkarten mit dem Buchstaben 0, E
diejenige mit dem Buchstaben E; die Werte der letzteren sind
in der Tab. n getrennt berechnet
Die Zentralwerte dieser fttnMgigen Versuchsreihen zeigen
bei den verschiedenen Versuchspersonen eine gute überein-
Stimmung, da die größte Differenz zwischen A und B nur
39,5 a beträgt. Auch der Schwankungsbereich ist ein ziemlich
einheitUcher, besonders wenn wir hierzu die Tab. 11 berück-
sichtigen.
Tab. II.
O
E
Z
Z«: Zo
MZ
Z
Zu:Zo
MZ
383
345 : 433
88
412
387,5 : 470
82,5
B
407
377 : 467
90
475
416 : 540,5
124,5 _
C
413
369 : 453,5
84,5
409
357,5:481,5
124
D
374
353 : 416
63
429
383 : 459
76
Die Differenz zwischen dem niedrigsten und dem höchsten
Wert von MZ beträgt bei den 0- Werten 27 a, bei den E-Werten
48,5 a. Auffallenderweise sind bei den mit der rechten Hand
ausgeführten Reaktionen (E-Werte) wenigstens bei den Beob-
achtern B und C die Schwankungen bedeutend größer. Bei
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132
A und D zeigen die E- und 0-Werte nur geringe Unterschiede.
Dem höchsten Zentralwert (B, Tab. I) entspricht auch der
größte Schwankungsbereich der Einzelwerte. Eine MZ von
143 er ist schon recht beträchtlich. Leider können diese Werte
mit denen fiüherer Beobachter wegen der fehlenden oder durch-
aus ungenügenden Berücksichtigung des psychologischen Verlaufes
der einzelnen Reaktionen nicht in Beziehung gebracht werden.
Tab. IIL
B
D
Erscheinen des
erwarteten
Sinnesreizes
Erscheinen des
nicht erwarteten
Reizes
Z
n
O
E
Z
n
E
343
6
3
3
519
2
2
301,5
30
16
14
441
17
9
8
238
5
3
2
444,5
8
4
4
In Tab. UI findet sich eine ZusammenÜEissung derjenigen
Werte, welche bei zufälliger Einstellung auf einen der beiden
Buchstaben erhalten wurden. Hierbei ist das »Erscheinen des
erwarteten Reizes« von demjenigen des »nicht erwarteten Reizes«
zu trennen. Diese Trennimg ist selbstverständhch nur unter
Anwendung systematischer Selbstbeobachtung möglich. Aus
dieser Tabelle geht mit übereinstimmender ELlarheit hervor,
daß die Zeitwerte derjenigen Versuche, bei denen der erwartete
Sinnesreiz erschien, bedeutend kleiner sind als die Werte jener
Versuche, bei denen nicht der erwartete, sondern der andere
Buchstabe als Reiz wirkte. Die Differenz der zugehörigen
Zentralwerte beträgt bei B = 176 a, bei C — 139,5 a und
bei D — 206,5 a. A konnte hier nicht mit herangezogen
werden, da im ganzen nur zwei Werte in Betracht gekommen
wären. Das Resultat selbst ist nicht auffäUig, es hängt eben
der Ablauf eines psychischen Prozesses von der vorbereitenden
Erwartung ab^.
1. Vergl. hierzu auch G. Martius: Über die muskuläre Beak-
tion und die Aufmerksamkeit. Philos. Stud. VI. S. 183 f. 1891.
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133
In der Tab. IV ist für C eine weitere Unterscheidung in
der Weise durchgeführt, daß die bei schwach ausgeprägter Er-
wartung erhaltenen Resultate von denen mit starker Erwartung
getrennt sind und zwar auf Grund der Selbstbeobachtung, bei
Tabelle
IV.
starke
Erwartung
schwache
Erwartung
Erscheinen des
erwarteten Reizes
Erscheinendesnicht
erwarteten Beizes
Z
n
Z
n
263
11
591
5
332
19
440,5
12
starker Erwartung war neben intensiver Aufmerksamkeitsspannung
der Heiz in der Vorperiode nicht blos akustisch-kinästhetisch,
sondern auch optisch repräsentiert Abgesehen von dem obigen
Resultate, nach welchem die Zeitwerte beim Erscheinen des nicht
erwarteten Beizes bedeutend länger sind als beim Erscheinen des
erwarteten, zeigt sich hier insofern eine zahlenmäßige Bestätigung
der Angaben der Selbstbeobachtung, als tatsächlich beim Er-
scheinen des erwarteten Beizes der im Sinne des Beizes bestehenden
stärkeren Erwartung die kürzere Beaktionsdauer entspricht, wäh-
rend beim Erscheinen des der Erwartung nicht entsprechenden
Eindruckes umgekehrt bei starker Erwartung die Zahlenwerte
länger sind als bei schwacher Erwartung.
Bringen wir die Tab. HI in Vergleich zur Tab. I, so ist
uns ebenfalls eine zahlenmäßige Bestätigung für den Wert der
Selbstbeobachtung gegeben; es sind nämlich, wie von vornherein
zu erwarten war, die Zentralwerte der Tab. I (keine einseitige
Vorbereitung) einerseits beträchtlich höher als die zugehörigen
Werte, bei denen der erwartete Beiz erschienen ist (Tab. HI),
dagegen nicht unbedeutend niedriger als die Zahlenwerte, welche
beim Erscheinen des nicht erwarteten Beizes erhalten wurden.
Außerdem zeigt sich eine weitere Übereinstimmung insofern, als
die von B zu C und D abnehmenden Zahlenwerte der Tab. I
im allgemeinen das gleiche Verhalten auch in Tab. HE auf-
weisen.
Nicht nur hinsichtlich des zeitlichen Ablaufes der Beaktion
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134
ist die Vorperiode von entscheidendem Einfliisse,|iauch hinsieht,
lieh des erlebten Inhaltes zeigt sich die Abhängigkeit der Haupt-
periode von der Vorperiode.
Wirkte der in der Vorperiode erwartete Eindruck als Reiz,
so zeigte der Prozeß gegenüber einer einfachen Erkennimgsreaktion
keinen merkbaren Unterschied. Wenn bei einseitiger Vorbereitung
statt des erwarteten der nicht erwartete Buchstabe erschien, war
ein Zustand der XJberraschung vorhanden und die Apperzeption
schien der Versuchsperson länger als gewöhnlich zu dauern«
Außerdem schloß sich hier an die Auffassung des Reizes die
Bewegung nicht unmittelbar an, sondern es bestand die deutiiche
Bewußtheit eines Intervalles. Durch die weiter wirkende Wahr-
nehmung des Reizes trat dann die richtige Bewegung ein. Zu-
weilen wurde bei einseitiger Vorbereitung durch den erscheinenden,
der Erwartung nicht entsprechenden Buchstaben eine der Vor-
bereitung entsprechende»- intentionale Bewegungsempfindung aus-
gelöst, der sich durch die Apperzeption des Reizes im gleichen
Einger eine nach unten gerichtete Bewegungs- und Druckempfin-
dung anschloß, worauf dann die Reaktionsbewegung des dem
Reize zugeordneten Fingers erfolgte.
Grelang die Hemmung der vorbereiteten Bewegung nicht, so
trat eine Fehlreaktion ein.
Fehlreaktionen wurden an den ersten sieben Tagen ins-
gesammt 52 begangen, und zwar trafen auf: A = 8, B = 10,
C = 26 und D — 8. Im einzelnen verteilten sie sich ziemlich
regelmäßig auf die Versuchstage. Wenn wir diese Zahlen mit
denen der Tab. HI vergleichen, so zeigt sich, daß C, bei dem
die Erwartung eines bestimmten Sirmesreizes am häufigsten zur
Beobachtung kam, auch die meisten Fehlreaktionen aufweist
Dieser Zusammenhang ist durchaus kein zufälliger; wie schon
aus den oben gemachten Ausführungen hervorgeht, scheinen die
Fehlreaktionen mit der einseitigen Erwartung in enger Beziehung
zu stehen.
Wie die Residtate der Selbstbeobachtung ergeben, sind 14
Fehlreaktionen von C durch einseitige Vorbereitung veranlaßt
worden. Bei B war dies zweimal und bei D dreimal der FalL
Hierbei war zuweilen mit der falschen Reaktion die Bewußtheit
der Unrichtigkeit verbunden.
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135
Gewöhnlich merkte die Versuchsperson aber erst nach^ der
Beaktion, daß sie falsch reagiert hatte.
Nicht zu selten folgen die Fehlreaktionen den einseitig vor-
bereiteten unmittelbar in der Eeihe nach, oder sie gingen ihnen
voraus und veranlaßten eine einseitige Vorbereitung im Sinn det
falsch ausgeführten Bewegung.
Die Fehlreaktionen blieben auch insofern nicht ohne Einfluß
auf die nachfolgende Beaktion, als sich zuweilen bei derselben
nach vorausgegangener guter unanschaulicher Vorbereitung an die
Wahrnehmung des Beizes eine Verzögerung mit dem Zustande
des Zweifels, Schwankens anschloß, worauf erst der richtige
Finger bewegt wurde, oder es stellt sich wieder wie bei den
Versuchen mit geringer XJbung das Mittelglied »rechts« oder
»links« ein.
Fünf Fehlreaktionen von B sind durch vorhergehende Eeak-
tionen des gleichen Fingers veranlaßt worden, ohne daß in der
Vorperiode eine einseitige Vorbereitung bestanden hatte. Es hat
hierbei auf Grund der Einübung eine motorische Einstellung für
den betreffenden Finger bestanden, die jedoch nicht durch Druck-
oder Spannungsempfindungen im Bewußtsein ausgeprägt war,
eine Erscheinung, wie sie bekanntlich zuerst von Müller und
Schumann^ bei der Vergleichung von gehobenen Gewichten
gefunden und von L. Steffens* eingehender untersucht wurde.
Bei C äußerte sich die Nachwirkung der motorischen Einstellung
5 mal durch Fehlreaktionen. Die übrigen Fehlreaktionen sind
fast ausnahmslos auf ungenügende Vorbereitung (Unaufmerksam-
keit, UbeiTaschung durch zu frühes Erscheinen des Reizes) zu-
rückzuführen, ffierbei entstand beim Einwirken des Beizes ge-
wöhnlich ein Zustand der Verwirrung, der mit der falschen
Bewegung endigte. — Vorzeitige Reaktionen kamen nicht zur
Beobachtung.
Reaktionen, bei denen trotz ungenügender Vorbereitung
richtig reagiert wurde, sind durch lange Zeitdauer (über 550 a)
1. G. E. Müller und F. Schumann, Über die psychologischen
Grundlagen der Vergleichung gehobener Gewichte. Pflügers Arch.
Bd. 45, S. 37 ff. 1889.
2. L. Steffens, Über die motor. Einstellung. Zeitschr. f. Psycho!.
Bd. XXIII, 1900. ß. 241 ff.
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136
ausgezeichnet Die assoziative Einübung war nicht derart, daß
sich ohne genügende Vorbereitung unmittelbar an den Reiz die
Bewegung angeschlossen hätte. Vielmehr war in diesen Fällen
zwischen Wahrnehmung und Bewegung ein längeres Intervall
deutlich merkbar, das entweder ohne bestimmten Inhalt war oder
auch durch inn erliches Sp rechen wie »was soll ich eigentiich
tun?« ausgefüllt war. Die Wahrnehmung selbst war hier wenig-
stens bei A mit dem Zustande der Überraschung verbunden.
Obwohl die Betrachtung der Tab. 11 darauf hinweist, daß
eine Assoziation auf Grund der Assonanz bei E und rechts für
den Ausfall der B^aktionen nicht von Bedeutung gewesen ist
(bei O »links« besteht keine derartige Assonanz), habe ich trotz-
dem eigene Versuche nach dieser Richtung angestellt , Am 8.
Versuchstage wurde die Instruktion gegeben: bei »0 rechts
reagieren, bei E links reagieren«.
In der Tabelle V ist das Resultat in der Weise dargestellt,
Tabelle V.
A
B
D
8. Tag
Z
n
380,5
30
434
24
360
11
7. Tag
Z
n
407
15
462
17
389
10
daß für A, B und D dieser Versuchstag mit den Werten des
vorhergehenden Tages verglichen werden kann, wobei auch hier
die Fehlreaktionen, die ganz unvorbereiteten, sowie die einseitig
vorbereiteten Reaktionen nicht berücksichtigt wurden. Die Beob-
achtungswerte für C konnten wegen zu geringer Zahl von Ver-
gleichswerten nicht mit einbezogen werden.
In Anbetracht der geringen Zahl der Beobachtungswerte
läßt sich nur sagen, daß eine tiefer gehende Änderung der
Reaktionszeiten durch den Wechsel der Zuordnung nicht zu
beobachten ist Hiermit stimmt die Selbstbeobachtung überein.
Bei allen Versuchspersonen hat sich sofort nach geänderter In-
struktion an die Wahrnehmung des Buchstaben die zugehörige
Bewegung unmittelbar angeschlossen, ohne daß ein Mittelglied
zur Beobachtung kam. Diesen Reaktionen erwiesen sich die vor-
ausgegangenen Versuche insofern von Vorteü, als hinsichtlich
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137
der Einstellung der Aufmerksamkeit in der Vorbereitung keine
Änderung einzutreten brauchte, sondern nur die assoziative Ein-
übung neu vorgenommen werden mußte.
Die fortschreitende Verkürzung der Zeitwerte durch die
Übung kommt in der Tab. VI zum Ausdruck.
Tabelle VI.
A
B
C
D
1
Z
410,5
492
438
418
X.
null
Zu-.Zo
386 : 453
439 : 563
—
—
UllVl.
2.
n
36
33
17
17
Tag.
M Z
67
124
—
aM
421,2 (41,1)
492,8 (72,9)
433,8
424,5
6.
und
rj
Z
378,5
430,5
412,5
393,5
Zu:Zo
337,5:417
386 : 542
362:444
366 : 449
n
52
42
26
24
7.
Tag.
M Z
79,5
156
82
83
a M
381,6 (50,3)
463,2 (88,3)
421,7
388,2
Hier sind die Zentralwerte, welche aus den Resultaten des
1. und 2. Tages gewonnen wurden, jenen des 6. und 7. Tages
gegenüber gestellt Die zunehmende Mechanisierung des Prozesses,
welche sich im Bewußtsein durch Verkürzung der Apperzeptions-
zeit, Verschwinden des MittelgUedes oder eines merkbaren Inter-
valles zwischen Reiz und Bewegung äußert, zeigt sich durch-
gehends in einer Verkürzung der Reaktionszeiten, und zwar
sind die Zeiten bei A um 32 a, bei B um 61,5 er, bei C um
25,5 a und bei D um 24,5 a zurückgegangen.
Die Mittelzone zeigt nach der XJbung bei A, C und D
nahezu den gleichen Wert, nur B fällt aus der Reihe. Erst
bei weiteren Versuchen nähert sich auch die Mittelzone von B
den Werten der übrigen Versuchspersonen (vergl. Tab. VII).
Bemerkenswert ist, daß der Schwankungsbereich der Zeitwerte
mit der Übung zugenommen hat (Tab. VI). Auch die mittlere
Variation, welche aus dem arithmetischen Mittel (a M) berechnet
wurde, zeigt ein ähnliches Verhalten^.
1. Dieselbe ist bei A und B dem arithmetischen Mittel in Klam-
mem beigefügt.
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138
Wir werden wohl nicht fehl gehen, wenn wir dieses Besul*
tat auf ein allmähUches Nachlassen der vorbereitenden Auf-
merksamkeitsspannung zurückführen ^ so daß zufällige Schwan-
kungen leichter eintreten konnten. Es ist ja neben den oben
erwähnten Reaktionen nur die geringe Zahl der unvorbereiteten
Reaktionen ausgeschaltet worden. Eine genauere Unterscheidung
hinsichthch der verschiedenen Aufmerksamkeitsgrade in der Vor^
periode läßt sich auf Grund der Selbstbeobachtung nur schwer
durchführen. Nur im allgemeinen läßt sich sagen, daß ein
Nachlassen der Aufinerksamkeitskonzentration eintritt
Ein Vergleich der Zentralwerte und der Durchschnittswerte
zeigt, daß die letzteren bis auf zwei Fälle größer sind als die
Zentralwerte, daß also eine Asymmetrie zu Gunsten der positiven
Abweichungen vom Durchschnittswert vorherrschte.
Leider ist es nicht möglich, den an den einzelnen Tagen
durch Ermüdung, Anregung etc. gesetzten Zeitfehler numerisch
darzustellen. Wegen der fortschreitenden Übung können die
Werte verschiedener Tage nicht in Gruppen zusammengefaßt
werden, und aus den Zeiten der einzelnen Tage lassen sich
wegen zu geringer Zahl keine einigermaßen verlässigen Mittel»
werte bilden. Da diese Untersuchungen jeweils nicht mehr als
eine Stunde in Anspruch nahmen, so läßt sich bei den an die
Selbstbeobachtung gewöhnten Versuchspersonen eine irgendwie
erhebUche Verlängerung der Zeitwerte durch den Ermüdungs-
einfluß nicht nachweisen.
Vom 7. Tage an trat infolge der fortgeschrittenen Mechani-
sierung für die Methode der Selbstbeobachtung keine Änderung
mehr ein, so daß zu anderen Versuchen übergegangen werden
konnte.
Bei den akustischen, zweifach zugeordneten Reak^
tionen wurden als Sinnesreize die in den Schallschlüssel ge-
rufenen Vokale a und u benutzt, denen wie bei den optischen
Versuchen die beiden Zeigefinger zugeordnet waren. Als Ver-
suchspersonen dienten A, B und C. Die akustischen Versuche
sind demgemäß nur als ergänzende Untersuchungen zu be-
trachten. Da sie bei allen Versuchspersonen nach den opti-
schen Reaktionen angestellt wurden, so lassen sie sich auch be-
züglich der Zeitwerte nur unter Vorbehalt mit jenen vergleichen.
C unterschied sich hinsichtlich der Vorbereitung gegenüber
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139
den optischen Reaktionen dadurch, daß die Einstellung der
sinnUchen Auänerksamkeit eine unbestimmtere und allgemeinere
war; während dort häufig die mit der Fixation der Verschluß-
platte zusammenhängenden Spannimgsempfindungen in den
Vordergrund traten, bestand hier keine derartige, räumUch be-
stimmte Ausprägung der Vorbereitung. Dieselbe war vielmehr
nur der Bichtung nach gegeben, nämlich durch Spannungs-
empfindungen im rechten Ohr, da von dieser Seite her der Laut
erwartet vrurde; außerdem bestanden noch Empfindungen im
Vorderkopf. Dabei traten akustisch-kinästhetische Bilder von
a und u abwechselnd im Bewußtsein auf mit intentionalen Be-
wegungsempfindungen in den Augen nach links (oder rechts)
und schwachen intentionalen Bewegungsempfindungen im linken
oder rechten Arm, Diese assoziative Vorbereitung war bereite
vom fünften Versuche an nur noch gelegentlich vorhanden.
Von hier ab war C für den kommenden Eindruck nicht in
einer bestimmten Weise vorbereitet, sondern es bestand eine
unbestimmte sensorische Spannung der Aufinerksamkeit, welche
zuweilen durch das dunkle Gesichtsfeld in Anspruch genommen
wurdet Außerdem waren noch diffuse Spannungsempfindungen
im Oberkörper zu bemerken.
Bei A imd B war die Vorbereitung gewöhnlich eine sen-
sorische Spannung der Aufinerksamkeit mit unanschaulicher Er-
wartung von etwas Kommendem und mit schwach ausgeprägten
Begleiterscheinungen der sinnUchen Aufmerksamkeit Vor Be-
ginn der Versuche und gelegentUch in den Pausen fand eine
assoziative Einübung statt durch innerliches Sprechen :»a links,.
u rechts« mit schwachen intentionalen Bewegungsempfindungen
in den zugehörigen Fingern. Bei B fand am 2. Tag für sieben
Versuche die Vorbereitung in der Weise statt, daß die Sprach-
vorstellung u mit einer starken intentionalen Bewegungsempfin-
dung im rechten Unterarm und Hand verbunden war. Dabei «n ^^^
bestand noch die Absicht: wenn etwas anderes erscheint, dann
wird links reagiert, und zwar in der Weise, daß diese einseitige
Vorbereitung rechts auch noch die Vorbereitung für links in sich
schloß, allerdings nur dem Sinne nach wie »außerdem links«,,
ohne daß hierbei Sprachvorstellungen oder intentionale Be-
1. C reagierte hier mit geschlossenen Augen.
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140
-wegungsempfindungen für links nachzuweisen waren. Die hier
erhaltenen Zeitwerte unterschieden sich nicht wesentlich von
denen mit anderer Vorbereitung.
In der Hauptperiode schloß sich bereits beim ersten
Versuch die zugehörige Bewegung unmittelbar ohne Mittelglied
an die Wahrnehmung an. Nur bei C trat nach der AuflEassung
•eine Pause ohne genauer bestimmbaren Inhalt ein, aus der dann
unmittelbar die Bewegung des richtigen Kngers hervorging.
Vom zweiten Versuche an war auch hier das Verhalten das
gleiche wie bei den beiden anderen Versuchspersonen. Der Laut
veranlaßte ohne Weiteres die zugehörige Bewegung, ohne Ke-
produktion einer Wortvorstellung und ohne Vorhandensein einer
intentionalen Bewegungsempfindung. Überhaupt schien sich
nach den Angaben der Selbstbeobachtung hier die Zuordnung
leichter zu vollziehen, so daß auch die Neigung zu Fehlreak-
tionen gering war. (Bei A — 4, B = 4, C =■ 2).
In Tab. VII findet sich eine Zusammenstellung der an je
Tier Tagen erhaltenen Zeitwerte.
Tabelle VH.
A
B
C
z
364
370,5
395
Zu:Zo
332,5 : 422
349 : 415
350:416,5
MZ
89,5
66
66,5
n
61
98
24
a
29
52
13
u
32
46
11
Die Zentralwerte zeigen bei den drei Versuchspersonen nur ge-
ringe Unterschiede. Mit den optischen Reaktionen verglichen
{Tab. VI, 6. und 7. Tag), sind die Zeitwerte durchgängig zu-
rückgegangen; jedoch ist diese DiflFerenz nur bei B eine erheb-
lichere ^
Die Reihenfolge hat sich gegenüber den optischen Reak-
1. Zu bemerken ist, daß zwischen diesen Beaktionen and den
letzten optischen Versuchen bei A eine Paase von 11 Tagen bestand,
bei B von 1 Tag, bei C dagegen betrug das Intervall 7 Wochen.
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141
tionen insofern verschoben, als nicht B, sondern C die läng-
sten Zeiten au&«weist. A hat wie dort so auch hier den
niedrigsten Zentralwert. Der Streuungswert MZ zeigt jetzt ein
ziemlich gleichmäßiges Verhalten. Bei A hat er eine geringe
Steigerung erfahren, bei B dagegen ist er beträchtlich herab-
gegangen.
Es zeigt sich also, daß hier wohl infolge der fortschreitenden
Übung sowolil die Zentralwerte als auch die zufälligen Ab-
weichungen bei den drei Versuchspersonen nur geringe Ab-
weichungen aufvireisen.
Die Umänderung der Instruktion (a rechter Zeigefinger^
u linker Zeigefinger) bewirkte weder in zeitlicher, noch in inhalt-
licher Beziehung eine Änderung des Erlebnisses.
Wie sich aus der Tab. Vm ersehen läßt, bestehen für G
auch bei den akustischen Reaktionen dieselben Verhältnisse bei
einseitiger Vorbereitung wie bei den optischen Versuchen.
Tabelle Vin.
Erscheinen des er-
warteten Reizes.
Z
n
B
268
5
(599)
(1)
286
17
405,5
12
Erscheinen des
nicht erwarteten
Reizes.
Erscheint der erwartete Sinneseindruck, so verkürzt sich die
Reaktionszeit, erscheint statt dessen der nicht erwartete, so ver-
längert sie sich, im letzteren Falle allerdings nur unbedeutend.
Wie stark bei B allmählich die Mechanisierung des Prozesses^
fortgeschritten war, geht daraus hervor, daß auf a und u die
Bewegungen des rechten und des linken Zeigefingers nach den
Angaben der Versuchsperson gerade so erfolgten, wie auf die
Wörter »rechts« und »links«.
Immerhin ergaben 21 auf das Kommando »rechts« »links«
erfolgende Reaktionen, welche am 5. Versuchstage in zufälligem
Wechsel dieses Kommandos ausgeführt wurden, doch kürzere
Zeiten als 21 ihnen immittelbar vorangehende und als 10 ihnen
unmittelbar nachfolgende Reaktionen mit der gewöhnlichen In-
struktion, wie aus Tab. IX ersichtlich ist
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142
Tabelle IX.
Kommando
Gewöhnliche Instruktion
vorher nachher
z
301
358
337
Zu:Zo
281^ : 378,5
329 : 392,5
—
MZ
97
63,5
—
n
21
21
10
Reaktionen mit yierfacher Zuordnung.
Reaktionen mit vierfacher Zuordnung stehen eben&lls von
A, B und C zur Verfügung.
Die Anordnung war bei diesen optischen Reaktionen in
•der Weise gewählt worden, daß vier Buchstaben vier Finger-
bewegungen zugeordnet waren, und zwar sollte beim Erscheinen
von h der rechte Daumen, bei d der linke Daumen, bei b der
rechte Zeigefinger und bei k der linke Zeigefinger von den
Torher niedergedrückten Tastern entfernt werden. Die Buch-
tstaben waren auf weiße Karten aufgedruckt und erschienen in
zufälligem Wechsel im Kartenwechsler. Die Versuche verteilten
sich jedesmal auf 4 Tage. Am 1. Tage wurde die Instruktion
:^weimal vorgesprochen. Hierbei wurden die zugehörigen Mnger-
4)ewegungen ausgeführt, an den übrigen Tagen ÜEmd eine ein-
malige Wiederholung statt.
Jedesmal an zwei vorhergehenden Tagen waren einfache
Reaktionen und Erkennungsreaktionen mit den 4 Rngem zur
-Einübung ausgeführt worden. Auch waren an zwei weiteren
Tagen zweifach zugeordnete Reaktionen mit den beiden Daumen
voraufgegangen, sodaß dieser Versuchsreihe bereits eine weitere
^ertägige Versuchsreihe vorausgeht. Doch kann auf diese
Reaktionen, da bei denselben eingehende Selbstbeobachtungen
^icht ausgeführt wurden, hier nicht eingegangen werden.
Der Prozeß war bei den verschiedenen Versuchspersonen
-ein verschiedenartiger. Am einfachsten vollzog er sich wieder
bei A. A hat sich sofort die Zuordnung durch wiederholtes
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143
Vorsprechen vor Beginn der Versuche und in den Pausen der-
art eingeübt, daß vom ersten Versuche an der erscheinende
Buchstabe unmittelbar durch seine Apperzeption, welche jedoch
langsamer als bei den zweifach zugeordneten Reaktionen erfolgte,
die zugehörige Fingerbewegung nach sich zog. Die Vorbereitung
selbst war eine unanschauliche, d. h. unter Fixation der Ver-
schlußplatte und schwachen intentionalen Bewegungsempfin-
dungen in den vier Fingern wurde eine kommende Veränderung
erwartet Auch bei B geschah die Vorbereitung in ähnlicher
Weise, jedoch waren die intentionalen Bewegungsempfindungen
stärker ausgeprägt Dabei war die assoziative Einübung keine
derartig feste wie bei A. Nach der Auffassung des Buchstaben
trat eine längere Pause ein, während welcher der betreffende
Buchstabe einfach fixiert wurde und zugleich ein Zustand des
Abwartens bestand. An diese andauernde Wahrnehmung des
Beizes schloß sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
die Bewegung unmittelbar an, ohne daß die Vermittelung eines
Zwischengliedes notwendig gewesen wäre. Bei C bestand 4»
in der Vorperiode das Bedürfiiis, die Zuordnung zu wiederholen.
Diese Einübung geschah meistens in der Weise, daß »h b =
rechts«, »d k = Unks« durch innerliches Sprechen in Ver-
bindung mit den zugehörigen intentionalen Bewegungsempfin-
dungen in den Augen oder in den Fingern vorgestellt wurde.
War dies in einigen Versuchen geschehen, so kamen ein oder
zwei Reaktionen, bei denen die Vorbereitung unanschaulich war
(neben der Fixation allgemeine Spannung des Körpers und der
Arme mit dem Zustande der Erwartung), worauf wieder asso-
ziative Einübimg einsetzte. Der Einübung entsprechend repro-
duzierte die Wahrnehmung des Reizes die Vorstellung des zu-
gehörigen Armes in Gestalt von schwachen intentionalen Be-
wegungsempfindungen. Es ging hierauf die Bewegung des
richtigen Fingers unmittelbar vor sich, ohne daß eine Vor-
stellung des einzelnen Fingers nötig gewesen wäre. In den
meisten Fällen vollzog sich der Ablauf jedoch in der Weise,
daß der erscheinende Buchstabe z. B. d das akustisch-kinästheti-
sche Bild von d reproduzierte. Von diesem Mittelglied ging
dann unmittelbar die zugehörige Bewegung aus. Zwischen der
optischen Wahrnehmung und der Bewegung bestand hier nicht
die intensive Zuordnung wie bei A und B. Zuweilen war der
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144
Vorgang so, daß nach der Apperzeption neben allgemeinen
Spannungsempfindungen im zugehörigen Arm auch intentionale
Bewegungsempfindungen in den Augen auftraten. Es schien
dann, als ob der nach der Seite jenes Armes gelegene Bestand-
teil des indirekt gegebenen Sehfeldes deutlicher wurde. Häufig
bestanden zuerst auch intentionale Bewegungsempfindungen im
unrichtigen Arm. Das Weiterwirken des optischen Bildes löste
dann die richtige Bewegung aus, welcher gewöhnlich (aber
nicht immer) ebenfalls eine intentionale Spannungsempfindung
vorausging.
Endlich zeigte sich gegen Ende der Versuchsreihe auch
bei C zuweilen das gleiche Verhalten wie bei B. Die deutliche
Apperzeption des Buchstaben, welche unter diesen Umständen
die Hauptzeit der Reaktion in Anspruch nahm, löste nach
kurzer Pause die richtige Bewegung aus, ohne daß ein Mittel-
glied notwendig war. In wenigen Fällen war eine wiederholte
Apperzeption des Buchstaben notwendig mit einem eigentüm-
lichen Bewußtsseinszustand, der sich, ohne daß Worte ge-
sprochen wurden, ausdrückte, z. B. in »es ist ja b«. Hierbei
bestand eine gespannte Haltung der Arme, des Rumpfes und
der optischen Sinnesorgane.
Über die erhaltenen Zeitwerte gibt uns die Tab. X Auf-
schluß.
Tabelle X.
A
B
C
z
508
720
610
Zu:Zo
428 : 551
581 : 931
539 : 760
MZ
123
350
221
n
51
37
30
RR.
10
12
8
■t.n Die Reaktion^ mit spezieller Vorbereitung 'sind wie sonst
nicht in diese Berechnung einbezogen.
Wie bei früheren Untersuchungen ^ so ergibt sich auch
1. Vergl. J. Merkel: Die zeitlichen Verhältnisse der Willens-
tätigkeit, Philos. Stud. Bd. II, S. 99, 1883.
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145
hier mit der wachsenden Zahl der Zuordnungen eine Ver-
längerung der Eeaktionszeiten. Außerdem ist auch der Streu-
ungsbereich bedeutend gestiegen. Die höchsten Werte zeigt
ebenso wie bei den zweifachen optischen Reaktionen B, die
niedrigsten A, während C wie dort eine Mittelstellung ein-
nimmt. Die zeitlichen Unterschiede für die einzelnen Knger
bewegten sich innerhalb enger Grenzen.
Die Abhängigkeit der Reaktionszeit von der Art der Vor-
bereitung läßt sich bei C wieder aus den Fällen deutlich er-
sehen, wo die Vorbereitung nach der Analyse der Selbst-
beobachtung auf einen bestimmten Eindruck eingestellt war und
zwar durch innerliches Sprechen und intentionale Bewegungs-
empfindungen. In 11 von 19 derartigen Fällen erschien auf
diese Vorbereitung der nicht erwartete Buchstabe und es ver-
längerte sich die Reaktionszeit zu Z = 712,5 a. In 8 Fällen
erschien der erwartete Eindruck und es verkürzte sich die Zeit
auf Z = 361,5 a. Bei der falschen Vorbereitung bezieht sich
die Verlängerung der Zeit nicht nur auf den Eintritt der Be-
wegung, sondern vor allem auch auf die Apperzeption des Ein-
druckes. Es entsteht hierbei zuweilen ein Zustand der Ver-
wirrung. Da die Verlängerung der Reaktionszeit bei den vier-
fachen Reaktionen mit auf die Auffassung zu beziehen ist, so
hängt ohne Zweifel auch die Geschwindigkeit der Apperzeption
von der Art der Vorbereitung ab, eine Tatsache, die auch sonst
nicht unbekannt ist.
Von den Fehlreaktionen (F.R.) waren bei C 5 durch spe-
zielle Erwartung eines bestimmten Eindruckes veranlaßt worden.
Zuweilen schien es, als ob die Fehlreaktionen durch eine ge-
wisse motorische Erregung und Unruhe veranlaßt wurden.
Es finden sich gelegentlich mehrere Fehlreaktionen un-
mittelbar nach einander, wobei dann nicht selten mehrere
Finger gleichzeitig gehoben wurden. So kamen bei B am 2.
und 3. Tage je drei Fehlreaktionen und bei A einmal drei und
einmal vier Fehlreaktionen nach einander vor, ohne daß jedoch
immer mit dem gleichen Finger falsch reagiert wurde.
Wenn wir die Zeitwerte der vierfachen Reaktionen mit
denen früherer Beobachter in Vergleich bringen, z. B. mit denen
von Merkel und Münsterberg, welche mit optischen und
akustischen Reizen arbeiteten, so ergibt sich, daß unsere Zeit-
Aeh, WiUenstatigkeit. 10
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146
werte länger sind. Münsterberg ^ fand bei fünffacher akusti-
scher Zuordnung (Finger einer Hand) eine Reaktionszeit von
383 (X. Doch war bei ihm die Zuordnung von vornherein ein-
fiEtcher und konnte sich leichter zu einer adäquaten ausbilden,
indem auf »einsc der Daumen, auf »zweie der Zeigefinger u. s. w.
von der Klaviatur gehoben wurde. Merkel • hatte in einer
ähnlichen Anordnung bei Gesichtsreizen Zeitwerte gefunden,
welche fast durchgehends bedeutend länger als die Münsterberg-
schen waren. Bei 6 von 10 Teilnehmern tiberstieg die Zeit-
dauer 490 a. Auch bei den zweifachen Zuordnungen zeigen
sich große Unterschiede, vgl. z. B. Friedrich*, Tischer*,
Merkel ^ Ich kann jedoch auf diese Untersuchungen, da sie
sämtUch ohne Berücksichtigung eingehender /Selbstbeobachtung
gewonnen wurden, nicht näher eingehen.
§8.
Übersicht fiber die zwei- und vierfachen Beaktionen.
Die intenttonalen Bewegongsempflndungen.
Auch die analytische Betrachtung der Erlebnisse mit Hülfe
der Methode der systematischen experimentellen Selbstbeobachtung
hat ergeben, daß bei den zugeordneten Reaktionen während der
Hauptperiode von einer Wahl keine Rede sein kann. Es wird
also Zeit, die irreführende Bezeichnung derselben als Wahl-
reaktionen fallen zu lassen.
Der Vorgang gestaltet sich vielmehr in der schon bekannten
Weise, daß bei noch ungeübten Versuchspersonen durch die
Wahrnehmung des Reizes ein MittelgUed, z. B. die Reproduktion
der akustisch-kinästhetischen Vorstellung rechts oder links, in
das Bewußtsein tritt An dieses Mittelglied schHeßt sich die Be-
wegung an, welche häufig durch intentionale Bewegungs-
empfindungen in den Zustand höherer Bereitschaft gesetzt ist
Durch die zunehmende Übung verschwindet nach einer indivi-
duell verschieden langen Zeit dieses MittelgUed auch bei den
1. a. a. 0. S. 75. 2. a. a. 0. S. 92.
3. Philos. Stud., Bd. I, S. 39. 4. Phüos. Stud., Bd. I, 536.
5. a. a. 0. S. 92 ff.
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147
vierfach zugeordneten Reaktionen. Die Auffassung des Reizes
löst unmittelbar oder nach einem verschieden langen Zeitintervall
die Bewegung aus. Der Ausfall der Mittelglieder ist, wie wir
später sehen werden, auf den Einfluß der determiniereaden
Abstraktion zurückzuführen. Diese ist in der Weise wirksam,
daß die auf den Reiz (Bezugsvorstellung) gerichtete Zielvor-
stellung (Bewegung) alle zwischen Bezugsvorstellung und Ziel«
Vorstellung hegende^ Inhalte möglichst auszuschalten sucht, so
daß auf den Reiz unmittelbar die zugehörige Bewegung erfolgt
In der Vorbereitung und auch schon vorher vollzieht sich
durch assoziative Einübung die notwendige Zuordnung. Es
zeigten sich normaler Weise in der Vorperiode fünf verschiedene
Arten von Vorbereitung:
1) Vorbereitung mit unanschaulicher Erwartung von etwas
Kommendem und mit den Begleiterscheinungen der sinnlichen
Aufinerksamkeit (= rein sensorische Vorbereitung). Die Er-
wartung ist insofern unanschauUch, als ihr Inhalt phänomenologiBch
nicht weiter durch inneres Sprechen, visuelle Bilder u. dergl.
bestimmt ist, aber trotzdem ist der der Instruktion entsprechende
Inhalt, nämUch daß, wenn dort, wo fixiert wird, eine Veränderung
«intreten wird, eine eindeutig bestimmte Veränderung im Ver-
halten der Versuchsperson zu erfolgen hat, in einer eindeutigen,
aber nicht näher zu bezeichnenden Weise unanschaulich gegen-
wärtig. Mit der zunehmenden Übung tritt die Intensität dieser
Bewußtheit mehr und mehr zurück.
2) Unanschauliche Erwartung mit intentionalen Bewegungs-
empfindungen in den beiden Armen und in den Fingern, sowie
zuweilen mit sehr schwachen Spannungsempfindungen in den
Sinnesorganen.
3) Wechsel der akustisch-kinästhetischen Vorbereitungs-
bilder »E rechts, O links« oder nur )^E, 0«; zuweilen auch
schwache optische Bilder. (= rein assoziative Vorbereitung.)
4) Sprach- und Lautbilder wie bei 3) aber mit gleich-
zeitigen intentionalen Bewegungsempfindungen in den zuge-
hörigen Armen und Rngem, sowie in den Augen nach rechts
beziehw. nach links. Bei den vierfach zugeordneten Re-
aktionen ¥rurde hier »h b rechts«, »d k links« innerlich ge-
sprochen.
10*
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148
5) Optisches Monogramm von E und O (EO) mit den
Begleiterscheinungen sinnlicher Aufinerksamkeit. (Selten).
Es giebt demnach zwischen der rein sensorischen und der
rein assoziativen Vorbereitung verschiedene Übergänge. Bei 1),
2) und 5) wurde eine assoziative Einübung entweder in den
Pausen vorgenommen, oder sie war bereits durch frühere Ver-
suche vorhanden. Bei einzelnen Versuchspersonen trat dieselbe
sehr rasch ein.
Die Vorbereitung bei den optischen zweifachen Reaktionen
unterschied sich gegenüber den akustischen dadurch, daß sie
unbestimmter und allgemeiner war.
Auf die assoziative Vorbereitung haben bereits G, E. Müller^
sowie Münsterberg^ und besonders G. Martins hingewiesen.
Letzterer hat ihr den Namen der zentralen Vorbereitung bei-
gelegt Was Münsterberg unter der Gesamtvorstellung meint,
welche »sich aus der Innervationsempfindung und den mit den
einzelnen Fingern durch vorherige Festsetzung und Einübung
verknüpften fiinf Vorstellungen zusammensetzt«, ist mir nicht
klar. Bei der sub 2) genannten Art der Vorbereitung bestand
kein Gegenwärtigsein der den intentionalen Bewegungsempfin-
dungen zugeordneten Vorstellungen.
Es war nur im Bewußtsein gegeben, daß an der fixierten
Stelle eine eindeutig bestimmte Veränderung eintreten wird und
daß beim Eintritt dieser Veränderung eine eindeutig bestimmte
Veränderung der intentionalen Bewegungsempfindungen eintreten
soll. Daß die erwartete Veränderung und die intentionalen
Bewegungsempfindungen sich auf einander beziehen, war dem-
nach im Bewußtsein gegeben, nicht aber eine Gesamtvorstellung,
in welcher die einzelnen Zuordnungen bewußt enthalten ge-
wesen wären. Waren die einzelnen Sinnesreize im Bewußtsein
gegeben, so geschah dies in Form von 3), 4) oder 5), aber nicht
als Bestandteil einer Gesamtvorstellung. Auf die Unmöglichkeit
dieser Münsterbergschen Annahme haben bereits 13-. E. Müller*
sowie G. Martins* hingewiesen.
1. G. E. Müller bei A. Pilzecker a. a. 0. S. 77.
2. a. a. 0. S. 75 f., 168. 3. a. a. 0. S. 404.
4. G. Martius, Über die muskulären Keaktionen und die Aufmerk-
samkeit. Philos. Stud. VI., S. 174 ff., 1891.
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149
Münsterberg hat bei sensorischer und assoziativer Vor-
bereitung verschieden lange Zeitwerte gefunden. Unsere Re-
sultate stehen hiermit, sofern sie sich auf das Verhalten einer
und derselben Versuchsperson beziehen, nicht in Einklang.
Weil keine spezielle hierauf bezügliche Instruktion gegeben
wurde, bevorzugte die Versuchsperson ihre natürliche Reaktions-
weise. So kam es, daß z. B. A bei sensorischer Vorbereitung
bessere Resultate erhielt als C bei assoziativer. Dabei ist von
der Vorbereitung in der Vorperiode die vorherige assoziative
Einübimg zu Beginn der Versuche und in den Pausen zu
imterscheiden. Reine muskuläre Vorbereitung konnte bei
diesen mehrfach zugeordneten Reaktionen in Übereinstimmung
mit Wundt, G. Martins u. A. nicht beobachtet werden.
Mit der fortschreitenden Übimg nahmen die Zeitwerte ab.
Die Reaktionen, bei denen nach der Auffassung unmittelbar
die Bewegung erfolgte, näheren sich auch inhaltiich mehr und
mehr den einfach zugeordneten Erkennungs-Reaktionen. Die
Zuordnung wird wie beim Aussprechen eine adäquate, nur daß
an Stelle der sprachlichen Bezeichnung die Rngerbewegung
tritt Doch ist dieser Übergang ein allmählicher, so daß auch
nach längerer Übung noch nicht die selbstverständUche Coor-
dination besteht, wie sie bei den einfachen Reaktionen vor-
handen ist Es ist, wie sich C am sechsten Versuchstage der
zweifach zugeordneten optischen Reaktionen ausdrückte, als ob
vor der Bewegung noch ein gewisser Widerstand zu überwinden
wäre, über dessen Bewußtseins-Repräsentation aber nichts an-
gegeben werden kann. Sicher erfolgt der Anschluß der Be-
wegung an den Reiz nicht so unmittelbar wie bei den ein-
fachen Reaktionen. — Mit dem Portschritt der Übung nimmt
auch die Intensität der Vorbereitung ab, was sich in einer Zu-
nahme der zufalligen Schwankungen der Einzelwerte äußert (zwei-
fache, optische Reaktionen). In der Selbstbeobachtung tritt
ebenfalls die Abnahme der Aufinerksamkeitskonzentration her-
vor, wobei die Begleiterscheinungen der sinnlichen Aufmerksam-
keit (Spannungsempfindungen in den Augen, Ohren, in der
Stimgegend, Oberkörper) zurücktreten.
Die in der Vorperiode und gelegentiich auch in der Haupt-
periode auftretenden intentionalen Bewegun^sempfin-
düngen sind ebenfalls Spannungsempfindungen, jedoch unter-
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150
ficheiden sie sich von den eben erwähnten Begleiterscheinungen
der sinnlichen Aufmerksamkeit, sowie von den Spannungs- oder
Druckempfindungen, wie sie bei Muskelkontraktionen vorhanden
sind, in charakteristischer Weise. Ebensowenig haben sie etwas
gemeinsam mit Bewegungsempfindungen, d. h. mit den Em-
pfindungen einer stattfindenden Bewegung oder mit den repro-
j ? duzierten Vorstellungsbildem einer solchen. Die als intentionale
Bewegungsempfindungen bezeichneten psychischen Phänomene
sind vielmehr eigenartige, spezifische Empfindungen, wie sie
häufig einer Bewegung vorausgehen, welche wir ausfuhren
wollen, ohne daß sich die Bewegung sofort realisiert, z. B.
treten diese Empfindungen in der Yorperiode oder bei einem
Entschluß dann auf, wenn die auszuführende Bewegung nicht
geübt ist oder wenn sich der Ausfuhrung Hemmungen entgegen
stellen u. A. Es wird durch sie die Bichtung, wo eine Be-
wegung beabsichtigt ist, bestimmt Sie können nur schwach,
andeutungsweise vorhanden sein, ohne daß eine Bewegung ein-
tritt, und sich derart steigern, daß aus ihnen unmittelbar die
Bewegung hervorgeht Der Übergang in die Bewegung ist
dann ein kontinuierlicher. Deshalb sind sie vielfach fälschlicher
Weise als Innervationsempfindungen bezeichnet worden. Die
Unzugänglichkeit und Uberflüssigkeit der Annahme von Inner-
vationsempfindungen haben bereits G.E.Müller und F. Schu-
mann ^ in eingehender Weise dargetan. Von den Reagenten
werden die intentionalen Bewegungsempfindungen in verschie-
dener Weise beschrieben, z. B. als nach der Peripherie zu ge-
richtete Verstärkungen derjenigen Druckempfindungen, welche
durch das Niederdrücken der Taster entstehen, oder auch um-
gekehrt als Abschwächungen derselben. »Es ist, als ob sich
der Handrücken und der Finger nach oben bewegen sollen.«
Immer ist dabei die Bewußtheit charakteristisch, daß in einer
späteren Zeit nach einer bestimmten Bichtung hin eine Ver-
änderung in Gestalt einer Bewegung eintreten soll. Durch diese
eigentümliche zeitliche und räumliche Bestimmtheit in Bezug
auf eine auszuführende Bewegung sind diese Empfindungen
1. G. E. Müller und F. Schamann: Über die psycholog. Grund-
lagen der Yergleichung gehobener Gewichte. Pflügers Arch. Bd. 45,
S. 80ff. 1889.
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151
charakterisiert Aus den intentionalen Bewegungsempfindimgen,
welche bei der associativen Zuordnung in den Augen auftreten,
geht hervor, daß durchaus nicht immer dort, wo die Bewegungs-
empfindungen vorhanden sind, auch die Bewegung eintreten soll.
Vielmehr kann durch dieselben nur die Richtung z. B. rechts
oder links angedeutet werden, wo dann die tatsächliche Bewe-
gung auch erfolgt, so bei unseren Versuchen im Finger der
angedeuteten Seite. In den Augen, in welchen die intentionalen
Bewegungsempfindungen bestanden haben, soll weder eine Be-
wegung stattfinden, noch erfolgt eine solche. Die dort vorhandenen
ßewegungsempfindungen dienen, wie erwähnt, nur zur Andeutung
der Seite, auf welcher beim Erscheinen des Beizes die Eeaktions-
bewegung erfolgen soU^.
Die intentionalen Bewegungsempfindungen sind
eigenartige Empfindungen in Muskelorganen, welche
die Richtung, wo eine Bewegung eintreten soll, im
Bewußtsein andeuten, ohne daß die Bewegung in
den Organen, wo sie bestehen, zu erfolgen braucht
und ohne daß es überhaupt zur Ausführung der
Bewegung zu kommen braucht*.
Bei geübten Bewegungskoordinationen sind dieselben nicht
oder nur sehr flüchtig vorhanden. So traten sie bei unseren
Versuchen in der Hauptperiode zuweilen ei-st dann im Bewußt-
sein auf, wenn beim Erscheinen des Reizes eine Tendenz ent-
stand mit dem imrichtigen Finger zu reagieren. Durch die Auf-
fassung des Reizes erfolgte die richtige Bewegung. Hierbei war
1. Die intentionalen Bewegungsempfindungen scheinen identisch zu
sein mit dem, was Duchenne als conscience musculaire hezeichnet,
>qui dans Tacte des mouvements musculaire semhle preceder et deter-
miner la contraction«. (vergl. hierzu A. Pick, über die sogenannte
Conscience musculaire (Duchenne), Zeitschr. f. Psychol. Bd. 4, S. 161 ff.
1893). Meine Ausführungen erweitern den Begriff insofern, als die Be-
wegung in den Organen, in denen die Bewegungsempfindungen bestehen,
nicht zu erfolgen braucht, und es überhaupt nicht zur Ausführung der
Bewegung zu kommen braucht.
2. Die Yergegenwärtigung der auszuführenden Bewegung kann auch
in anderer Weise geschehen, z. B. wie früher ausgeführt wurde, durch
das yisuelle Vorstellungsbild des zu bewegenden Organes. Die inten-
tionalen Bewegungsempfindungen pflegen allerdings ungleich häufiger
aufzutreten.
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152
die falsche Bewegungstendenz deutlich als intentionale Bewegungs-
empfindung gegeben und wurde als Drang oder Trieb zur Be-
wegung in der Selbstbeoachtung geschildert. Sie zeigte die
Richtung an, in der die Bewegung eintreten sollte, aber nicht
eingetreten ist Der Ausführung der richtigen Bewegung ging
jedoch keine merkbare intentionale Bewegungsempfindung vor-
aus, sondern diese Bewegung erfolgte unmittelbar.
Es scheint nicht immöglich, daß die oben erwähnten in den
Augen lokalisierten intentionalen Bewegungsempfindungen auch
in vielen pathologischen Fällen eine gewisse Rolle spielen. So
kann bekanntlich die nach Tabes dorsalis eintretende sensorische
Ataxie dadurch kompensiert werden, daß durch Zuhülfenahme
der Gesichtseindrücke das Gehen wieder systematisch gelernt
wird. Es ist wohl denkbar, daß hierbei neben den optischen
Bewegungsbildem auch intentionale Bewegimgsempfindungen in
den Augen zur Ausführung geordneter Bewegungen benutzt
werden und zwar vor allem bei solchen Individuen, welche nicht
visuell veranlagt sind. Interessant wäre es hier den Fortschritt
der Gehversuche bei visuell Veranlagten gegenüber andersartigen
Typen festzustellen^. Bis jetzt konnte ich keine sich auf diese
Fragestellungen beziehenden Literaturangaben finden. Ohne an
dieser Stelle auf das in Rede stehende weite und komplizierte
Gebiet der Beziehung zwischen sensorischen Einflüssen imd Be-
wegungsfähigkeit — jenes Gebiet, das Exner unter dem Namen
der Sensomobilität zusanunengefaßt hat — näher einzugehen,
will ich einige hierher gehörige in der Hypnose ausgeführte
Experimente schildern.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß sich die Suggestion der
Bewegungsimf ähigkeit eines Gliedes in der Form der Anästhesie
zu realisieren pflegt (vergl. z. B. Vogt, Zeitschr. f. Hypnot
Bd. V, 1897, S. 187). Um nun die Beziehung zwischen inten-
tionalen Bewegungsempfindungen und Anästhesie festzustellen,
versetzte ich die Versuchsperson G in tiefe Hypnose, was leicht
und rasch geschah*. Auf Befragen wird eine Berührung der
1. Vielleicht liegt hierin auch ein wesentliche/ Moment für die
Erklärung des Pick sehen Falles.
2. Vorher hattiB ich der Versuchsperson, um das sprachliche Ver-
ständnis zu ermöglichen, auseinandergesetzt, was unter intentionalen
Bewegungsempfindungen zu verstehen sei, wobei Bewegungen des rechten
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153
linken Hand empfunden und die betreffende Stelle auf Auffor-
derung hin richtig mit dem rechten Zeigefinger bezeichnet
Ebenso kann der Arm leicht bewegt werden. Ich gebe die
Suggestion :
»Ihre Empfindlichkeit im linken Arme wird herabgesetzt
und wie abgestumpft sein, aber nur für Berührungen«.
Auf stärkere Druckeinwirkungen giebt G an, er spüre eine
sehr schwache Berührung. Aufforderung: »Versuchen Sie den
linken Arm zu heben«. Die Hand geht mit dem Arm vom
Tisch, auf dem sie ruhte, langsam imgefähr 10 cm in die Höhe.
Auf Befragen werden die intentionalen Bewegungsempfindungen
als stark angegeben. Der Arm sei schwerer als sonst und schwer
zu bewegen.
Es wird völlige Anästhesie für Berührungen suggeriert
Auch jetzt geht der Arm auf die Aufforderung zur Bewegung
langsam ungefähr die gleiche Strecke in die Höhe. Die inten-
tionalen Bewegungsempfindungen werden als noch stärker an-
gegeben. Der Arm sei sehr schwer zu bewegen, schwerer als
vorhin. Es wird suggeriert: »Sie zählen bis drei, bei drei öffnen
Sie die Augen und sehen auf den Arm, heben dann den Arm,
zählen bis fünf und schlafen wieder«. Diese Suggestion wird
noch einmal vorgesprochen. G führt die Aufgabe aus. Auf
Befragen giebt er an, daß er den Arm nicht deutlich gesehen
habe, daß er sehr wenig Empfindung im Arme gehabt habe und
daß die Bewegung des Armes etwas leichter gewesen sei als
vorher. Es erfolgte noch einmal die gleiche Suggestion aber mit
dem Inhalt, den Arm beim Hinblicken deutlich zu sehen. Qr
giebt nach der Ausführung an: »Ich hatte fast keine Empfin-
dungen im Arm und konnte ihn gut bewegen«. Dabei besteht
aber noch vöUige Anästhesie. Hierauf wird suggeriert: »Jetzt
spüren Sie überhaupt nichts im linken Arme, Sie haben gar
keine Empfindung im Arme. Versuchen Sie den Arm zu be-
wegen«. Qr bewegt den Arm in ähnlicher Weise wie vorhin»
Ich frage ihn hierbei: »Was machen Sie?« Antwort: »Nichts«.
und linken Armes ausgeführt wurden. Im übrigen waren G die hier
2U berührenden Probleme, sowie das Wesen der Hypnose völlig unbe-
Itannt. Fünf Jahre vorher war G zu therapeutischen Zwecken dreimal
hypnotisiert worden.
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154
»Haben Sie den Arm bewegt?« »Nein«. Bei der "Wiederholung
wird das gleiche Besultat erhalten. G bewegt den Arm, weiß es
aber nicht, obwohl keine hierauf bezügliche Suggestion gegeben
worden war.
Diese Versuche wurden an zwei weiteren Tagen in ähnlicher
Weise mit dem gleichen Besultat ausgeführt Nur am zweiten
Tage erfolgte auf die Suggestion, keine Berührung zu fühlen,
zu meiner Überraschung die gleiche ReaUsierung wie am ersten
Tage bei der letzten Suggestion. Die Suggestion der Anästhesie
war hier, wie sich herausstellte, auch auf die intentionalen Be-
wegungsempfindungen bezogen worden. Denn als ich am 3. Tage
zuerst wieder speziell suggerierte: »Sie werden keine Empfindungen
für äußere Berührung haben«, trat wieder der gleiche Effekt wie
am ersten Tage ein. Je stärker die Herabsetzung der (AD^sthesie
ausgesprochen ist, desto stärker treten die intentionalen Bewe-
gungsempfindungen hervor.
An der Versuchsperson E wurden ebenfalls hypnotische
Untersuchungen ausgeführt Doch gelang es hier nur eine leichte
Hypnose herbeizuführen. Es wird Anästhesie des auf dem Tische
ruhenden linken Armes suggeriert, doch tritt nur eine Herab-
setzung der Tastempfindlichkeit ein. Auch leise Berührungen
werden mit Hülfe des rechten Zeigefingers deutlich lokalisiert
Auf Befragen erklärt E, daß die zum Vergleich ausgeführten
Berührungen des anderen Armes viel deutlicher empfunden werden.
Auf die Aufforderung den linken Arm zu bewegen, geht der-
selbe langsam ungefähr 3 cm in die Höhe. Auf die Aufforde-
rung den rechten Arm zu bewegen, geht derselbe rasch ca. 20 cm
in die Höhe. Gegenüber der Aufforderung den linken Arm zu
bewegen, machte sich nach den Angaben der Versuchsperson eine
Art Trägheit und Gleichgültigkeit geltend. Dabei bestand jedoch
die Bewußtheit, daß er bewegt werden könnte. Vor der Bewe-
gung waren die intentionalen Bewegungsempfindungen im ganzen
Arm erheblich gesteigert Die Bewegung selbst schien der Ver-.
Suchsperson langsam und schwieriger vor sich zu gehen. Beim
Niederlassen des Armes war E überrapht und unzufrieden über
die geringe Erhebung des Armes, welche erst jetzt bemerkt
wurde. Es hatte die Absicht bestanden, den Arm mindestens
15 cm hoch zu heben. Als der Aufforderung entsprechend wäh-
rend der Bewegung auf den Arm gesehen wurde, ging dieselbe
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leichter und rascher vor sich. Hierbei waren die intentionalen
Bewegungsempfindungen bedeutend schwächer. Dasselbe Resultat
wurde an einem späteren Versuchstage erhalten.
Die Versuche fielen insofern überraschend aus, als mit der
zunehmenden suggerierten Anästhesie keine Herab-
setzung der intentionalen Bewegungsempfindungen
eintrat, sondern im Gegenteil eine Steigerung der-
selben, wobei die Versuchspersonen nach ihren Angaben eine
größere Eiaft zur Bewegung des ihnen bedeutend sdiwerer er-
scheinenden Gliedes anwenden müssen*. Mit der Sensibilität
scheinen demnach die intentionalen Bewegungsempfindungen
nicht in ursächlichem Zusammenhange zu stehen. Da es aus-
geschlossen ist, daß peripher erzeugte kinästhetische Em-
pfindungen die Ursache derselben sind, — denn die inten-
tionalen Empfindungen zeigen sich schon vor dem Einsetzen der
Muskelkontraktionen und sie treten in Muskelorganen auf, in
denen überhaupt keine Bewegung stattfindet — , so scheinen die
intentionalen Bewegungsempfindungen rein zentralen Ursprungs
zu sein und peripher projiziert zu werden. Dies würde auch
ihrem Charakter als intentionalen Empfindungen entsprechen und
mit der Tatsache übereinstimmen, daß sie überhaupt nicht in
demjenigen Organe, in welchem die Bewegung einsetzen soll, auf-
zutreten brauchen, sondern auch in anderen motorischen Organen,,
wie z. B. bei unseren Versuchen gelegentlich in den Augen
lokalisiert sein können. Hierfür spricht femer auch der Umstand,,
daß sie durch andere Empfindungen und Vorstellungen, welche
im Bewußtsein die Richtung andeuten, in der die Bewegung er-
folgen soll, z. B. durch solche visuellen Charakters ersetzt werden
können. Sie erscheinen als die für die Zielvorstellung
(Ausführung der Bewegung) notwendige Bezugsvorstellung^
welche mit der zunehmenden Automatisierung der Bewegung in ihrer
1. Ähnliche Erscheinungen zeigen sich auch nach Apoplexien.
Vergl. z. B. E. Mach (Die Analyse der Empfindungen u. s. w. 2. Aufl.
1900, S. 121), der üher seine eigenen durch einen apoplektischen Anfall
veranlaßten Erlebnisse schreibt: »In den Perioden der unvollständigen
liähmung und in der Zeit der Eekonvaleszenz hingegen schienen mir
Arm und Bein ungeheuere Lasten, die ich mit der größten Anstrengung
erhob«. Hierbei war die Sensibilität der gelähmten Glieder vollständige
erhalten.
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156
Intensität mehr und mehr abnimmt. Als Lmervationsempfin-
dungen sind sie dagegen, wie oben erwähnt, nicht zu bezeichnen i.
Daß bei völliger Anästhesie und bei Fehlen von intentionalen
Bewegungsempfindungen die Bewegungsfähigkeit erhalten sein
kann, bestätigt bereits bekannte pathologische Erfahrungen.
Vielleicht ist uns in derartigen hypnotischen Versuchen ein
Mittel gegeben, die mannigfachen auf diesen Gebieten mitspie-
lenden Faktoren in einer ergänzenden Weise und zwar unter
Anwendung eines unwissentlichen Verfahrens einer experimen-
iellen Untersuchung zu unterziehen, und in diesem Sinne möchte
ich auch die vorliegenden hypnotischen Untersuchungen gewürdigt
§9.
Das Subtraktionsyerfahren.
Die Zeitwerte der früheren Untersuchungen wurden meistens
in der Weise verwertet, daß man die Differenzen der Zeitwerte
verschiedener Reaktionen der Dauer rein psychischer Prozesse
gleichsetzte. So ist nach dem Wundtschen Schema die Wahlzeit
W =» R u w — R u, wo R u w die Zeitdauer einer zwei- oder
mehrfach zugeordneten Reaktion und Ru die Dauer einer ent-
sprechenden Unterscheidungsreaktion darstellt*.
Es ist schon verschiedentlich auf das Unrichtige dieses
Schematismus hingewiesen worden^, so daß ein weiteres Eingehen
imnötig erscheinen könnte.
Da aber Wundt* trotzdem an seiner Meinung festhält und
auch neuerdings dieses Subtraktionsverfahren wieder zur Bestim-
mung der Assoziationszeit durch Ziehen ^ Verwendung fand,
1. Vergl. hierzu auch W u n d t , Grundzüge der Physiolog. Psychol.
5. Aufl. Bd. II, 1902, S. 31flf.
2. Vergl. u. A. Wundt, Philos. Stud. Bd. I, S. 28. 1883, Physiol.
Psych. 5. Aufl. III. Bd. S. 452, 1903.
3. Vergl. G. E. Müller bei A. Pilzecker a. a. 0. S. 71flf.,
H. Münsterberg, Beiträge etc. Heft 1, S. 88 f., 1889. 0. Külpe,
•Grundriß der Psychologie S. 425 ff. 1893, Erdmann und Dogde a.a.O.
-S. 203 ff.
4. Wundt: Zur Beurteilung der zusammengesetzten Reaktionen,
Phil. Stud. X. 485 ff. 1894.
5. Th. Ziehen, Die Ideenassoziation des Kindes, 2. Abhandl. S. 14 ff.
;Sowie S. 56, 1900.
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J
157
der allerdings bei der Festellung seiner Assoziations^eiten auf
die Berechnung eines absoluten Mittelwertes verzichtet, so er-
scheint es wohl angebracht, diese Methode einer näheren Betrach-
tung zu unterziehen.
Das Subtraktionsverfahren ist bekanntlich auf Donder»
zurückzuführen, der es aus der Physiologie übernommen hat, wo
dasselbe zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der
Nervenerregung benutzt wurde, allerdings mit dem Erfolg, daft
auch heute noch durchaus keine Einigung hinsichtlich der unter
bestimmten Bedingmigen gemessenen Fortpflanzungsdauer besteht
Wenn nun schon auf diesem Gebiete, wo die in Frage stehenden
Verhältnisse viel leichter zu übersehen und der experimentellen
Behandlung eher zugänglich sind, die Methode versagt, wie ist
dies dann erst im Bereiche der psychischen Erscheinungen ! Bei
dem Subtraktionsverfahren werden die Vorgänge bis auf jene
Prozesse, deren Zeitdauer man festzustellen wünscht, in voll-
kommen willkürlicher Weise einander gleich gesetzt Der Inhalt
der Vorperiode bestimmt unter sonst gleichen Bedingungen die
Hauptperiode nach ihrer psychischen Qualität und nach ihrer
Dauer. Dabei ist erstens die Auffassung des Sinneseindruckes
d. h. die Geschwindigkeit und der Intensitätsgrad der Apper-
zeption von der Art der Vorbereitung abhängig. Die längere
Dauer der vierfach zugeordneten Beaktionen gegenüber den zwei-
fach zugeordneten ist wenigstens teilweise auf eine Verlang-
samung der Wahrnehmung des jeweiligen Sinnesreizes zurück-
zuführen. Dies gilt auch, wie wir gesehen haben, für die ein-
seitig- vorbereiteten Reaktionen gegenüber denen mit normaler
Vorbereitung, sowie für die zweifachen Reaktionen gegenüber den
einfachen Reaktionen z. B. den Wund t sehen Unterscheidungs-
reaktionen, was von vornherein auch leicht verständlich ist. Da
die Vorbereitung in diesen verschiedenen Fällen eine verschiedene
ist, sind auch die in Bereitschaft gesetzten Vorstellungen der
Zahl und der Stärke der Bereitschaft nach verschieden. Bei
den »Wahlreaktionen« ist gegenüber den entsprechenden »Unter-
scheidungsreaktionen« nahezu die doppelte Zahl von Vorstellungen
in Bereitschaft gesetzt, da hier noch die den verschiedenen Be-
wegungen entsprechenden Tendenzen hinzukommen.
Dadurch sind die in Bereitschaft gesetzten und sich auf
die Apperzeption beziehenden Vorstellungen in beiden Fällen
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158
-durchaus .nicht gleichwertig. Im ersteren Falle ist die apper-
zeptive Bereitschaft bei gleicher Aufmerksamkeitsspannung offen-
bar viel schwächer als im zweiten Falle. Die Wahrnehmung
eines Sinnesreizes erfolgt aber bekanntlich um so rascher, je
geringer die Zahl der konkurrierenden Vorstellungen und je
höher der Grad der Bereitschaft ist. So kommt es, daß bei
4en verschiedenen Reaktionsformen die Apperzeptionszeit eine
verschiedene ist.
Als zweiter Umstand kommt in Betracht, daß die Aus-
führung der Bewegung in den beiden erwähnten Fällen durch-
iius nicht gleichwertig ist xmd dementsprechend auch mit ver-
schiedener Geschwindigkeit erfolgt. Bei den einfach zugeord-
neten Reaktionen besteht eine fortwährende Wiederiiolung der
gleichen Bewegung. Hierdurch entsteht, wie wir wissen, eine
motorische Einstellung, welche eine Verstärkung des dieser Be-
wegung dienenden Impulses bewirkt Bei den mehrfach zuge-
ordneten Reaktionen besteht dieselbe nicht in der gleichen
Weise, erstens, weil hier die Bewegung zwischen verschiedenen
Organen abwechselt, und zweitens, weil, wie L. Steffens (a. a. O.)
nachgewiesen hat, die motorische Einstellung sich nicht von
einem motorischen Organe der einen Körperhälfte auf das sym-
metrische Organ der anderen Körperhälfte überträgt Der
Natur des Versuches gemäß ist es ausgeschlossen für die mehr-
fech zugeordneten Reaktionen die Gleichheit der Bedingungen
-ebenfalls durch fortgesetzte Wiederholung derselben Bewegungen
herbeizuführen. Die Wirkung der motorischen Einstellung ließe
sich nur ausschalten, wenn die einfach zugeordneten Reaktionen
(Unterscheidungsreaktionen) in beliebigem Wechsel für die
gleichen Fingerbewegungen, wie bei den mehrfachen Reaktionen
-Ausgeführt würden. Soweit ich sehe, ist dies aber bis jetzt
nicht geschehen 1. Wäre dies nim auch durchgeführt worden,
so kämen trotzdem weitere Bedenken. Es kann als sicher an-
genommen werden, daß die Geschwindigkeit der Bewegung und
die Geschwindigkeit ihres Eintretens abhängt von der Stärke
des ihr zu Grunde liegenden Impulses. Durch die Vorbereitung
mnd nun bei den einfachen Reaktionen unter sonst gleichen
1. Nur dem von Merkel (a. a. 0. S. 83 f.) geübten Verfahren gegen-
über scheint dieser Einwand von geringerer Bedeutung zu sein.
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159
Umständen die Bedingungen für eine Verstärkung der auf die
Bewegung gerichteten Tendenz günstiger als bei mehrfachen
•Reaktionen, da sich hier die Bereitschaft nur auf eine Be-
wegung bezieht, während sie dort mehrere umfaßt So kommt
les, daß wir allen Grund zur Annahme haben, daß auch die
Überleitung auf das motorische Gebiet bei den einfach und
mehrfach zugeordneten Reaktionen nicht mit gleicher Ge-
schwindigkeit erfolgt. Zudem ist das Vorhandensein von Mittel-
gUedem zwischen Wahrnehmung und Bewegung, wie es bei
den mehrfachen Reaktionen häufig vorkommt, für die Schnellig-
keit, mit welcher die motorische Äußerung eintritt, mögUcher-
weise nicht gleichgültig. Wir wissen nicht, ob die von repro-
duzierten Mittelgliedern ausgehenden Reproduktionstendenzen
die gleiche Wirkung ausüben wie die von einer Wahrnehmung
ausgehenden. Ebenso ist auch das Vorhandensein von Pausen,
wie es in der Hauptperiode zuweilen beobachtet wird, auf den
Ablauf des Prozesses nicht ohne Einfluß, da die Stärke der
Reproduktionstendenz während dieser Zeit in einer nicht be-
kannten Weise abkUngen kann, so daß die motorische Zeit
unkontroUierbaren Einflüssen unterliegt.
Will man zwei Vorgänge hinsichtlich eines Umstandes zu
einander in Beziehung bringen, so ist es für eine exakte
Behandlung bekanntUch notwendig, daß die beiden Vorgänge
bis auf den in Frage stehenden Umstand einander gleich sind.
Bei dem Subtraktionsverfahren haben die zu vergleichenden
Prozesse mit Ausnahme der rein physiologischen zentripetalen
und zentrifugalen Vorgänge keinen Umstand der zeitUchen
Dauer nach gemeinsam, so daß das Verfahren als unwissen-
schaftlich über Bord geworfen werden muß. Die ausgerechneten
Differenzen bilden, wie G. E. Müller (a. a. 0. S. 77) sagt,
nichts anderes als den Betrag der Verlängerung einer Zeit
gegenüber einer anderen. Es läßt sich nur feststellen, ob der
in Rede stehende Vorgang mehr, gleich viel oder weniger Zeit
erfordert hat als ein anderer Vergleichsprozeß. Über die abso-
lute Dauer der einzelnen psychischen Prozesse, z. B. des Er-
kennungsaktes, lassen sich dagegen unter Benützung dieser
Methodik keine Angaben machen.
Durch die Wirkung der vorbereitenden sensorischen Ein-
stellung wird bei den verschiedenen Reaktionen die Geschwindig-
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160
keit der Apperzeption und der Überleitung auf das motorische
Gebiet in völlig verschiedener Weise bestimmt, während bei
einzelnen Reaktionsformen auch noch durch den Einfluß der
motorischen Einstellung sowie durch das Auftreten von Mittel-
gUedem und Pausen eine Ungleichheit der Vorgänge bewirkt
wird.
Vor fast 30 Jahren hat übrigens Wundt^ gegenüber
Donders selbst hervorgehoben, daß die Apperzeptionsdauer eine
verschiedene ist, wenn die Aufmerksamkeit auf einen oder auf
mehrere Eindrücke gespannt ist. Vorübergehende Bedenken
gegen die Methode sehen wir bei Friedrich* sich geltend
machen. Doch wird die Annahme, daß die in Betracht
kommenden einzelneu Zeiten (abgesehen von den rein physio-
logischen Zeiten werden die Perzeptions-, Apperzeptions- und
Willenszeit nach einer rein willkürUchen Aufstellung unter-
schieden) bei zwei verschiedenen Versuchskonstellationen bis auf
die zu bestimmende Apperzeptionszeit einander gleich seien,
dadurch für berechtigt erklärt, daß man bei innerer Selbst-
beobachtung sich durchaus keines Unterschiedes bewußt werde!
Münsterberg^ erhebt gegen die Anwendung des Sub-
traktionsverfahrens zur Gewinnung von Assoziationszeiten u. a.
den Einwand, daß die Reproduktion unter Umständen schon
eintreten kann, bevor die Auffassung des Reizes wirkUch voll-
endet ist.
Erdmann und Dodge sprechen sich wiederholt in abfälliger
Weise über das Subtraktionsverfahren aus und bezeichnen die
Ergebnisse als kaum emsthch verwertbar (a. a. 0. S. 249), und
zwar sowohl auf Grund einer kritischen Prüfting bereits vor-
liegender Untersuchungen, vor allem derjenigen von Cattell*,
als auch auf Grund eigener einfach zugeordneter Reaktions-
versuche.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte, wird uns
auch verständHch, worauf die großen Unterschiede in den Zeit-
1. Wandt, Physiolog. Psycho!., 1. Aufl., S. 745 ff., 1874.
2. Friedrich, Über die Apperzeptionsdauer bei einfachen und
zusammengesetzten Vorstellungen. Philos. Stud. I, S. 41.
3. a. a. 0. S. 89.
4. J. M. Cattell, Psychometrische Untersuchungen. Philos. Stud.
Bd. ni u. IV, 1886, 1887.
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161
werten verschiedener Beobachter zurückzuführen sind, ebenso, daß
zuweilen negative Werte, z. B, negative Unterscheidungszeiten
ausgerechnet wurden *. Schärfer tritt das Verfahren noch in
seinen Auswüchsen hervor. So schreibt Cattell (Phil. Stud. IV,
243): »Der geistige Vorgang ist wiederum dunkel, da die Pro-
zesse des Ubersetzens und des Benennens nicht scharf begrenzt
sind; ziehen wir aber die Zeit, die man braucht, um ein Wort
zu erkennen und zu benennen, von der Zeit ab, die man braucht,
um ein Wort zu erkennen, in eine fremde Sprache zu über-
setzen und zu benennen, so erhalten wir annähernd die Uber-
setzungszeit«. Ein einfaches Mittel, um das Dunkel zu hebten!
Dadurch, daß darauf verzichtet werden muß, mit Hülfe
der ßeaktionsversuche die absolute Dauer einzelner psychischer
Erlebnisse zu messen, verUeren die Beaktionsversuche durchaus
nicht an Wert. Im Gegenteil, sie steigen in der psychologischen
Bewertung, da sich die Betrachtungsweise, frei von den Fesseln
der Schablone, in ganz anderer Weise einer eingehenden Ana-
lyse zuwenden kann. In der geschichtUchen Entwickelung der
experimenten Psychologie bietet uns das Gebiet der Reaktions-
versuche einen schlagenden Beweis dafür, daß anschaulicher
Schematismus den gefährlichsten Feind psychologischer Forschung
sowohl in methodologischer als in inhalüicher Beziehung darstellt
m. Kapitel.
Reaktionen ohne Zuordnung.
Wenn nun auch bei den Reaktionen mit vorher bestimmter
Zuordnung von einer Wahl im Sinne einer wählenden Tätigkeit
keine Rede ist, so erledigt sich hiermit noch nicht die Frage,
1. Merkel. Die zeitlichen Verhältnisse der Willenstätigkeit,
Philos. Stud." II, S. 73flf., sowie X, S. 504 u. 506.
Aeh, WUlenstfttigkeit. 11
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162
ob überhaupt solche Bewußtseinszustände als eigenartige Er-
scheinungen existieren und ob den Willenshandlungen ein spe-
zifisches Geschehen zukommt Zur Beantwortung dieser Frage
suchte ich die Eeaktionen nach zwei Seiten hin zu erweitem.
Erstens war es mein Bestreben, der Versuchsperson eine größere
Freiheit hinsichtUch des die Handlung bestimmenden Sinnes-
eindruckes zu geben. Zweitens suchte ich nach Mitteln und
Wegen, der Versuchsperson hinsichtUch ihrer Tätigkeit^ die
Bestimmung zu überlajssen, den Beiz aber durch die Versuchs-
anordnung festzulegen.
Bei beiden Anordnungen mußte zudem die Möglichkeit
experimenteller Variierung des Erlebnisses, welches in der Nach-
periode analysiert wurde, gegeben sein.
Die zweite Versuchskonstellation hat sich, da sie der mit
einer vorausgehenden Absicht verbundenen Willensbetätigung
entspricht, als die fruchtbarere erwiesen. Um kurze Bezeich-
nungen zu haben, sollen die Eeaktionen der ersten Art »Re-
aktionen ohne Zuordnung des Reizes« und die der zweiten
Art »Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit« guannt
werden.
Als weitere Form lassen sich noch »Reaktionen ohne Zu-
ordnung des Reizes und ohne Zuordnung der Tätigkeit« auf-
stellen. Es wurden von mir auch in dieser Form verschiedene
Versuchsreihen durchgeführt. Doch sind dieselben in die vor-
liegende Darstellung nicht einbezogen.
Das Freigeben des Reizes und der Tätigkeit bewegt sich
infolge der äußeren experimentellen Bedingungen für diese drei
Reaktionsformen nur innerhalb gewisser Grenzen.
Bei diesen sämtlichen Reaktionen benutzte ich nur optische
Reize. (Kartenwechsler.)
§ 10.
Reaktionen ohne Zuordnung des Reizes.
Die erste Versuchsordnung, welche von mir nach
dieser Richtung gewählt wurde, lehnte sich an die zweifach zu-
1. »Tätigkeit« ist hier nicht nur im Sinne äußerer Betätigung,
sondern auch wie aus Kapitel lY hervorgeht, allgemein im Sinne einer
Bealisierung gemeint.
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163
geordneten Reacktionen an. Ejf erschienen entweder Karten
mit r X oder solche mit x r bedruckt in zufälligem Wechsel*
Die Versuchsperson hatte die Aufgabe »bei x mit dem rechten
und bei r mit dem linken Daumen zu reagieren , aber immer
nur eine Bewegung auszuführen.«
Der Kartenwechsler war wie immer so aufgestellt, daß bei
gerader Kopfhaltung der Versuchsperson ihre Sagittalebene mit
der Mitte der Karte zusammenfiel. Es sollte so bei Fixation
der Mitte der Verschlußplatte vermieden werden, daß einer der
beiden Buchstaben durch vorherige Fixation der betreffenden
Stelle der Verschlußplatte beim Erscheinen leichter wahrgenommen
wurde als der andere.
Es stehen je zwei viertägige Versuchsreihen von A und
B zur Verfugung. Am 1. und 3. Tage wurde die angeführte
Instruktion in Anwendung gezogen. Am 2. und 4. Tag wurde
in der Zuordnung gewechselt, so daß bei der Auffassung von
r mit dem rechten Daumen und bei der von x mit dem linken
Daumen reagiert werden sollte.
Durch die Versuchsanordnung bestand die Möglichkeit,
daß beim Erscheinen des fieizes zwischen den beiden Sinnes-
«indriicken ein Konkurrenzkampf eintrat. Diese Annahme hat
sich jedoch als nicht richtig erwiesen. Vielmehr bildete sich
sehr rasch ein einförmiger Eeaktionstypus aus. Dabei zeigen
aber beide Versuchspersonen ein verschiedenes Verhalten.
Nach den 19 ersten Beaktionen reagierte A ausnahmslos
auf den Buchstaben x. Auch unter den ersten 19 Versuchen
befanden sich neben zwei Fehlreaktionen bereits 14 der gleichen
Form und nur drei Versuche, bei denen auf r der Instruktion
gemäß mit dem linken Daumen reagiert wurde. Nach Änderung
der Instruktion am 2. Tage wurde vom dritten Versuche an
immer mit dem linken Daumen auf x reagiert. Als die Zu-
ordnung am 3. Tage wieder gewechselt wurde, wurde sofort
dauernd auf x mit dem rechten Daumen der Instruktion gemäß
reagiert; ebenso bei nochmaUger Änderung wieder auf x mit
dem linken Daumen und zwar bei sämtlichen Versuchen. Die
Auffassung von x beherrschte also den Vorgang; war diesem
Buchstaben der rechte Daumen zugeordnet, so wurde rechts
reagiert, war ihm der linke Daumen zugeordnet, so wurde links
reagiert, und zwar schlössen sich die Bewegungen unmittelbar
11*
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164
an die Wahrnehmungen an. Hiermit stimmen auch die An-
gaben der Selbstbeobachtungen überein, nach denen beim Er-
scheinen des Smes der Buchstabe x zuerst ins Auge fiel. Die
Auffassung war möglicherweise dadiux^h erleichtert, daß x durch
die querstehenden ungewohnten Linien leichter die Aufmerk-
samkeit auf sich ziehen konnte. In der Vorbereitung war eine
apperzeptive Bereitschaft für x bewußterweise nicht vorhanden.
Doch hat die Übung ohne Zweifel im Sinne einer Erleichterung
der Apperzeption des Buchstaben x und der Vernachlässigung
von r gewirkt
Die Vorbereitung war wie bei den zweifach zugeordneten
Reaktionen eine rein sensorielle ohne intentionale Bewegungs-
empfindungen, und ohne daß einer der beiden erscheinenden
Buchstaben anschaulich im Bewußtsein gegenwärtig war. An
die auszuführende Bewegung wurde vorher nie gedacht Die
assoziative Einübung fand sofort nach Erteilung der Instruktion
und anfangs auch in den Pausen durch innerUches Sprechen
statt. Nur bei den ersten Versuchen bestand gelegentlich eine
Einstellung auf den rechten Buchstaben durch voAeriges
Fixieren der rechten Hälfte der Verschlußplatte, diese einseitige
Einstellung veranlaßte eine der beiden Fehlreaktionen.
Über die erhaltenen Zeitwerte giebt uns die Tab. XI Auf-
schluß. In derselben sind die Resultate von jedesmal zwei
Tagen, bei denen gleiche Instruktion bestand (1. und 3., sowie
Tab. XI.
Instrukt. L
Instrukt 11.
r X
X r
r X
X r
z
354
350
320
386
Zu:Zo
245 : 459
223 : 443
243 : 411
260 : 428
MZ
214
220
168
168
n
33
27
39
31
2. und 4. Tag), mit Ausnahme der erwähnten 19 Versuche des
ersten Tages und der beiden ersten des zweiten Tages zusammen-
gestellt Die Werte unter Instruktion I enthalten demnach
nur Reaktionen mit dem rechten Daumen und die unter In-
struktion II nur solche mit dem linken Daumen. Dabei zeigen
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165
die ersteren Werte eine große Übereinstimmung hinsichtlich
der Zentralwerte und eine ziemliche Übereinstimmung hinsicht-
lich der Mittelzone. Bei den Werten der 2. Rubrik ist der
Zentralwert für die Buchstabenkonstellation x r höher als der
für r X. Wenn wir die Resultate mit denen der zweifach zu-
geordneten optischen Reaktionen (Tab. I und VI) vergleichen,
so zeigt sich, daß die Zentralwerte nur geringe Unterschiede
aufweisen, während der Streuungsbereich hier bedeutend größer
ist. Der letztere Umstand hängt einerseits damit zusammen,
daß hier die Auffassung des Reizes trotz der fortwährenden
Bevorzugung von x der wechselnden nlumUchen Konstellation
entsprechend schwieriger ist, anderseits aber vor allem damit,
daß hier als weiterer Faktor die motorische Einstellung in Be-
tracht kommt, welche, wie schon erwähnt, bei den zweifach zu-
geordneten Reaktionen durch den Wechsel der Anordnung ver-
mieden wird. Durch die fortwährende Wiederholung der gleichen
Fingerbewegung (entweder des rechten oder des linken Daumen)
tritt eine Erleichterung in der Ausfuhrung dieser Bewegung
ein. Während der vorhin erwähnte Einfluß sich in einer Ver-
längerung der Zeiten ausdrückt, wirkt die motorische Einstellung
im Sinne einer Verkürzung, welche sich mehr und mehr im
Laufe der Versuchsreihe ausprägt. Dies geht aus der Zu-
sammenstellung der Tab. XII hervor, in der für 3 Tage die
Zentralwerte der 13 ersten und der 13 letzten Versuche eines
Tages einander gegenübergestellt sind. Die Werte der zweiten
Hälfte sind durchgehends niedriger als die der ersten. Sie nähern
sich denen von einfach zugeordneten Reaktionen. Durch das Her-
vortreten dieses hauptsächlich auf der Wirkung der motorischen
Einstellung beruhenden Zeiteinflusses unterscheiden sich die vor-
Tab. Xn.
1. Hälfte
2. Hälfte
2. Tag 3. Tag
430
276
285
196
4. Tag
347
225
liegenden Reaktionen von den früher besprochenen zweifach zu-
geordneten Reaktionen, bei denen eine Abnahme der späteren
Werte gegenüber den früheren nicht zu bemerken war. Aber
nicht nur in dieser Verkürzung der Werte erscheint der Ein-
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166
fluß der motorischen Einstellung hervorzutreten; möglicherweise
kommt er auch beim Wechsel der Instruktion zum Ausdruck
und zwar durch eine Verlängerung der Zeiten, wie sie speziell
zu Beginn des 4. Tages in die Erscheinung tritt; hier wurde
nicht wie am Tage vorher mit dem rechten, sondern mit dem
linken Daumen reagiert Die motorische Einstellung kommt
aber, wie wir wissen, den symmetrischen Organen der anderen
Körperhälfte nicht zu statten, so daß durch die Neuübung
dieses Fingers die längere Zeit mit bedingt sein kann. Da
hier jedoch auch andere Faktoren mitspielen (Übimgsverlust,
Anregung u. dergl.), so läßt sich die Frage des Einflusses der
motorischen Einstellung nur durch spezielle Untersuchungen
einwandfrei erledigen.
Bei B wurde die Beaktion nicht durch einen der beiden
Buchstaben bestimmt, sondern hier wurde fast immer mit dem
rechten Daumen reagiert. Die Änderung der Instruktion be-
wirkte demgemäß keine Änderung der Beaktionsform wie bei
A. In der Vorperiode war die Aufmerksamkeit fast stets auf
die auszuführende Bewegung gerichtet, was sich durch inten-
tionale Bewegungsempfindungen im Daumen ausdrückte. Bei
der Auffassung blieben die Buchstaben in diesen Fällen insofern
ohne Einfluß auf die Bewegung, als sie häufig gleichzeitig
apperzipiert wurden und nur als Signal für die Bewegung
dienten, so daß diese Beaktionen sich den einfach zugeordneten
Beaktionen stark nähern. Da aber trotzdem gelegentlich ein Buch-
stabe früher apperzipiert wurde, so kamen auch 5 Fehlreaktionen
vor, bei denen gegen die Instruktion nicht mit dem zugeord-
neten linken, sondern wie gewöhnlich mit dem rechten Daumen
reagiert wurde. Außerdem kamen noch zwei falsche Beaktionen
vor und eine vorzeitige Beaktion.
In insgesamt 13 Fallen wurde mit dem linken Daumen
richtig reagiert (7 mal bei Instruktion I, 6 mal bei Instruktion II).
Doch waren diese Beaktionen immer durch eine spezielle Vor-
bereitung veranlaßt worden, und zwar hatte B bei der Instruktion I
die akustisch-kinästhetische Vorstellung »r links« mit schwachen
intentionalen Bewegungsempfindungen im linken Daumen (bei
Instruktion 11 »x Unks«) vorher im Bewußtsein. In 4 Fällen
waren nur diese akustisch-motorischen Vorstellungen vorhanden
ohne Bewegungsempfindungen. Bei fiinf derartigen Beaktionen
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167
dagegen wurden die Bewegungen nur durch vorherige starke
intentionale Bewegungsempfindungen im linken Daumen ver-
anlaßt.
In Tab. XIII sind die erhaltenen Zeitwerte zusammen-
gestellt, welche der andauernden Reaktion mit dem rechten
Daumen entsprechend ein recht gleichmäßiges Verhalten auf-
weisen.
Tab. Xm.
Instrukt. I.
Instrukt 11.
r X
X r
r X
X r
z
269
265^
256
262
Zu:Zo
230:342
237^:336,5
—
—
MZ
112
99
—
—
n
19
20
14
15
Es zeigt sich, daß die Zentral werte und auch die Mittel-
zonen, soweit solche berechnet sind, beträchtlich kleiner sind als
die entsprechenden Werte von A. Ebenso stellen sie sich auch
bedeutend besser als die früheren Werte von B bei den zwei-
fach zugeordneten optischen Reaktionen (Tab. I u. VI). Diese
auffallende Verkürzung der Zeitwerte steht mit den durch die
Selbstbeobachtung gewonnenen Ergebnisse^ in vollem Einklang.
Sowohl die Reaktionen von A als die von B nähern sich in
ihrem Charakter den einfach zugeordneten Reaktionen. Während
-aber A in der Vorperiode sensorisch eingestellt war, hatte sich
B fast immer auf die auszuführende Bewegung vorbereitet
Nun wissen wir aber bereits, daß die Richtung der Aufmerk-
samkeit auf die Bewegung beziehw. die Absicht, möglichst rasch
zu reagieren, die kurze Dauer der einfachen muskulären Re-
aktion nach sich zieht. Dieses Gesetz gilt also auch hier bei
den Reaktionen ohne Zuordnung des Reizes. A hat mit seiner
sensorischen Einstellung der Aufmerksamkeit viel längere Zeit-
werte aufzuweisen. Nur unter der Wirkung der motorischen
Einstellung gingen diese zurück und nähern sich dann denen
von B. Diese Ausfiihrungen erhalten noch durch das Verhalten
der Fehlreaktionen eine Bestätigung. In Übereinstimmung mit
der Tatsache, daß bei der motorischen Form des Reagierens
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168
mehr Fehlreaktionen auftreten, zeigt B trotz geringerer Ver-
suchszahl 8 Fehkeaktionen gegen 3 bei A.
Die Wirkung der motorischen Einstellung scheint sich auch
bei der von B geübten Beaktionsweise geltend zu machen. Bei
den YorUegenden Besultaten kann ihr Einflußi abgesehen von
den oben erwähnten Schwierigkeiten, wegen der geringen Zahl
von Beobachtungen leider nicht eingehend verfolgt werden. Am
3. Tage betrugen die Zentralwerte der 10 ersten Versuche und
der 10 letzten Versuche 303a und 228 er, am 4. Tage 248 er
und 238 a.
Eine weitere Anordnung für Reaktionen ohne Zu-
ordnung des Reizes führte ich in der Weise durch, daß Karten
mit vier Buchstaben (csvz) in Antiqua gedruckt im Karten-
wechsler erschienen. Die vier Buchstaben waren so gewählt,
daß sich keiner durch seine äußere Form vor den anderen aus-
zeichnete, daß aber doch jeder seine individuelle Charakteristik
zeigte und so Verwechselungen vermieden wurden. Jeder dieser
Buchstaben war einer Fingerbewegung zugeordnet: c dem rechten
Daumen, s dem Unken Daumen, v dem rechten Zeigefinger und
z dem hnken Zeigefinger. Die räumUche Anordnung der ein-
zelnen Buchstaben auf den Karten wechselte bei jedem Ver-
suche. Den 24 mögUchen Permutationen dieser vier Buchstaben
entsprechend gab es 24 verschiedene Karten*. Die Instruktion
war folgende: »Es werden gleichzeitig vier Buchstaben v . . .
erscheinen; Sie haben die Aufgabe bei c mit dem rechten
Daumen zu reagieren u. s. w., aber immer nur eine dieser Be-
wegungen auszufuhren.« Diese Instruktion wurde imter Aus-
fiihiiing der Fingerbewegungen am 1. Tage 2 mal, am 2. und
3. Tage 1 mal wiederholt.
Die Residtate, welche bei A und B erhalten wurden, sind
den eben erwähnten ähnlich, denen sie auch zeitUch unmittelbar
vom nächsten Tage an folgten. B reagierte am ersten Tage
1. Drei derartige Serien, also 72 Karten, wurden gut gemischt in
zufälligem Wechsel geboten. Daß gleiche Karten nach einander er-
schienen, kam selten vor, bei A nur in 3 Fällen, bei B in 6 Fällen.
Hier erschien außerdem in einem Fall 3 mal die gleiche Karte nach
einander. Doch war dies gerade bei der Beaktionsweise von B ohne
Einfluß.
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169
wieder häufig mit dem rechten Daumen^ ohne daß die Reaktion
durch die AufiPassung eines bestimmten Buchstaben veranlaßt
wurde. Da nun aber trotzdem häufig ein Buchstabe bei der
Wahrnehmung sofort die Aufmerksamkeit auf sich zog, so kamen
häufig Fehbeaktionen vor (13).
Die Vorbereitung war wieder gewöhnlich eine motorische
mit sehr schwachen intentionalen Bewegungsempfindungen.
Es zeigt sich auch hier sehr deutlich'^ wie durch die Art
der Vorbereitung der Ablauf des Erlebnisses in der Haupt-
periode bestimmt wird. Wurde z. B. vorher an s gedacht, so
wurde beim Erscheinen der Karte sofort dieser Buchstabe auf-
gefaßt und die diesem Buchstaben zugeordnete Bewegung des
linken Daumen ausgeführt, ebenso wenn vorher in diesem oder
in einem anderen Finger eine intentionale Bewegungsempfindung
bestanden hatte. Die motorische Vorbereitung für einen be-
stimmten Finger wirkte zuweilen aber auch in der Weise, daß
der entsprechende Buchstabe beim Erscheinen des Beizes allein
klar erfaßt wurde, obwohl er vorher nicht im Bewußtsein ge-
wesen war. Er war durch das Erlebnis der Vorperiode, bei
dem nur eine intentionale Bewegungsempfindung voriianden war,
in apperzeptive Bereitschaft versetzt worden. Wurde ein Buch-
stabe klar apperzipiert, so schien es, als ob er gesperrt gedruckt,
d. h. von den anderen etwas entfernt wäre.
Doch kamen auch gelegentlich Reaktionen vor, bei denen
ein Buchstabe aufgefaßt wurde und die zugehörige Reaktion
erfolgte, ohne daß eine spezielle Vorbereitung vorhanden ge-
wesen war. Den Zeitwerten nach waren diese von den anderen
nicht wesentlich unterschieden. Dies geschah in 6 Fällen und
zwar zu Beginn des 3. Tages zweimal auf v mit dem rechten
Zeigefinger. Es trat hierauf eine Umänderung der Einstellung
ein, so daß von hier ab häufiger mit dem rechten Zeigefinger
als mit dem rechten Daumen reagiert wurde.
Die Stellung der Buchstaben auf der Karte bUeb^ den
Einflüssen der Vorbereitung gegenüber ohne Wirkung auf die
Apperzeption. Fand die Auffassung eines einzelnen Buchstaben
statt, so konnte derselbe ebenso in der Mitte als am Ende der
Reihe stehen.
In der Tab. XIV findet sich eine Zusammenfassung der
bei B erhaltenen Zeitwerte. Es macht sich eine zunehmende
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170
Tabelle XTV.
1. Tag
2. Tag
3. Tag
z
302
272^
238,5
Zu:Zo
288:313
—
225 : 297,5
MZ
25
—
72,5
n
20
16
20
Verkürzung der Zentral werte geltend, so daß der Zentral wert
des dritten Tages mit dem Zentralwert des letzten Tages der
vorigen Versuche nahezu übereinstimmt Dabei nimmt jedoch
die Mittelzone mit der fortschreitenden Übung beträchtlich zu^
wie wir es schon früher (Tab. VI) bei den zweifach zugeordneten
Reaktionen gefanden haben. Die Verteilung der Reaktionen
auf die einzelnen Finger läßt sich aus der Tab. XV ersehen.
Tabelle XV.
Z
Zu : Zo
MZ
n
r. Daumen
286,5
259 : 306
47
22
Zeigefinger
271,5
234:310
76
22
linke Hand
282,5
12
Mit den Fingern der Unken Hand wurden überhaupt nur
12 Reaktionen ausgeführt. Die Zentralwerte, welche etwas
höher sind als die der Tab. XIII, zeigen nur geringe Unter-
schiede.
Eine motorische Einstellung konnte sich bei diesen Ver-
suchen nicht in derselben Weise wie bei den Versuchen der
vorigen Anordnung ausbilden, wo immer mit dem rechten
Daumen reagiert worden war. Diese Reaktion wurde zwar am
ersten Tage ebenfalls bevorzugt (in den letzten Tagen die mit
dem rechten Zeigefinger), aber es waren hier immer auch Re-
aktionen mit anderen Fingern dazwischen eingeschaltet Die
Zentralwerte der 10 ersten und der 10 letzten Versuche deg
ersten Tages sind 290 a und 303,5 a, die des dritten Tages
236,5 a und 242 a.
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171
Gegenüber dem wechselnden Bilde, welches B aufweist, zeigt
A wieder ein relativ einförmiges, aber der Instruktion ent-
sprechendes Verhalten. Sehr rasch erfolgte eine gute assoziative
Einübung, so daß nach einer sensorischen Vorbereitung,
welche unter Fixation der Verschlußplatte in einer Erwartung
der kommenden Veränderung bestand, einer der erscheinende»
Buchstaben apperzipiert wurde, worauf sich eine verschieden
lange Pause des Zuwartens anschloß. Diese wurde durch die
Ausführung der richtigen Bewegung abgelöst Mittelglieder
kamen keine zur Beobachtung. Unter den vier Buchstaben
wurde fast immer der BKckrichtung entsprechend einer der
beiden mitÜeren apperzipiert; auf den Anfangs- oder End-
buchstaben winde insgesamt nur 11 mal reagiert
Tabelle XVI.
Z
Zu : Zo
MZ
n
1. Tag
812,5
703,5:874
170,5
20
2. Tag
703
627 : 864
237
23
3. Tag
660
596,5 : 765,5
169
21
In Tab. XVI findet sich eine Zusammenstellung der Ge-
samtwerte der einzelnen Tage. Hierbei sind sieben Fehl-
reaktionen und eine unvorbereitete Eeaktion nicht inbegriffen.
Die Zentralwerte nehmen mit fortschreitender Übung von Tag^
zu Tag ab, die Streuungswerte des 1. und 3. Tages bleiben
einander gleich; der des zweiten Tages hat dagegen eine erheb-
liche Steigerung erfahren. Vielleicht liegen hier ähnliche Ver-
hältnisse vor wie bei B und wie früher bei den zweifach zu-
geordneten Reaktionen, wo mit fortschreitender Übung eine
Zunahme des Wertes von MZ einherging (Tab. VI).
Die B;eaktionen sind infolge der größeren Zahl der simultan
gebotenen Reize nicht mit den vierfach zugeordneten optischen
Reaktionen identisch, trotzdem sich nach der Auffassung eines
bestimmten Buchstaben die zugeordnete Bewegung ohne Zwischen-
glied anschließt. Dieser Unterschied kommt auch in einer Er-
höhung der Zeitwerte zum Ausdruck (vergl. Tab. X). Sämt-
liche Werte sind der Reaktionsform entsprechend beträchtUch
länger als bei B.
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172
Dabei ist die Verschiedenheit der sensorischen Vorbereitung
gegenüber der bei 6 geübten motorischen wieder in den Fehl-
reaktionen ausgeprägt. A zeigt trotz seines der Instruktion
entsprechenden, schwierigeren Verhaltens nur sieben, B dagegen
dreizehn falsche Eeaktionen.
In Tab. XVII sind die Reaktionswerte sämtlicher Tage
getrennt für die einzelnen Pinger aufgeführt
Tabelle XVH.
r. Zeigefinger
V
1. Zeigefinger
r. Daumen
c
1. Daumen
Z
n
632
27
753,5
16
779,6
10
864
11
Die Reaktion mit dem rechten Zeigefinger auf den Buch-
staben Y erfolgte am häufigsten. Es ist dies in Anbetracht der
«ensorischen Vorbereitung auflfallend. Denn wenn reine senso-
rische Vorbereitung besteht, sollte unserem Erwarten nach nur
der Buchstabe die Reaktion bestimmen, so daß dann die ein-
zelnen Fingerbewegungen ungefähr in gleicher Zahl erfolgen.
Daß sich hier eine allgemeine motorische Einstellung für Rechts
geltend gemacht hat (A ist Rechtser), ist deswegen unwahr-
scheinlich, weil sich früher keine Unterschiede im zeitUchen
Verhalten bei den mehrfach zugeordneten Reaktionen bemerkbar
gemacht haben. Dagegen scheint es eher möglich, daß y ähn-
lich wie bei der vorigen Anordnung x durch seine in der Druck-
schrift quer gestellten Linien den anderen Buchstaben gegen-
über leichter die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat Leider
tonnten aus äußeren Gründen über die hier wirkenden Paktoren
keine Spezialuntersuchungen angestellt werden. Dies wäre noch
deswegen wünschenswert gewesen, weil, wie sich aus Tab. XVH
ergibt, die Unterschiede der Zentralwerte für die Finger-
bewegungen auffallend groß sind. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß diese Unterschiede bei der geringen Zahl von Beobachtungen
-durch zufäUige Einflüsse mitbedingt sind. Eine gewisse Regel-
mäßigkeit ist allerdings insofern gegeben, als die Zeitwerte vom
rechten Zeigefinger bis zum linken Daumen mehr und mehr
zunehmen, und außerdem die Differenzen zwischen dem rechten
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173
und dem linken Zeigefinger, sowie zwischen dem rechten und
dem linken Daumen jeweils den größten Betrag aufweisen,
Tabelle XVin.
Zi
Z2
1. Tag
762
832,5
2. Tag
675
773,5
3. Tag
654,5
746,5
In Tab. XVIII sind für die einzelnen Tage die Zentral-
werte der 10 ersten Versuche (Zi) denen der 10 letzten (Z2>
gegenüber gestellt. Im Gegensatz zu dem früheren Verhalten
(Tab. XII) sind hier die Zeitwerte am Anfange der Versuche
besser gestellt Von einer Wirkung der motorischen Einstellung
konnte dem Wechsel der Bewegung entsprechend keine Bede
sein. In schwacher Andeutung zeigte sich dies Verhalten be-
reits bei B. Als Grund für den hier wirkenden Zeiteinfluß
darf wohl ein Nachlassen der Aufmerksamkeitsspannung an-
genommen werden.
Da sich auch mit Hülfe der Reaktionen ohne Zuordnung
des Reizes, wie mir schien, die bei der Willenstätigkeit ent-
scheidend wirkenden Faktoren nicht oder nur schwer imter-
suchen lassen, ging ich zu den Reaktionen ohne Zuordnung der
Tätigkeit über. Doch bedürfen die in diesem Paragraphen be-
handelten Reaktionsformen noch eingehender Untersuchung, da
sie uns, wie ersichtlich, interessante Einblicke und wichtige Ver-
gleichsmomente zu anderen Reaktionsformen ermöglichen.
§iO. tt
Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit.
Zu diesen Versuchen wählte ich das einfachste sinnvolle
Material, die Zahlen. Dabei war es mein Bestreben, im Inter-
esse der Deutung der Ergebnisse die gewählte Versuchsanord-
nung unter den verschiedenen Umständen möglichst beizu-
behalten.
In einer ersten Anordnung sind die Karten mit zwei
einsteUigen Ziflfem bedruckt, welche durch einen senkrechten
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174
^Strich von einander getrennt sind (zufälliger Wechsel). Die
Instruktion lautete: »Es werden Karten mit 2 Zahlen erscheinen.
Wenn es »jetzt« heißt, nehmen Sie sich vor, eine Eechen-
operation auszuführen, entweder zu dividieren, zu multiplizieren,
^u addieren, zu subtrahieren, oder nichts zu tun, und nach der
Ausführung »pe« in den Schallschlüssel zu rufen«. Diese In-
struktion wurde am ersten Tage 2 mal vorgesprochen und an
4en weiteren Tagen je einmal, gelegentUch aber auch während
der Versuche selbst noch einmal wiederholt. Hierbei wurde in
4er Eeihenfolge der in der Instruktion erwähnten Rechen-
operationen jedesmal gewechselt
Es stehen Versuchsreihen von A, B und C zur Verfügung,
welche sich über je 4 Tage erstrecken. Die Dauer der Vor-
periode betrug 3 bis 4 Sekunden.
Wie bei den Reaktionen, welche im vorigen Paragraphen
beschrieben sind, wurde auch hier absichtlich weiter keine Be-
einflussung auf die Versuchsperson durch genauere Auseinander-
setzung der Instruktion oder stärkere Einengung und Präzision
ihres psychischen Verhaltens ausgeübt, da mir dies für Willens-
xmtersuchungen vorteilhafter schien. Im Folgenden wird vorerst
im allgemeinen eine Darstellung der Verhaltungsweisen der ein-
zelnen Versuchspersonen, sowie eine Zusanmienstellung der er-
haltenen Zeitwerte gegeben. Eine spezielle Berücksichtigung
einzelner Gesichtspunkte findet sich in den Ausführungen des
4. Kapitels.
Auch bei diesen Versuchen weist A wieder das gleich-
mäßigste Verhalten au£ In der Vorperiode wurde die auszu-
führende Operation meistens einmal innerlich gesprochen, hierauf
-erschien häufig in schwacher rudimentärer Andeutung das opti-
sche Bild einiger Buchstaben z. B. »add«. Hiemach trat dann
-die schon vorhandene Erwartungsspannung intensiv hervor.
Dieselbe bezog sich auf die fixierte Verschlußplatte. Ebenso
l^ezog sich auch die Zielvorstellung z. B. »Addieren« auf diese
räumUch bestimmte Stelle, jedoch in einer geringeren Intensität.
Die Versuchspereon wußte also, daß dort, wo fixiert wird, zwei
Ziffern erscheinen werden, und daß sie diese Ziffern möglichst
rasch addieren wiU. Dieser komplexe Inhalt war im 2. Teil
der Vorperiode beim Fixieren der Platte als Bewußtheit gegeben,
^. h. eine sonstige phänomenologische Repräsentation dieses In-
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175
haltes war nicht nachweisbar. Nach der Apperzeption der beiden
Zififern, welche ohne merkbare Zeitdauer vor sich ging, war stets
eine mehr oder weniger lange Pause vorhanden, welche als ein Ab-
warten oder Besinnen beschrieben wurde. Hierauf wurde stets die
Operation durch innerliches Sprechen ausgeführt, z. B. »fünf und
zwei ist sieben« oder »fünf minus zwei ist drei«. Sodann er-
folgte das Aussprechen von pe; an den beiden ersten Tagen
gingen der Artikulation starke intentionale Bewegungsempfin-
dungen voran, welche als Drang zum Aussprechen bezeichnet
wurden. Zuweilen bestand auch nach der Ausführung der
Operation vor dem Aussprechen von pö eine Pause. Diese
Reaktionen zeichneten sich dann durch eine lange Dauer (über
1900 a) aus.
B änderte im Laufe der Versuche sein Verhalten in der
Vorbereitung. Anfänglich erschien die Zielvorstellung als
akustisch-kinästhetische Vorstellung und zwar 2 bis 3 mal nach
einander. Da nun am ersten Tage und zu Beginn des zweiten
Tages einige vorzeitige Beaktionen vorkamen, bei denen infolge
des uns schon bekannten motorischen Dranges pe ausgerufen
wurde, bevor das Resultat gegeben war, wurde am 2. Tage zu
der gegebenen Instruktion noch die Anweisung hinzugefügt,
nicht zu rasch zu reagieren, sondern vor allem die Operation
auszuführen. Hierauf wurde die Vorbereitung für einige Ver-
suche in der Weise vorgenommen, daß z. B. zuerst »Addieren«
gesprochen wurde, worauf dann mit der intensiven Bedeutung
dieser Operation ein optisches Pluszeichen im Bewußtsein auf-
tauchte (bei Subtrahieren nur in einem Falle ein flüchtiges
optisches Minuszeichen). Dieses visuelle Schema verschwand
jedoch wieder bereits nach wenigen Versuchen, um einer räum-
lichen Einstellung der Aufinerksamkeit Platz zu machen, indem
die Aufinerksamkeit nicht einen Punkt, sondern einen größeren
Teil der Verschlußplatte zu umfassen suchte und hierbei die
jeweilige Absicht als Bewußtheit gegenwärtig war. Von dieser
Änderung des Verhaltens blieb auch der Verlauf des Prozesses
in der Hauptperiode nicht unberührt; während vorher bei den
Versuchen mit akustisch -kinästhetischer Vorbereitung das Re-
sultat unmittelbar nach der Wahrnehmung, welche am Anfang
successiv, später simidtan die beiden Ziffern umfaßte, als Wort
auftauchte, wurden jetzt die erschienenen Ziffern in das vor-
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176
bereitete visuelle Schema eingefügt, worauf das Eesultat optisch
auftrat, oder es war bei der flächenhaften Einstellung unmittel-
bar nach der Wahrnehmung das Resultat optisch gegeben. Doch
schon vom 3. Tage ab wurden in der Vorperiode die Opera-
tionen wie am Anfange nur in Gestalt von Wörtern vorge-
nommen; dabei bestand Erwartungsspannung und Fixation der
Platte. In den meisten Fällen war hier nach der simultanen
Apperzeption der Ziffern das Eesultat unmittelbar als aku-
stisch-kinästhetische Vorstellung im Bewußtsein vorhanden. Auch
beim Dividieren war gelegentlich ein Schema gegeben. Die
Absicht war bei dieser Operation in der Weise gegeben, daß
innerlich »Dividieren« gesprochen wurde, und »Größere durch
Kleinere« oder »Größere, Kleinere« hinzugefügt wurde. In der
räumlichen Erwartung (= Schema) wurde nun das »Größere«
links und das »Kleinere« rechts lokalisiert und erwartet Vor
dem erwähnten Zusatz zur Instruktion war das Erscheinen der
Zahlen häufig mit einem Affekte der Überraschung verbunden;
hier hat die erscheinende Karte das innerliche Sprechen »Divi-
dieren« etc. abgebrochen, welches dann noch einmal vor dem
Auftauchen des als Sprach Vorstellung gegebenen Besultates
wiederholt wurde. Vom 3. Tage ab war diese Überraschung
nicht mehr zu beobachten. Sie hing mit der Vorbereitung zu-
sammen. Denn beim Erscheinen von Ziffern, mit welchen in
der vorgenommenen Weise leicht operiert werden konnte (z. B.
Dividieren 9 | 3), war bei der Apperzeption keine Überraschung
vorhanden, sondern ein Zustand der Befriedigung über die
leichte Operation. Hier schloß sich dann an das innerUch ge-
sprochene oder optisch gegebene Resultat ruhig und ohne Hast
pe an; bei den anderen Reaktionen dagegen wurde pe mit
einer impulsiven Erregung hervorgestoßen. Von der zweiten
Hälfte des 2. Tages an ging die Aussprache von pe automatisch
vor sich.
Die Zielvorstellung trat bei C in der Vorperiode nach dem
Signal jetzt meistens als akustische Vorstellung »Addieren« etc.
auf, gelegentUch auch akustisch-kinästhetisch und einmal visuell
(Wortfragment von Multiplizieren). Nach dem Verschwinden
dieser Vorstellung, welche wie ein Befehl wirkte, trat die bereits
vorhandene Erwartungsspannung deutlich hervor, welche in ein-
zelnen Fällen, besonders beim ersten Versuche der einzelnen
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177
Tage von starken intentionalen Bewegungsempfindungen be-
gleitet war; diese Empfindungen waren im Kopf oder Oberkörper
lokalisiert und deuteten im Sinne der früheren Ausführungen
an, daß sich Kopf und Oberkörper nach vom bewegen sollen.
Diese muskuläre Vorbereitung bezog sich in einigen Versuchen
der 2. Hälfte des 3. Tages auch auf das Aussprechen von p§
und äußerte sich in der Empfindung eines »wachsenden Vor-
wölbens der Lippen«. Einmal wurde hierdurch eine vorzeitige
£eaktion veranlaßt Die Erwartung bezog sich auf die Ver-
schlußplatte, welche dauernd fixiert wurde. In zwei Fällen
waren auch die mit dieser Fixation verbundenen Spannungs-
empfindungen deutUch bemerkbar. Vom 4. Tage an trat die
Erwartungsspannung sehr zurück. Schon vorher war dies der
Fall, wenn die Absicht zu »Dividieren« bestanden hatte. Da
dies eine schwierigere Operation war, traten noch Hülfevor-
stellungen auf, wie »Bruch bilden« oder »ob es auch ausführ-
bar sein wird« (in Wortfragmenten) oder »will wirkUch aus-
führen«. Hierbei waren keine Spannungsempfindungen vor-
handen, dagegen gewöhnlich eine leichte Unruhe. Bei dem
Vorsatze »nichts tun«, der für C unangenehm war, bestanden
in den ersten 2 Versuchen jene Spannungsempfindungen, welche
man gewöhnlich als körperhchen Ausdruck der energischen Ab-
sicht zusammenfaßt: diffuse Organempfindungen, »als ob C
etwas einpressen wollte«, Empfindungen des Niederdrückens des
Kopfes, des Zusammenpressens der Zähne etc.
In der Hauptperiode wurde nach der Apperzeption der
Ziffern die Aufgabe anfangs und gelegentlich auch später wie
bei A durch innerliches Sprechen, z. B. »sechs und drei neun«,
erledigt Die Beaktion pe schloß sich in sämtlichen Versuchen
automatisch an das Resultat an. Schon in der zweiten Hälfte
des 1. Tages trat eine Änderung insofern ein, als nach der
Wahrnehmung der beiden Zahlen, welche fast immer simultan
erfaßt wurden, eine der Absicht entsprechende scheinbare Ver-
schiebung der Ziffern vorgenommen wurde, und zwar bestand
dieselbe beim Subtrahieren in einem scheinbaren Hinrücken der
kleineren Ziffer zur größeren, z. B. von 7 zu 9, worauf unmittelbar
das Resultat als schwach ausgeprägte akustische oder akustisch-
kinästhetische Vorstellung auftrat Ahnlich geschah dies Hin-
überziehen beim Multiplizieren. Beim Addieren trat ein schein-
Aeh, WiUenstätigkeit. 12
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178
bares Zusammenrücken der Zahlen ein, hierauf das akustische
Bild des Resultates und dann erfolgte pe. Beim Dividieren
endlich gingen die Blicke von einer Ziffer zur anderen und
wieder zurück, um dann z. B. beim Erscheinen von 2 | 4 auf
»2« stehen zu bleiben. Diese Bepräsentation des B;esultates fand
sich auch gelegentlich beim Multiplizieren; z. B. als 1 | 9 er-
schien, erledigte sich die Operation nach der Apperzeption der
Ziffern durch das Anblicken der »9«. Pausen traten hier in
der Hauptperiode fast nur beim Dividieren ein, wenn diese
Operation schwer auszuführen war, z. B. beim Erscheinen von
5 I 7. Hier wurde dann innerlich gesprochen »fünf in sieben«?
hierauf trat optisch ^/t auf, worauf pö erfolgte.
Bei vier Versuchen der zwei letzten Tage geschah endlich
die Realisierung der Absicht in der Weise, daß nach der klaren
Apperzeption unmittelbar, d. h. ohne merkbare Pause und
ohne Zwischenglied, die akustisch-kinästhetische Vorstellung des
Resultates richtig im Bewußtsein auftauchte. Die Zeitdauer
dieser Reaktionen betrug regelmäßig ungefähr 350 a.
Einen Überblick über die Zeitwerte gibt uns die Tab. XIX*.
Tabelle XIX.
A
B
C
z
1498
451
465
Zu : Zo
1228 : 1708
417 : 645
400 : 592
MZ
480
228
192
n
27
22
22
Während die Resultate von B und C sowohl in den Zentral-
werten als auch in den Mittelzonen nur geringe Abweichungen
zeigen, sind die Werte von A ganz bedeutend höher. Dieser
Unterschied ist wohl vor allem darauf zurückzuführen, daß- die
Vorperiode hier eine rein sensorische war und nie Andeutungen
einer motorischen Bereitschaft nachweisbar waren, was auch aus
dem Fehlen von falschen Reaktionen ersichtlich ist (Tab. XXI).
Ob dies jedoch zur vollen Erklärung dieses Unterschiedes
genügt, erscheint zweifelhaft Die in der Hauptperiode nach der
1. Hier sind alle Werte ohne die F. B. und die Reaktionen bei
denen »nichts tun« vorgenommen worden war, aufgeführt.
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179
Apperzeption vorhandenen Pausen deuten darauf hin, daß auch
die Wirkung der Zielvorstellung nicht besonders energisch ein-
trat Ebenso machte sich bei Änderung der Bedingungen (Er-
scheinen von zwei einander gleichen Ziffern, Auftreten derselben
Reize bei auf einander folgenden Versuchen, Repräsentation
des Resultates auf der Karte) irgend eine Anpassung an diese
Bedingungen oder eine Weiterentwicklung in der Reaktionsweise
nie geltend. Es wurde vielmehr immer m der gleichen Weise
wie beim ersten Versuche weiter gearbeitet Dies ergibt sich
auch aus den Zahlen der Tab. XX, wo die Zentralwerte der
Tabelle XX.
1. u. 2. Tag
3. u. 4. Tag
1497
1498
B
429
485
C
504
427
beiden ersten Tage denen der beiden letzten gegenübergestellt
sind. Bei A bleiben sich diese Werte gleich, C dagegen weist
trotz seiner schon niedrigen Werte ein bedeutendes Zurückgehen
auf. Das Steigen bei B ist auf die Wirkung der angegebenen
speziellen Instruktion zurückzuführen. A hat sich demnach in
seinem Verhalten den Versuchen weniger adaptiert als B imd C.
Diese Starrheit und geringe Entwicklungsfähigkeit scheint in
der psychophysischen Organisation dieser Versuchsperson be-
gründet zu sein.
Tab. XXI gibt uns eine Zusammenstellung der einzelnen
von den Versuchspersonen beabsichtigten Zielvorstellungen (a — ad-
dieren , s = subtrahieren , m = multiplizieren , d — dividieren,
n — nichtstun).
Tabelle XXI.
a
s
m
d
n
F. R
A
11
■7
5
4
2
—
B
6
7
2
7
2
4
C
5
5
6
6
4
2
Es zeigt sich, daß die einzelnen Operationen ungefähr in
12"
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180
gleicher Weise berücksichtigt wurden, nur hat A eine vielleicht
zuf oUige Vorliebe für Addieren, B hat dagegen wenig multipi-
ziert, während beide nur zweimal :»nichts getan haben«. Als
Motiv für die jeweihge in der Vorperiode gefaßte Absicht war
der Entschluß wirksam mit den einzelnen Tätigkeiten bei den
einzelnen Versudben abzuwechseln. Doch mu* bei G trat diese
Absicht wiederholt im Laufe der Versuchsreihe auf, bei den
beiden anderen Versuchspersonen war sie bewußt nur zu Beginn
der Versuchsreihe gegeben. Der "Wechsel in der jeweiligen Ab^
sidit (addieren, subtrahieren u. s. w.) geschah immittelbar als
Nachwirkung einer vom Entschluß »abzuwechseln« ausgehenden
Determinierung.
In Tabelle XXII sind die Zahlenwerte zweier Operationen^
der Additionen und der Divisionen, für die einzelnen Versuchs-
personen einander gegenüber gestellt Das Dividieren hat bei A
Tabelle XXn.
a
d
A
1246
1615,5
B
476
645
C
464
443
und B viel längere Zeit als das Addieren in Anspruch genom-
men, bei C zeigt es einen kleinen Rückgang. Ob dies mit der
angegebenen energischeren Konzentration bei der Absicht zu
Dividieren zusammenhängt, lasse ich dahin gestellt^.
Bei einer zweiten Anordnung ließ ich im Karten-
wechsler in beliebigem Wechsel einstellige Zahlen von 1 — 9 er-
scheinen. Die Instruktion lautete »Es werden einzelne Ziffern
1. M. V. Vintschgau (Die physiolog. Zeit einer Kopfmultiplikation
von zwei einziffrigen Zahlen (Pflügers Archiv Bd. 37, S. 127 ff. 1885)
hat bei drei Versuchspersonen als Mittelwerte für Multiplikationen
200 ö, 252 o und 248 o gefunden. Doch sind die Versuche mit einer
Eeihe von Fehlerquellen behaftet. Der Eeiz wurde akustisch geboten.
Hierbei wurden die zu multiplizierenden Ziffern successiv vom Versuchs-
leiter ausgesprochen und erst beim Aussprechen des zweiten Faktors
wurde durch Bewegen eines Tasters der Zeiger des Chronoskopes in Be-
wegung gesetzt. Unter diesen Umständen kann den angegebenen Zahlen
leider irgend ein Wert nicht zugesprochen werden.
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181
eracheinen; bei »jetzt« nehmen Sie sich entweder Tor, daß Ihnen
nach dem Erscheinen der Zahl die vorhergehende Zahl auftaucht
oder Sie nehmen sich vor, daß Urnen die nachfolgende Zahl
auftaucht Nach dem Auftauchen der betreffenden Zahl sprechen
Sie pö aus.« Es stehen zwei Versuchsreihen zur Verfügung und
zwar von D und E, welche beide gegen 80 Einzelversuche um-
fassen, und zwar verteilen sie sich bei D auf 4 Tage und bei
dem noch weniger geübten E auf 6 Tage. Bei diesen Versuchen
ging dem Signal »jetzt« noch ein Vorsignal »fertig« kurz vorher.
Auch diese Versuche ergaben in mannigfacher Beziehung be^
merkenswerte Besultate.
Der Vorgang des Prozesses war bei beiden Versuchspersonen
ziemlich übereinstimmend. In der Absicht bestand eine fast
regelmäßige Abwechselung von »vorhergehende« und »folgende«.
Die Absicht selbst wurde bei D in der Weise durchgeführt, daß
unter starrer Fixation der Platte, deren Einzelheiten hierbei
normalerweise nicht so deutlich wie bei sonstiger Fixation gesehen
werden, »vorher« oder »folg« einmal innerlich gesprochen wurde
(selten öfters). Hierauf trat im Bewußtsein ein Zustand stark
gespannter Erwartung hervor mit Spannungsempfindungen in der
Einngegend, in den Schneidezähnen und gelegentlich auch im
Oberkörper. Dabei bestand ein nicht weiter analysirbarer Bewußt-
seinszustand, daß sofort bei der eintretenden Verändern!^ das
»Bichtige« erscheinen soU, ein Inhalt, der in dieser Weise ge-
deutet und beschrieben wurde, aber nur durch die intensive Auf-
merksamkeitskonzentration mit den erwähnten sinnlichen Begleit-
erscheinungen und durch die Fixation der Verschlußplatte als ein
Erwartungszustand gegeben war. Am 2. Tag trat gelegentlich
eine nach unten gerichtete intentionale Bewegungsempfindimg
auf, durch welche die Bedeutung der »vorausgehenden« Ziffer
angezeigt werden soUte.
In der Hauptperiode stellte sich die beabsichtigte Ziffer un-
mittelbar nach der Apperzeption ein, ohne daß die reproduzierte
Vorstellung »folg« oder »vorher« als Mittelglied im Bewußtsein
vorhanden gewesen wäre. Nur in den beiden ersten Versuchen
des 1. Tages und beim 1. Versuche des 2, Tages war eine ab-
wartende Pause nach der Apperzeption zu bemerken, jedoch ohne
daß ihr Inhalt durch eine Reproduktion der Absicht ausgefüllt
gewesen wäre. Dabei tauchte auch hier immer die richtige, der
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182 .
At)sicht entsprechende Ziffer auf; nur einmal stellte sich statt
der vorhergehenden die folgende Ziffer ein, doch war hier in
der Vorperiode durch eine Selbstbeobachtung eine Störung ein-
getreten. Es war eben zur Erreichung dieses Besultates energische
Aufmerksamkeitskonzentration notwendig. Bei guter Konzen-
tration erschien die richtige Ziffer häufig in schwacher optischer
Andeutung, z. B. die Kontur Ton »1« wenn 2 erschienen und
die »vorhergehende« beabsichtigt war. Diese »1« wurde dann
an die Stelle der wahrgenommenen »2« projiziert, wobei die
letztere zurückzutreten und sich zu verdunkeln schien. Dies war
das gewöhnliche Verhalten der beiden letzten Tage. An den
vorhergehenden Tagen wurde das Besultat meistens innerlich
gesprochen, aber nur in sehr flüchtiger Andeutung. Zuweilen
war auch nach der Auffassung des Beizeindruckes ein Bewußt-
seinszustand vorhanden, mit dem Inhalte: »ich weiß, welches die
zugehörige Ziffer ist«, ohne daß dieselbe selbst irgend wie phä-
nomenologisch (optisch, kinästhet, akustisch etc.) repräsentiert
gewesen wäre. Es schien hier nur die Bedeutung der richtigen
Ziffer im Anschlüsse an die Wahrnehmung durch die Absicht
ausgelöst zu sein, der sich dann das Aussprechen von p^ anschloß.
Derartige Reaktionen wurden jedoch zu den P. R gerechnet
Daß diese Selbstbeobachtungen richtig sind, ergibt sich z. B.
daraus, daß beim Erscheinen von 9, einer schwierigen und nicht
angenehmen Ziffer, bei der Absicht »folgende« zuerst der Be-
wußtseinszustand wie »ich weiß es« und dann erst eine optische
Vorstellung von »Null« auftrat — Nach dem Erscheinen des
Resultates waren im Bewußtsein intentionale Bewegungsempfin-
dungen im Munde und in der Kinngegend (Drang zu p^) vor-
handen, worauf pö ausgesprochen wurde. Vom 2. Tage an trat
dieser Drang nur noch zuweilen schwach hervor, während später
das Aussprechen automatisch erfolgte.
E prägte sich die Absicht in der Vorperiode diu*ch wieder-
holtes, eindringliches inneres Sprechen von »vorhergehende« oder
»folgende« ein, wobei schwache Spannungsempfindungen in den
Augen bestanden. Einzelheiten der fixierten Platte wurden nur
selten und für sehr kurze Zeit erkannt Häufig wurde ein Ab-
nehmen und Wiederanwachsen der Aufmerksamkeit angegeben»
Während der Vorperiode und der Hauptperiode wmxle bis zum
Aussprechen von p^, dem eigenartige intentionale Bewegungs-
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183
empfindungen (Drang) im Munde an den 3 ersten Versuchstagen
vorher gingen, der Atem angehalten. Durch das Fixieren der
Platte war für die Erwartung ein Zusammenhang zwischen der
Absicht (Zielvorstellung) und dem Inhalte, auf den sich die
Zielvorstellung »vorhergehende« »folgende« bezieht, gegeben.
Daß eine eindeutig bestimmte Veränderung an der fixierten
Stelle, i. e. eine Ziffer erscheinen wird, weiß Versuchs-
person durch die Erwartungsspannung, kann aber nicht weit^
ausführen, wie dies im Bewußtsein gegeben ist Die Absicht
für »vorhergehende« war am ersten Tag, weil schwieriger zu
realisieren, auch unangenehmer. Es zeigten sich hier dann
gelegentlich sehr lange Reaktionszeiten (über 1200 ex). Später
zeigen die Zeitwerte nur geringe Unterschiede (Tab. XXVH).
Nach der Apperzeption des Reizes, welche am ersten Tage mit
Überraschung verbunden war, folgte stets eine Pause, deren
Dauer mit fortschreitender Übung abnahm, aber auch noch am
letzten, 6. Versuchstage deutlich merkbar war. In dieser Pause
bestand bei den ersten Versuchen eine leichte Unruhe und Ängst-
lichkeit, später ein eigenartiger Drang, der als ein Bedürfiiis,
daß etwas erfolgen soll, geschildert wurde. Vom 5. Tage an
hatte die Pause mehr einen abwartenden Charakter. Normaler
Weise wurde nun diese Pause durch das Erscheinen der beab-
sichtigten Ziffer abgeschlossen, welche meistens als sprachliche,
aber auch als akustische, akustisch-kinästhetische, oder vom 2. Tag
an auch als optische Vorstellung auftrat Nicht zu selten wurde
jedoch erst das Bewußtsein der Absicht und zwar in Form einer
sprachlichen Vorstellung reproduziert. Es tauchte z. B. die Vor-
stellung »vo« mit der Bedeutung »vorhergehende« oder »fol«
auf. Ei-st dann stellte sich das Resultat ein. Unter insgesammt
83 Reaktionen geschah dies 16 mal. Als dies in der ersten
Hälfte des ersten Versuchstages 3 mal vorgekommen war, wurde
die Anweisung gegeben, Versuchsperson sollte sich vornehmen,
daß sofort die beabsichtigte Zahl erscheinen soU. Zu Beginn
des 2. Tages wurde die Instruktion in dieser Weise wiederholt
In der Vorperiode machte sich dies durch stärkere Konzentration
der sensorischen Aufmerksamkeit (z. B. geringeres Beachten der
Einzelheiten der Verschlußplatte) geltend. Es trat hierauf eine
Verkürzung der Zeiten um 100 — 200 o ein. Doch tauchte gelegent-
lich wieder dieses Zwischenglied auf. In vier Fällen wurde
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184
zwar nicht diese sprachliche Form der Zielvorstellung reproduziert,
aber es war doch eine Erinnerung an die Absicht vor dem
eigentlichen Auftreten des Resultates vorhanden und zwar in der
"Weise, daß E schon bei dem Drang, daß etwas erfolgen soll,
gegenwärtig war, was erscheinen solL Erst dann trat die
sprachliche Vorstellung des richtigen Resultates meist flüchtig
auf. Greschah dies nicht, so lag eine RR vor. Es kam aber
auch vor, daß das Resultat im Bewußtsein bereits vorhanden
war und dann erst die Vorstellung »folgende«, »vorhergehende«
als Kontrolle der Richtigkeit auftrat Neben den erwähnten
drei verschiedenen Verhaltungsweisen zwischen Apperzeption des
Reizes und Auftauchen des Resultates bestand am 5. Tage in
drei Fallen eine Tendenz die »vorhergehende« Ziffer nach links
oder links unten von der wahrgenommenen Ziffer und die fol-
gende nach rechts oder rechts unten zu projizieren, was durch
die Instruktion, die folgende oder vorhergehende an der Stelle
der Wahrnehmung sofort erscheinen zu lassen, erfolgreich be-
kämpft wurde. Infolge einer weiteren derartigen Reaktion war
diese Instruktion auch am 6. Tage noch einmal nötig. Hier-
durch gewann eine räumliche Lokalisation des visuell gegebenen
Resultates die Oberhand. Die als Resultat reproduzierte Vor-
stellung trat an die Stelle der als Reiz wirkenden Ziffer, welche
für diese kurze Zeit im Bewußtsein zurücktrat In der Vor-
periode wurde diese Absicht in der Weise durchgeführt, daß die
der erscheinenden Ziffer entsprechende Stelle der Platte mit
intensiv gespannter Aufmerksamkeit fixiert wurde. In zwei
Versuchen traten hierbei noch die sprachlichen Vorstellungen auf:
»soU dort erscheinen«.
Auch bei D stellten sich assoziative Hülfen im Laufe der
Versuche ein. Am 3. Versuchstage wurde nach der Wahr-
nehmung des Reizes bei einigen Reaktionen die reproduzierte,
der Absicht entsprechende Vorstellung beim Vorsatz »folgende«
nach rechts oben und beim Vorsatz »vorhergehende« nach links
unten projiziert. Durch entsprechende Instruktion verschwand
jedoch dieses Verhalten.
Unter den 78 Reaktionen, welche von D vorliegen, erfolgte
das Erscheinen der beabsichtigten Ziffer in 61 Fällen ohne
irgend ein Zwischenglied, bei E war dies unter 83 Fällen 50 mal
der Fall.
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185
Über die zeitlichen Verhältnisse dieser Versuchsanordnung
gibt uns für D die Tab. XXIII und für E die Tab. XXIV
Aufschluß.
Tabelle XXIU.
1. u. 2. Tag
Z 695
Zu : Zo 581 : 848
MZ 267
n 27
Fja. 7
Tabelle XXIV.
3. u. 4. Tag
666^
619 : 729
110
38
6
1. u, 2. Tag
3. u. 4. Tag
5. u. 6. Tag
z
1016
696
584
Zu:Zo
817,5 : 1211,5
660 : 783
518 : 627
MZ
394
123
109
n
21
26
27
F.E.
2
3
4
Es sind hier die Werte aus den Resultaten von je zwei Ver-
fiuchstagen berechnet Wenn wir die unter ungefähr gleichen
Bedingungen stehenden Werte des^ 3. und 4. Tages vergleichen,
so zeigt sich eine überraschende Übereinstimmung in dem zeit-
lichen Verhalten. Sowohl die Zentralwerte als auch die Mittel-
25one zeigen nur geringe Unterschiede. Der Übungsfortschritt
macht sich vor allem in einer Abnahme der zufälligen Variabilität
geltend, wodurch die Resultate in einem bemerkenswerten Gegen-
satz zu früheren Werten stehen i, außerdem auch in einem
starken Herabgehen der Zentralwerte, wenigstens deqenigen von
E, dessen Übungsfähigkeit eine ziemUch beträchtUche zu sein
scheint Doch hat hierbei auch die erwähnte Instruktionänderung
mitgewirkt.
In Tab. XXV sind für D am 2. und 4. Tage die Zentral-
-werte Zi der 10 ersten Versuche denen der 10 letzten Ver-
1. Vergl. Tab. VI, XIV, sowie auch XVI.
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186
Tabell
e XXV.
2. Tag
3. Tag
4. Tag
Zi
Z2
707
628,5
676
701,5
662
661,5
suche Z2 gegenübergestellt Am 3. Tage konnten hierzu nur
je 8 Versuche verwendet werden. Bei E war wegen zu geringer
Zahl von Einzelwerten eine derartige Gegenüberstellung nicht
möglich. Mit Ausnahme des 2. Tages, an dem noch der Ein-
fluß der Übung hervorzutreten scheint, ist von einer ausge-
sprochenen Wirkung der Zeitlage nichts zu bemerken.
Tabelle XXVI.
f
T
z
657
668
Zu:Zo
619 : 723
615 : 750
MZ
114
135
n
19
19
Die Tab. XXVI gibt uns für D eine getrennte Auf-
stellung derjenigen Zeiten, welche nach der Absicht, die »fol-
gende« Ziffer (f) erscheinen zu lassen, erhalten wurden, sowie
derjenigen nach der Absicht »vorhergehende« (v).
Tabelle XXVII.
f
V
z
623
651
Zu:Zo
557 : 696
5605 : 696,5
MZ
139
136
11
25
28
In Tab. XXVII finden sich die entsprechenden Werte für
E und zwar in beiden Fällen alle Werte ohne die der beiden
ersten Tage. Die Zentralwerte für die Absicht »vorhergehende«
sind in beiden Zusammenstellungen ein wenig höher. Im
übrigen ist aber gerade hier die Übereinstimmung der Zentral-
werte und der Mittelzonen sehr in die Augen fallend.
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187
IV. Kapitel.
Die determinierenden Tendenzen. Die Bewußtheit.
§ 12.
Fosthypnotisehe Suggestionswirkungen.
G. E. Müller und A. Pilzecker haben auf Grund von
experimentellen Resultaten zuerst die in der sog. Assoziations-
psychologie übliche Anschauung durchbrochen, daß der Vor-
stellungsverlauf nur unter der "Wirkung von assoziativen Ee-
produktionstendenzen vor sich geht Es sind vielmehr auch
perseverierende ßeproduktionstendenzen als wirksame Faktoren
für die Bestimmung des jeweiligen Bewußtseinsinhaltes maß-
gebend, die unter den geeigneten Bedingungen zu überwertigen
Tendenzen werden können.
Aus den im vorhergehenden Paragraphen dargestellten
Untersuchungen ergibt sich nun, daß diesen assoziativen und
perseverierenden Reproduktionstendenzen noch andere Faktoren
an die Seite zu stellen sind, welche für den auftretenden Be-
wußtseinszustand von maßgebendem Einflüsse sind, die deter-
minierenden Tendenzen. Unter den determinierenden Ten-
denzen sind "Wirkungen zu verstehen, welche von einem eigen-
artigen Vorstellungsinhalte der Zielvorstellung ausgehen und
eine Determinierung im Sinne oder gemäß der Bedeutung dieser
Zielvorstellung nach sich ziehend Diese determinierenden Ten-
denzen bilden die Grundlage derjenigen psychischen Phänomene,,
welche in ihrem Ablauf unter den Begriff der Willensbetätigimg^
von Alters her zusammengefaßt werden. In der auffallendsten
"Weise zeigt sich jedoch ihre Wirkung bei jenen seelischen Vor-
gängen, welche unter dem Einflüsse der Suggestion in die Er-
scheinung treten. Die Suggestionen können sich bekanntlich in
den sogenannten hypnotischen Zuständen realisieren oder als
posthypnotische Suggestionswirkungen in einem der
1) Vgl. § 14.
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188
Hypnose folgenden Bewußtseinszustande, wo ein wacher oder
unter Umständen auch ein hypnotischer Seelenzustand besteht,
von Einfluß sein^
Es bestehen bereits mannigfache in der Litteratur bekannte
posthypnotische Suggestionen, welche die Existenz yon deter-
minierenden Tendenzen dartun**
Da jedoch dieselben zu anderen Zwecken meistens aus
therapeutischen Gründen unternommen wurden, so stellte ich
eigene Untersuchungen an, welche sich einerseits an die von
ims benutzten Versuchsbedingungen anlehnten und andererseits
unter genauer Berücksichtigung der jeweiligen psychischen Kon-
stellation zur Ausführung kamen. Das Verfahren war un-
wissentlich.
Der Versuchsperson Gt wurde in tiefer Hypnose folgende
Suggestion gegeben: »Es werden nachher zwei Karten mit
2 Ziffern gezeigt werden. Bei der ersten Karte werden Sie die
Summe nennen, bei der zweiten Karte die Differenz. Sie
v^rerden die Karte sehen und sofort wird die richtige Ziffer
ausgesprochen werden. Kaum sehen Sie die Karte, so erscheint
das Resultat, und zwar werden Sie nicht daran denken, daß ich
Ihnen das gesagt habe, sondern aus freiem Willen wird die
richtige Zahl erscheinen.« Die Suggestion wurde noch einmal
Torgesagt, worauf sie auf Wunsch von der Versuchsperson ihrem
Inhalte nach wiederholt wurde. Kurz darauf wurde Qr aus der
Hypnose aufgeweckt Um die Handlungsweise möglichst als
natürliche und nicht als suggerierte erscheinen zu lassen, hatte
ich der Versuchsperson schon vor der Hypnose wie zufällig
Ehrten gezeigt und ihr kurz auseinander gesetzt, wozu dieselben
benützt werden. Wir gingen nach Beendigung der Hypnose in
ein anderes Zimmer und nach einigen Minuten belangloser
Unterhaltung hielt ich Gr in der Hand eine Karte mit den
Ziffern 6 | 2 vor. Unmittelbar darauf sprach G 8 aus; als ihm
•eine weitere Karte 4 | 2 gezeigt wurde, wurde sofort 2 gesagi
Es hatte sich also die Suggestion in einer geradezu über-
raschenden Weise realisiert Ich fragte hierauf G: »Warum
sagten Sie 8?«, wobei ich die 1. Karte zeigte. »Ich habe das
1. Von den sogenannten Autosuggestionen wird hier abgesehen.
2. Vgl. A. Forel, Der Hypnotismus, 4. Aufl. 1902, S. 91 ff.
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189
ganz zufällig gesagt« »Haben Sie nicht in dem Moment ge-
dacht, daß dies die Summe ist?« »Nein, es ging mir durch
den Kopf. Ich hatte das Bedürfnis, 8 zu sagen.« »Und hier«
(ich zeigte die 2. Karte). »Das ist ebenso zufällig, daß ich »2«
gesagt habe.« »Das ist doch kein Zufall!« »Ich mußte dies^
sagen.« »Dachten Sie nicht, daß 4 — 2 = 2 ist?« »Nein.«
Um den Verdacht auszuschließen, als ob bei diesem Vor-
gange, welcher bei völligem "Wachsein vor sich ging, eine auf
Suggestion beruhende Amnesie im Spiele sei, gab ich in einer
anderen hypnotischen Sitzung im Anschluß an den obigen Auf-
trag die Suggestion: »Sie können mir auf Befragen ganz genau
angeben, wie das Erlebnis gewesen ist«. Auch hier stellte sich
in der gleichen Weise die hypnotische Determinierung durch die
Suggestion ein. Es war suggeriert worden, bei der ersten Karte
die Differenz, bei der zweiten die Summe auszusprechen. Als^
nach der Hypnose die erste K^rte mit den Ziffern 6 | 3 gezeigt
wurde, erfolgte prompt das Aussprechen von 3, beim Zeigen der
zweiten Karte 4 | 1 sofort 5. Die Versuchsperson erkannte
wieder erst nachträglich, daß die erste Ziffer die Differenz und
die zweite die Summe darstellte. Nur einmal mißglückte der
Versuch insofern, als nicht sofort das Resultat ausgesprochen,
sondern der Auftrag selbst wiederholt wurde. Beim Vorzeigen
von 6 I 3 wurde gesagt »Die Summe ist 9« und beim Vorzeigen
von 4 I 1 »die Differenz ist 3.« Es hatte dies jedoch daran
gelegen, daß hier (2. Versuch) die Suggestion nicht in der spe-
ziellen oben angeführten Form gegeben worden war, sondern nur
aufgetragen wurde: »bei der ersten Karte sagen Sie die Summe,,
bei der zweiten die Differenz« und hiermit stimmt die Aus-
führung in der Tat überein. In einem weiteren Versuche war
die Aufgabe wie oben gestellt worden. Hier trat wieder un-
mittelbar im Sinne der ZielvorsteUung die Realisierung ein, ohne
daß diese Vorstellung bei der Ausführung im Bewußtsein auf-
getaucht wäre. Es wurde 5 | 2 gezeigt, sofort erfolgte das
Aussprechen von 7; bei 6 | 4 wurde 2 ausgesprochen, also der
Suggestion entsprechend zuerst die Summe und dann die
Differenz.
Derselbe Erfolg trat ein bei einem Versuche, welcher sich
an die zweite Anordnung des letzten Paragraphen anschloß.
Ich gab die Suggestion: »Es werden Ihnen Zahlen gezeigt-
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190
werden; bei der ersten Zahl wird die vorhergehende Zahl ge-
nannt werden, bei der zweiten die folgende. Kaum sehen Sie
die Zahl, so werden Sie ohne Weiteres aus freiem Willen die
richtige Zahl nennen.« Q- wiederholt auf Wunsch den Auftrag.
Einige Minuten nach dem Erwachen wird ihm die Ziffer 6 ge-
zeigt Sofort erfolgt die Antwort »5«. Es wird ihm noch ein-
mal 6 gezeigt, sofort wird »7« gesagt »Was haben Sie bei der
ersten Zahl gesagt?« »Fünf.« »Warum?« »Das weiß ich
nicht, es ist mir durch den Kopf gegangen.« »Bei dem zweiten
Vorzeigen sagten Sie 6, warum?« »Ich hatte das Bedürfnis,
es zu sagen, aber ich weiß nicht warum.« Also auch hier wird
unmittelbar diejenige Vorstellung überwertig, welche der Bedeu-
4}mg der Suggestion entspricht Eine Vermittelung in der
Weise, daß durch die vorgezeigte Ziffer eine Erinnerung an die
JSuggestion eintritt, an die sich dann assoziativ die richtige Zahl
ausschließt, ist bei der Bealisierung der Suggestion nicht not-
wendig. Durch die Wirkung der von der Suggestion ausgehen-
den determinierenden Tendenzen wird die Vorstellung über die
Schwelle des Bewußtseins gehoben, welche der Bedeutung der
gegebenen Suggestion entspricht BKerdurch werden auch die
von negativen Suggestionen ausgehenden Wirkungen verständlich.
Bei einem Versuche fügte ich der oben zuerst angegebenen
.Suggestion noch hinzu: »es wird dann noch eine weitere dritte
Karte gezeigt werden; Sie werden dieselbe aber nicht mehr
sehen.« Als ich die 3. Karte im Wachzustand zeigte, schwieg
G und suchte, indem er den Kopf leicht hin und her bewegte,
..genauer auf meine Hand zu sehen. »Was sehen Sie?« »Es
sieht so aus, als wollten Sie mir etwas zeigen.« »Was habe ich
in der Hand?« »Nichts«. G sah die Karte, die ich in der
Hand hatte, nicht, wohl aber die Hand. Die gleiche der Be-
-deutung der Suggestion entsprechende Determinierung zeigt sich
bei den Termineingebungen (Suggestionen ä echeance). Forel
führt neben derartigen Fällen (a. a. 0. S. 91 ff.) verschiedene
instruktive posthypnotische Suggestionen an; z. B. war einer
Wärterin suggeriert worden, daß sie stets statt Luise C. Lina C.
sagen würde, und daß sie jedesmal, wenn sie den Arzt mit
»Herr Doktor« ansprechen würde, sich, ohne es zu merken, mit
Äer rechten Hand auf der rechten Stünseite kratzen würde.
Diese Suggestionen realisierten sich prompt einige Wochen lang.
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191
Es wäre sehr wünschenswert, posthypnotische Suggestionen
auch mit Zeitmessung auszuführen, was mir bis jetzt nicht
möglich war. Frühere Versuche von mir, während der Hypnose
oder im Zustande des systematisch eingeengten Bewußtsseins Be-
aktionsversuche mit Zeitmessung auszuführen, haben zu keinem
Resultat geführt
§ 13.
Über die determinierenden Tendenzen,
Der Einfluß der determinierenden Tendenzen, welcher bei
den posthypnotischen Suggestionen in extremer und auffallender
Weise hervortritt, läßt sich in ähnlicher Weise auch bei den
ßeaktionsversuchen vor allem bei denen ohne Zuordnung der
Tätigkeit nachweisen. Die Mannigfaltigkeit ist bei dieser
letzteren Reaktionsform eine recht bedeutende. Bei den Ver-
suchen nach der ersten Anordnung lassen sich im ganzen 5
verschiedene Arten unterscheiden, nach denen die von der Ziel-
vorstellung ausgehende Determinierung beim Erscheinen des
Reizes vor sich ging. Diejenige Vorstellung, auf welche sich
die Absicht bezieht, also hier die mit Ziffern bedruckte Karte,
wollen wir Bezugsvorstellung nennen.
Nur ausnahmsweise wurde bei dem Auftreten der Bezugs-
vorsteUung die ZielvorsteUung wieder reproduziert, und zwar ge-
schah dies durch assoziative Reproduktion oder durch die Wirkung
von perseverierenden Reproduktionstendenzen, da jene Vorstellung
in das Bewußtsein eintrat, welche kurz vorher in der Vorperiode
vorhanden gewesen war. Im ganzen geschah dies bei B in
3 Fällen, jedoch nur an den beiden ersten Tagen, bei C über-
haupt nur einmal. In diesem Falle und in einer der Reaktionen
von B hatte in der Vorperiode nicht die gewöhnliche Stärke
der Aufmerksamkeitsspannung bestanden. Neben diesem Wieder-
auftauchen der Zielvorstellung durch Perseveration oder durch
assoziative Reproduktion machte sich die Zielvorstellung als
solche beim Erscheinen des Reizes im Bewußtsein dadm*ch be-
merkbar, daß sie mit den beiden Ziffern eine apperzeptive Ver-
schmelzung einging. Es war dies bei jenen Versuchen von B
der FaU, bei denen sich diese Versuchsperson ein der Rechen-
operation entsprechendes Zeichen (Pluszeichen) optisch vorstellte
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192
und die erschienenen Ziffern in das vorbereitete Schema ein-
u gefügt werden. Aus dieser apperzeptiven Verschmelzung ging
dann assoziativ das Eesultat hervor. Außerdem realisierte sidi
die Absicht noch in der Weise, daß eine durch die Absicht in
Bereitschaft gesetzte Vorstellung mit der gegebenen Bezugs-
vorstellung eine apperzeptive Verschmelzung einging. So sehen
wir bei C eine der Absicht entsprechende scheinbare Ver-
schiebung der beiden Zahlen eintreten. Beim Addieren tritt
ein Zusammenrücken ein, beim Subtrahieren ein scheinbares
Hinrücken der kleineren Ziffer zur größeren. Aus dieser
Verschmelzung geht dann das Resultat auf assoziativem Wege
hervor, oder es wird, sofern es mit einer der beiden als Beize
gegebenen Ziffern zusammenfällt, durch ausschließliche Fixation
der richtigen Ziffer repräsentiert Bei einer vierten Reihe von
Versuchen macht sich ebenfalls eine apperzeptive Verschmelzung
bemerkbar und zwar zwischen den durch die Zielvorstellung in
Bereitschaft gesetzten Vorstellungen und Vorstellungen, welche
durch die Wahrnehmung des Reizes assoziativ reproduziert
werden. Dies war das ausschUeßliche Verhalten von A. Hatte
sich diese Versuchsperson Addieren vorgenommen, so realisierte
sich die Absicht z. ß. beim Erscheinen von 5 | 2 in der Weise,
daß »5 und 2 ist 7« innerlich gesprochen wurde. Diese Art
sehen wir auch häufig bei C und einmal bei B. Fünftens end-
lich geschieht die von der Absicht ausgehende Determinierung
in der Weise, daß die durch die Zielvorstellung in Be-
reitschaft gesetzten Tendenzen unter den von der Be-
zugsvorstellung ausgehenden Reproduktionstendenzen
diejenige verstärken, welche der Bedeutung der Ziel-
vorstellung entspricht. Hier erscheint nach der Auf-
fassung des Reizes (Bezugsvorstellung) unmittelbar die richtige
Vorstellung im Bewußtsein. Dies war bei B der gewöhn-
liche Ablauf und kam auch bei C an den beiden letzten
Tagen nicht selten vor. Es lassen sich noch andere Möglich-
keiten der Reahsierung denken. So könnte auch eine in Be-
reitschaft gesetzte Vorstellung auf assoziativem Wege durch
die Wahrnehmung reproduziert werden, z. B. es könnte durch
das Vornehmen von Addieren »Plus« in Bereitschaft gesetzt
werden, eine Vorstellung, welche offenbar sehr nahe liegt; daß
aber im Anschluß an die Wahrnehmung von 5 | 2 einfach
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193
Bewußtseins gehoben wurde, iät nicht vorgekommen und auch
nicht wahrscheinlidi. Sämtliche Dfeterminierungsformen zeigen
yiehnehr als charakteriätisdies Merional den umstand, da£ die
Realisierung immer in einer dem Sinne oder der Bedeutung der
Zielvorstellung entsprechenden Weise vor sich geht, sei es nun,
daß eine apperzeptive Verschmelzung eintritt, oder daÖ unmittel-
bar durch die gegebene Bezugsvorstellung das beabsichtigte Re-
sultat über die Schwelle des Bewußtseins gehoben wird. Niir
wenige Versuche machen insofern eine Ausnahme, als hier ein
Wiedererscheinen der ZielvorsteUung sich einstellte. Die bis-
herigen Resultate sprechen dafür, daß hier nicht diö notwendige
intensive Absicht vorgelegen hat Am auffallendsten trat dieses
allgemeine Verhalten, wie erwähnt, bei der posthypnotischen
Suggestion hervor. Aber auch bei der einfachen zweiten An-
ordnung der Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit war es
das regelmäßige Verhalten sowohl bei D als bei E, daß die der
Absicht entsprechende Ziffer in das Bewußtsein trat
Daß für den nach dem Erscheinen des Reizes gegebenen
Bewußtseinsinhalt der Reia nicht allein maßgebend ist, ergibt
sich daraus, daß bei gleichen Ziffern das eine Mal die vorher-
gehende, das andere Mal die folgende Zahl erscheint, je nach
der vorausgegangenen Absicht Ebenso daraus, daß z. B. beim
Erscheinen von 6 | 2 entweder 8, 4 oder 3 im Bewußtsein auf-
tritt, je nachdem Addieren, Subtrahieren oder Dividieren vorge-
nommen wird. Durch den gleichen Reiz werden ver-
schiedene Vorstellungen reproduziert und zwar wird
im einzelnen Falle jene Vorstellung überwertig, welche
dem Sinne der Absicht entspricht Die determinierenden
Tendenzen bewirken hier, daß unter den vielen durch die Wahr-
nehmung in Bereitschaft gesetzten Tendenzen diejenige zu einer
überwertigen verstärkt wird, welche einer der gegebenen Absicht
entsprechenden Vorstellung assoziativ zugeordnet ist Hierfurch
taucht die Vorstellung des Resultates häufig unmittelbar nach
der Wahrnehmung auf, so daß die erwähnten Rechenoperationen
mit dem Aussprechen von pö in einer Zeitdauer ablaufen, welche
der Ausführung von geübten zweifach zugeordneten Reaktionen
entspricht 1. Reaktionen, bei denen nicht das der Absicht ent-
1. Diese Aasführungen gelten, wie zu erwarten war, nicht bloB für
Aeh, WUlenst&tigkeit. 13
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194
q>rechende Besultat auftauchte, kamen bei der ersten Anordnung
überhaupt nur einmal vor und zwar bei C; bei der zweiten An-
ordnung war dies zweimal bei D und zweimal bei E der FalL
In der Yorperiode hatte hier meistens eine Störung, z. B. durch
Selbstbeobachtungen, bestanden. In allen diesen Fallen der
zweiten Anordnung war das Auftreten der falschen Ziffer nur
ein blitzartiges, sofort stellte sich noch vor pö das richtige ße-
sultat ein. In dem Falle von C war das falsche Besultat da-
durch entstanden, daß in der Yorperiode zwei verschiedene
Operationen nach einander vorgenommen worden waren. Die
Interferenzwirkung veranlaßte den Sieg der ersten Absicht
Aber auch aus anderen Beobachtungen geht der maaß-
gebende Einfluß der von der Zielvorstellung ausgehenden deter-
minierenden Tendenzen hervor. Wenn nach dem Yorsatz zu
^vidieren 2 Zahlen erscheinen, welche als Besultat einen
Bruch ergaben, so bestand sofort mit der Wahrnehmung ein
Zustand der Überraschung und eine Bewußtheit der Schwierig-
keit, ein Yerhalten, welches mit Unlust verbunden war oder sich
auch durch eine unmittelbare Bewußtheit ^ie 'Vlies geht nicht«
ausdrückte, ohne daß hierbei akustische, kinästhetische oder
sonstige YorsteUungen vorhanden waren. Dagegen bestand keine
Bewußtheit der Schwierigkeit und keine Überraschung, wenn
eine leicht durchführbare Operation kam. Derartige Zustönde
traten ziemlich häufig au£ So war C am ersten Tage nach
der Absicht, zu multiplizieren, bei der Wahrnehmung von 1 | 6
überrascht, weil 1 links stand, oder es trat eine XJberraschung
auf über die Gleichheit von 2 Ziffern, wenn die Absicht, zu
subtrahieren, bestand, weil es hier nicht möglich war, die kleinere
zur größeren hinüberzuziehen. Ebenso trat bei C eine XJber-
raschung ein, wenn nach der Absicht, zu subtrahieren, zwei
Zahlen mit einer großen Differenz erschienen. Bei B war am
ersten Tage mit der Apperzeption der Ziffern die Bewußtheit
der Schwierigkeit verbunden, weil die kleinere Zahl beim Sub-
Zablen, sondern auch ffir anderes sinnvolles Material, z. B. für Wörter,
wie spezielle hier nicht näher zu behandelnde Versachsreihen dartuen.
Bei diesen Versuchen wurden sinnvolle Wörter als Reizeindrücke ge-
boten und die Versuchsperson hatte die Aufgabe, einen Reim, eine
AUitteration u. dergl. zu bilden. Auch hier realisierte sich die
Absicht stets im Sinne der Zielvorstellung.
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195
trahieren links stand. Als am 2. Tage nach dem Vorsätze zu
diyidiren 9 | 3 erschien, war ein Zustand der Befriedigung mit
der Apperzeption verbunden; nach dem Erscheinen von 3 | 4
(Multiplizieren, 3. Tag) war sofort die Bewußtheit der Leichtig-
keit gegeben, beim Erscheinen von 6 | 3 (Dividieren, 4. Tag)
war C sich unmittelbar bewußt, daß dies günstige Zahlen sind.
Als B am 4. Tag sich vorgenommen hatte »nichts zu tun« und
die gleichen Ziffern wie beim vorhergehenden Versuche er-
schienen, war mit der Wahrnehmung die Bewußtheit der Gleich-
heit und ein Bewußtseinszustand gegeben, dessen Inhalt sich
ausdrücken läßt ähnlich wie: »dies war überflüssig, weil es die
gleichen Ziffern sind; das hätte ich auch besser auf ein anderes
Mal verschoben,« worauf pö erfolgte. Die Zeitdauer dieser Be-
aktion betrug 376 aK
Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß die Apperzeption
des Reizes (Bezugsvorstellung) und seine Verwertung im Sinne
von Einflüssen vor sich geht, welche der Bedeutung der Ziel-
vorstellung entsprechen. In der Vorperiode war bei den hier
angeführten Beispielen kein Inhalt gegeben, der dieses unmittel-
bar mit der Wahrnehmung des Beizes verbundene Verhalten
verständlich macht, sofern wir nicht annehmen, daß von der
Zielvorstellung eigentümliche, auf die Apperzeption der Bezugs-
vorstellung gerichtete Einflüsse ausgehen. Diese von der Ziel-
vorstellung ausgehenden, auf die Bezugsvorstellung gerichteten
eigenartigen Wirkungen, welche den Ablauf des Geschehens im
Sinne der Zielvorstellung bestimmen, bezeichnen wir, wie er-
wähnt, als die von der Zielvorstellung ausgehenden deter-
minierenden Tendenzen. Dabei soll diese Bezeichnung nur die
Tatsache des nach dem Inhalte der Absicht beziehw. der Ziel-
vorstellung geregelten Ablaufes des geistigen Geschehens zum
Ausdruck bringen, ohne daß hinsichtlich der Beschaffenheit
dieser eigentümlichen Nachwirkungen — der Tendenzen —
irgendwie etwas gesagt sein soll. Sie sind von den assozia-
tiven und den perseverierenden Keproduktionstendenzen wohl
unterschieden, worauf wir später noch hinweisen werden.
1. Auf die mannigfachen sonstigen Ergebnisse, welche die ezperi-
mentelle Selbstbeobachtung geliefert hat, soll hier nicht näher ein-
gegangen werden.
13*
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196
So sehen wir denn, daß durch die Ton den deter*
minierenden Tendenzen ausgehenden Nachwirkungen
der geordnete und zielbewußte Ablauf des geistigen
Geschehens bestimmt wird. Die Unabhängigkmt von zu*
fälligen äußeren Beizeinwirkungen oder von dem gewohnten
ß«80ziatiyen Ablauf der Vorstellung^ wird durch den Einfluß
von determinierenden Tendenzen bewirkt Innerhalb welche
Grenzen diese Unabhängigkeit gegeben ist, soll hier nicht f est»
gelegt wetrden, es soll nur auf die Tatsache selbst hingewiesen
werden. Dabei geht diese Wirkung der determinierenden Tesk*
denzen nicht Uos von einer vorhandenen Absicht aus, sondern
diese Tendenzen können auch durch suggestive Beein-
flussung, durch Kommando oder durch Auf gabestellung
gestiftet yrerden. Doch handelt es sich in der vorliegwiden
Untersuchung weniger darum, wie die Stiftung diesw deter-
minierenden Tendi^otzen zu stände kommt, vielmehr ist es yot
allem ihre Wirksamkeit, welche der naharen Betrachtung unt^-
zogen werden solL
Die Wirksamkeit der determinierenden Tendenzen ist mit
der Bestimmung eines geordneten, zielbewußt ablaufenden psy-
chischen Geschehens nicht erledigt, die determinierenden Ten-
denzen bewirken vielmehr auch eine gewisse Unabhängigkeit
von dem assoziativen Zusammenhange des auj^enommenen Er-
fahmngsmateriales dadurdi, daß sie uns die Bildung neuer
Assoziationen ermöglichen. Wenn wir hierbei auch an das auf-
genommene Yorstellungsmaterial gebunden sind, so sind wir
durch die Wirksamkeit von determinierenden Tendenzen doch
in der Lage, dieses Ycnrstellungsmaterial in neue, vorh^ nicht
gegebene assoziative Zusammenhänge zu l^ingen.
Zur Untersuchung dieser Wirksamkeit der d^erminierenden
Tend^izen wählte ich sinnlose Silben, d. h» Material,^ das
als solches noch keine od^ nur in Ausnahmeföllen Assoziationen
eingegangen hat und das deswegen seit Ebbinghaus mit so
großem Erfolge zur Unt^rsudiung der Bildung von neuen Asso-
ziationen benützt wird.
Zu der Versuchsanordnung mit sinnlosen Silben
stellten sich die Versuchspersonen L und M zur Verfügung und
zwar gelangten diese Versuche bei beiden Beagenten nach den
in der Anm. 1 auf S. 193 angeführten Untersuchungen zur Aus-
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197
fttbniDg, Die Instniktiün lautete in einer ersten Anordnungf
»Es werden Karten ersdieinen (im Kart^wedisler), weldhe mit
sinnloflen Silben besdirieben sind, bei je^ nehmen Sie sich vor,
«inen sinnlosen Beim anf diese Silbe sm nennen, die^n md^hslt
flolort nadi dem Erscheinen der Karte aus^ufitkren und in den
Schallschlüssel 2tt sprechen* Nach dem Y^snch schildem Sie,
was i%e €«lebt haben!« in einer zweiten Anordnung wnrde
die gleiche Instruktion gegeben, nwt mt dem Unt^iH^hiede, dafl
die Au%abe darin bestand, nicht einen sinnlosen Beim, smitdem
eine sinnlose Alhtteration zu bädeOr
Von der Y^isud^E^erson M wurden insgesamt 56 V€*snche
ansgefährt, imd zwar 29 der ersten tmd 27 der zweiten An^
<Mrdnung, die sich im gaiBEen auf S Tage verteilen; bei L sind
es an 2 Tagen nur 18 Versuche, davon treffen 10' auf die erste,
8 auf die zweite Anordnung. Bei beiden Versuch^rsonen
kamen zuerst £e Beimversudto woA dsam die mit AUitterationen
zur Ausfuhrcmg. Die gebotenen Silben waren nach dem Typus
der Silbe »lap« gebaut
Was die Besultate der ersten Anordnung (Beim-
büdung auf sinnlose Silben) betrifft, so ist folgendes zu er^
wähnen: Bei der Versuchsperson L waiT in der Vorperiode
durch innres Sprechen in 7 Fällen ein bestimmter Buchstabe
gegenwärtig. Arn Anf aoig (3. und 4. Vers.) wurde hier in Wortru-
dinenten innerlich gesprochen »w^m es nicht mit ,m' anfängt,
dann fange ick mit ,m** an.« Hierauf war mit der IHxation
der Blieehplatte ein Spasinung^zustand (geringe Spannun^-
«npfindungen im Oberkörper) mit der Bewußtheit dieses Vor>
Satzes gegeben. Beim 4. Versuch wurde nur ,m^ innerlich ge-
q>rochen, womit die oben ^besduriebene Bedeutung gegenwärtig
war. In der Vorperiede der übrigen 4 Versuche (6; — 9. Vers.)
war statt »m« dw* Buchstabe »b« gegeben mit einer ent-
sprechenden Bedeutung und zwar war hier der einschränkende
Inhalt nicht mehr bewufit gegenwärtig, sondern nur ein Inhalt
ähnlich wie »damit fa,nge ich die Silbe aa«. Bei dfen 2 letzten
dieser Versuche erhielt hierbei das akusläsch^'kinästiieftische Vor-
stellungsbild von »b« eine räumliche Bezidbung^, indem diE»
Wissen gegenwärtig war^ der Buchstabe soll an die Stelle der
Blechplatte treten, die fixiert wird; (Piriert wurde hierbei die
Stelle, an die voraussichtlich der erste Büchstabe der erscheinen^
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198
den Silbe zu stehen kam.) Außerdem war noch die Bewußtheit
gegeben, daß dann das kommen soll, was schon dort steht (d. h.
die zwei anderen Buchstaben der ikeizsilbe). Im 2. Teil der
Yorperiode dieser Versuche war der erwähnte bewußte Inhalt
simultan in einer eindeutigen, abgeblassten, nicht weiter be^
sdureibbaren Weise mit der Fixation der Blechplatte gegen»
wärtig, d. h. es ist der Versuchsperson gegenwärtig, was zu ton
ist, aber ohne daß Einzelheiten hervortreten. Als vor dem
letzten Versuch die Instruktion gegeben wurde, sich keinen be»
stimmten Buchstaben vorzunehmen, ersdiienen nach einander
einzelne Buchstaben wie r, s . . . als akustisch-kinästhetisdie Vor-
stellungsbilder mit der Bedeutung, keinen derselben speziell vor-
zunehmen. In der Hauptperiode wurde hier auf die Beizsilbe
»lin« trotzdem mit »bin« reagiert, also wieder »b« an die Stelle
des ersten Buchstaben gesetzt Wir werden wohl nicht fehl
gehen, wenn wir hierin die Wirkung der Perseveration der vor-
hergegangenen 4 Versuche sehen, bei denen stets dem Verhalten
der Vorperiode entsprechend in der Hauptperiode der Beim da^
durch gebildet wurde, daß an die Stelle des ersten Buchstaben
das in Bereitschaft gesetzte »b« trat und diese Buchstaben-
kombination als Silbe ausgesprochen wurde. Bei diesen Ver-
suchen ging die Auffassung der Beizsilbe so vor sich, daß die
Aufmerksamkeit vor allem auf den ersten Buchstaben gerichtet
war und mit seiner Erfassung die Bewußtheit verbunden war,
daß es kein »b« ist, worauf unmittelbar die Beaktionssilbe z.B.
»bam« auf »fam« ausgesprochen wurde. Bei dem erwähnten
letzten Versuch war dagegen mit der Auffassung der Beizsilbe
»lin«, bezw. der speziellen Erfassung von »1« der Änderung des
Vorsatzes entsprechend kein Wissen verbunden, daß dies nicht
»1« ist Hier war nach der Erfassung von lin ein Zustand des
Suchens gegeben, worauf »bin« ausgesprochen wurde. Beim
4. Vers. (2. Vers, der Einstellung auf »m«) erschien als Beiz-
silbe »mef«, also eine Silbe, welche selbst mit »m« beginnt
Hier war die Apperzeption mit der Bewußtheit verbunden, daß
dies mit »m« anfängt, worauf akustisch-kinästhetisch »r« erschien
und »ref « ausgesprochen wurde.
Beim 1. Vers, war die Absicht in der Vorperiode dadurch
gegeben, daß innerlich gesprochen wurde »erster Konsonant«,
mit der Bedeutung, denselben zu ändern. Hier und beim
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2. Versuch, bei dem in der Vorperiode einzelne Silben wie
»rör-bör« (die Silben des 1. Vers.), »hör« durch inneres
Sprechen auftauchten, erfolgte nach der Auffassung der Beiz-
silbe ein Zustand des Abwartens, worauf das Keaktionswort
(2. Vers, »man-tan«) erfolgte. Dieser Zustand des Abwartens
war im Gegensatz zum 1. Versuch nicht von der Bewußtheit^
daß der Anfangskonsonant geändert bezw. ein Beim gebildet
werden soll, begleitet, sondern es war nur die Bewußtheit ge-
geben, »daß es langsam geht« (1164 a). Ein ähnliches Ver-
halten zeigte auch der 5. Versuch, bei dem in der Vorperiode
nur ein Spannungszustand ohne Bewußtheit des Vorsatzes ge-
geben war. Der Zentralwert sämtlicher Versuche ist Z = 887,5 er.
Die Zeitdauer der Versuche mit spezieller Einstellung auf einen
bestimmten Buchstaben weicht bis auf einen (599 a) nicht er-
heblich von den übrigen ab.
Ein anderes Verhalten zeigte die Versuchsperson M.
Diese Versuchsperson führte die Absicht, einen Beim zu bilden,
in der Begel in der Weise durch, daß visuelle Bilder von
sinnlosen Silben, wie sie bei den vorhergegangenen Versuchen
gegeben waren, auftraten, so beim 3. Versuch »hul-mal«. Bei
den späteren Versuchen einer Tagesreihe waren es mehrere der-
artige einander successiv folgende Silbenpaare, welche auf die
Blechplatte projiziert wurden und sich dort hin und her be-
wegten. Die des letzten vorhergegangenen Versuches waren
hierbei deutlicher und traten häufiger auf als die übrigen. Mit
den successiv auftretenden Gliedern eines derartigen Silben-
paares war ein Zustand der Bekanntheit gegeben, in welchem
Zusammenhange diese Silben stehen, und außerdem die Bewußt-
heit, daß ein ähnlicher Zusammenhang (i. e. ein Reim) her-
gestellt werden soll, ohne daß dieser Inhalt innerlich gesprochen
wurde oder sonst phänomenologisch gegenwärtig war. Diese
Beziehung wurde auch in anderer Weise beschrieben. Es war
z. B. bei den Silben »tip-lip« (5. Vers, des 2. Tages) mit dem
visuellen Auftreten von »tip« die Bedeutung gegeben, es wird
eine Silbe wie »tip« erscheinen, und beim Auftreten von »lip«,
es soll eine Silbe wie »lip« gebildet werden. Die 2. Silbe
war in der Regel stärker betont bezw. die Aufmerksamkeit war
ihr mehr zugewendet Die jeweiligen Bedeutungsinhalte waren
hierbei als Bewußtheiten gegenwärtig. Dieser successiv aus ein-
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200
ander gezogene Inhalt des Zusammenhanges war zuweilen auch
simultan gegenwärtig. Eine geringe Änderung des Bedeutungs-
inhaltes konnte auch in der Weise gegeben sein, daß, wie beim
vorletzten Versuche de^ 3. Tages mit dem visuellen Auftreten
der ersten Sübe (keb) das Wissen vorhanden war, daß sie dort
(an der Platte) erschienen ist, und bei der zweiten Sübe (leb)
die Bewußtheit gegeben war, daß sie »von mir« ausgesprochen
wurde. Dabei lag in dem ganzen Ablauf noch die Bewußtheit,
daß es jetzt wieder ähnlich geschehen solL Näheres konnte
hierüber nicht ausgesagt werden.
In seltenen Fällen geschah die bewußte Bepräsentation der
Absicht in anderer Weise. So war beim 4. Versuch des
2. Tages nur eine Silbe (lup = Reaktionssilbe des vorher-
gegangenen Versuches) visuell gegeben, wobei die Aufmerksam-
keit mehr auf die beiden ersten Buchstaben »lu« gerichtet war.
Hierbei war der Inhalt der Instruktion insofern vorhanden, als
mit den visuell gegebenen, im Blickpunkte der Aufmerksamkeit
stehenden Buchstaben, welche wie sonst auf die Blechplatte
projiziert wurden, das Wissen gegenwärtig war, daß beim Er-
scheinen der kommenden Silbe in ähnlicher Weise die bekannte,
eindeutig bestimmte Veränderung i. e. die Änderung des 1. Kon-
sonanten vor sich zu gehen hat Bei den beiden ersten Ver-
suchen wurde innerlich gesprochen »sinnlose Silbe — sinnlose
Reime«, ohne daß visuelle Bilder gegeben waren. Beim 2. Ver-
such wurde diesen akustisch-kinästhetischen Vorstellungen noch
hinzugefügt »Anfangsbuchstaben ändern«. Auch beim 3. Ver-
such des 2. Tages und bei den zwei letzten Versuchen des
letzten Tages fehlten visuelle Vorstellungselemente. Hier war
mit der Fixation der Versdüußplatte ein Spannungszustand mit
Atemanhalten und Spannungsempfindungen im Obericörper und
in der Augengegend gegeben, ein Zustand, in dem der Inhalt
sowohl der Erwartung der konmienden Reizsübe, wie dessen,
was zu tun ist, allgemein als Bewußtheit simultan gegenwärtig
war, ohne daß speziell an Einzelheiten gedacht wurde. Ein
Spannungszustand im Oberkörper, aber von geringerer Intensität,
war auch bei den früher erwähnten Versuchen vorhanden. Am
3. Tage war bei 2 Versuchen der Spannungszustand gegeben,
ohne daß der Inhalt der Instruktion ii^endwie gegenwärtig war.
Die Zeitwerte dieser Versuche, bei denen die Auf gäbe ebwifaBs
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201
richtig gelöst wurde, unterscheiden sich nicht von den übrigen
Werten.
In der Hauptperiode gestaltete sich das Verhalten zumeist
in der Weise, daß nach dem Erscheinen und der Auffassung
der Beizsilbe der erste Buchstabe derselben schärfer fixiert
wurde und die Silbe selbst als akustisches Yorstellungsbild auf-
tauchte; hierauf kurz dauerndes Suchen, an dessen Stelle vom
2. Tage an bei der zweiten Hälfte der Versuche jeden Tages
eine abwartende Pause trat, dann stellte sich akustisch und in
den meisten Fallen auch visuell die Beaktionssilbe ein, welche
in den Schalltrichter gesprochen wurde. Das visuelle Bild trat
besonders dann deutlich hervor, wenn der 1. Konsonant der
Beaktionssilbe Ähnlichkeit besaß mit dem 1. Kcmsonanten d^
Beizsilbe z. B. »wez-mez« (letzter Vers, des 3. Tages). Das
Auftreten der Beizsilbe war am 1. Tage bei 3 Versuchen mit
einem schwach ausgeprägten Lustgefühl (Erleichterung, Lösung)
verbunden. Der erwähnte Zustand des Suchens bei der Fixa-
tion des ersten Buchstaben war mit der Bewußtheit verbunden,
den Anfangsbuchstaben zu ändern. Trotzdem hierbei keine be-
wußte Einstellung auf einen bestimmten Buchstaben bestand,
trat in der Begel entweder »k oder »m« als Anfangskonsonant
der Beaktionssilbe auf. Es war dies unter den insgesamt
29 Versuchen je 13 mal der Fall. Diese Beaktionssilben ver-
teilen sich über sämtliche Tage, nur am letzten Tage stellte
sich 3 mal ein anderer Anfangskonsonant ein. Hierdurch kam
es;, daß verschiedene Beaktionssilben öfter auftraten (»mun«
3 mal, :»mul«, »mal«, »mil« je 2 mal).
Bei der Auffassung der Beizsilbe und dem Auftreten der
Beaktionssilbe ist noch auf einige, für den Begriff der Bewußt-
heit interessante Einzelheiten hinzuweisen. So war am letzten
Tag mit d^ Auffassimg der Silbe »reiz« imd dem akustischen
Vorstellungsbild dieser Silbe die Bewußtheit verbunden, daß
diese Silbe eine Bedeutung hat, w(»uuf ein Zustand des Zögems,
Schwankens eintrat, der durdi die Periode des Suchens, eine
ähnlich klingende sinnlose Silbe zu finden, abgelöst wurde
(akustisch »seiz«, 2423 er). Beim 5. Versuch des gleichen Tages
erschien als Beizsilbe »böl«. Nach der visuellen Auffassung
und dem akustischen (regebensein von »bök trat »cök als
akustisches Vorstellungsbild auf. Diese Silbe war in ihrer Un-
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202
gewohntheit mit leichter Unlust verbunden, hierauf Suchen nach
einer anderen Silbe und akustisches Auftreten von »döl« (1544 a).
Das Erscheinen des akustischen Vorstellungsbildes »leb« (Ee-
aktionssilbe am 3. Tag) war mit der Bedeutung (Imperativ von
leben) als Bewußtheit verbunden, ein Verhalten, das von einem
Lustgefühl begleitet war. Beim 5. Versuch des 2. Tages er-
schien auf die Reizsilbe »fil« die visuelle Vorstellung »lil«.
Das Auftreten dieser Silbe war mit der Bewußtheit der Symmetrie
verbunden (gleicher Anfangs- und Endkonsonant). Dann stellte
sich akustisch »mil« ein; mit diesem Auftreten oder kurz vorher
war bhtzartig die Bewußtheit gegeben, keine derartige Symmetrie
zu bilden. Wie diese Bewußtheit gegenwärtig war, konnte nicht
angegeben werden. Fehlreaktionen kamen 3 zur Beobachtung,
und zwar der 1. Versuch, bei dem die Reizsilbe wiederiiolt
wurde (2225a); der vorletzte Versuch des 2. Tages, bei dem
mit dem Aussprechen der Reaktionssilbe gezögert wurde, weil
die gleiche Reizsilbe wie beim Versuch vorher erschien (2399 a)
und endlich der 2. Versuch dieses Tages, bei dem vor dem
Auftreten der Reaktionssilbe noch eine andere Silbe gegen-
wärtig war (1760 a). Der Zentralwert der übrigen 26 Versuche
beträgt 1569,5 a. Die Übung scheint keine Verkürzung der
Zeitwerte bewirkt zu haben, der Zentralwert der 10 Versuche
der 2 ersten Tage ist 1570 a, derjenige der 16 Versuche der
2 letzten Tage ist 1569,5 a.
Hinsichtlich der Resultate der zweiten Anordnung (Bil-
dung einer Allitteration auf eine sinnlose Silbe) ist folgendes
zu bemerken: Das Verhalten von L ist trotz der wenigen
Versuche nicht uninteressant Die Vorbereitung bestand darin,
daß L die Stelle der Verschlußplatte fixierte, an der voraus-
sichtlich der erste Buchstabe erscheinen würde. Dabei war bei
den 3 ersten Versuchen die Bewußtheit gegeben, diesen Buch-
staben möglichst rasch zu erfassen. Der gesamte Zustand selbst
war von schwachen Spannungsempfindungen in der Augengegend
begleitet Beim 3. und 4. Versuch waren vor der Vorperiode
die Silben »el« und »ak« als akustisch-kinästhetische Vor-
stellungsbilder gegenwärtig. Da hierdurch die entsprechenden
Reaktionssilben (»kep-kel« und »pul-pak«) veranlaßt wurden, er-
ging die Instruktion, sich keine bestimmten Buchstaben vorzu-
nehmen. Hierauf wurde in der Vorperiode die Blechplatter
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203
in ihrer Gesamtheit fixiert, wobei eigentümliche intentionale
Bewegungsempfindungen im Kopf gegeben waren, nm nach dem
Erscheinen der Keizsilbe sofort den ersten Buchstaben zu er-
fassen. Bei den 3 letzten Versudien war hierbei noch die Be-
wußtheit vorhanden, sinnlose Silben zu bilden, ohne daß dies
innerlich gesprochen wurde oder derartige Silben auftauchten.
In der Hauptperiode bestand bei diesen Versuchen nach der
Erfassung der Beizsilbe, wobei besonders der erste Buchstabe
beachtet wurde, eine Pause des Abwartens, worauf die richtige
Silbe »tau« auf »tip« ausgesprochen wurde. In der Pause des
Abwartens war kein sich auf die auszuführende Allitteration be-
ziehender Inhalt nachweisbar. Bei den zwei erwähnten Ver-
suchen mit vorheriger Einstellung auf die beiden Endbuchstaben
wandte sich nach dem Erscheinen des Beizes die Aufmerksam-
keit sofort dem ersten Buchstaben zu, worauf unmittelbar die
Reaktionssilbe ausgesprochen wurde. Die Zeitdauer dieser Ver-
suche (1024 u. 1012 a) war unter dem Zentralwert, der 1123,5 a
betrug. Zwei Fehlreaktionen kamen zur Beobachtung. Beim
letzten Versuch wurde auf die Beizsilbe »gup« nach einer
längeren Pause »leip« ausgesprochen. Beim 3. letzten Versuch
war die Veranlassung der Fehlreaktion das Nichterkennen des
Anfangskonsonanten. Auch hier war wieder eine Reaktion von
L durch Perseveration veranlaßt, nämlich die zweite. Bei der
Auffassung der Beizzilbe »fil« wurde hauptsächlich »f « bemerkt,
hierauf Aussprechen von »fir«. Dabei war ein Zustand der
Überraschung gegeben, da die beiden letzten Buchstaben identisch
waren mit denen der Beaktionssilbe des ersten Versuches »nem-
nir« (1084 er).
Das Verhalten der Versuchsperson M war in der Vor-
periode ähnlich demjenigen der ersten Anordnung. Es traten
visuelle Vorstellungsbilder von Silben der vorhergegangenen
Versuche auf, wie »reb-res«, »lep-les«, wobei der jeweilige An-
fangskonsonant schärfer beachtet wurde. Dabei ist der Zu-
sammenhang, in dem diese Silben stehen, in eigentümlicher
repräsentativer Weise gegeben. Beim (Jegebensein der ersten
Silbe eines Silbenpaares ist die Erwartung einer kommenden
Silbe vorhanden und zwar wird dieselbe dort erwartet, wo fixiert
wird und wo die visuelle Silbe projiziert ist (an der Blechplatte).
Bei der zweiten Silbe, bei der nicht die starre Fixation der
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204
Blechplatte bestdity ist die Bewußtheit gegdb^, daS eine ähn-
liche Sübe von der V^'suchsperscm gebildet werden solL Dieses
Wissen ist mit Spannongs^&pfindimgen im Obeik(kper imd dfem
Tisuell^i Vorstdlungsbild der betreffende Silbe in eindeutiger
Weise gegenwärtig. Dabei besteht, wie stets bei diesen £r-
wartimgszusüuiden, eine Beziehmig zur Zdarnft, daß namlidi
eine SUbe in kurzer Zeit erscheinen wird und ^ne «otspreebende
zweite möglidiBt rasch gebildet werden solL Die erwähoiten Be-
deutungsinhalte der Bezugs^ und d^ Ziely(Mrstellung, welche
durch die visuellen Sdiemata repräsenti^ wurden^ wmeen nidit
immer in dieser Weise gegenwärtig. Es kan^i Y^rsw^ tot,
bei dm&n dßr Bedeutungsinhalt der Bezugsvorstellung f^te,
also die erste Silbe nur visudl auftauchte, dag^en eine stäricere
Eonz^itration auf die zweite Silbe und die mit ihr y^bundene
Absicht zu bemerken war. Umgekdurt kamen einige Versuche
vor, bei denen nur die Erwartung der kommenden Silbe mit
starker Konzentration und Spannungsempfindungen im Kopfe
d^i Inhalt des Bewußtseins bildete, ein Zustand, der auch mit
den Worten geschildert wurde: Ich war neugierig, wdche Silbe
kommen würde. Unter den Buds^ben der visoellen reprodu-
zierten Süben wurden entweder die Anfangs- oder die End-
konsonanten stärker beachtet Am letzten Tage wandte mck
die Aufmerksamkeit abwechselnd diesen beiden Budistaben zu;
dabei bestand mit dem Herrortreten der Anfangdconsonanten
die Bewußtheit, daß sie gleich sind, und mit demjenigen d^
Endkonsonanten die Bewußtheit, daß sie yerschied^i sind. War
das Verhalten regelmäßig, also Bezugs- und Zielvorstellung mit
den visuellen Bildern gegeben, so bestand im 2. Teil der Vor-
periode eine allgemeine Erwartung mit dem eindeutig bestimmten
Inhalt der Absicht, ohne daß aber dieser simultan gegebene
Komplex spezieller zu zergliedern war. Außerdem waren hier
nur noch das optische Bild der Verschlußplatto, welche nicht so
deutlich wie bei sonstiger Betrachtung gesehen wurde, sowie mit
dieser Fixation Spannungsempfindungen im Kopf und Ober-
körper gegenwärtig. Bei den ersten Versuchen der einzelnen
Tage waren keine visuellen Vorstellungen der Silben gegeb^
sondern es wurde innerlich gesprochen ^»sinnlose Allitteration«
mit der Bedeutung der Absicht, also der Bewußtiieit^ daß d(»rt
eine Silbe erscheinen wird — hierbei schärfere Fixation der
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205
Yerschlußplatte — und daß darauf eine sinnlose Allitteration
konunen solL Beim ersten Versuch des 4. Tages war dieser
Inhalt mit der Fixation und den Spannungsempfindungen im
Obericörper als Bewußtheit gegenwärtig, ohne daß innerlich ge-^
^[ffochen wurde.
In der Hauptperiode waren im Gegensatz zu den Versuchen
mit Beimbildung keine akustischen Vorstellungsbilder zu be-*
merken. Der Yotgsjig der AlUtterationsbildung gestaltete sich
in der folgenden Weise: Beim Erfassen der Beizsilbe richtete
sich die Aufmerksamkeit gewöhnlich auf den ersten Buchstaben,
hierauf war ein Zustand des Suchens gegeben mit dem ein«
deutig bestimmte, als Bewußtheit gegebenen Inhalte, die be-
kannte Veränderung vorzundmien, worauf die Beizsilbe als
visuelles V(»r8tellungsbild erschien und ausgesfurochen wurde.
Bei 4 Versuchen des letzten Tages war kein derartiger Zustand
des Suchens mehr gegeben, sondern die visuelle Vorstellung trat
nach einer kurzen Pause gleichgültigen Abwartens unmittelbar
über die Sdiwelle des Bewußtseins. Hier war die Apperzeption
der Bmsilbe mit dem Wissen :»was zu tun ist« verbunden.
Das visuelle Vorstellungsbild der Beaktionssilbe wurde an die
Stelle der Beiz^lbe in der Weise projiziert, daß der End-
konsonant der Bmsilbe durdi den Endkonsonanten der Be-
akti(mssflbe ersetzt oder zu demselben ergänzt wurde, so z. B.
»1« zu »b» (wal-wab)^ Nicht selten wurde bei der Auffassung
der Beizsilbe statt des Anfangskonsonenten der Endkonsonant
stärker beachtet Hier war zumeist auch in der Vorperiode der
Endkonsonant der visuell reproduzierten Silben stärker hervor-
getreten. In 2 Fällen wurde in der Auffassung weder der erste
noch der dritte Buchstabe bevorzugt Trotzdem in der Vor-
periode keine bewußte Einstellung auf einen bestimmten Buch-
stabe! bestand, waren es doch wieder die Buchstaben »1« und
»m«, weldie bei den Operationen bevorzugt wurden. Es mag
dies bei den Beimversuehen und hier mit der mitüeren Stellung
dieser Budutaben im Alphabet zusammenhängen. Die perse-
verierende Einstellung spielte insofern eine Bolle, als diese
Vorliebe von Versuchstag zu Versuchstag zunahm. Am 1. Tage
wurde nur je ein »1« und ein »m« verwendet (»dän-dal«, »sed-
1. Die Silben waren in Karrentschrift geschrieben.
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206
sem»), am 2. Tage 2 »1«, am 3. Tage 4 »U mid 1 »m«, am
4. Tage 4 »1< und 3 »m«, also insgeBamt 16 derartige Re-
aktionen, denen 9 andersartige gegenüberstehen, wobei 2 falsche
Eeaktionen nicht gezahlt werden. Charakteristisch für diese
Versuche ist, daß der Versuchsperson nicht bewußt war, daß
sie einzehie der Buchstaben bevorzugte. Außer 1 und m wurden
b, d, g, s, n zu den Beaktionen verwendet
Von den beiden FJL (1. und 2. Vers.) war die erste durch
Mißverstehen der Instruktion veranlaßt, so daß die Einstellung in
der Vorperiode durch inneres Sinrechen von »sinnlose Silbe —
sinnvolle AlUtteration« erfolgte. Nach dem Ersdieinen der
Beizsübe (küm) wurde »k< schärfer fixiert und hierbei war ein
Zustand des Suchens gegeben mit der der Einstellung ent-
sprechenden Bewußtheit, eine sinnvolle Allitteration zu bilden,
hierauf stellte sich die kinästhetisdie Vorstellung »Karl« ein mit
dem Wissen, daß dies der Instruktion genügt (1765 a). Dieser
Versuch ist insofern von Interesse, als er zeigt, daß andi nach
der Bichtung der Verbindimg eines sinnlosen Komplexes mit
einem sinnvollen Worte die Detenninierung wirksam sein kann.
Beim 2. Versuch wurde statt einer Allitteration ein Beim ge-
bildet (1044 er). Die Zeitwerte der Alhtterationsversuche sind
um ungefähr 100 a kürzer als diejenigen der Beimversuche, näm-
lich Z — 1460 cr^; dabei ist d^ Zentralwert eiiieblidi (mehr
als 300cr) länger als derjenige^ von L. Im C^legensatz zu den
Beimversuchen tritt hier die XJbungswirkung stark hervor, d^
Zentralwert sinkt von 1780 an den 2 ersten Tagen (n = 11)
auf 1372,5 a an den 2 letzten Tagen (n = 14). Die Ver-
suche, bei denen die Buchstaben »1« und »m« zur allitterierten
Silbe benützt wurden, sind gegen 100 er kürzer als die anderen
(1454 a 1552 a). Da jedoch 12 dieser 16 Versuche auf die
beiden letzten Tage mit der ausgeprägten Übungswirknng fidlen,
kann aus diesem Unterschiede nicht der Schluß gezogen werden,
daß unter sonst gleichen Verhaltnissen (Zeitlage und dergL)
die Versuche mit »1« oder »m« kürzere Zeit dauam als die
übrigen.
Unter den 20 Beizsilben der Versuche der 3 letzten Tage
1. Eine vergleichende Beorteilang ihrer absolaten Daner ist wegen
des Einflnsses der Zeitlage nicht mdglich.
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207
befanden sich 12, welche bereits bei der ersten Anordnung dieser
Versuchsperson als Beizsilben gedient hatten. Es zeigte sich,
daß die einzelne Beizsilbe in beiden Anordnungan der jeweiligen
Absicht entsprechend eine verschiedene Beaktionssilbe auslöste.
So erfolgten auf »pul« die Silben »mul« und »pun«, je nach-
dem die Absicht zu reimen oder zu allitterieren bestanden hatte;
auf »bid«, »lil« oder »bid« u. s. w. Diese Anordnung be-
stätigt die früheren Ausführungen insofern, als durch die von
der Absicht beziehw. der Aufgabestellung ausgehende Determi-
nierung der geordnete, der Zielvorstellung entsprechende Ablauf
des geistigen Geschehens bewirkt wird. Dabei kann diese Wirk-
samkeit eine unmittelbare sein, indem durch die Bezugs-
vorstellung ohne Erinnerung an die Absicht eine dem Sinne
der Absicht entsprechende Vorstellung überwertig wird. Ab-
gesehen von den früher erwähnten Versuchen der Reaktionen
ohne Zuordnung der Tätigkeit und einigen Versuchen der in
diesem Paragraphen beschriebenen Anordnungen (z. B. der
2. Anordnung bei L) läßt sich dies in auffälliger Weise auch
an dem folgenden Versuche von M ersehen, (3. Vers, der 2. An-
ordnung, die beiden vorhergegangenen Versuche waren, wie an-
gegeben P.R). In der Vorperiode stellten sich die visuellen
Bilder »möl-möf-möl« mit der Bewußtheit ihres der Instruktion
entsprechenden Zusanmienhanges (cfr. oben) ein, womit außer-
dem noch das Wissen verbunden war »nicht wie vorhin, sondern
80«. Beim Erscheinen der Reizsilbe »reb« wurde »b« stärker
fixiert, ohne daß die Absicht bestanden hatte, diesen zu ver-
ändern; vielmehr bestand nur ein Zustand des Abwartens,
worauf visuell »res« auftrat (um den Buchstaben »b« der Eeiz-
silbe schwebte »s«). Dieses Auftreten geschah, ohne daß das
Wissen gegenwärtig war, daß hierin die Bildung einer Allitte-
ration liegt oder gegeben ist Auch vorher wurde nicht daran
gedacht, daß der Endbuchstabe zur Bildung einer AUitteration
zu ändern ist Die Absicht zu allitterieren, welche in der Vor-
periode durch die visuellen Vorstellungsbilder phänomenologisch
repräsentiert war, hatte eine unmittelbare Determinierung im
Sinne dieser Absicht bewirkt, so daß die Versuchsperson seihst
über den unmittelbaren Eintritt des Resultates erstaunt war^.
1. Auch das Kesultat dieser Versuchsanordnungen wurde durch
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208
Abgesehen von dieser unmittelbaren Wirksamkeit der von
der Absicht ausgehenden determinierenden Tendenzen, welche
einen sinnvoll geordneten Ablauf des Bewußtseinsinhaltes nach
sich zieht, werden durch diese Tendenzen neue vorhw nicht vor-
handene Assoziationen gestiftet Wenn durch die Keizsilbe
»mef« bei der Versuchsperson M auf Ghund der durch visuelle
Vorstellungsbilder repräsentierten Absicht zu reimen die Re-
aktionssilbe »lef« ausgelöst wird, so sind diese beiden Silben,
welche vorher nicht assoziativ verbunden, jetzt in ihrem successiven
Gtegebensein durch Assoziation verbunden waren; ebenso wenn die
Silbe )^lep« die Silbe »les« in das Bewußtsein treten läßt auf
Grund der Absicht zu allitterieren, eine Absicht, welche hier
durch die akustisch-kinästhetischen Volistellungsbilder »sinnlose
AUitteration« gegeben war. Ebenso wie diese Silbenkomplexe
durch die Wirkung der Determinierung assoziativ verbunden
werden, können auch die einzelnen Bestandteile zu einem neuen
poBthypnotische SaggeBtionswirkuDgen in auffallender Weise bestätigt.
Die Versuchsperson G erhielt in tiefer Hypnose die Suggestion; »Ich
werde Ihnen nachher im wachen Zustande eine mit einer sinnlosen
Silbe beschriebene Karte zeigen. Kaum sehen Sie die Silbe, so werden
Sie sofort einen Beim sagen und zwar unmittelbar. Wenn ich Sie
dann frage, so können Sie mir genau den ganzen Vorgang beim Zeigen
der Karte erzählen.« Auf die Frage »was sollen sie tun?« antwortete
6: »Ich soll einen Beim sagen auf eine sinnlose Silbe, die auf einer
Karte steht.« Kurze Zeit hierauf Erwecken. Nach 2 Minuten Unter-
haltung wird eine Karte mit »pun« gezeigt. Sofort d. h. in einem
Zeitintervall von ungefähr 1 Sekunde »gun«. »Was soll dies bedeuten?«
»Nichts.« »Wie war dies?« »Wie ich die Karte sah, drängte sich mir
das Wort »gun« auf.« »Haben Sie nicht vorher gedacht, Sie sollen
einen Beim sagen?« »Nein.« »Jetzt wissen Sie, daß dies ein Beim
ist?» »Ja.« «Wann ist Ihnen dies eingefallen.« »Bei späterer Über-
legung.« Bei einem weiteren hypnotischen Versuche wurde der Ver-
suchsperson nach Befragen dessen, was man unter Allitteration versteht,
die obige Suggestion mit einer auf allitterieren bezüglichen Änderung
gegeben. Auch hier erfolgte die richtige, der Suggestion entsprechende
Bealisiemag unmittelbar (fer-fan) und ohne Wissen, daß eine Allitte-
ration zu sagen ist bezieh w., daß eine solche ausgesprochen wurde.
Erst nachträglich wurde dies erkannt. In ähnlicher Weise wurden mit
demselben, infolge seiner Unmittelbarkeit stets wieder überraschenden
Besultate einige posthypnotische Versuche an der Versuchsperson F
angestellt.
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209
Komplex, der vorher als solcher nicht gegeben war, sich ver-
einigen. Hierzu sind zu rechnen einzelne Formen der oben bei
den Reaktionen ohne Zuordnung ^ der Tätigkeit angeführten
apperzeptiven Verschmelzungen. Auch bei der oben besprochenen
Versuchsanordnung können auf Grund der Absicht zu reimen
oder zu allitterieren, in den entstehenden Reaktionssilben Buch-
stabenkomplexe auftreten, welche zwar aus früheren Vorstellungs-
elementen (Buchstaben) bestehen, als solche aber noch nicht im
Bewußtsein gegenwärtig waren. Wenn nun derartige neu ge-
stiftete Komplexe früherer Vorstellungen wie die Silbe »fuz«
oder in zeitiicher Succession gegebene Verbindungen wie »pul-
pun« durch die Wirksamkeit der Determinierung entstehen, so
ist es hierbei nicht notwendig, daß die einzelnen Elemente schon
vorher assoziativ verbunden sind, wie dies z. B. für die vor-
liegenden Beispiele der Fall ist, da die einzelnen Buchstaben
unter sich auf Grund der früheren Erfahrungen ja assoziativ
verbunden sind. Es läßt sich vielmehr an der Hand geeigneter
Versuchsanordnungen nachweisen, daß das Auftreten neuer Ver-
bindungen früherer Vorstellungselemente auch dann möglich ist,
wenn diese Elemente noch nicht unter sich assoziativ verbunden
sind*. Notwendig ist hierbei allerdings, daß die Bezugsvorstellung
und die entstehende Vorstellung — die determinierte Vor-
stellung — sich unter einen gemeinsamen übergeordneten Be-
griff (die Zielvorstellung) subsimiieren lassen. In der an-
gegebenen Wirksamkeit der determinierenden Tendenzen scheint
mir auch die psychologische Grundlage für synthetische Urteile
a priori gegeben zu sein.
Hinsichtlich der Wirksamkeit der determinierenden Ten-
denzen kommen wir zur folgenden Aufstellung. Die deter-
minierenden Tendenzen ermöglichen, abgesehen von
dem sinnvoll geordneten, zielbewußten Ablauf des
geistigen Geschehens auch die Bildung neuer, in zeit-
licher Succession stehender assoziativer Verbindungen,
sowie außerdem die Bildung neuer simultan gegebener
assoziativer Zusammenhänge früherer Vorstellungs-
1. Vgl. S. 191 f.
2. Auf derartige Anordnungen gehe ich hier nicht ein.
Aeh, WiUensUtigkoit. 14
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elemente, wie solche durch die apperzeptiven Verschmelzungen
bereits bdkannt »nd.
Für das Verständnis der Wirkung der determinierenden
Tendenzen ist es wichtig, auf den Begriff der Bewußtheit naher
einzugehen, da ja die determinierenden Tendenzen gerade da-
durch charakterisiert sind, daß sie eine Eealisierung im Sinne
der Absicht nach sich ziehen. Wir wenden uns deshalb zum
Begriff der Bewußtheit
§ 14.
Die Bewusstheit.
Die mit Hilfe der Methode der systematischen experimen-
tellen Selbstbeobachtung gewonnenen Ergebnisse der Analyse
des Bewußtseinsinhaltes haben ims mannigfache Erlebnisse vor-
geführt, bei denen ein komplexer Inhalt simultan als Wissen
gegenwärtig war. Dabei war dieses Wissen imanschaulich
gegeben d. h. es waren keine phänomenologischen Bestandteile
wie visuelle, akustische, kinästhetische Empfindungen oder Er-
innerungsbilder von solchen Empfindungen nachzuweisen, welche
den als Wissen gegebenen Inhalt seiner Qualität nach bestimmten.
Derartige Erlebnisse kamen bei sämtlichen Versuchspersonen,
bei denen die Selbstbeobachtung systematisch durchgeführt wurde,
zur Beobachtung. Wir bezeichnen dieses Gegenwärtig-
sein eines unanschaulich gegebenen Wissens als
Bewußtheit
Der Wissensinhalt ist in eindeutiger, bestimmter Weise ge-
geben, ohne daß sich dabei die Art imd Weise dieses Gegeben-
seins näher analysieren läßt Die Versuchsperson kann jedoch
in einem unmittelbar folgenden Zeitpunkte angeben, was ihr
hinsichtlich dieses Wissens gegenwärtig war. Eine derartige
Bewußtheit ist also durch das Wissen, das in ihr liegt, charak-
terisiert Solche Zustände traten bei imseren Versuchen am
auffallendsten hervor in dem Erwartungsinhalte, vor allem gegen
Ende der den Ablauf des Versuches vorbereitenden Vorperiode,
sowie bei dem in der Nachperiode perseverierenden Bewußtseins-
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211
Inhalte. Hier ist, wie schbn früher ausgeführt wurde, der ge-
samte eben erlebte Vorgang simultan gegenwärtig, wie in nuce
gegeben, ohne daß Einzelheiten hervortreten und anschaulich
repräsentiert sind, und diesen perseverierenden Inhalt, auf den
die Aufmerksamkeit wie auf einen Wahmehmungsinhalt gelenkt
werden kann, benutzen wir zur Durchführung der Selbstbeob-
achtung. Beispiele für die in der Vorperiode gegebene Bewußt-
heit des Erwartungsinhaltes finden sich in den früheren Be-
sprechungen der Versuchsresultate nicht selten. Normalerweise
pflegt bei einem derartigen, unter nicht zu ausgeprägter Übung
stehenden Erwartungszustande z. B. folgender komplexe Inhalt
«imultan als Bewußtheit gegenwärtig zu sein». 1. Der kommende
Beiz (eine weiße Karte), wobei eine räumliche Bestimmtheit
desselben insofern gegeben ist, als die Versuchsperson weiß, dort
wo sie fixiert, wird die eindeutig bestimmte kommende Verän-
derung i. e. die weiße Karte erscheinen. 2. Der Versuchsperson
ist gegenwärtig, daß darauf eiue eindeutig bestimmte, bekannte
Veränderung von ihrer Seite i. e. die Reaktionsbewegung zu er-
folgen hat 3. Außerdem ist eine Beziehung zwischen diesen
beiden eindeutigen Veränderungen (Erscheinen des Beizes und
Reaktionsbewegung) insofern gegeben, als die Bewußtheit besteht,
sobald der Reiz erscheint, hat die Reaktionsbewegung zu erfolgen
4. Es besteht eine zeitliche Komponente der Bewußtheit, indem
das Wissen gegeben ist, daß innerhalb einer gewissen, bekannten
Zeit der Reiz erscheinen wird. Die Versuchsperson weiß z. B.,
daß der Reiz nicht in 72 Sek. und daß er nicht in 1 Minute
erscheinen wird. Neben diesem unmittelbar gegebenen Inhalte
der Erwartung bestehen noch die Begleiterscheinungen der sinn-
lichen Aufmerksamkeit, wie Spannungsempfindungen im Ober-
körper imd in dem optischen Sinnesorgan neben der visuellen
Wahmehmimg (bei unseren Versuchen der Verschlußplatte des
Kartenwechslers). Gelegentlich können einzelne der erwähnten
Bestandteile des Bewußtheitskomplexes anschaulich hervortreten,
besonders am Anfange der Vorperiode oder bei den ersten Ver-
suchen eines Tages. Individuelle Veranlagung spielt hier eine
große Rolle. Aber es finden sich doch außerordentlich viele
1. Vgl. § 2.
2. Vgl. auch z. B. VerBuchsperson J. Seite 40 f; außerdem S. 95 ff,
5. 127 u. dergl.
14^
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212
Versuche, bei denen, abgesehen von den erwähnten Begleiter-
scheinungen, der gesamte Erwartungsinhalt nur als Wissen un-
anschaulich vorliegt, imd dieses G^genwärtigsein des Wissens-
inhaltes bezeichnen wir als Bewußtheit
Mit dem häufig wiederholten Auftreten eines derartigen
Erlebnisses blassen in der Begel die Bestandteile des simultan
gegebenen Inhaltes der Bewußtheit ab. Es tritt ein Nachlassen
der Intensität der Bewußtpieit ein^ Hierbei ist der Wissens-
inhalt selbst immer noch klar und eindeutig gegenwärtig, aber
ohne daß er in der ursprünglichen intensiven Weise erlebt wird.
Man bezeichnet diesen Vorgang wohl auch als ein Nachlassen
der Aufmerksamkeitskonzentration. Neben diesem Unterschiede
in der Intensität der Bewußtheit eines wiederholt in zeitücher
Folge gegebenen Inhaltes gibt es auch Unterschiede in der In-
tensität der Bewußtheit der einzelnen simultan gegebenen Teil-
inhalte, oder wie man auch sagt, dem einen Bestandteile des
simultan erlebten komplexen Inhaltes ist die Aufmerksamkeit
mehr zugewendet als einem anderen Bestandteile. Dabei ist der
gesamte Inhalt als Bewußtheit gegenwärtig. So kam es bei
dem oben erwähnten Beispiele des Erwartungszustandes nicht
selten vor, daß ein Teil der angegebenen Einzelinhalte, z. B. das
unter 2 angeführte G^gebensein einer auszuführenden Reaktions-
bewegung gegenüber dem imter 1 angeführten Erwartungs-
zustande einer kommenden, eindeutig bestimmten Veränderung,
zurücktrat, daß also die Intensität der Bewußtheit dieses letzteren
Teilinhaltes höher war als die des ersteren. Wenn das Erlebnis
noch nicht oft gegenwärtig war, konnte dieses Verhalten sogar
die B^egel sein, wie bei Versuchsperson L, der es nicht möghch
war, die beiden Inhalte {Spannungsempfindungen mit der Be-
deutung, möglichst rasch zu reagieren, sowie die Erwartung der
kommenden Veränderung) gleichzeitig in gleicher, hoher Intensität
festzuhalten*. Mit stark fortschreitender Übung konnte außerdem
die Intensität der Bewußtheit eines Inhaltes oder eines Teil-
inhaltes so zurücktreten, daß von einem bewußten Gegebensein
desselben überhaupt nichts mehr nachweisbar war, ein Verhalten,
wie es bei der gleichen Versuchsreihe z. B. J zeigte. Hier war
mit der Fixation der Platte imd sehr schwachen intentionalen
Empfindungen im reagierenden Organ nur noch die schwach
1. Siehe S. 96 f. 2. Siehe S. 101.
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ausgeprägte Bewußtheit gegenwärtig, daß reagiert werden soUi.
Dieses Zurücktreten des Inhaltes der Bewußtheit bezeichnen wir
als ein Automatischwerden des Vorganges. Demgegenüber
läßt sich auch ein Zunehmen der Intensität der Bewußtheit nach-
weisen, z. B. durch wiederholtes inneres Sprechen* imd durch
dauernde Konzentration der Aufmerksamkeit. Wir sind demnach
berechtigt, Grade der Intensität der Bewußtheit zu
unterscheiden und zwar sowohl bei dem simultan ge-
gebenen komplexen Inhalte, wie bei dem in fort-
schreitender Folge wiederholt gegebenen Erlebnisse,
und wir nehmen für die Intensitätsänderungen der Bewußtheit
die Definition an, welche G. E. Müller für die Intensitäts-
änderungen von Bewußtseinszuständen aufgestellt hat». Nach
derselben liegt eine reine Intensitätsänderung der Empfindung
dann vor, wenn die Empfindung bei stetiger Änderung den
Nullpunkt auf dem kürzesten Wege, d. h. mit Durchlauf ung der
geringsten Anzahl von Zwischenstufen, erreicht*.
Wenn ein Inhalt nur als Wissen, also unanschaulich gegen-
wärtig ist, so ist doch bei dieser Bewußtheit der Bedeutung
stets eine Empfindung (eine Spannungsempfindung) wie oben,
eine visuelle, akustische, kihästhetische Empfindung u. dergl. oder
das Erinnerungsbild einer solchen gleichzeitig oder unmittelbar
vorher im Bewußtsein gegeben. Hierbei bilden diese Empfin-
dungen die anschauliche Bewußtseinsrepräsentation des imanschau-
lich als Wissen gegenwärtigen Inhaltes. Sie sind die Zeichen
des Bedeutungsinhaltes. Die Empfindungen selbst können be-
kanntlich auch ohne einen derartigen Bedeutungsinhalt, also nur
in sinnlicher Qualität, gegeben sein. So kam es bei unseren Ver-
suchen wiederholt vor, daß z. B. nach dem Erscheinen einer
farbigen Karte die Empfindung »gelb« nur in ihrer optischen
Qualität gegenwärtig war. Erst hierauf stellte sich ein Wissen
ein, wie »dies ist gelb«, und zwar erfolgte dieser Eintritt deutlich
als eigener Akt nach dem G^gebensein der reinen sinnlichen
Empfindung. Durch diesen Akt wurde die sinnliche Empfindung,
wie man wohl auch sagen kann, als die bekannte gelbe Farbe
1. Ebenda. 2. Siehe S. 102.
3. ZeitBchr. f. Psychologie, Bd. 10 8. 2 f.
4. Eingehende Untersuchungen über die >KlaTheitsgrade< eines Be-
wußtseinsinhaltes hat W. Wirt h angestellt. Philos. Stud. 20, S. 487 AT,
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identifiziert Es machte sich in irgend einer Weise eine Ver-
bindung mit früheren Erlebnissen geltend, welche in diesem
Wissen zum Ausdruck kam. Diesen Vorgang bezeichnet man
bekanntlich auch als Apperzeption, womit also das Gregen-
wärtigsein beziehw. das Auftreten eines Wissens der Bedeutung
bezeichnet wird. Ist simultan ein komplexer Inhalt gegenwärtig,,
dessen Teilinhalte einen verschiedenen Intensitätsgrad der Be-
wußtheit aufweisen, so kann man auch noch jenen Teil des be-
wußten Komplexes, der momentan im Vordergrunde der Bewußt-
heit steht, als den apperzipierten Teil bezeichnen. Er steht, wie
sichWundt ausdrückt, im Blickpunkte des Bewußtseins. Man
sieht aber sofort, daß bei dem kontinuierlichen Übergänge der
Intensitätsgrade einer Bewußtheit es unter Umständen der Ana-
lyse große Schwierigkeit macht, die simultan gegebenen Teil-
inhalte hinsichtlich ihrer Bewußtheitsgrade zu differenzieren. Da
femer dem gesamten simultan gegebenen Inhalte, wie die Analyse
der systematischen experimentellen Selbstbeobachtung mit Sicher-
heit ergibt, die Aufmerksamkeit in gleicher Weise zugewendet
sein kann oder die Teilinhalte momentan keine Unterschiede des
Intensitätsgrades der Bewußtheit zeigen, so ergibt sich, daß wir
als das wesentliche Moment der Apperzeption das geschilderte
Auftreten des Bedeutungsinhaltes zu bezeichnen haben, eine Er-
scheinung, die vor allem durch Her hart eine eingehende Be-
trachtung erfahren hat Diese Ausführungen erhalten eine
Bestätigung durch frühere Darlegungen^, nach denen bei der
Apperzeption eines Beizes einem Bewußtseinsinhalte von dem
Momente des Erscheinens des Sinneseindruckes an die Auf-
merksamkeit auf G-rund der vorherigen Einstellung zugewendet
ist und während dieser Zeit kein anderer Inhalt simultan ge«
geben ist, dem die Aufmerksamkeit in höherem Grade zugewendet
ist Der sich entwickelnde Beizeindruck befindet sich demnach
im Blickpunkte des Bewußtseins, aber trotzdem können wir in
dieser Phase des Q^schehehs nicht von Apperzeption sprechen.
Es besteht hier vielmehr eine Entwickelung der Apperzeption
des Beizes, welche eine gewisse Dauer in Anspruch nimmt, bis
der Beizeindruck als solcher apperzipiert ist d. h. seine Auf-
fassung gemäß oder entsprechend der vorherigen Einstellung
1. Siehe S. 117.
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215
erfolgte Es kann also ein Inhalt im Blickpunkte des Bewußt-
seins beziehw. im Mittelpunkte der Aufmerksamkeit stehen, ohne
daß derselbe apperzipiert ist
Der unanschauhch gegebene Inhalt der Bewußtheit ist nicht
selten bei der Analyse durch die Versuchsperson nur schwer zu
fassen*. Zuweilen findet sich ein Teil des Erlebnisses durch
inneres Sprechen, wie »muß kommen« oder »Kante, Kante« oder
auch durch Wortrudimente wie »add« »vorher« »folg« u. dergl.
phänomenologisch angedeutet Ein derartiges Gegebensein von
kinästhetischen oder akustisch-kinästhetischen Yorstellunggbildem
mag wohl die Ursache für die weit verbreitete Annahme sein,
daß sich unser Denken stets in innerem Sprechen oder in
adaequaten visuellen, akustischen u. dergl. Erinnerungsbildern
vollzieht Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß
es sehr komplexe Inhalte gibt, bei denen, wie schon erwähnt,
die Teilinhalte in mannigfachen gegenseitigen Beziehungen be-
wußt vorliegen, ohne daß hierbei diese einzelnen Inhalte durch
ihre adaequaten sprachlichen Bezeichnungen u. dergl. repräsentiert
sind beziehw. überhaupt repräsentiert sein können. Ist ein
phänomenologischer Bestandteil gegeben, welcher als zugehöriges
Zeichen einen Bedeutungsinhalt zum Ausdruck bringt, wie z. B«
»Kante«, so ist hiermit nur der hierzu gehörige Bedeutungs-
inhalt, nämlich die Erwartung der oberen Kante der Karte ver-
bimden, während der übrige gleichzeitig noch gegebene Er-
wartungsinhalt keine derartige phänomenologische Repräsentation
bat, sondern in dem gesamten Spannungszustande als Bewußtheit
gegenwärtig ist^. Außerdem sehen wir zuweilen ein blitzartiges,
momentanes Aufleuchten eines komplexen Inhaltes, der sich
verbal nur durch mehrere Sätze ausdrücken läßt, ein Vorgang,
der bei seinem kurzen Bestehen unmöglich durch ioneres Sprechen
gegeben sein kann. Dabei ist der Sinn des Inhaltes eindeutig
gegeben imd die Erinnerung klar und bestimmt, ohne daß
irgend welche Empfindungsqualitäten nachweisbar wären. So
tauchte der Versuchsperson C bei den zweifach zugeordneten
1. Auf derartige mit der Nachwirkung vorhergegangener Deter-
minierung zusammenhängende Bewußtheiten kommen wir weiter unten
noch zu sprechen.
2. Vergl. S. 41 Anm. 3. Vergl. z. B. S. 39.
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216
optischen Reaktionen in der Vorperiode mit dem Gregebensein
eines visuellen Erinnerungsbildes von der blitzartige Gedanke
auf, daß es am praktischsten sei, sich nur auf vorzubereiten,
und außerdem die Bewußtheit, daß vielleicht nur E vorhanden
sind. Andere Beispiele finden sich in den früheren Ausführungeir
Gregenüber dem klaren eindeutigen Inhalte derartiger Bewußt-
heiten scheint es mir nicht richtig zu sein, diese Bewußtheiten
als »dunkle Empfindungen« beziehw. Erinnerungsbilder an-
zusprechen, welche als einzelne Inhalte zu schwach sind, um
nachgewiesen werden zu können, in ihrer Gfesamtheit aber eine
Yergegenwärtigung des Bedeutungsinhaltes nach sich ziehen,
Demgegenüber ist außerdem auf Erlebnisse hinzuweisen, bei
denen im Blickpunkte des Bewußtseins eine Bewußtheit ohne
nachweisbare Veranschaulichung gegeben ist, während als Teil-
inhalt mit geringerem Intensitätsgrade der Bewußtheit eine repro-
duzierte Empfindung, z. B. die einer weißen Elarte, nachweisbar
sein kann, wie dies z. B. bei A beobachtet wurde. Daß die
anschauliche Bepräsentation eines Bedeutungsinhaltes gegeben
ist, z. B. diu*ch inneres Sprechen »möglichst sdmell« und dann
der entsprechende Bedeutungsinhalt als Bewußtheit ohne eine
derartige phänomenologische Repräsentation vorliegt i, kommt
nicht selten zur Beobachtung. Es kommen aber auch Falle vor,
bei denen zuerst die Bewußtheit gegeben ist und dann erst eine
Veranschaulichung eintritt So stellte sich bei der 2. Anordnung
der Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit bei dem Er-
scheinen von 9, einer schwierigen imd nicht angenehmen Ziffer,
nach der vorausgegangenen Absicht »folgende« zuerst ein Be-
wußtseinszustand wie »ich weiß es« ein und dann erst eine
optische Vorstellung von »Null« .
Wenn sich nun auch derartige als Bewußtheiten bezeichnete
Erlebnisse bei allen Versuchspersonen nachweisen ließen, so
machen sich doch starke individuelle Verschiedenheiten geltend.
Insbesondere neigen viele Individuen zu einer sofortigen visuellen
oder akustisch-kinästhetischen Veranschaulichung des Bedeutung-
inhaltes. Der Verfesser selbst, der nicht motorisch und nicht
in erheblichem Grade visuell veranlagt ist, hat eine ausge-
sprochene Veranlagung in Bewußtheiten zu denken, ein Um-
1. Vergl. Versuchsperson L. Seite 42 f. 2. Vergl. S. 182.
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stand, der wohl dazu beigetragen haben mag, daß seine Auf-
merksamkeit mehr als sonst auf die Analyse des unanschaulichen
Denkens gelenkt wurde. Ein Gebiet, bei dem die Tatsache des
tinanschaulichen begrifflichen Denkens in der Regel am stärksten
hervortritt, ist das rasche yerständnisvoUe Lesen eines Textes.
Wenn mir z. ß. die Schriftzeichen eines Wortes wie » Glocke c
vorliegen und ich appendpiere diese Schriftzeichen, so weiß ich,
was diese Zeichen bedeuten. Die Bewußtheit der Bedeutung
ist mir gegenwärtig. Nach der Theorie der Bewußtheit
ist nun hierzu nicht nötig, daß Vorstellungen auftreten, die
apperzipierenden Vorstellungsmassen, welche den Eindruck
assimilieren z. B. die Vorstellung eines Klanges oder das visuelle
Bild einer Glocke, vielmehr geht nach dieser Anschauung diese
Vergegenwärtigung des Bedeutungsinhaltes in anderer Weise
vor sich. Jede Vorstellung, welche im Bewußtsein gegeben ist,
z. B. der Eeizeindruck »Glocke«, setzt bekanntlich eine Anzahl
Ton Vorstellungen in Bereitschaft, mit denen sie in assoziativem
Zusammenhange steht Diese in Bereitschafl»etzung von Vor-
stellungen oder Anregung von Reproduktionstendenzen genügt
für die bewußte Bepräsentation dessen, was wir Sinn oder Be-
deutung nennen, ohne daß die in Bereitschaft gesetzten Vor-
stellungen in das Bewußtsein zu treten brauchen. Die Repro-
duktion ist noch nicht abgeschlossen, sondern nur eingeleitet —
€S besteht eine Anregung der Beproduktionstendenzen, wie man
sich wohl auch ausdrücken kann — , und diese Anregung ge-
nügt, um für das Individuum eine eindeutige Beziehung eben
in der Richtung der in »Erregung« versetzten Reproduktions-
tendenzen zu bewirken. Eine derartige eindeutige Beziehung
ist für das Subjekt als Wissen, als Bedeutung gegenwärtig.
Es kann hier, wie es dem Begriffe des Gegenwärtigseins eines
Wissens entspricht, in einem späteren Momente eine der zuge-
hörigen Reproduktionstendenzen überwertig werden, d. h. eine
der assoziierten Vorstellungen in das Bewußtsein treten und als
begriffliches Merkmal angegeben werden. Wie von einem
Zentrum aus nimmt eine Summe simultan gegebener Erregungen
ihren Ausgangspunkt. Den Mittelpunkt, von dem diese Be-
ziehungen ausgehen, bildet in dem erwähnten Beispiele das
Schriftbild »Glocke«, also eine Erregung in den Hinterhaupts-
lappen des Großhirns, dort, wo die von den optischen Sinnes-
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Organen ausgehende Nervenleitong in die Einde des Großhirns
eintritt, um nach verschiedenen Eichtungen auszustrahlen, je
nachdem dieser visuelle Eindruck schon Verbindungen durch
frühere Erfahrungen eingegangen hat. Ohne mich auf die Natur
dieser Vorgänge irgendwie einzulassen, kann man ein Bild in
dem Sinne benützen, daß das Gegenwärtigsein eines Wissens
bereits dann als bestehend angenommen wird, wenn die Eepro-
duktionstendenzen durch ihre Bereitschaft nur anklingen, pflanzt
sich dagegen der Erregungszustand weiter fort, z. B. bis zu
den einzelnen Sinneszentren, so ist dies subjektiv durch das
Auftreten eines phänomenologischen (akustischen, visuellen u^
dergl.) Vorstellungsbildes charakterisiert^.
Ist statt des erwähnten Wortes )s> Glocke c eine andere
Wahrnehmung als Bewußtseinsinhalt gegenwärtig, z. B. der
sinnlose Buchstabenkomplex »chuz«, so werden von diesem In-
halte aus keine oder nur wenige Eeproduktionstendenzen in Er-
regung versetzt, da derselbe in unserer früheren Erfahrung keine
assoziativen Verbindungen eingegangen hat. Es mangeln dem-
nach dem Subjekt die besprochenen Beziehungen, und wir be-
zeichnen deshalb diesen Buchstabenkomplex als »sinnlos«. £r
hat für das Individuum normalerweise keinen Bedeutungsinhalt.
Nach den Gesetzen der Assoziation und Eeproduktion von
Vorstellungen ist eine Eeproduktionstendenz unter sonst gleichen
Umständen um so stärker, je öfter die zugehörigen assoziierten
Vorstellungen Inhalte des Bewußtseins gewesen sind. Wenn
nun ein sinnvolles Wort wie »Glocke« gegeben ist, so werden
die mit diesem Zeichen am häufigsten assoziierten Vorstellungen
auch in den höchsten Grad der Bereitschaft gesetzt d. h. der
Erregungszustand ist um so höher, je stärker die Eeproduktions-
tendenzen sind. Nach unseren früher gegebenen Ausführungen
sind wir berechtigt, von Unterschieden in dem Intensitätsgi^e
der Bewußtheit eines simultan gegebenen Komplexes zu sprechen.
Es steht nichts der Annahme im Wege, daß eine Bewußtheit
um so stärker ist, je höher der Erregungsgrad der m Bereit-
1. Diese Ausführungen haben vor allem den Zweck, das in der
Bewußtheit vorliegende simultane Gegebensein einer größeren Zahl von
Beziehungen dem Verständnis näher zu bringen. Dagegen beabsichtig»
ich nicht, diesen psychologischen Tatbestand näher durch irgendwelche-
physiologischen Vorgänge zu veranschaulichen.
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219
ßchaft gesetzten- Vorstellungen beziehw. je stärker die Anregung^
der Beproduktionstendenzen ist, und wir bezeichnen dem*
nach die Bewußtheit als eine wachsende Funktion
eines derartigen Erregungszustandes von Eeproduk*
tionstendenzen^ Hieraus ergibt sich, daß von der Summe
der durch das Wort »Glocke« angeregten Beproduktionstenden-
zen diejenigen am intensivsten als Bewußtheit gegenwärtig sind,.^
welche am häufigsten in der Erfahrung vorgelegen haben.
Gegenüber diesen regelmäßigen Verbindungen treten die übrigen
in Bereitschaft gesetzten Vorstellungen, welche nur gelegentlich
und zu^lig Inhalte des Bewußtseins gewesen sind, an Intensität
der BewußÜieit zurück. Es besteht also bei dem Gegebensein
des Bedeutungsinhaltes eines Wortes ein Wissen, bei dem die
regelmäßigen, stets wiederkehrenden assoziativen Beziehungen
am intensivsten als Bewußtheit gegeben sind, während dem*
gegenüber um gelegentlich, zufällig gestiftete Vorstellungsver*
bindungen in ihrer bewußten Wirksamkeit keinen oder nur
einen sehr geringen Einfluß ausüben. Sie werden vernachlässigt,
sind psychologisch als Bewußtheit nicht wirksam. Es liegt hier
also eine durch unsere Erfahrung bedingte assoziative Ab-
straktion vor, indem beim Gegebensein eines Bedeutungs-
inhaltes nur diejenigen Vorstellungen bewußt wirksam sindy
welche regelmäßig als Erfahrungselemente gegeben waren,,
während dagegen von zufälligen Vorstellungsverbindungen in
ihrer Wertigkdt als Bewußtheiten abstrahiert wird. Dabei geht
dieser Abstraktionsprozeß rein automatisch durch das fort-
währende Aufnehmen der Vorstellungen in wechselnder Ver-
bindung vor sich.
Da wir zugleich in den stets gegebenen assoziierten Vor-
stellungen die regelmäßigen Merkmale des betreffenden Begriffes
vor uns haben, so ergibt sich auf Grund dieser assoziativen
Abstraktion, inwiefern ein Begriff dem Individuum
psychisch als Bewußtheit gegeben ist Die regelmäßigen
Merkmale des Begriffes sind als die regelmäßig assoziierten
1. Vergleiche hierzu das 4. psychophys. Axiom von G. E. Müller
(Zeitschr. f. Psych. 10, S. 3), nach dem bei einer Erhöhung oder
Minderung der Empfindungsintensität auch die Intensität des psycho-
physischen Prozeßes wächst, bezw. sich verringert, und umgekehrt.
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220
Vorstellungen psychisch durch die Bewußtheit wirksam, während
den zufälligen Verbindungen jeder Einfluß als bewußten Be-
ziehungen fehlt. Zugleich sehen wir aber auch, daß von einer
allgemeingültigen, psychischen Bepräsentation eines Begriffes bei
den verschiedenen Individuen in der Regel keine Bede sein
kann. Denn für die Bewußtheit eines Begriffes sind die den
jeweiligen Erfahrungen entsprechenden Vorstellungsverbindungen
maßgebend, und diese Erfahrungen sind bei den einzelnen
Menschen durchaus verschieden. Aber auch bei dem einzelnen
Individuum bleibt sich in der Begel die Bewußtheit eines Be-
griffes für verschiedene Zeiten nicht gleich. Denn alle jene
Faktoren, welche die Stärke der Reproduktionstendenzen beziehw.
<iie Stärke der Inbereitschaftsetzung einer Vorstellung beein-
flussen, sind auch für den Grad der Bewußtheit ausschlaggebend,
also neben der schon erwähnten Wiederholungszahl die Auf-
merksamkeitszuwendung, welche bei Stiftung der betreffenden
Assoziationen bestanden hat, ebenso die Oefühlsbetonung, das
Zeitintervall, das seit ihrer Stiftung verflossen ist, die Wirksam-
keit von generativer, effektueller und rückwirkender Hemmung,
femer die Wirkung von perseverierenden Reproduktionstendenzen,
von determinierenden Tendenzen u. dergl. Erfährt z. B. durch
den Einfluß dieser Faktoren in dem gegebenen Ablaufe des
geistigen Geschehens die Erregung eine der in Bereitschaft ge-
hetzten Vorstellungen eine Steigerung, so wird hierdurch auch
«ine Änderung der begrifflichen Bewußtheit bedingt, und da
«ich die geistige Konstellation fortwährend ändert, ist auch die
Bewußtheit stetigen Änderungen unterworfen. Hierin sehen wir
zugleich das aktuelle und entwickelungsfähige Moment in dem
Ablauf geistiger Prozesse hervortreten. Wir sehen einerseits,
wie auf Grund erworbener Vorstellungsverbindungen allmählich
neue Apperzeptionsmassen an Stelle früherer treten können und
eine stetige Umänderung der begrifflichen Bewußtheit die Folge
ist, während andererseits vor allem durch die Wirkung voraus-
gegangener Determinierung bald die eine, bald die andere der
von ihrem Zeichen aus in Bereitschaft gesetzten Vorstellungen
«eine Steigerung ihres Erregungszustandes erfährt, und so auch
bei zeitlich sich in kurzen Intervallen folgenden gleichartigen
-Zeichen Unterschiede in der begrifflichen Bewußtheit derselben
«intreten können. So ist denn die psychologische Repräsentation
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des Begriffes durch die Bewußtheit durchaus nicht, identisch mit
den durch die Definition gegebenen logischen Merkmalen de&
Begriffes. Am ausgeprägtesten sehen wir diese Inkongruenz
zwischen logischen und psychologischen Begri&inhalten bei
jugendlichen Individuen, da denselben einerseits eine umfassende
Erfahrung mit vielseitigen assoziativen Verbindungen fehlte
welche infolge des Prozesses der assoziativen Abstraktion die
Scheidung des Begelmäßigen vom Zufälligen erst ermöglicht^
andererseits sich nicht selten die Aufmerksamkeit bestimmten
auffälligen, aber nicht regelmäßigen Bewußtseinsinhalten zu-
wendet So unterscheidet das Eind sehr häufig keine wesent-
lichen und unwesentlicheu Merkmale. Die zufälligsten Begleit-
erscheinungen können ihm Hauptmerkmale am Begriff sein^.
In instruktiver Weise können wir das Denken des Kindes auch
aus seinen Zeichnungen ersehen, indem in denselben nicht die
Anschauung selbst zum Ausdruck kommt, sondern das, was das
Eind von dem zur Darstellung kommenden Gegenstande weiß,,
die Bewußtheit wird durch die Zeichnung objektiviert.
Aus den gemachten Ausführungen ergibt sich femer, daß
alle Vorstellungen abstrakte Vorstellungen sind oder alle mit
einer Bewußtheit gegebenen Tatbestände des Bewußtseins ab-
strakt sind, da immer beim Gegenwärtigsein einer derartigen
Bewußtheit zuf aUig gestiftete Assoziationen mit ankUngen, welche
aber gegenüber den regelmäßigen Vorstellungsverbindungen zu
keiner bewußten Wirksamkeit gelangen.
Eine Theorie hat abgesehen von ihrem Hauptzweck, der
heuristischen Bedeutung, welche neue Aufstellungen ermöglicht
auf Gebieten, die vorher der Betrachtung nicht zugänglich waren,,
vor allem auch die bekannten Erscheinungen in einfacher Weise
dem Verständnis näher zu bringen. Als einen derartigen Tat-
bestand haben wir das auch bei unseren Versuchen außerordent-
lich oft beobachtete, simultane Gegebensein eines komplexen
Inhaltes zu betrachten. Wie wir fiüher ausführten, ist bei einer
derartigen Bewußtheit der Bedeutung stets eine Empfindung,
oder das Erinnerungsbild einer solchen gleichzeitig oder un-
mittelbar vorher im Bewußtsein gegeben. So sind bei einem.
1. Vergl. z. B. W. Ament Die Entwicklung von Sprechen und.
Denken beim Kinde S. 140 ff. 1899.
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222
ErwartuDgszustande charakteristische Spannungsempfindnngen im
Körper und in den Sinnesorganen nachweisbar, dabei sind wie
bei unseren visuellen Reaktionen auch noch andere, hier z. B.
räumlich lokalisierte Gesichtswahmehmungen (Verschlußplatte
•des Kartenwechslers u. dergl.) gegeben. Von diesen Empfindungen
AUS werden die auf Grund der Instruktion durch Assoziation
und Determinierung gestifteten Tendenzen in Erregung versetzt.
Da diese Tendenzen in ihrer Gesamtheit in Bereitschaft gesetzt
werden, so ist auch die Bewußtheit der Instruktion als kom-
plexe Beziehung simultan gegenwärtig. Wir sehen aber zu-
gleich, wie durch Änderung der Instruktion sehr rasch ein an-
dersartiger, ebenfalls komplexer Inhalt von den gleichen Em-
pfindungsqualitäten aus in Erregung versetzt werden kann, eine
Beobachtung, die bei unseren Versuchen häufig gemacht wurde.
Derartige Empfindungen bezw. Erinnerungsbilder von Empfin-
dungen sind die Zeichen, die anschaulichen Symbole der Be-
wußtheit der Bedeutung. Die erwähnte Substitution des Be-
-deutungsinhaltes gleichbleibender Zeichen — der Wechsel der
Bedeutung — zeigte sich z. B. bei den Versuchen mit Nebenreizen.
Während bei den ersten Versuchen von L. mit der Fixation
•der Verschlußplatte die Erwartung der kommenden weißen Karte
als Bewußtheit gegeben war, trat bei späteren Versuchen auf
-Grund einer Änderung der Einstellung mit der Fixation der
Platte die Bewußtheit auf, die Karte erst abzuwarten, und bd
-den letzten Versuchen der 2. Eeihe war mit der Fixation der
Platte die Bedeutung verbunden »nur Weiß«, d. h. nur zu rea-
gieren, wenn Weiß kommt ^ Außerdem kann auch bei gleich-
bleibendem Bedeutungsinhalte ein Wechsel der Zeichen sich
einstellen. So waren bei B während der Vorbereitung auf die
zweifach zugeordneten Reaktionen bei den einzelnen Versuchen
entweder Spannungsempfindungen in der Herzgegend gegeben
oder in der Augengegend oder in den Fingern, aber der der
Instruktion entsprechende Bedeutungsinhalt war stets unanschau-
lich gegenwärtig, ohne daß in der Bewußtheit desselben Unter-
schiede bei den verschiedenen Versuchen nachweisbar waren.
Es ist mehr oder weniger gleichgültig, welche phänomenologischen
Tatbestände als Zeichen für den Bedeutungsinhalt dienen. Das
1. S. 68ff.
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223
Wesentliche ist die Bedeutung und nicht das Zeichen. So
können an die Stelle von visuellen und akustischen Sinneserre-
gungen taktile und kinästhetische treten, und die mannigfache
assoziative Verbindung derartiger Eindrücke ermöglicht in der
gleichen Weise eine assoziative Abstraktion, wie es bei den
durch die Tätigkeit der höheren Sinnesorgane vermittelten Asso-
ziationen der Fall ist. Auch der Taubstumm-Blinde denkt in
abstrakten Bewußtheiten.
Unsere Beaktionsversuche bieten mannigfache Beispiele da-
für, wie der durch die Inbereitschaftsetzimg von Vorstellungen
bezw. Beproduktionstendenzen bewirkte Sinn das WesentUche
des Bewußtseinsinhaltes bildet So bestand z. B. bei Versuchen
mit Nebenreizen in der Vorperiode eine Einstellung mit dem
inneren Sprechen »Weiß oder Bot«, wobei Weiß auf Grund
der durch die Instruktion gestifteten Assoziation die Bedeutung
hatte, zu reagieren und Bot, nicht zu reagierend Die Ver-
suchsperson B hatte sich bei einigen der akustischen, zweifach
zugeordneten Beaktionen in der Weise eingestellt, daß die
Sprachvorstellung u mit einer starken inteutionalen Bewegungs-
empfindung im rechten Unterarm und in der Hand gegeben
war mit der Bedeutung, auf u rechts zu reagieren. Dabei be-
stand noch die Bewußtheit der Absicht: wenn etwas anderes
erscheint, dann wird links reagiert und zwar in der Weise, daß
die einseitige anschaulich gegebene Vorbereitung rechts zugleich
auch noch das Symbol für diese unanschauliche Vorbereitung
für links bildete. Zu bemerken ist übrigens noch, daß bei diesen
bewußten Inhalten von irgend einer Verschmelzung nichts
gegeben ist, sondern daß die Teilinhalte selbst klar und be-
stimmt gegenwärtig sind. Das Gemeinsame der simultan gege-
•benen bewußten Inhalte besteht darin, daß sie an das gleiche,
BuschauUche Zeichen gebunden sind.
Die den Begriff der Bewußtheit betreffenden Ausführungen
sind für die Wirksamkeit der determinierenden Tendenzen
"von Bedeutung. Denn wie wir gesehen haben, geht von diesen
Tendenzen die eigentümUche Wirkung aus, daß sie eine Deter-
minierung des Ablaufes des geistigen Geschehens im Sinne der
1. Siehe S. 72. Siehe S. 139.
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224
ZielvorstelluDg nach sich ziehen. In der Yorperiode beziehw.
bei der Absicht werden die der Bedeutung der Zielvorstellung
entsprechenden Reproduktionstendenzen in einen höheren Grad
der Erregung versetzt, was einerseits durch starke Konzentra-
tion der Aufinerksamkeit, andererseits durch dauerndes Ver-
harren der Zielvorstellung im Bewußtsein geschieht Dabei
werden noch diese von der Bewußtheit der Bedeutung begleite-
ten Tendenzen in eine bestimmte Beziehung zu einer anderen
Vorstellung, der Bezugsvorstellung gebracht, auf welche sie in-
folge dessen einen Einfluß ausüben, der im Sinne der Zielvor-
stellung liegt Die Stiftung von derartigen Beziehungen
zwischen Zielvorstellung und Bezugsvorstellung
nennen wir eine Absicht Im G-egensatz zu der in der
Absicht als Bewußtheit vorliegenden Bezugsvorstellung bezeich-
nen wir die Bezugsvorstellung, an der sich die Determinierung
selbst vollzieht, z. B. die im gegebenen Falle (bei der Aus-
führung einer Eechenoperation) erscheinenden 2 Ziffern als die
konkrete Bezugsvorstellung. Ist die Absicht von guter
Konzentration der Aufmerksamkeit begleitet, so besteht auch
noch eine Zukunftsbeziehung insofern, als die Absicht auf die
künftig eintretende konkrete Bezugsvorstellung gerichtet ist.
Wenn simultane Assoziationen gestiftet sind, so wirken
diese nach den übUchen Anschauungen in ähnlicher Weise wie
Assoziationen, welche in zeitlicher Folge gestiftet sind. Das
Gegebensein eines Teilinhaltes kann den mit ihm durch simul-
tane Assoziation verbundenen übrigen TeiUnhalt reproduzieren.
Bei der simultanen Assoziation, welche sich durch die Absicht
zwischen Zielvorstellung und Bezugsvorstellung bildet, besteht
jedoch die Eigentümlichkeit, daß unter Umständen von dem
gegebenen Teilinhalte (der konkreten Bezugsvorstellung) die Ziel-
vorstellung als solche nicht reproduziert wird, sondern daß viel-
mehr die Zielvorstellung, also der durch simultane Assoziation
verbundene Teilinhalt reproduzierend wirkt Es ist demnach die
Regel, daß die wirksame Zielvorstellung beim Auftreten der
konkreten BezugsvorsteUung als solche nicht im Bewußtsein er-
scheint, aber trotzdem einen bestimmenden Einfluß ausübt In
dieser eigentümlichen Wirksamkeit sehen wir neben den früher
angegebenen Merkmalen ein charakteristisches 2ieichen für die
Determinierung, und diese eigenartigen von der ZielvorsteUung
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225
ausgehenden, sich auf die Bezugsvorstellting beziehenden Wir-
kungen bezeichnen wir als die determinierenden Tendenzen.
Der praevalierende Einfluß der determinierenden Tendenzen
tritt in der einfachsten Weise hervor bei den verschiedenen For-
men der apperzeptiven Verschmelzung. Als solche sind bereits
diejenigen Formen der Apperzeption zu bezeichnen, bei denen
der Bedeutungsinhalt als die Nachwirkung einer vorhergegangenen
Einstellung zu betrachten ist, wenn also z. B. bei den Er-
kennungsreaktionen die als Reizeindruck wirkende gelbe oder
blaue Karte in ihrer Bedeutung als farbig, wie es dem WorÜaut
der Instruktion entspricht, aufgefaßt wird, oder wenn ein der-
artiger Beiz in seiner Qualität mit einem Zustande des Ein-
verständnisses, der Bejahung, wie ja, dies ist rot, apperzipiert
wird^. Derartige Formen der Apperzeption können wir deshalb
als determinierte Apperzeption bezeichnen. Sie ist auch
gegeben, wenn eine weiße oder farbige Karte als das apperzipiert
vrird, »worauf zu reagieren ist«, sofern diese Apperzeption der
vorherigen Determinierung entspricht Hier tritt eine apperzeptive
Verschmelzung zwischen Reizeindruck und den in Bereitschaft
gesetzten Reproduktionstendenzen ein, so daß die Auffassung
unmittelbar mit der entsprechenden Bedeutung verbunden ist
Der Reizeindruck kann auch auf Grund vorausgegangener De-
terminierung und wiederholter Vergegenwärtigung als das Be-
kannte apperzipiert werden, wie es bei den 4 letzten Erkennungs-
reaktionen der Versuchsperson H der Fall war*.
Die unmittelbare und selbständige Wirksamkeit der Deter-
minierung bei diesen Zuständen ergibt sich aus jenen Erlebnissen,
bei denen an Stelle der erwarteten konkreten BezugsvorsteUung
eine andere Vorstellung als Reiz vrirkt, wenn also eine Ein-
stellung auf einen bestimmten Reizeindruck z. B. auf eine weiße
Karte gegeben ist, dagegen eine andersfarbige Karte z. B. eine
rote erscheint Hier ist das Erscheinen des Reizes unmittelbar
mit einem Zustande der Überraschung verbunden. In ähnlicher
Weise war die Apperzeption der erscheinenden Ziffern bei Ver-
suchsperson B dann mit Überraschung verbunden, wenn bei der
Absicht zu dividieren, wobei das »Größere« links- und das »Klei-
nere« rechtsstehend erwartet wurde, zwei Ziffern erschienen, mit
1. Vergl. S. 87 f. 2. Siehe S. 91 f.
Aeh, WiUensUtigkeit. 15
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226
denen ohne Eest keine Division zu bilden war. Beim Erscheinen
von Ziffern dagegen, welche leicht dividiert werden konnten, wie
^■ 3 "&i3j war die Apperzeption unmittelbar mit dem Zustande der
Befriedigung (leichtes Lusigefühl) verbunden *. Als bei den Ver-
suchen mit Reimbildung auf sinnlose Silben die Reizsilbe ^»reiz«
erschien, apperzipierte L dieselbe auf Grund der vorhergegan-
genen Instruktion und Einstellung, daß sinnlose Silben er-
scheinen werden, unmittelbar mit der Bedeutung, »daß dies eine
sinnvoUe Silbe ist und mit den sonstigen Reizsilben nicht tiber-
einstimmt«, — L hatte sich bei einzelnen dieser Versuche auf
den Anfangsbuchstaben »b« eingestellt und mit der Apperzeption
des 1. Buchstaben der Reizsilbe war infolge dieser Determinierung
das Wissen gegeben, daß dies kein »b« ist Als sich L infolge
Änderung der Instruktion nicht mehr auf einen speziellen Buch-
staben einstellte, fiel bei der Apperzeption des Reizes die erwähnte
Bewußtheit weg, die Versuchsperson faßte einfach »lin«
auf u. dergl.
Umgekehrt sehen wir, daß bei Versuchen mit schlechter
Einstellung dieser Mangel an hinreichender Determinierung sich
ebenfalls bei der Apperzeption geltend macht Bei derartiger
unzulänglicher Vorbereitung wurde nach dem Erscheinen des
Reizes ein Zustand der Verwirrung verschiedentlich beobachtet
Hierbei weiß die Versuchsperson nicht, was sie tun soll*.
Neben den geschilderten Formen der determinierten Apper-
zeption, bei denen der Bedeutungsinhalt unter dem Einflüsse
der Nachwirkung von determinierenden Tendenzen steht, zeigt
sich die Wirksamkeit der Determinierung auch in dem Auftreten
der speziell als apperzeptive Verschmelzungen bekannten
Bewußtseinszustände. Derartige apperzeptive Verschmelzungen
traten vor allem bei den Reaktionen ohne Zuordnung der Tätig-
keit in verschiedener Weise auf*. Hatte sich z. B. die Versuchs-
person B ein die Absicht l »Addieren« repräsentierendes Plus-
zeichen in der Vorperiode optisch vorgestellt, so trat beim Er-
scheinen des Reizes eine apperzeptive Verschmelzung in der
Weise ein, daß die erschienenen Ziffern sich in das vorbereitete
Schema einfügten. Aus dieser apperzeptiven Verschmelzung ging
1. Vergl. S. 176. 2. Siehe S. 83 und 88.
3. Siehe S. 191 f.
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227
dann assoziativ die determinierte Vorstellung hervor. Bei trat
eine der Absicht entsprechende scheinbare Verschiebung der beiden
Zahlen ein. Beim Addieren trat ein Zusammenrücken ein, beim
Subtrahieren ein scheinbares Hinrücken der kleineren Ziffer zur
größeren. Eine weitere Form apperzeptiver Verschmelzung, welche
besonders bei A und C zur Beobachtung kam, war dadurch
gekennzeichnet, daß zwischen den durch die Zielvorstellung in
Bereitschaft gesetzten Tendenzen und Vorstellungen, welche durch
die Wahrnehmung des Reizes assoziativ reproduziert wurden, eine
Verschmelzung eintrat Hatte sich die Versuchsperson A z. B.
Addieren vorgenommen, so geschah die Determinierung beim
Erscheinen von 5 | 2 in der Weise, daß »5 und 2 ist 7« sich
als akustisch-kinästhetische Vorstellungsbilder einstellten.
Eine Mittelstellung zwischen diesen speziell als apperzeptive
Verschmelzungen bezeichneten Vorgängen und der determinierten
Apperzeption nehmen jene Fälle ein, bei denen nach der
Apperzeption der konkreten BezugsvorsteUung z. B. einer Ziffer,
die unanschauliche Bewußtheit der Bedeutung gegeben ist ähnhch
wie, »ich weiß, welches die zugehörige Ziffer ist« (2. Anordnung
der Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit)*. Oder wenn
nach der Apperzeption der Ziffer vor dem eigentlichen Auftreten
des Resultates (der determinierten Vorstellung) das Wissen gegen-
wärtig war, was erscheinen wird* u. dergl.
Als weitere Form der apperzeptiven Verschmelzung ist femer
die apperzeptive Substitution zu bezeichnen, in der die
Wirksamkeit der vorherigen Einstellung zum Ausdruck kommt
Die einfachsten Fälle .sind jene, bei denen in der Vorperiode
eine bestimmte Vorstellung als Teilinhalt der Absicht gegeben
ist, so bei unseren Reimversuchen das Gregebensein des Buch-
staben b, und beim Erscheinen der konkreten BezugsvorsteUung
(Reizsilbe) dieser Buchstabe an die Stelle des Anfangsbuchstaben
dieses Reizeindruckes tritt und die determinierte Vorstellung
demnach als das Produkt einer apperzeptiven, durch Deter-
minierung bewirkten Substitution bezeichnet werden kann. In
ähnlicher Weise liegt eine apperzeptive Substitution vor, wenn
nach vorheriger guter Konzentration der Aufmerksamkeit die
determinierte Vorstellung z. B. »1« in schwacher visueller An-
1. Siehe S. 182. 2. Siehe S. 184.
15*
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228
deutung an die Stelle der als BezugsvorsteUimg gegebenen Reiz-
ziffer projiziert wird^
Durch die verschiedenen Formen der apperzeptiven Ver-
schmelzimg, der determinierten Apperzeption, der apperzeptiven
Verschmelzung im engeren Sinne, der apperzeptiven Substitution^
ist die Wirksamkeit der determinierenden Tendenzen nicht er-
schöpft. Einige dieser Formen bilden den Übergang zu jenen
Fällen, bei denen die Determinierung in der auffälligsten Weise
hervortritt Hier stellt sich die determinierte Vorstellung, das.
Endprodukt der Determinierung, im Anschluß an die konkrete
Bezugsvorstellung unmittelbar im Bewußtsein ein, ohne daß
die Zielvorstellung selbst, von der die Determinierung ausgeht^
oder Teilinhalte derselben nach dem Auftreten der konkreten
Bezugsvorstellung im Bewußtsein nachweisbar sind. Dabei sehen
wir, wie auf die gleiche konkrete Bezugsvorstellung nach ihrem
Gegebensein eine verschiedenartige, determinierte Vorstellung
auftauchen kann. Ihre Qualität wird durch die Wirkung der
determinierenden Tendenzen bedingt^. Charakteristisch ist, daß
zwar durch die konkrete BezugsvorsteUung das Auftreten der
determinierten Vorstellung veranlaßt wirf*, daß aber die Qualität
der auftretenden determinierten Vorstellung infolge der Wirksam-
keit einer vorher gegebenen Zielvorstellung erfolgt, und zwar
ohne daß diese wirksame ZielvorsteUung im Bewußtsein nach-
weisbar ist, wie schon verschiedentlich betont wurde. Die quali-
tative Bestimmtheit der determinierten Vorstellung ist hier also
ohne Zweifel auf Wirkungen zurückzuführen, welche im Un-
bewußten vor sich gehen, wobei das Unbewußte eiofach als das
nicht Bewußte bezeichnet wird. Diese im Unbewußten wir-
kenden, von der Bedeutung der Zielvorstellung aus-
gehenden, auf die kommende Bezugsvorstellung ge-
richteten Einstellungen, welche ein spontanes Auf-
treten der determinierten Vorst[ellung nach sich ziehen,
bezeichnen wir als determinierende Tendenzen. Unsere
1. Siehe S. 182. 2. Siehe auch S. 193.
3. Diese Auslösung geht in der Begel auf Grund von Beproduktion
vor sich. Es ist aber, wie früher angedeutet wurde, eine vorherige
Assoziation zwischen der konkreten Bezugsvorstellung und der deter
minierten Vorstellung nicht nötig.
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229
früher aufgestellten Definitionen dieses Begriffes erfahren hier-
-durch eine ergänzende Bestimmung.
Beispiele für das unmittelbare Auftreten der determinierten
Vorstellung auf Grund der Wiribamkeit der determinierenden
•Tendenzen finden sich bei unseren Versuchen in hinreichender
^ahl. Bei den Versuchen ohne Zuordnung der Tätigkeit (1. An-
ordnung) war dies für B der gewöhnliche Ablauf und kam auch
43ei C an den beiden letzten Versuchstagen nicht selten vor,
-Hier erschien nach Auffassung des Reizes unmittelbar die richtige
.Vorstellung im Bewußtsein^ In der 2. Anordnung dieser Ver-
buche war das gleiche Verhalten die Regel bei D und wurde
nicht selten auch bei E beobachtet Hier stellte sich die beab-
sichtigte Ziffer immittelbar nach der Apperzeption ein, ohne
-daß die reproduzierte Zielvorstellung »folg« oder »vorher« als
Mittelglied im Bewußtsein vorhanden war*. Die unmittelbare
Wirksamkeit der Determinierung ergibt sich auch aus dem ge-
samten Verlauf der 1. Anordnung der Reaktionen ohne Zuord-
nung der Tätigkeit, indem der "Wechsel in der jeweiligen Absicht
{addieren, subtrahieren u. s. w.) unmittelbar als Nachwirkung
einer vom Entschluß »abzuwechseln« ausgehenden Determinie-
Tung sich vollzog. Nur die Versuchsperson C machte hier eine
Ausnahme*.
Auch die Nachwirkung der Instruktion läßt nicht selten
diese unmittelbare Wirksamkeit der determinierenden Tendenzen
mit voUer Schärfe erkennen. Der Versuchsperson E war bei
der 2. Anordnung der Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit
-die Anweisung gegeben worden, Versuchsperson soUte sich vor-
nehmen, daß sofort die beabsichtigte Zahl erscheinen soU*. Diese
Anweisung realisierte sich unmittelbar durch stärkere Konzen-
tration der sensorischen Aufmerksamkeit in der Vorperiode. In-
folge dessen trat ein ZwischengUed, das vorher öfter in dem
Ablauf des Prozesses zwischen konkreter BezugsvorsteUung und
■determinierter Vorstellung zur Beobachtung kam, nur noch ge-
legentlich auf«. Auch bei anderen Versuchen dieser Versuchs-
1. Siebe S. 192. 2. Siehe S. 181 flf. 3. Siehe S. 180.
4. Siebe S. 183.
5. Die beiden zuletzt herangezogenen Beispiele lassen erkennen, daß
-die Absiebt selbst ebenfalls unter dem Einflüsse einer Determinierung
«tehen kann, und machen es verständlicher, inwiefern auch Kommando
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230
person war die Instruktion in ähnlicher "Weise erfolgreich*. Am
auffallendsten tritt die selbständige Wirksamkeit der determinier
renden Tendenzen bei der hypnotischen Suggestion hervor. Hier
ist der spontane Eintritt der determinierten Vorstellung besonders
überraschend. Ich verweise nach dieser Richtung auf die Aus»
führungen des § 12 und auf die Anm. 1. der Seite 207.
Abgesehen von diesen, sich auf den Ablauf des psychophy»
sischen Dynamismus beziehenden Feststellungen erfahrt die Selb»
ständigkeit dessen, was wir determinierende Tendenzen nennen,,
eine weitere Bestätigung durch die Tatsache der Bewußtheit
der Determinierung. Hierunter verstehen wir die Er*
scheinung, daß -es dem Individuum unmittelbar als charakteri*
stisches Erlebnis bewußt ist, ob das gegebene psychische Gte*
schehen im Sinne einer früher gestifteten Determinierung vor
sich geht oder nicht Im allgemeinen kann man diese eigen*
tümliche Bewußtheit der Wirksamkeit von determinierenden
Tendenzen als eine Bewußtheit des Einverständnisses bezeichnen.
Dabei ist es jedoch nicht nötig, daß diese Bewußtheit selbst als
ein spezieller geistiger Akt vorliegt Vielmehr ist dieses Wissen
in dem Ablaufe eines derartigen Greschehens enthalten. Greschieht
der Ablauf im Sinne einer früheren Determinierung, so ist der-
selbe unmittelbar für das Individuum durch seinen Inhalt als
ein gewollter charakterisiert. Einen derartigen, auf die
Wirksamkeit von früheren determinierenden Ten-
denzen zurückzuführenden Ablauf geistiger Prozesse
bezeichnen wir als eine gewollte, beziehw. als eine mit
dem »Einverständnis« des Subjektes vor sich gehende
Handlung. Das bewußte Erleben eines solchen Gre-
schehens ist qualitativ eindeutig bestimmt und das
Individuum kann im einzelnen Falle sofort angeben^
ob die Handlung gewollt war oder nicht Hierdurch
unterscheiden sich derartige Vorgänge bei ihrem Erlebtwerden
unmittelbar von dem reinen assoziativen Ablaufe des Gteschehens^
wie er z. B. bei dem sogenannten freien Spiele der Phantasie
oder bei der ästhetischen Kontemplation gegeben ist Die In-
•oder Aufgabestellang in gleicher Weise wie die Absicht wirksam sein
können.
1. Siehe S. 184.
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231
tensität der Bewußtheit einer gewollten Handlung läßt, wie die
Intensität jeder Bewußtheit, mit der Wiederholung des Vorganges
nach, die Handlung wird automatisch. Aber auch hier ist infolge
der früheren Determinierung der Ablauf in seiner qualitativen
Bestimmtheit als Erlebnis noch wohl charakterisiert Er unter-
scheidet sich infolgedessen unmittelbar von jedem nicht unter
einer Determinierung stehenden Greschehen, wie solches z. B. bei
den reflektorischen Vorgängen vorliegt, wo durch spon-
tane, intensive äußere oder innere Reizeinwirkung
der Ablauf des Q-eschehens bestimmt wird. Nur in
Ausnahmefällen ist es für das Individuum schwierig zu unter-
scheiden, ob der gegebene Ablauf willkürlich oder unwillkürlich
.gewesen ist Bei unseren Beaktionsversuchen konnten die Ver-
suchspersonen stets unmittelbar auf Grund des erlebten, qualitativ
bestimmten Prozesses angeben, ob die Handlung gewoUt war oder
ob die Bewegung reflektorisch vor sich ging. Schwierigkeiten
im Unterscheiden einer gewollten von einer nicht gewollten Be-
wegung machten sich zuweilen geltend, wenn die Bezugsvorstellung
in ihrer Allgemeinheit möglichst wenig speziell bestimmt war, wenn
also z. B., wie bei den einfachen verkürzten Reaktionen, die Ein-
stellung auf eine kommende Veränderung gerichtet war, wobei
diese Veränderung nur noch eine räumliche Bestimmung hatte,
daß sie nämlich an der Stelle der Verschlußplatte des Karten-
wechslers vor sich gehen wird. Wurde auf den Eintritt einer
sonstigen Veränderung reagiert, so war unmittelbar bewußt, daß
die Handlung nicht gewollt war, erfolgte dagegen die Bewegung
auf eine an der Stelle der Verschlußplatte eintretende Verän-
derung, z. B. auf das Erscheinen einer roten statt der übUchen
weißen Eitrte, so konnte die Bestimmung, ob die Handlung eine
gewollte oder eine reflektorische war, schwierig sein. Dem Ver-
halten der Versuchsperson und ihrem unmittelbaren Erleben ent-
sprechend war sie in der Regel als eine gewollte zu bezeichnen.
Die Abhängigkeit von der konkreten Bezugsvorstellung, auf
welche die Versuchsperson die Determinierung richtete, und die
Bedeutung derselben für den Ablauf der Willenshandlung machte
sich auch sonst geltend, besonders dann, wenn der Gradmesser
in der Auffassung des Reizeindruckes unsicher war, wie dies
besonders bei den sog. Erkennungsreaktionen der Fall war. Hier
konnte die Versuchsperson unmittelbar nach der Bewegung im
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232
Zweifel sein, ob sie nicht vorzeitig reagiert hatte. Die spontane
Wirksamkeit der Determinierung äußerte sich dann zuweilen bei
der Entwicklung der Bezugsvorstellung (des Eeizeindruckes) durch
das unmittelbare Auftreten eines Zustandes des Zweifels mit der
Bedeutung, ob jetzt zu reagieren ist^.
Ist die Willenshandlung noch nicht häufig ausgeführt worden
und besteht keine ausgeprägte Determinierung, möglichst rasch
zu reagieren, wie bei den einfachen verlängerten Beaktionen, so
stellt sich nach dem Auftreten der Bezugsvorstellung die der
Determinierung entsprechende Bewußtheit ein, daß bewegt werden
soll oder, wie bei einzelnen Eirkennungsreaktionen, daß losgelassen
werden darf. Nach einer verschieden langen Zeit, welche einer-
seits durch die individuelle Veranlagung, andererseits durch die-
Art des Vorsatzes bestimmt ist, verschwindet diese Bewußtheit
der Determinierung, welche fälschlicherweise auch als Willens-
erregung beziehw. Willensimpuls bezeichnet wird, und die Hand-
lung wird automatisch.
Die Willenshandlung ist demnach unmittelbar in ihrem Ver-
laufe als Erlebnis gegenüber andersartigen psychischen Prozessen
gekennzeichnet durch die charakteristische Bewußtheit der Deter-
minierung. Ein spezieller Fall dieser Bewußtheit liegt dann vor,
wenn die Bewußtheit einer Tendenz gegeben ist Der-
artige Tendenzen werden auch als ein Suchen, ein Drang u. dergl.
von der Versuchsperson bezeichnet So bestand bei der 2. An-
ordnung der Reaktionen ohne Zuordnung der Tätigkeit (Versuchs-
person E) nach der Apperzeption der konkreten Bezugsvorstellung
(des Eeizes) ein eigenartiger Drang, der als ein Bedürfnis, daß
etwas erfolgen soll, geschildert wurde. Hierauf erschien die
determinierte Vorstellung (die beabsichtigte Ziffer) als anschaulich
gegebenes Vorstellungsbild*. Derartige Zustände bilden den
XJbergang zu den schon erwähnten Bewußtheiten, bei denen
bereits bei dem Drange, daß etwas erfolgen soll, gegenwärtig
ist, was erscheinen soll'. Die Bewußtheiten einer Tendenz
konnte Verfasser auch bei sich im Laufe einer mehrjährigen ein-
gehenden Selbstbeobachtung häufig feststellen. Dieser Zustand,
der sich nicht selten dann findet, wenn ich mir Verschiedenes
1. Siehe z. B. S. 83, 74 u. dergl. 2. Siehe S. 183.
3. Siehe S. 184.
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233
Torgenommen, aber nur einen Teil davon ausgeführt habe, ist
durch eine Bewußtheit gekennzeichnet ähnlich wie »ich weiß,
daß ich noch etwas tun will, oder daß noch etwas fehlt«, ohne
daß anschauliche Elemente hierbei gegenwärtig sind. Es besteht
«in allgemeines Gregebensein einer Tendenz, ohne daß der Inhalt
derselben in spezieller Bestimmung gegenwärtig ist Das all-
gemeine Gtegebensein einer derartigen Tendenz hat aber doch
wieder insofern eine eindeutige Bestimmung, als ich z. B. auf
Befragen sofort genau angeben könnte, ob es dies ist, was ich
noch tun wiU, oder nicht Ahnliche Zustände der Bewußtheit
«iner Tendenz können bekanntlich auch bei der Wirksamkeit
von Reproduktionstendenzen vorliegen. In vulgärer Sprache be-
zeichnet man diesen letzteren Tatbestajid wohl auch damit, daß
man sagt, »es liegt mir auf der Zunge«.
Die eigentümliche Bewußtheit der determinierenden Tendenz
zeigte sich in auffälliger Weise auch bei einem unserer hypno-
tischen Versuche. Es war der Versuchsperson G die Suggestion
gegeben worden : »Es werden Ihnen nachher zwei mit Wörtern
bedruckte Karten gezeigt werden. Bei der ersten werden Sie
sofort einen Reim aussprechen und zwar unmittelbar. Bei der
zweiten Karte, d. h. bei dem 2. Wort sofort eine Alliteration.
Sie können mir genau schildern, wie der Vorgang gewesen ist «
Die erste Karte, welche im Wachen gezeigt wurde, war mit dem
Wort »Gabel« bedruckt Dieselbe wurde mehrere Sekunden
Äiigeschaut, ohne daß Versuchsperson sich äußerte. »Wollen
Sie etwas sagen?« »Es ist mir, als ob ich etwas zu sagen hätte«.
Auch bei der 2. Karte (Stengel) erfolgte keine Reaktion, die
Versuchsperson bewegte nur den Kopf von der einen zur anderen
Seite. »Was wollen Sie sagen? Ist es Ihnen, als ob Sie etwas
2u sagen hätten?« »Ja aber etwas anderes.« »Etwas anderes,
wie vorhin bei Gabel?« Ja, etwas anderes, aber doch etwas
übereinstimmendes«. Nach kurzer Pause gab G noch an: »Es
ist mir, als ob das, was ich sagen will, in etwas übereinstimmt,
Aber doch verschieden ist Zu Gabel ein Wort, das so ähnlich
klingt wie Gabel«. Nach einer kurzen Pause »zu Gabel viel-
leicht Nabel« ^
1. 2 weitere derartige Suggestionen hatten unmittelbar den ge-
wünschten Erfolg.
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234
In diesen Äußerungen bei Versuchen, welche unwissentlich
bei einer psychologisch völlig ungeschulten Person vorgenommen
wurden 1, tritt einerseits die Bewußtheit einer Tendenz in über-
raschender Weise hervor, andererseits sieht man in der Definition
dessen, was der Versuchsperson gegenwärtig ist, die Bedeutung
der Suggestion wiedergegeben. Wir sehen hier in auf-
fälliger Weise, wie die Wirkung der determinierenden
Tendenzen im Sinn der Zielvorstellung beziehw^
der Suggestion vor sich geht und wie das Gegen-
wärtigsein der Bedeutung der determinierenden
Tendenzen infolge dessen dem Sinne der Zielvor-
stellung entspricht
Die geschilderte Bewußtheit der Determinierung findet sich
in der Regel bei allen jenen Prozessen, welche unter dem Ein-
flüsse von determinierenden Tendenzen vor sich gehen, mögen
dieselben auf eine Absicht, eine Suggestion, ein Kommando, eine
Auf gabestellung oder eine Instruktion zurückzuführen sein. Wenn,
nun auch der wesentliche Unterschied zwischen diesen psychischen
Tatbeständen nicht in der Wiiteamkeit der Determinierung liegt^
sondern in dem Zustandekommen der determinierenden Ten-
denzen, also in der Entstehung der Absicht, Suggestion u. s. w^
gesucht werden muß^, so scheinen doch einzelne Beobachtungen
dafür zu sprechen, daß auch die Bewußtheit der Determinierung
bei diesen verschiedenen Zuständen nicht in völlig gleicher Weise
erlebt wird. Es scheint vielmehr, daß bei jenen Prozessen, die
wir speziell als willkürliche Handlungen zu bezeichnen gewöhnt
sind, die Beziehung der »Persönlichkeit«, des »Ich« zum Ablauf
des Geschehens mehr hervortritt als bei den übrigen Prozessen^
1. Mit der Versuchsperson habe ich mich zudem nie über die in
Eede stehenden oder sonstige psychologische Fragen unterhalten.
2. Es fällt nicht in den Bahmen der vorliegenden Darstellung, auf
die Frage näher einzugehen, worin die charakteristischen Unterschiede
in dem Zustandekommen der jeweiligen Determinierung liegen. Ohne-
eine eingehende Analyse der Absicht durchzuführen, möchte ich nur
soviel bemerken, daß, wie schon früher ausgeführt, auch die jeweilige
Zielvorstelluug einer Absicht die determinierte Vorstellung einer früheren
Absicht sein kann. Die Beurteilung der bei der Entstehung einer Ab-
sicht wirksamen Faktoren, die Berücksichtigung der Motive einer
Handlung, erfährt hierdurch eine weitere Erschwerung.
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235
z. B. bei dem durch Suggestion oder Kommando veranlagten
Ablaufe des Geschehens. Doch überlasse ich die Entscheidung
dieser Erage weiteren Versuchen.
Im Verlaufe unserer bisherigen in diesem Paragraphen ge-
gebenen Auseinandersetzungen hatten wir wiederholt Gelegenheit
darauf hinzuweisen, in wie enger Beziehung die Bewußtheit,
d. h. das Gegenwärtigsein eines Wissens zu einer vorausgegangenen
Determinierung steht. Derartige Bewußtheiten, wie sie in den
Beispielen der determinierten Apperzeption, der Bewußtheit einer
Tendenz u. a. vorUegen, bilden den Übergang zu einer zweiten
Form der Bewußtheit, die wir der Bewußtheit der Bedeutung
an die Seite stellen und als Bewußtheit der Beziehung
bezeichnen wollen. Auch bei der Bewußtheit der Bedeutung
bildet nach unseren früheren Ausführungen das bewußte Ge-
gebensein von Beziehungen auf Grund der in Erregung versetzten
Beproduktionstendenzen das ausschlaggebende Moment in dem
Gegenwärtigsein eines Wissens. Demgegenüber können wir die
vorliegende Form der Bewußtheit als eine Bewußtheit der Be-
ziehung im engeren Sinne bezeichnen. Wir rechnen zu ihr z. B..
die Zustände der Überraschung, der Verwirrung, des Zweifels,.
Erscheinungen, auf die wir schon wiederholt bei Besprechung
der Wirksamkeit einer Determinierung gestoßen sind. Sind wir
z. B. auf einen bestimmten Eindruck eingestellt, und es erscheint
ein anderer Eindruck, so äußert sich dies im Bewußtsein durch
die Bewußtheit der Überraschung. Derartige Zustände sind
charakterisiert durch die spontane Beziehung eines ein-
tretenden Eindruckes beziehw. einer auftretenden
Vorstellung zu früheren Inhalten des Bewußt-
seins. Diese Interferenz ist unmittelbar durch das Gegeben-
sein eines spezifischen, bewußten Inhaltes gekennzeichnet
Die Qualität des Inhaltes ist bestimmt einerseits durch die
Qualität des erscheinenden Eindruckes und die Art seines
Eintrittes, andererseits durch die momentan gegebene Ein-
stellung des Bewußtseins. Entspricht der Eindruck dem Sinne^
dieser bestehenden Determinierung, so kann mit seinem Eintritt
ein Zustand der Befriedigung, der Lösung gegeben sein, im
anderen Falle derjenige der XJberraschung oder der Verwirrung
mit einem unmittelbar auftretenden Wissen, ähnhch wie »ich
weiß nicht, was ich tun soll«. Während bei der Bewußtheit der
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236
Bedeutung die Beziehung zu einem kommenden Tatbestände^ näm-
lich zu den in Bereitschaft gesetzten Vorstellungen, gegeben ist?
besteht bei der 2. Form der Bewußtheit eine Beziehung zu einem
Torausgegangenen Inhalte. Hatte bei den Erkennungsreaktionen
in der Vorperiode die Absicht, den Beizeindruck vor der Beak-
tion abzuwarten, bestanden, so konnte unmittelbar bei der Ent-
Wickelung des Eindruckes ein Zustand des Zweifels sich einstellen
und zwar durch die Interferenz zwischen der sich entwickelnden
Wahrnehmung des Beizes imd der Determinierung abzuwarten.
Dieser Zustand des Zweifels war von einem bewußten Inhalte
hegleitet mit der Bedeutung »ich weiß nicht, ob ich reagieren
•soU oder nicht«.
Derartige Bewußtseinsphänomene sind bereits hinreichend be-
kannt Ich verweise nur auf die Bekanntheitsqualität von Höff-
-ding^, auf die Erinnerungsgewißheit von Volkelt*. Im ersteren
Falle wird auf die unmittelbare Auffassung des Unterschiedes
^zwischen etwas Bekanntem und etwas Neuem hingewiesen.
Nach Volkelt ist die Gewißheit eine ursprüngliche, unver-
mittelte, intuitive. Auch an mannigfachen experimentellen,
hierhergehörigen Befunden fehlt es nicht Vor allem ist
wohl die Mar besehe Bewußtseinslage' der erwähnten zwei-
ien Form der Bewußtheit zuzuzählen*. Hierher sind auch
1. H. Hoff ding: Über Wiedererkennen, Assoziation und psychische
Aktivität. Vierteljahrschr. f. wiss. Philos. XIII, 1889 S. 420 flf; ferner
Psychologie in Umrissen, 1893 S. 163, sowie : Zur Theorie des Wiederer-
kennens, Philos. Stud. 8, 1893 S. 86 ff.
2. Zeitschr. f. Philos. u. philos. Kritik 118, 1901 S. Iff.
3. K. Marbe: Experim.-psychol. Untersuchungen über das Ur-
teil, 1901.
4. Vergl. auch A. Mayer und J Orth: Zur qualitativen Unter-
:suchung der Assoziation. Zeitschr. f. Psych. Bd. 26, 1901 S. 1 ff., sowie
hauptsächlich J. Orth: Gefühl und Bewußtseinslage, 1903. Zu Seite
127 Anm. »Versuchsperson Ach beobachtet in Versuch 1, 3, 5 und 7
«ein Bewußtsein oder »unmittelbares Bewußtsein«. Dasselbe scheint mir
mit der Bewußtseinseinlage des Wissens oder mit dem »unmittelbaren«
identisch« bemerke ich, daß ich bei diesen Versuchen das Wort »Be-
-wußtsein« in der Bedeutung »ich habe ein Bewußtsein von Etwas = ein
Wissen von Etwas« gebrauchte. Der Ausdruck ist identisch mit dem
von mir bei diesen Versuchen sonst benutzten Ausdruck »unmittelbares
Wissen« (Siehe S. 72 der erwähnten Abhdl.). Im Übrigen kamen der-
artige als unmittelbares Wissen, als Bewußtheit zu bezeichnenden Tat-
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mannigfache Tatbestände zu rechnen, welche mit dem Be-
griffe des Urteils in nahem Zusammenhange stehen. Wie oben
erwähnt, kann der Zustand der Überraschung mit dem als Be-
wußtheit gegebenen Urteile zusammenfallen »ich weiß nicht, was
ich tun soll«. Bei andersartiger, vorheriger Determinierung kann
die Überraschung mit der Bewußtheit des Urteiles »kleiner« ver-
bunden sein beziehw. dasselbe auslösen, oder eine hingezogene
Erwartungsspannung tritt mit dem Wissen auf »länger« beziehw»^
»größer« auf ^. Von besonderer Bedeutung für diese Ausführungen
ist auch der Begriff des absoluten Eindruckes, d. L der Eindruck
der Leichtigkeit oder der Schwere, den ein gehobenes Gewicht im
allgemeinen, d. h. ohne Vergleichung mit einem bestimmten vor
oder nach ihm gehobenen Gewichte macht*. Auch der unmittel-
bare Eindruck der Bichtigkeit, der z. B. bei unseren Beaktions-
versuchen ohne Zuordnung der Tätigkeit zur Beobachtung kam^
ist der Bewußtheit der Beziehung zuzuzählen. Es würde verfrüht
sein, sich theoretischen Auseinandersetzungen hinsichtlich der
Beziehung zwischen Urteil und Determinierung hinzugeben»-
Hierzu bedarf es erst der Durchführung weiterer eingehender
Versuche. Nur soviel sei betont, daß die Interferenz zwischen
den eintretenden Sinneseindrücken beziehw. ErinnerungsbUdem
und vorherigen Determinierungen mit der unmittelbar gegebenen
Bewußtheit der Beziehung als die psychologische Grundlage be-
stimmter Urteilskategorien angesehen werden muß.
Mit den von uns als Bewußtheit bezeichneten psychischen
Tatbeständen scheinen jene Phänomene zusammenzufallen, die man
in der Psychologie als Vorstellungen zu bezeichnen gewohnt ist-
Bei der Vieldeutigkeit des Begriffes »Vorstellung«, die z. B.
ihren Ausdruck darin findet, daß man derartige Gebilde auch
bestände bereits bei meinen ersten, unter Benützung eingehender Selbst-
beobachtung ausgeführten Versuchen der vorliegenden Abhandl. (S.S. 1900)
zur Beobachtung.
1. Vergleiche hierzu K Schumann, Zeitschr. f. Psych. Bd. 4^
1893. Auch bei unseren Versuchen war zuweilen bei langer Vorperiode
die hingezogene Erwartung mit dem unmittelbaren Wissen verbunden
»es dauert lange«.
2. L. J. Martin und G. E. Müller: Zur Analyse der Unterschieds-
empfindlichkeit 1899, S. 43.
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238
im unbewußten Seelenleben anzunehmen geneigt ist und nicht selten
von unbewußten Vorstellungen spricht, schien es wünschenswert,
Tatbestände des Bewußtseins, die durch das Gegenwärtig sein
eines Wissens gekennzeichnet sind, für die also das bewußte
Sein ein wesentliches Merkmal bildet, von derartigen Auffassungen
des Begriffes »Vorstellung« zu trennen und für diese Phänomene
ein bestimmtes sprachliches Zeichen einzuführen. Dieses Vor-
gehen ist dann berechtigt, wenn der betreffende Begriff in ein-
deutiger Weise definiert werden kann. Durch die Definition
der Bewußtheit als des Gregenwärtigseins eines unanschaulich
gegebenen Wissens unterscheidet sich dieser Begriff auch nodi
in anderer Weise von einer Vorstellung. Es ist eine psycho-
logisch bekannte Tatsache, daß in unserem Innenleben unanschau-
liche Inhalte auftreten können. Ich verweise z. B. auf die Aus-
führungen von Descartes in den Meditationen, der dort die
Begriffe der anschaulichen und der unanschaulichen Vorst/cllung in
klassischer Weise zur Darstellung bringt Auch von der unan-
schaulichen Vorstellung unterscheidet sich der Begriff der Be-
wußtheit, iodem er nur den unanschaulichen Inhalt bezeichnet,
dagegen von dem bei der unanschaulichen Vorstellung noch
gegebenen Zeichen^ abstrahiert, also ausschließlich das »Gre-
^enwärtigsein« eines unanschaulichen Wissens bedeutet Wie
dieses Wissen gegenwärtig ist, wenn es nicht anschaulick
vorliegt, ist eine Frage für sich. Auf jeden FaU ist es
als psychisches Erlebnis nachweisbar. Man hat viel von Vor-
steUungsgefühlen gesprochen, mit denen man einen derartigen
Inhalt auszudrücken suchte. Hierbei besteht eine gewisse An-
lehnung an den populären SprachgebraucL Auch bei unseren
Versuchen bezeichneten einzelne Versuchspersonen bei der Ana-
lyse derartiger Bewußtheiten den Tatbestand des Gegenwärtig-
seins des Wissens dadurch, daß sie sagten, »ich fühle, daß dies
so ist«. Ein derartiger Sprachgebrauch der Wörter »fühlen^
Gefühl« hat aber durchaus nichts gemein mit dem, was wirV
Lust- oder Unlustgefühl nennen. Ich stimme Orth bei^, wenn
€r gegen die Vermengung dieser Begriffe Front macht und aus-
führt, daß die Bewußtheiten wohl von Gefühlen der Lust und
1. Ein derartiges Zeichen ist stets gleichzeitig und unmittelbar
vorher im Bewußtsein, wie früher wiederholt betont wurde.
2. a. a. 0. S. 73.
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Unlust begleitet sein können, aber dies durchaus nicht sein
müssen. Bei unseren Versuchen zeigte sich diese gegenseitige
Unabhängigkeit besonders bei der Bewußtheit der Überraschung.
Diese Bewußtheit konnte ohne Gefühlsbetonung auftreten mit
-dem Wissen »ich weiß nicht, was ich tun soll«. Sie konnte
femer bei ihrem Gtegebensein mit Unlust einhergehen und konnte
femer bis zu einem Affekt (Erschrecken) gesteigert sein. Ob
sich die beiden in Rede stehenden Erscheinungen, Bewußtheit
und Grefühl, einem für diese Zustände charakteristischen, ge-
meinsamen übergeordneten Begriffe unterordnen lassen, haben
weitere Untersuchungen festzulegend
§ 15.
Über die Abstraktion. Zur Ökonomie des Handelns.
Den im vorigen Paragraphen beschriebenen Abstraktions-
prozeß haben wir als assoziative Abstraktion bezeichnet Es ist
dies ein Vorgang, der vöUig automatisch auf Grund der durch
die Erfahrung gestifteten Assoziationen abläuft Es findet durch
den Intensitätsunterschied in der Bewußtheit eine Scheidung der
regelmäßigen VorsteUungsverbindungen von den zufälligen statt
Diese assoziative Abstraktion bildet die Grundlage des Denkens
in Begriffen, da eben die regelmäßigen Verbindungen die we-
sentlichen Merkmale des Begriffes darzustellen pflegen.
Außer dieser assoziativen Abstraktion gibt es noch andere
Abstraktionsformen. Als erste derartige Formen haben wir die
determinierte Abstraktion zu bezeichnen, und zwar unter-
scheiden wir die simultane und die sukzessive Form der
determinierten Abstraktion.
Zu der ersteren, der simultanen determinierten Abstraktion,
liegen bereits die eingehenden experimentellen Untersuchungen
von Külpe vor*. Bei dieser Form gelangt unter einer gewissen
1. Die Bezeichnung »Bewußtheit« ist in der Psychologie schon
verschiedentlich verwendet worden z. B. von Cohen, Rehmke,
Natorp, Uphues.
2. Bericht über den 1. Kongr. f. experim. Psychol. von F. Schu-
mann 1904, S. 56flf.
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240
Zahl simultan gegebener Eindrücke anf Grund einer yorherigen
Determinierung nur ein Teil zu einer bewußten Geltung, wah-
rend die übrigen ohne bewußte Wirksamkeit bleiben. So war
bei den Külpeschen Versuchen die Auffassung unmittelbar eine
andere für entsprechende und heterogene Aufgaben. Besonders
deutlich trat der Abstraktionsprozeß bei Farben hervor, die bei
heterogener Aufgabe in ihrer Qualität nicht angegeben werden
konnten, sondern tatsächlich nur als gleich oder yerschieden oder
dunkel erschienen, oder ohne Ortsbestimmung bUeben. Es konnte
eine Figur richtig beschrieben werden, ohne daß über die Be-
schaffenheit der sie begrenzenden Elemente ein bewußtes Er-
lebnis gegeben war. Auch bei unseren Versuchen finden sich
gelegentlich Beobachtungen, welche diese Külpeschen Versuchs-
resultate durchaus bestätigen. Wurde z. B. bei den Beaktionen
ohne Zuordnung des Reizes (c s v z) vor dem Erscheinen der
Reizkarte an s gedacht, so wurde beim Erscheinen der Karte
sofort dieser Buchstabe allein aufgefaßt und die ihm zugeord-
nete Bewegung ausgeführt Von den übrigen simultan wirken-
den Eindrücken war auf Grund der Einstellung abstrahiert
worden. Es kamen auch Versuche vor, bei denen die vorherige
Determinierung nicht in dieser einfachen Weise durch vorheriges
Auftreten eines Buchstaben geschah, sondern bei denen der
Buchstabe nur in Bereitschaft gesetzt wurde und zwar durch
eine intentionale Bewegungsempfindung im zugehörigen Finger.
Die übrigen simultan gebotenen Buchstaben des Reizeindruckes
gelangten nicht zu einer bewußten Wirksamkeit Wir sehen,
wie auch bei der simultanen determinierten Abstraktion die
Wirkung der determinierenden Tendenzen unmittelbar zum Aus-
druck kommt
Eine weitere Art dieser Form zeigt sich bekanntlich bei der
sog. Aufmerksamkeitskonzentration. Auch hier kommen
Einwirkungen auf das Bewußtsein nicht zur G^tung zu Gunsten
des Hervortretens jener Teile, denen die Aufinerksamkeit zu-
gewendet ist.
Die zweite Form der determinierten Abstraktion, die sukzes-
sive Form, liegt dann vor, wenn der Abstraktionsvorgang nicht
simultane Einwirkungen auf das Bewußtsein betrifft, sondern wenn
derselbe sich auf Bewußtseinsinhalte bezieht, welche sukzessiv
im Ablaufe eines physischen Prozesses gegeben sind. Besonders
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241
geltend macht sich hier die Abstraktion bei dem wiederholten
Ablaufe des betreffenden Geschehens. Wir hatten im Laufe
der Besprechmig unserer Versuche verschiedentlich Gelegenheit
diese Form der determinierten Abstraktion zu beobachten. Sie
zeigte sich z. B. bei den verkürzten, muskulären Reaktionen i.
Hier besteht die Absidit möglichst rasch die Eeaktionsbewegung
auszuführen. Auf Grund dieser Detenniiiierung wird von der
speziellen QuaUtät der konkreten Bezugsvoratellurig, z. B. einer
weißen Karte, mehr und mehr im Laufe der wiederholten Aus-
führung derartiger Versuche abgesehen. Die Einstellung und
der Ablauf des Prozesses ist auf die determinierte Vorstellung,
die Reaktionsbewegung, gerichtet Dabei tritt dieser Prozeß der
sukzessiven determinierten Abstraktion von der Qualität der
konkreten Bezugsvorstellung auch dann ein, weim die Ausfüh-
rung der Bewegung der Listruktion gemäß abhängig sein soll
von der qualitativen Bestimmtheit des Reizeindruckes wie bei
den sensoriellen Reaktionen. Mit zunehmender Übung wird bei
der Auffassung mehr und mehr von einer deutlichen Apper-
zeption der weißen Karte abstrahiert Die Bewegung kann
imter Umständen schon auf den Eintritt einer Veränderung, die
abgesehen von ihrer räumlichen Bestimmtheit ohne qualitative
Kennzeichen ist, vor sich gehen. Der Übergang ist in der Regel
ein allmählicher, indem zuerst noch »etwas Weiß« aufgefaßt
wird. Auch der Einstellüngsinhalt der Absicht ändert sich dem-
entsprechend, indem die Einstellung z. B. auf die Kante der
Verschlußplatte geschieht, oder die Versuchsperson stellt sich bei
stark ausgesprochener determinierter Abstraktion auf die kom-
mende Veränderung ein. Nur durch eindringliche Wiederholung
der Instruktion bezw. ständiges Beachten der konkreten Bezugs-
vorstellung bei der Einstellung läßt sich dieser abstrahierende
Prozeß vermeiden*. Auch bei den Reaktionen ohne Zuordnung
des Reizes kam die Wirksamkeit der successiven, determinierten
Abstraktion zum Ausdruck, u. zwar bei Versuchsperson B, welche
sich stets auf eine gleichbleibende Bewegung einstellte und in-
1. Vgl. hierzu S. 107 £f.
2. Gerade wegen dieser Erscheinung muß wiederholt auf die Be-
deutung der Instruktion für das psycholog. Experiment hingewiesen
werden. Die Verhaltungsweise einer Versuchsperson kann sich bekannt-
lich im Laufe längerer Versuche völlig ändern.
A eh / WiUenst&tigkeit. 16
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242
folge dessen nidit selin beim Eradiemen des Beizes (z. B, Ycm
Karten mit y z s c) yon der qnalitatiyrai ErEassong eines be-
stimmten Bndistaben abstrahierte. Nach dem Erscfaeinrai d^
Karte folgte ohne Erfassong eines Bndistaben unmittelbar die
Bewegung.
Weitere Beispiele für die Wirksamkeit snooesiv^y detomi-
nierter Abstraktion bieten ims Y^'sndiey bei denen der Abstrak-
tionsprozeß nidit blos bis zum Weg&ill einzelner Qoahtaten eines
b^timmten Inhaltes £ortBdu*eitet, sondern bei denen es nberhanpt
zum Ausfall des betreffenden Inhaltes konunt Der-
artige Vorgänge zeigten sich yor allem bei den mehrfadi zu-
geordneten Beaktionen^. Hier sdiloß sidi an die konkrete Be-
zugsyorstellung z. B. die Wahrnehmung yon E^ die Reproduktion
eines Mittelgliedes an, z. B. die akustisdi-kinästhetisdie Vorstellung
rechts, durch dieses Mittelglied wurde dann die Bewegung aus-
gelöst Das Mittellglied yerschwand mit zunehmender Übung
nach einer indiyiduell yerschieden langen Zeit auch bei den
yierfach zugeordneten Beaktionen. Die konkrete BezugsyorsteUung
löste dann direkt die zugehörige Bewegung aus. Die determi-
nierte Abstraktion ist hier in der Weise wirksam, daß sie alle
zwischen BezugsyorsteUung und determinierter Vorstellung hegenden
Inhalte mögUchst auszuschalten sucht Ein weiteres Fortschreiten
des Prozesses, so daß, wie oben, auch yon qualitatiyen Bestinmit-
heiten der BezugsyorsteUung abstrahiert wird, erfolgt hier nicht
da die QuaUtät der determinierten VorsteUung eben yon diesen
qualitatiyen Bestimmtheiten der BezugsyorsteUung abhängig ist
Geschieht es doch, so treten falsche Beaktionen, d. h. unrichtige.
Determinierungen ein. Bemerkenswert ist, daß der Ausfall des
MittelgUedes auch bei Änderung der Instruktion weiter besteht
wenn also z. B. die Zuordnung gewechselt wird: »bei O rechts
reagieren, bei E links reagieren«*. Die ZielyorsteUung, yon der
die determinierte Abstraktion ausgeht, ist gleichgeblieben, nur
die BezugsyorsteUung hat sich geändert Es braucht nur in der
assoziatiyen Einübung zwischen Bezugs- und ZielyorsteUung eine
Änderung einzutreten, während der übrige Ablauf und mithin
auch der Prozeß der Abstraktion in seiner Wirksamkeit keine
Änderung erfährt So kann die im einzelnen FaUe wirksame
1. Siehe S. 146 f, sowie auch S. 129 f, 143 f.
2. Siehe S. 136 f.
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243
succesive Determinierung infolge der Substitution der konkreten
BezugsYorstellung durch eine andere YcHistellung eine erweiterte
Bedeutung gewinnend
Der Ablauf des Gleschehens nähert sich infolge der succesiren
determinierten Abstraktion jenen Formen der Wirksamkeit xosx
determinierenden Tendenzen^ die durch das spontane Auftreten der
determinierten Vorstellung im Anschlüsse an die Bezugsvorstellung
gekennzddu^ sind. Daß die det^minierte Abstraktion erst mit
dem wiederholten Erleben eines Geschehens in die Ersdieinui^
tritt, ist deshalb nicht verwunderlich, weil zuerst überhaupt d^
Ablauf des Prozesses durch die determinierenden Tendenzen be-
i^mmt werden muß. Später wirken diese Einflüsse insofern noch
weiter, als die Zielvorstellung nicht blos in richtiger Weise,
sondern auch auf dem kürzesten Wege verwirklicht wird. Er-
lebnisse, welche für den Ablauf des Prozesses unnötig sind,
werden ausgeschaltet In dieser für die Ökonomie des Wollens
wichtigen Tatsache liegt allerdings eine gewisse Grefahr, wenn
der Abstraktionsprozeß zu weit fortschreitet und ein für den Ver-
lauf des Prozesses notwendiger Bestandteil des bewußten Gte-
schehens z. B. die qualitative Bestimmung der konkreten Bezugs-
vorstellung, in Wegfall kommt
Die Determinierung beziehw. die durch sie bewirkte deter-
minierte Abstraktion bildet einen Teil jener Erscheinung, die
als Bichtung der Aufmerksamkeit bezeichnet wird und unter
diesem Begriffe sind verschiedene der hierher gehörigen Tatbe-
stände bereits bekannt So die Tatsache, daß Nebenassoziationen
rascher verschwinden als Hauptassoziationen, denen z. B. beim
Trefferverfahren die Aufmerksamkeit zugewendet ist Ebenso
sind die Assoziationen zwischen den betonten Gliedern einer
Silbenreihe stärker als zwischen den unbetonten.
Die simultane und die succesive determinierte Abstraktion
sind noch insofern von Interesse, als sie die Bildung von allge-
meinen Begriffen ermöglichen. Wird z. B. bei einer einfachen
verkürzten Beaktion in der geschilderten Weise auf eine »Ver-
änderung« reagiert, so erlebt das Individuum mit der Häufung
der Versuche hinsichtlich der »Veränderung« wiederholt einen
1. Vergl. auch den Übergang von den optischen zweifach zuge-
ordneten Reaktionen zu den gleichartigen akustischen (S. 140).
16*
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244
1)estiimnten Tatbestand. Dieser Tatbestand stellt bis zur Aus-
führung der Bewegung einen nur in seiner räumlichen Qualität
bestinunten Wechsel im Gesichtsfeld dar. Von zufällig ein-
tretenden Änderungen in diesem Phänomen, z. B. Auftreten von
Nebehbewegungen u. dergL wird, da sie nur gelegentlich, also
nicht regelmäßig gegeb^i sind, assoziativ abstrahiert; Ebenso
sind überhaupt Änderungen in der qualitativen Bestimmtheit der
den räumlichen Wechsel bewirkenden Gegenstände psychologisch
imwirksam, da ja infolge der successiven determinierten Abstrak-
tion von jeder anderen als der räumlichen Qualität abgesehen
wird. Wir haben hier also sowohl die Wirkung der determi-
nierten, wie die der assoziativen Abstraktion vor uns. Diese
kombinierte Form der Abstraktion führt in unserem Fall zur
Bildung der allgemeinen begrifflichen Vorstellung eines räumlich
bestimmten Wechsels im Gesichtsfelde. Da wir, wie früher aus-
geführt, auf Grund einer voAerigen Determinierung in der Lage
sind, neue Assoziationen zu stiften, so können wir willkürlich
diesem psychischen Phänomen als Bezugsvorstellung ein sprach-
liches Zeichen assozieren. Diese determinierte Vorstellung sei das
Schrift- beziehw. Lautbild »Veränderung«. Auf diese Weise
kann die Vorstellung des räumlich bestinmiten Wechsels im
Gesichtsfelde mit dem Worte »Veränderung« regelmäßig asso-
ziiert werden. Ist umgekehrt das Zeichen »Veränderung« im
Bewußtsein gegeben, so ist, entsprechend unseren Ausführungen
über die Bewußtheit, durch die Anregung der gestiften Repro-
duktionstendenzen die zugehörige Bedeutung als Wissen gegen-
wärtig. Lifolge weiterwirkender, assoziativer Abstraktion kann
außerdem mit zunehmender Erfahrung auch von einzelnen räum-
lichen Bestimmtheiten abstrahiert werden, da dieselben wechselnd
sind, während das Begelmäßige des mit dem Worte »Verän-
derung« assoziierten Vorganges nur durch den Wechsel der
Lihalte gekennzeichnet ist So kann durch die Wirkung der
kombinierten^ assoziativen- determinierten Abstraktion
die psychologische Bildung von Allgemeinbegriffen ermöglicht
werden. Die Wirkungsweise dieser 3. Form des Abstraktions-
prozesses ist eine sehr mannigfache. Sie ist es, die uns den
Übergang aus den konkreten Lahalten einer Bewußtheit, die ja
in ihrer psychologischen Wirksamkeit ebenfalls abstrakt sind, zu
jenen Begriffen ermöglicht, die wir im engeren Sinne als ab-
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245
strakte Begriffe zu bezeichnen gewöhnt sind. Vor allem ist es
hier die auf Grund einer determinierten Abstraktion und
sekundärer assoziativer Abstraktion vor sich gehende Bildung
einer Beziehung von Beziehungen, welche der- psychologisdien
Analyse zu unterziehen ist Doch ist es nicht die Absicht, dieses
ausgedehnte Gtebiet höherer geistiger Prozesse rfine Zugnmde-
legung experimenteller Befunde der näheren Betrachtung zu
unterziehen.
Fassen wir unsere Ausführungen kurz zusammen, so unter-
scheiden wir folgende Formen der Abstraktion:
1. Die assoziative Abstraktion,
2. Die determinierte Abstraktion,
a) simultane
b) succesive
3. Die kombinierte, assoziative- determinierte Ab-
straktion.
Bei unseren Versuchen kamen auch Erscheinungen zur
Beobachtung, welche wir dem Begriffe der Attentton zuzählen.
Denjenigen Inhalt, von dem bei dem Abstraktionsprozeß abstrahiert
wird, bezeichnen wir mit Külpe als den negativ abstrahierten
Teil, derjenige Teil dagegen, der abstrahiert wird, dem sich die
Aufmerksamkeit zuwendet, wird der positiv abstrahierte Teil ge-
nannt Diesen letzteren Prozeß kann man auch als den Vorgang
der Attention bezeichnen. Während dieser Vorgang bei der
Abstraktion simultan gegebener Inhalte, also z. B. der assoziativen
und der simultanen, determinierten Abstraktion mit dem positiv
abstrahierten Teile zusammenfällt, behält er bei einem in zeit-
licher Folge wiederholt gegebenen Geschehe^ eine gewisse Be-
deutung. Hier wirkt die Attention im entgegengesetzt gerichteten
Sinne wie die succesive determinierte Abstraktion. VSTährend
letzere im wiederholten Ablaufe eines Geschehens bestinunte
Quiditäten eines Teilinhaltes mehr und mehr vernachlässigt, sehen
wir bei (der succesiven Attention ein immer stärkeres Hervortreten
von Teilinhalten z. B. einer konkreten Bezugsvorstellung zur
Beobachtung koinmen. Ein derartiges Verhalten zeigte bei den
Versuchen mit Nebenreizön die Versüchspersoü L^. Während
1. Siehe S. 112.
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246
l)ei den ersten Versuchen infolge ungenügenden Beachtens da*
Qualität des Beizeindruckes die Yexierversuche mit einer Be-
wegung beantwortet wurden, sehen wir, wie das Yeriialten det
Yer8Uchq>erson bei den auf einander folgenden Versuchsreihen
immer rorsichtiger wurde. Allmählich wurde infolge successiver
Attention die Au&ssung des Beizeindruckes in seiner quali-
taÜT^i Bestimmtheit roUständig rollzogen — also der entgegen-
gesetzte Vorgang wie bei den einfachen yerkürzten Beaktionen.
Auch die den Ablauf des Einzelvorganges bedingende Einstel-
lung wurde vorsichtiger. Diese Wirkung der successiyen At-
tention kam außerdem in dem Wegfall von falschen Beaktionen^
sowie in den quantitativen Ergebnissen zum Ausdruck. Bei drei
auf einander folgenden Beihen stiegen die Mittelwerte von 283 a
auf 327(7 und 365 a.
Dieser Vorgang der successiyen Attention ist für die Öko-
nomie des Handels von erheblicher Bedeutung. Wir sehen
aus seiner Wirksamkeit, wie auch eine falsch ausgeführte Hand-
lung von günstiger Wirkung sein kann. Sie führt uns vor
Augen, daß das Mißlingen eines ersten oder zweiten Versuches
nicht abschrecken darf, sondern daß dm*ch andauernde Wieder-
holung die Aufinerksamkeit sich mehr und mehr jenen Faktoren
zuwendet, von denen das Gelingen der betreffenden Handlung
abhängt, während dagegen für den Ablauf bedeutungslose Um-
stände zurücktreten. Da uns infolge der Wirksamkeit der Ab-
straktion in der Bewußtheit, die yon einem gegebenen Zeichen
ausgelöst wird, der gesamte zugehörige Erfahrungsinhalt in seinen
wesentlichen Merkmalen potentiell gegenwärtig sein kann, und wir
so in rascher Folge yon einem Zeichen zum anderen bezw. yon
einer Bedeutung zur anderen fortschreiten können, ohne daß
die jeweiligen in Erregung yersetzten Vorstellungen überwertig
werden müssen, sehen wir mit Becht in dem Gegebensein d^
Bewußtheit und der ihren Inhalt bedingenden Abstraktions-
prozesse die Grundlagen der Ökonomie des Denkens, welche
in der willkürlichen Benützung sprachlicher Zeichen zur Mit-
teilung geistiger Inhalte ihren Höhepunkt findet Der Vor-
gang der Abstraktion ist auch für die Ökonomie des Han-
delns yon wesentUcher Bedeutung. Wir haben bereits darauf
hingewiesen, daß die successiye determinierte Abstraktion
in der Bichtung wirksam ist, daß die Ziehorstellung auf
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247
dem kürzesten Wege verwirklicht wird. Die successive
Attention bildet für die Ökonomie des Handelns insofern eine
Eirgänzung; als sie den richtigen Ablauf des Geschehens
herbeizuführen sucht.
Ein weiterer Umstand, der für die Ökonomie des Handelns
von wesenthcher Bedeutung ist, liegt darin, daß mit der zu-
nehmenden Wiederholung des Prozesses einerseits die bei der
Absicht und Einstellung notwendige Konzentration der Auf-
merksamkeit an Intensität erheblich nachläßt, andererseits, wie
schon ausgeführt, beim Ablauf des Geschehens die Bewußtheit
der Determinierung zurücktritt, so daß die Handlung mehr und
mehr automatisch wird und durch die Wirksamkeit der ge-
stifteten, assoziativen Reproduktionstendenzen abläuft^. Hin-
sichtlich des ersteren ümstandes, des Nachlassens der Auf-
merksamkeitsspannung und infolge dessen auch der Intensität
der Bewußtheit, verweise ich auf die mannigfachen diesbezüg-
Uchen Ausführungen bei der Einzelbesprechung unserer Ver-
suche. Nur auf die Versuche ohne Zuordnung der Tätigkeit
der Versuchsperson C sei kurz eingegangen. Hier trat die Ziel-
vorstellung in der Art eines Kommandos auf als akustische oder
akustisch-kinästiietische Vorstellung. Die Bezugsvorstellung war
nur durch die Fixation der Verschlußplatte gegeben. Da die
Erwartungsspannung sehr gering war, war auch die Zukunfbs-
beziehung nur schwach oder gar nicht nachweisbar. Dieses
eigenartige Verhalten hängt mit dem gesamten psychischen
Habitus von C zusammen. Diese Versuchsperson hat seit langer
Zeit die intensive Absicht, jede Schwierigkeit zu überwinden,
welche sich allmählich dem Charakter so eingeprägt hat, daß
im einzelnen Falle eine feste Absicht nicht mehr nötig ist
Hierdurch ist es auch gekommen, daß C das »nichts tun« un-
angenehm war, wie wir früher bemerkten.
Ein weiterer für die Ökonomie des Handelns wichtiger
Umstand liegt in dem Bestreben, die Konzentration der Auf-
merksamkeit ausschließUch auf die vorUegende Aufgabe zu ver-
wenden, eine Forderung, die in der praktischen Lebensfühnmg
1. Ein näheres Eingehen auf das Verhältnis der determinierenden
Tendenzen zu den assoziativen Beproduktionstendenzen, sowie zu den
Perseverationstendenzen behalte ich mir für eine spezielle Darlegung vor.
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248
hinlänglich bekannt ist. Die verfügbare Aufinerksamkeits-
energie ist begrenzt Wird dieselbe nur einem Inhalte zuge-
wendet, so ist die Konzentration auf diesen Bestandteil stärker
als bei Verteilung auf mehrere Inhalte. Es sind deshalb, wie
dies L bewußt durchführte, alle Nebengedanken möglichst aus-
zuschließen. Außerdem können auch Hemmungswirkungen
zwischen derartigen Inhalten eintreten, vor allem dann, wenn
beide Erlebnisse verschiedenartige Determinierungen zu be-
wirken suchen. Hier kann die gegenseitige Hemmung bis zur
ünmögUchkeit einer Determinierung gehen, nämUch dann, wenn
sich die beiden Determinierungen in ihrem Sinne widerstreiten^.
Aus unseren gesamten Ausführungen ergibt sich, von wie
großer Bedeutung das wiederholte Erleben psychischer Phäno-
mene ist. Nicht sowohl die gedächtnismäßige Aneigung, als
auch die verschiedenen Formen der Abstraktion, die Attention
und die bei der Ökonomie des Handelns wichtigen Faktoren
stehen in inniger Abhängigkeitsbeziehung zur wiederholten Dar-
bietung psychischer Prozesse.
Diß tiefgehende Wirksamkeit der determinierenden Ten-
denzen hat sich bei unseren Versuchen in mannigfacher Form
gezeigt Es bedarf deshalb wohl keines besonderen Hinweises,
daß die Psychologie an diesen Tatbeständen bisher durchaus
nicht achtios vorübergegangen ist Bereits Hobbes hat darauf
hingewiesen, daß der Vorstellungsverlauf auf zweierlei Art vor
sich geht, ungeleitet und infolgedessen unregelmäßig, geordnet
durch irgend ein Begehren oder ein Ziel und infolgedessen
regelmäßig. Besonders in jüngster Zeit finden sich wiederholt
Ausführungen, welche an der Hand spezieUer Beobachtungen
auf die in Bede stehenden Phänomene hinweisen, so v. Eries',
O. Groß^ A. Binet^. Auch der von Ziehen als Konstellation
bezeichnete Vorgang ist hierher zu rechnen. Vor allem sind es patho-
1. Siehe %. B. S. 69.
2. J. y. Kries, Über die materiellen Grundlagen der BewuBtseins-
Erscheinungen, 1901.
3. 0. Groß, Die cerebrale Sekundärfunktion, 1902.
4. A. Binet, L'etude experimentale de Tintelligence, 1903.
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249
logische Befiinde, aus denen sich die Wirkung der Determinierung
in auffälliger Weise ergibt. Dabei haben wir es einerseits mit Zu-
ständen zu tun, bei denen durch eine Lähmung von determi-
nierenden Tendenzen eine ausgesprochene Änderung im seeli-
schen Verhalten bewirid wird, andererseits mit Zuständen, bei
denen es zu einem XJberwuchem einzelner determinierender
Tendenzen kommt, so daß, wie bei der Paranoia, die gesamte
Erfahrung in den Wirkungsbereich dieser Tendenzen fällt Auch
die Ausführungen über diese Tatbestände sind der speziellen
Darstellung vorbehalten.
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Anhang.
über das Hippsche Chronoskop ^
Da das Hipp sehe Chronoskop bei seiner außerordentlichen
HandKchkeit zur vergleichenden Untersuchung von Zeitgrößen
auf verschiedenen Wissensgebieten, wie Physiologie, Physik^
Ballistik und speziell in der experimentellen Psychologie mehr
und mehr Aufnahme findet, entschloß ich mich, diese Uhr unter
verschiedenen Verhältnissen einer eingehenden Untersuchung zu
unterziehen. Vor allem suchte ich die Dauer der Latenzzeiten
festzulegen, da die Bestimmung dieser Größen für die Beziehung
der Chronoskop- Angaben zu den absoluten Zeitwerten von wesent-
licher Bedeutung ist
Außerdem war es mein Bestreben, festzustellen, ob die An-
gaben des Chronoskopes auch für lange Zeiten richtig sind, wenn
es für eine Kontrollzeit von kurzer Dauer eingestellt ist oder ob
sich hierbei konstante Fehler nachweisen lassen. Diese Bestim-
mung will ich der Kürze wegen |die allgemeine Kontrolle
des Chronoskopes nennen. Derartige Untersuchungen sind bereit»
von Berger, Külpe und Kirschmann, G. E. Müller und
F. Schumann für Stromöffnung während der zu messenden
Zeit durchgeführt Wir haben auf diese Untersuchungen später
zurückzukommen.
Wenn ich kurz auf die Konstruktion des Hipp sehen Chro-
1. Ein kurzer Auszug der Hauptergebnisse findet sich im Bericht
über den I. Kongreß f. experim. Psychologie in Giessen 1904 von
F. Schumann, (S.123). Ich benütze die Gelegenheit, um auf zwei
sinnstörende Druckfehler hinzuweisen. Zeile 22 von unten muB es heissen
»30 — 40(7« (nicht Sek.). Zeile 18 von unten ist nach Schließen einzu-
fügen » bezieh w. Offnen«.
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251
noskopes eingehe, so sind au demselben drei Hauptteile zu unter*
scheiden.*
1) Die Uhr mit ihrer Auslös- und Arretiereinrichtung.
2) Die Einrichtung zur Kegulierung der Geschwindigkeit der
Uhr durch eine schwingende Feder.
3) Die Einrichtung zur elektromagnetischen Ein- und Aus-
schaltung der Zeiger in das laufende Uhrwerk.
Bei der Benützung des neuen Hipp sehen Chronoskope»
unterscheiden wir bekanntlich zwei Verwendungsweisen:
1) Stromschluß während der zu messenden Zeit unter Be-
nützung der unteren Elektromagnete (Verfahren mit Arbeits-
strom).
2) Stromöffnung beziehw. Stromschwächung wahrend der zu
messenden Zeit unter Benützung des oberen Elektromagneten-
paares (Verfahren mit Kuhestrom).
Es können auch gleichzeitig zwei Ströme im Chronoskop
benützt werden, indem beide Elektromagnetenpaare vom Strome
durchflössen werden (Ballistik). Der durch die oberen Elektro-
magnete gehende Strom wird geöffnet Durch die Wirksamkeit
der unteren Elektromagnete kommen die Zeiger in Tätigkeit
Wird dann auch der Strom der unteren Elektromagnete geöffnet,
so werden durch die Wirkung der oberen Feder die Zeiger
wieder ausgeschaltet Hier wird also zweimal mit Stromöffnung
gearbeitet
Die vorliegenden Untersuchungen beziehen sich
hauptsächlich auf das Verfahren mit Arbeitsstrom,
doch wurden auch einige vergleichende Untersuchungen mit Ruhe-
strom ausgeführt
Wenn die Uhr in Gang gesetzt ist, und es wird der Strom,
der durch das untere Elektromagnetenpaar — Arbeitsstrom —
geht, geschlossen, so dauert es bekannÜich eine Zeit lang, bis
der Zeiger beziehw. seine Achse in das laufende Uhrwerk gerissen
und mitgedreht wird. Um diesen Betrag ist die Angabe des
Chronoskopes zu kurz, wir haben es also hier mit einer nega-
tiven Latenzzeit zu tun. Dieselbe setzt sich zusammen aus
1. Hier und bei den folgenden Untersuchungen habe ich stets die
neue Konstruktion des Chronoskopes im Auge. Hinsichtlich seiner ge-
naueren Beschreibung verweise ich auf Wundts Grundzüge der phy-
siologischen Psychologie.
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252
zwei Teilbeträgen: erstens dauert es eine gewisse Zeit, bis die
elektromagnetische Kraft die zum Überwinden der Federspannung
(Fig. 1, f) notwendige Litensität erreicht, und zweitens kommt in
Betracht die Dauer der Bewegung des Ankers nach unten bis zu
jenem Moment, wo der Zeiger beziehw. der Halter h (Fig. 1) von
dem laufenden Kronrad ki mitgenommen wird.
Wird der Strom wieder geöffnet, so dauert es eine gewisse
Zeit, bis die Federspannung in Wii*ksamkeit tritt und den Anker g
soweit nach oben bewegt, daß der Zeiger aus dem laufenden
Uhrwerk ausgeschaltet wird. Hier haben wir es mit einer
positiven Latenzzeit, tnit einer Verlängerung der Angabe des
Chronoskopes zu tun.
Bei Ruhestrom bestehen vice versa die gleichen Verhältnisse.
Nur haben wir hier bei StrcHnöffnung beziehw. Stromschwächung
die negative und bei Stromschluß beziehw. -Verstärkung die po-
sitive Latenzzeit Der ideale Fall in der Einstellung des Chro-
noskopes liegt dann vor, wenn diese beiden Latenzzeiten genau
gleich lang sind^ Diese Einstellung läßt sich, wie aus den fol-
genden Betrachtungen hervorgeht, durch geeignete Benützung von
Stromstärke und Federspannung in der Tat verwirklichen. Aller-
dings bietet die Gleichheit der positiven und der negativen
Latenzzeit durchaus noch keine Sicherheit dafür, daß die An-
gaben des Chronoskopes richtig sind. Es muß vielmehr auch
noch die allgemeine Kontrolle vorgenommen werden. Beide Be-
stimmungen, die der Latenzzeiten und die der allgemeinen Kon-
trolle, lassen sich in einer gemeinsamen Anordnung ausführen.
a) Die Versuchsanordnung.
Zur Bestimmung der Latenzzeiten und der allgemeinen
Kontrolle dienten zwei Kontakteinrichtungen. Die Kontaktein-
richtung I ist analog einer von Herrn Prof. Külpe zur graphischen
Bestimmung der Chronoskopzeit ang^ebenen Einrichtung aus-
geführt Sie bildet einen einfachen Metallarm a (Fig. 1), an
dessen Ende nach unten ein Hebel b abbiegt, welcher eine mit
einem Platinstift versehene Kontaktschraube c trägt Die Kon-
1. Vergl. Müller and Schumann (Anhang zu Müller and
Filzecker), Ergänzangsbd. I der Zeitschr. f. Psychol. 1900. S. 294 Anm.
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253
takteimichtung ist durch die Schraube e am Chronoskop befestigt
und von demselben isolierte
Figur 1.
Wird der Strom im Elektromagneten E geschlossen, so wird
der Anker g nach unten bewegt, sobald die Spannung der Feder f
1. Der HauptunterBchied der vorliegenden Einrichtung von der
Kfilpe sehen Kontakteinrichtung besteht darin, daß der Hebel b al&
leichte Feder ausgebildet ist und die Einrichtung durch die Schraube e
an jedem Chronoskop unmittelbar befestigt werden kann. Herr M. Bin ck ,
Mechaniker des physiolog. Institutes in Marburg, ist bereit, derartige
Eontakteinrichtungen zum Preise von 10 Mark zu liefern. Zur Unter-
suchung ist es dann nur notwendig, die Schraube i des Chronoskopes
platinieren zu lassen. Herr Binck liefert auch die übrigen zur Chro-
noskop-EontroUe notwendigen Einrichtungen. Auch die Herren Spindler
und H y e r inGöttingen sind bereit, sämtliche Einrichtungen zu liefern.
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254
ub e f wi mik n ist. Hierdurch wird der Hebel n nach rechts ge-
dreht Die Feder m drikkt die Achse o ebenfalls nach rechts.
Hierdurch wird der an der Achse o befestigte Halter h aus dem
festen Kronrad k entfernt, und von dem beweglichen Exonrad ki,
welches sich durch das laufende Uhrwerk des Chronoskopes in
Botation befindet, mitgenommen, so daß sich der ebenfalls an
der Achse o befestigte Zeiger z dreht
Die Schraube c kann so eingestellt werden, daß sie den
Platinkontakt i dann berührt, wenn der Halter h von dem laufen-
den Ejx)nrad ki eben mitgenommen wird. Diese Einstellung
läßt sich, wie wir später sehen werden, mit Hülfe der Kontakt-
Einrichtung n sehr genau ausführen. Durch die Berührung
dieser Kontakte wird ein Strom geschlossen, der in die Klemme d
der Kontakteinrichtung I eingeleitet ist und durch die Schraube q
des Chronoskopes weggeführt wird. In diesen Stromkreis ist ein
-elektromagnetisches Signal geschaltet, welches am Chronographen
durch einen Schlußstrich den Zeitpunkt markiert, an dem der
Zeiger des Chronoskopes anfängt sich zu drehen (vergl. Fig. 5,
Stromkr. I). Außerdem wird durch dieses Signal auch der Still-
stand des Zeigers aufgezeichnet, wenn sich bei Stromöffnung der
Kontakt i von der Schraube c entfernt Neben diesen beiden
Marken des Stromkreises I, welche ain Chronographen bei gleich-
izeitig schwingender Stimmgabel die Dauer der Chronoskopangabe
graphisch bestimmen lassen, ist gleichzeitig noch ein 2. elektrisches
Signal am Chronographen tätig. Dieses schreibt den Moment
Äuf, in dem der Strom im Elektromagneten E des Chronoskopes
geschlossen, so wie den Moment, in dem dieser Strom wieder
geöffnet wird. Dieses Signal ist jedoch wegen seines relativ
hohen Widerstandes, der es unmöglich macht, die wünsdiens-
werten Widerstandsänderungen durchzuführen, nicht in den
Stromkreis des Elektromagneten E eingesdialtet Dasselbe wird
vielmehr durch eine eigene Stromquelle (Stromkreis HI der
Fig. 5) bedient
Schluß und Öffnung dieses Stromkreises HI, sowie des durch
den Elektromagneten des Chronoskopes gehenden Stromkreises H
geschieht für beide Stromkreise gleichzeitig durch ein Pendelt
1. Dieses Pendel ist von Mechaniker Bartels in Göttingen an-
gefertigt und befindet sich im psycholog. Institut in Göttingen.
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255
Figur 2.
Das Pendel (Fig. 2) befindet sich auf einem massiven Holz-
statiy a. Die Pendelstange b, welche miten die Linse c trägt,
ruht mit einer feinen, 7,5 cm langen StaUschneide auf einer am
Stativ a befestigten Stahlpfanne. Die Länge des Pendels von
hier nach miten beträgt ca. 63 cm. Durdi den Elektromagneten d
kann die Pendelstange in einem bestmunten Elongationswinkel
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256
gehalten und durch Offnen des Stromes in Schwingung versetzt
werden. Doch kann die Tätigkeit des Elektromagneten auch
durch die Hand ersetzt werden. Das Pendel schwingt zwischen
zwei horizontalen mit Längsteilung versehenen Metalleisten m
und mi, von denen in der Fig. nur die vordere (m) sichtbar ist.
Auf diesen Leisten sind 4 Pendelkontakte angebracht, von denen
je zwei einander gegenüber stehen. Auch hier sind nur die vor-
deren t und £i, welche in den Stromkreis m eingeschaltet sind,
sichtbar, die hinteren sind in den Stromkreis 11 eingeschaltet
(Fig. 5).
Figur 3.
Figur 4.
Li Fig. 3 ist ein derartiger Pendelkontakt von oben
gesehen schematisch dargestellt. Fig. 4 zeigt die schematische
Seitenansicht. Es sind 3 Klemmen mit Kontakten vorhanden
kl 1 k2 ks, sowie ein imi eine senkrechte Achse drehbarer winklig
gebogener Hebel h, welcher mit ks leitend verbxmden ist Dieser
Hebel gleitet mit einem kleinen beweglichen Jlädchen an der
Feder 1. Durch den Druck dieser Feder wird stets sicherer
Kontakt mit ki oder ks bewirkt Li der in Fig. 3 dargestellten
Lage des Hebels h besteht Kontakt zwischen ks und kj. Wird
der Hebel h entgegengesetzt zum Uhrzeiger gedreht, so öffnet
sich dieser Kontakt, und es tritt, wenn die Drehung weiter fort-
geführt wird, Kontakt zwischen ks und ki ein. Aus dieser
letzteren Stellung wird der Hebel h, der jetzt senkrecht zu den
Metalleisten m mi und zur Schwingungsebene des Pendels steht,
durch das schwingende Pendel in die gezeichnete Stellung zurück-
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257
bewegt Im Anschluß an Müller und Schumann bezeichne
idi jene Einstellung des Pendelkontaktes, bei weldier der durch
denselben gehende Strom geschlossen ist, kurz als Schließungs-
einstellung desselben, eine soldie Einstellung dagegen, bei
weldier der Strom geöffnet ist, als Öffnungseinstellung.
Außerdem sei noch durch den Zusatz »quer« beziehw. »schräg«
angedeutet, daß sidi der Hebel h bei dieser Schließungs- oder
ÖffnungSYorstellung in querer Stellung (senkrecht zur Schwin-
gungsebene des Pendels) oder in schräger Stellung (wie in der
' Fig. gezeichnet) befindet
Soll eine kurze Zeit graphisch bestimmt werden, z. B. die
Schwingungsdauer des Pendels von ^ bis &, so befindet sich ^
in Offnungseinstellung (quer) und ^ in Schließungseinstellung
{quer). Der Strom (Stromkreis m Fig. 5) geht durch das elektr.
Signal, sowie durdi die Kontakte ks und ks von ^, und ki und
ks von ^1. Durdi das schwingende Pendel wird ^ ebenfalls in
Schließungseinstellung überführt, das Signal macht infolgedessen
am Chronographen einen Schließungsstndi. Bewegt dann das
Pendel den quer stehenden Hebel von ^i zur Seite, so wird der
Strom wieder unterbrochen und mit Hülfe der beiden graphischen
Marken läßt sich unter Berücksichtigung der für die jeweilige
Stromstärke bestimmten Latenzzeiten des elektrischen Signales
die Schwingungsdauer in bekannter Weise ablesen. Außerdem
werden durch das Pendel gleichzeitig mit ^ und ^i die gegenüber
stehenden Kontakte ij und i]i geschlossen beziehw. geöffnet Da
dieselben in den Stromkreis des Elektromagneten E des Chro-
noskopes eingeschaltet sind, läuft während dieser Zeit das Chro-
noskop, sodaß durdi den Stromkreis I in der erwähnten Weise
die Angabe des Chronoskopes und durch den Stromkreis DI die
absolute Dauer der Pendelschwingung graphisch fixiert wird«
Hierzu ist es notwendig, daß die Pendelkontakte f und ij, beziehw.
2^ und 1^1 tatsächlich gleichzeitig geschlossen beziehw. geöffnet
werden.
Diese Einstellung auf die Gleichzeitigkeit der einander
g^enüber stehenden Pendelkontakte geschieht durch die Beob-
achtung der Signalmarken der rasch laufenden Chronographen-
trommel, wobei in den Stromkreis I nicht die Eontakteinrichtnng
des Chronoskopes, sondern der Pendelkontakt tj, beziehw. i^, ein-
geschaltet ist Die entstehenden positiven oder negativen Werte,
Aeh, WUlenstUigkeit. 17
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258
welche sich durch Verschieben der Pendelkontakte auf ein Mini-
mum reduzieren lassen, sind in die Bechnung einzubeziehen. In
einigen Fällen bediente ich mich der Kontrolle wegen zur Ein-
stellung auf die Gleichzeitigkeit einer Nullmethode unter Be-
nützung der Wheatstoneschen Brückenschaltung. In den Brücken-
arm wird ein sehr empfindliches Galvanometer in Nullstellung
eigeschaltet Die Pendelkontakte befinden sich jeweils in einem
korrespondierenden Arm der beiden Stromverzweigungen. Erfolgt
durch das Pendel die Öffnung oder der Schluß eines dieser
Kontakte vor dem anderen, so tritt ein Ausschlag des Ghdvano-
meters ein, sofern dasselbe hinreichend empfindlich ist Erfolgt
die Öffnung in den beiden gegenüber stehenden Kontakten gleich-
zeitig, so tritt keine Bewegung ein.
In Fig. 5 ist das Schema der gesamten Anordnung
aufgezeichnet und zwar für den Fall, daß ein langes, mehrere
Pendelschwingungen währendes Zeitintervall zu den Versuchen
benützt wird. In den Stromkreis I ist das Signal I eingeschaltet^
welches an der Trommel T des Chronographen mit Hülfe der
oben beschriebenen Kontakteinrichtung I Beginn und Ende der
Zeigerbewegung des Chronoskopes C graphisch registriert
Zwischen den durch Strich-Punkt markierten Metalleisten m und
mi schwingt das nicht gezeichnete Pendel. Die Pendelkontakte ^
imd Ci, welche sich an der Metalleiste m befinden, sind in den
Stromkreis HE in der Weise eingeschaltet, daß ihre Leitungen
von der Pohl sehen Wippe P«, welche hier wie ein Schaltbrett
dient, abgezweigt werden. Dabei befindet sich zu Beginn des
Verauches ^ in Öffnungseinstellung (quer) unter Benützung der
Klemmen ka und ks, li in Öffnungseinstellung (schräg) unter
Benützung der Klemmen ki und ks. In dem zu C gehenden
Zweige der Leitung HE ist außerdem eine weitere Pohl sehe
Wippe P4 eingeschaltet, welche nur zum Schließen beziehw.
Öffnen dieser Zweigleitung dient Diese Wippe ist zum gleichen
Zweck auch in den Stromkreis IE eingeschaltet und zwar in jenen
Zweigstrom, welcher zum Pendelkontakt ij geht Audi hier dient
ein Kommutator Pi zum Abzweigen von zwei zu ij und rjt ge-
henden Nebenströmen. Die Schaltung ist analog der von Strom-
kreis m. Außeidem befindet sich in diesem Stromkreis noch
die Pohl sehe Wippe Pi, sowie das unta:« Elektromagnetenpaar
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Figur 5.
des Chronoskopes C. Ein 4. Stromkreis bedient die Stinungabel S.
Die Stromquellen und die in die verschiedenen Stromkreise ein-
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260
geschalteten Widerstände sind mit Ai Aj As Ai sowie mit Wi
Wf W$ Wi bezeichnete
Die Messung selbst geht in der Weise vor sich, daß das
Pendel die quer stehenden Hebel von ^ und i} zur Seite schlägt
und so den Strom in HI und IE schließt, wodurch Signal m
einen Schlußstrich angibt und der Zeiger des Chronoskopes läuft
In diesem Zeitpunkt macht auch Signal I eine Marke an der
Trommel Die Differenz der von den beiden Signalen (HI und I)
angegebenen Marken gibt uns die Latenzzeit für Stromschluß.
Hat nun das Pendel eine bestimmte Zahl von Schwingungen
ausgeführt, so werden dann, wenn es sich auf dem Bückwege
einer Schwingung befindet, die Hebel der beiden Kontakte ^
imd 121 quer gestellt, so daß hier jetzt Schließungseinstellung
(quer) besteht. Hierauf wird durch Wenden des Bügels von P4
der Strom in den Zweigleitungen ^ imd tj der Stromkreise HI
und H unterbrochen. Das Pendel schlägt die Hebel von ^1
und 171 zur Seite, so daß audi in diesen beiden Zweigleitungen
Öffnung bewirkt wird, und an den Offnungsmarken der Signale HI
und I die Latenzzeit für die Stromesöffnung abgelesen werden
kann. Außerdem wird die gesamte Dauer der Kontrollzeit am
(]!hronographen abgelesen und mit der Chronoskop- Angabe ver-
glichen.
Auf diese Weise stellte ich Zeiten bis zu 10 Sekunden her,
welche sich trotz ihrer Länge durch eine große Übereinstimmung
auszeichnen. So betrugen die am C^hronoskop abgelesenen Werte
von 11 auf einander folgenden Messungungen: 9617, 9617, 9618,
9617, 9617, 9618, 9619, 9617, 9617, 9617, 9618(7, also unter
11 Bestimmungen trat 7 mal der gleiche Wert auf!
Um den Hebervon ^1 und 1/1 wälu^nd der Bewegung des
Pendels leicht in die Schließungseinstellung (quer) überführen
zu können, bediente ich mich einer pneumatischen Zusatz-
einrichtung. Diesselbe besteht aus einem kleinen Metall-
zylinder 0, welcher am Pendelkontakt (Fig. 3) befestigt ist In
1. Als Stromquellen dienten Akkumulatoren sowie die elektrische
Leitung unter Yorschaltung des Buhstrat sehen Anschlußapparates, der
unter d beschriehen ist. Bei den ersten Messungen (Chronoskop A)
bestand die Stromquelle A^ aus 16 hinter einander geschalteten Zellen
einer Meidinger Batterie.
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261
diesem Zylinder kann ein Kolben durch Luftdrack verschoben
werden. Mit dem Kolben steht ein Fortsatz n in fester Ver-
bindnng, welcher den Hebel h in quere Stellung bewegt Die
Bewegung des Kolbens geschieht durch Druck auf einen Gummi-
ballon (nicht gezeichnet). Durch ein T-Bohr und Gummischlauch
steht sowohl ^ als iji mit dem Gummiballon in Verbindung, so
daß durch einen Druck die Hebel beider Kontakte in die ge-
wünschte Stellung gebracht werden.
Überschreiten die Kontrollzeiten nidit die Dauer einer halben
Schwingung des Pendels, so ist die Versuchsanordnung, wie schon
oben angedeutet, einfacher; es werden dann ^ und ^, ebenso tj
und i]i direkt hinter einander geschaltet
Sehr kleine Zeiten lassen sich auf diese Weise jedoch nicht
einstellen. Auch wenn die Pendelkontakte auf den Leisten m
und mi ganz nahe an einander geschoben werden, lassen sich
keine kürzeren Zeiten als ungefähr 50 a einstellen. Um noch
kürzere Zeiten zu erhalten, bediente ich mich einer weiteren
Zusatzeinrichtung für sehr kleine Zeiten. Diese Zusatz-
Figur 6.
einrichtung besteht, wie in Fig. 6 angedeutet ist, aus einem
h(»rizontalen Arm s, welcher a^ der Pendelstange b (Fig. 2) an-
geschraubt wird. An diesem horizontalen Arm ist ein senkrechter
Arm t befestigt, welcher parallel zu dem Pendel steht und durch
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262
eine Mikrometerschraube u parallel zum Pendel yerschoben werden
kann. Stehen die beiden Pendelkontakte ^ und ^i sehr nahe an
einander, und es soll eine sehr kurze Zeit beigestellt worden, so
ist die Einstellung so getroffen, daß das Pendel zuerst ^ schließt,
worauf durch den Parallelarm der Zusatzeinrichtung ^i geöffnet
wird. Es lassen sich so in einfacher Weise die Zeiten bis auf
Null verkürzen. Das Kontrollpendel kann infolge
dessen zur Herstellung aller in Betracht kommenden
Zeitintervalle verwendet werden.
Figur 7.
Die Kontakteinrichtung 11 des Chronoskopes wurde nur
bei einigen vergleichenden Untersuchungen, sowie zur Prüfung der
Einstellxmg der Kontakteinrichtungl benützt Sie besteht aus einem
sehr leichten Kontakihebel v (Fig. 7), welcher um eine horizontale
Achse w drehbar imd in der in der Zeichnung angedeuteten Weise
beweglich ist Durch den Fortsatz x liegt er der von der übrigen
Einrichtung isolierten Klemmschraube z an. Diese Einrichtung
wird mit Hülfe eines Stativs so in die immittelbare Nahe des
kleinen Zeigers des Chronoskopes gebracht, daß der Zeiger im
Beginn seiner Bewegung mechanisch durch Wegschlagen des
Hebels v den bei z eingeleiteten und bei zi abgeführten Strom
öffnet Diese Öffnung wird durch ein elektrisches Signal auf
der Chronographentrommel markiert Nach jedem Versudi ist
es notwendig den kleinen Zeiger mit der Hand unter Zurück-
schieben der Achse o (Fig. 1) wieder in die Ausgangsstellung
vor den Kontakthebel v, der sich wieder oben in Schlußstellnng
befindet, zu bringen. Man kann infolgedessen auch mit Hülfe
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263
dieser Einriditang die Latenzzeit für den Beginn der Zeiger-
bewegung bestinmien und außerdem die Angaben der Kontakt-
einrichtung I einer Prüfung unterziehen^. Durch diese Prü-
fung wird bestimmt, ob die Einstellung der Kontakteinrich-
tung I richtig ist, d. L ob wirklich der Kontakt von c mit i
(Pig. 1) dann erfolgt, wenn der kleine Zeiger anfängt zu laufen
oder der Halter h von dem E>onrad ki mitgenommen wird.
Es zeigt sich, daß die Benützung der Kontakteinrichtung 11
stets dann zu geschehen hat, wenn es sidi um eine möglichst sorg-
faltige Einstellung der Kontakteinrichtung I handelt So hat
bei einer Pendelzeit von 91,5 a (m V — 0,7 a, n = 6) die negative
Latenzzeit für Stromschluß, gemessen durch Kontakteinrichtung II,
den Betrag von 9,5 a (m V = 0,6 a) ergeben, die Kontakteinridi-
tung I gab dag^en nur 4,4 a (mV — 0,4 &) an. Um 5,1 a war
also die mit HtUf e der Kontakteinrichtung I gemessene n^ative
Latenzzeit zu kurz. Der Kontakt zwischen c und i erfolgte
schon vor der Mitnahme des Halters h durch ki. Umgekehrt
war die Latenzzeit bei Buhestellung des Zeigers (Öffnung des
Stromes) um einen bestimmten Betrag zu lang. Sie betrug 11,1 a
(mV — 0,5 (t). Die Größe dieser letzteren Differenz läßt sich
jedoch nicht angeben, da sich mit der Kontakteinrichtung 11
die Latenzzeit bei Buhestellung des Zeigers nicht bestimmen
läßt
Daß die Bestimmung der richtigen Einstellung der Kontakt-
einrichtung I durch die Kontakteinrichtung IE notwendig ist,
ergibt sich auch noch aus anderen Peststellungen. Ist nämlich
die Kontakteinrichtung I richtig eingestellt, so bedingt die Ein-
stellung dieser Kontakteinrichtung am Chronoskop an sich keine
wesentliche Veränderung der Zeitangaben des Chronoskopes.
So betrug aus je 10 Chronoskopmessungen das a M bei den Ver-
suchen mit Kontakteinrichtung I 120,1 a (mV = 0,8), ohne Kon-
takteinrichtung I 121,0 (mV = 1,4). Wurde dagegen Kontakt
bewirkt bereits, bevor der Halter die Zahne des fest stehenden
1. Der Eontakthebel v muß sehr leicht sein, damit darch die Be-
n&tzung der Einrichtimg keine Verzögerung der Zeigerbewegung eintritt.
Aus je 5 Versuchen betrug bei der Einstellung mit der Einrichtung
4er Mittelwert der Chronoskopablesungen 94,7a (mV — 0,8a), ohne
Einrichtung 95,0 a (m V <» 0,4 a). Die in Bechnung gezogene Entfernung
des Kontakthebels v vom kleinen Zeiger entspricht 0,5 a.
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264
Kronrades k Yollständig verlassen hatte, so trat eine Yei^ürznn^
der Angabe des Chronoskopes ein. Der Mittelwert der Chronos-
kop- Angaben sank bei derartigen YergleichsTersuchen von 48 a
auf 44,3 a. Umgekehrt zeigte sich eine Yerlängerong der An-
gaben des Chronoskopes dann, wenn der Kontakt erst eintrat^
nachdem der Halter fast yollständig in die Zähne des beweg*
lidien Kronrades eingegriffen hatte (a M — 55,1 a).
Es ist also bei sorgfältigen Untersuchungen not-
wendig, die Einstellung der Kontakteinrichtung I durch
Benützung der Kontakteinrichtung 11 zu kontrollieren
und die bei der Bewegung des Zeigers eintretenden
Latenzzeiten der beiden Einrichtungen auf Gleichheit
einzustellen^.
Da ich die meisten dieser Untersuchungen ohne Assistenz
durchführen mußte, war mir eine Einriditnng erwünscht, mit
Hülfe deren ich das Chronoskop auf größere Entfernung in Gkmg
setzen konnte. Idi benützte hierzu eine pneumjatische Aus-
lösung des C.hronoskopes. Durch Druck auf einen Gummi-
ball wird eine kleine Gummikapsel gebläht, weldie durch einen
Schlauch mit dem Ballon verbunden jist Diese Gummikapsel
bewegt infolge dessen eine Metallplatte, weldie ihrerseits den
Auslösehebel des Chronoskopes nach unten drückt, so daß
die Uhr läuft Mit Hülfe dieser Einrichtung kann man das
Chronoskop bequem auf Entfernung von einigen Metern in Gtuig
setzen. Audi zum Arretieren des Uhrwerkes läßt sich eine ähn-
liche Einrichtung verwenden.
Wird die Versuchsanordnung in der geschilderten Weise
durchgeführt, so erhält man folgende Angaben:
1) Die absolute Pendelzeit (graphisch).
2) Die Zeit, während welcher der Zeiger des Chronoskopes
gelaufen ist (graphisch).
3) Die Angabe aus der Ablesung des Chronoskopes.
Werden diese Bestimmungen für verschieden lange Zeiten
durchgeführt, so erhält man die Werte der Latenzzeiten für
diese Zeitintervalle und außerdem noch die Werte für die all-
1. SelbBtveTstftndlich gilt dies nur ffir die von mir benützte Kon-
takteinxichtang I. Doch ist anzunehmen, daß sich auch bei anderen
Kontakteinrichtongen ähnliche Erscheinungen zeigen werden.
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265
gemeine Kontrolle des Chronoskopes. Wir wenden uns zuerst
zur Betraditung der Latenzzeiten.
b) Die Latenzzeiten.
Vergleichende Untersudiungen bei verschiedenen Intervallen
wurden an zwei Chronoskopen (Chr. A und Chr. B) ausgeführt^
Sowohl die Untersudiungen an Chr. A wie jene an Chr. B er-
geben übereinstimmend das Resultat, daß die Latenzzeiten für
kleine Zeiten (30 &) und für große Zeiten (gegen 10 Sek.) den-
selben Betrag aufweisen. Li T ab. L sind derartige Beobachtungs-
werte für CIhr. A aufgeführt Die Pederspannung des Ankers-
beträgt oben 13 (f der Kg. 1), unten 9,5 (fi Fig. 1), abgelesen
an der Gradteilung der Exzenter-Hebel des Chronoskopes. Li
den Stromkreis des Chronoskopes, den wie erwähnt eine Batterie
von 16 Meidinger-Elementen bediente (Aa der Fig. 5), sind 170-
Ohm Widerstand geschaltet Unter chronographische Zeit ist
die Pendelzeit (Stromkreis IH, der Fig. 5) in a angegeben, unter
Schluß sind die Mittelwerte der Latenzzeiten für Stromschluß,.
unter Öffnung diejenigen der Latenzzeiten für Stromöffnung auf-
geführt (n = Anzahl der Beobachtungen). Li Klammem ist die
mittlere Variation angegeben. Das arithmetische Mittel der ge-
samten Mittelwerte fib* Schluß beträgt 12,34 a mit einer
mV = 0,45a, für Öffnung ist aM = 9,89(7, mV — 0,76(7.
Die Abweichungen sind also recht gering.
Tabelle L
Chronogr. Zeit Schluß
30,4. (0,4) 12,5 (0,5)
128,3 (0,8) 11,7 (1,1)
556,8 (0,3) 13,5 (0,7)
1311,2 (0,8) 12,6 (0,7)
2085,9 (0,6) 12,1 (1,2)
3611,2 (1,6) 12,0 (1,5)
9416,0 (— ) 12,0 (— )
Von Literesse ist der relativ niedrige Betrag der Latenz-
zeiten, insbesondere derjenige für Öffnung, der im Mittel noch
nicht 10 a beträgt Hieraus scheint hervorzugehen, daß die
Wirkung des remanenten Magnetismus von untergeordneter Be-
deutung ist, was auch durch die späteren Ausführungen bestätigt
wird. Ebenso wird dies durch den Vergleich der Latenzzeiten
Öffnxmg
n
9,2 (0,6)
10
9,8 (0,8)
10
10,6 (0,6)
8
11,6 (0,7)
4
10,0 (1,2)
10
10,0 (1,1)
9
8,0 (-)
1
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266
für Öffnung bei den langen Zeiten mit denjenigen bei koizen
Zeiten bestätigt Die Werte dieser Latenzzeiten zeigen inner-
halb der Fehlergrenzen bei kleinen und großen Zeiten die gleiche
Größenordnung. Außerdem ist die Latenzzeit für Stromschluß
durchgehends um einen geringen Betrag länger als die für
<)ffnung. Dieser negative Fehler der Chronoskopeinstellung beträgt
im Mittel 2,45 a. Es besteht nahezu die ideelle Einstellung des
Ohronoskopes.
Tabelle IL
Chronogr. Zeit Schluß Öffnung n
90,7 (1,1) 13,1 (0,3) 12,4 (0,4) 10
95.4 (0,8) 15,3 (0,9) 12,7 (0,4) 6
95.5 (0,8) 14,7 (0,3) 12,7 (0,4) 6
483,1 (1,2) 14,6 (0,8) 12,7 (0,4) 10
2009.8 (0,2) 14,6 (0,2) 11,4 (0,6) 2
2010,2 (0,8) 12,9 (0,7) 11,0 (0,2) 10
5061.9 (0,8) 14,3 (0,6) 12,0 (0,2) 6
9642,4 (1,4) 13,9 (1,3) 11,7 (0,5) 6
Li Tab. n findet sich die gleiche Au&tellung für Chro-
noskop B. Die Federspannungen des Ankers sind oben 17 und
omten 10. Der Mittelwert sämtlicher Beobachtungen für Schluß
beträgt 14,18 a, m V = 0,66; die entsprechenden Werte für
Öffnung sind 12,08 und 0,55. Der negative Fehler der Chronos-
kopeinstellung beträgt für diese Einstellung 2,1 a. Ln XJbrigen
zeigen die Werte dieser Tabelle eine gute XJbereinstimmimg mit
denen der Tab. L Aus den Resultaten von insgesamt 108
.graphischen Bestimmungen für verschieden große Zeitwerte ziehen
wir den Schluß, daß die Latenzzeiten bei sehr kleinen
Zeiten (30 a) und bei sehr großen Zeiten (gegen
10 Sek.) unter sonst gleichen Bedingungen keine Ab-
weichungen zeigen.
Werden dagegen die wirksamen Faktoren — Pederspannung
und Stromstärke — geändert, so tritt auch eine Änderung der
Latenzzeiten ein. Eine Schwächung des Stromes bewirkt be-
kanntlich bei Benützung des Verfahrens mit Arbeitsstrom eine
Verkürzung der Zeitangabe des Chronoskopes, während sie bei
Ruhestrom eine Verlängerung der Zeiten bewirkt
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Tabelle HI.
aM
mV
Strom-
stärke
n
ArbeitB-
tttrom
155,6
145,2
127,8
0,9
1,3
2,5
10
5
3,4
10
10
10
Buhe-
strom
131,2
145,6
183,5
0,8
1,7
1,3
10
5
3,5
10
10
10
In Tab. HI findet sich eine derartige Zusammenstellung^
Es trat durch Stromschwächung bei Arbeitsstrom, eine maximale
Verkürzung um 27,8 a ein. Außerdem stieg hierbei die Streuung
der Einzelwerte. Mit der Stromstärke 3,4 bewegte sich der
Versuch bereits nahe der unteren Grenze, da bei Stromstärke
3,1 der Strom schon zu schwach war, um den Anker anzuziehen.
Bei Buhestrom steigt umgekehrt mit der Schwächung des Stromes
die Dauer der Chronoskopzeit und zwar im Maximum um 52,3 a.
Auch hier nimmt die mittlere Variation zu.
Diese Änderung der Zeitwerte ist vor allem auf die Ver-
längerung der Latenzzeit bei Stromschluß zurückzu-
führen.
Figur 8.
In Fig. 8 ist der Vorgang für Arbeitsstrom schematisch
dargestellt Auf der x- Achse (Abscisse) ist die Zeit angegeben.
1. Da mir ein geeignetes Amperemeter nicht zur YerfQgung stand,
ist die Yergleichsbestimmung mit Hülfe eines Voltmeters ausgeführt,
welches wie ein Amperemeter in den Stromkreis geschaltet wurde und
infolge dessen^ bei den Widerstandsänderungen das Verhältnis der ein-
zelnen Stromstärken angibt.
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268
Auf der y-Achse (Ordinate) die Wegstrecke d. h. die Entfernung
des Ankers g von dem Elektromagneten E, wenn sich der Anker
in seiner oberen Lage befindet (cfr. Fig. 1), welche bei dem
Chr. A 0,8 mm beträgt Bei 0,4 mm Entfernung läuft der
Zeiger mit In a findet Stromschluß statt Der Anker wird
gegen die Wirkung der oberen Feder angezogen, bis im Zeit-
punkt c der Zeiger mitläuft; a c ist demnach die negative
Latenzzeit für Stromschluß. Li b findet wieder Stromöffnung
statt, erst im Zeitpunkte d ist der Anker wieder soweit nach
oben gezogen, daß der Zeiger nicht mehr mitläuft, b d bildet
die positive Latenzzeit für Öffnung. Die Entfernung a b stellt
die absolute Zeit dar, c d die Chronoskopzeit, Bedingung ist
a c = b d. Tritt eine Stromschwächung ein, so ändert sich
hauptsächlich der ansteigende Ast der Kurve, während der Ab-
fall bei Stromöffnung eine geringere Änderung erfährt Die
negative Latenzzeit a ci hat sich erhöht um c Ci, während die
positive Latenzzeit b di sich um den kleineren Betrag di d ver-
kürzt hat Der Anker wird bei Stromschluß langsamer ange-
zogen, bei Öffnung rascher abgerissen. Die Chronoskopzeit sinkt
auf ci dl, hat sich also um den Betrag c ci + di d verringert.
Beide Änderungen wirken im Sinne einer Verkürzung der Chro-
noskopzeit
Der Kurvenverlauf selbst in dieser und den folgenden Zeich-
nungen ist nur näherungsweise angenommen, da wir vorerst nicht
wissen, wie die Gteschwindigkeitsänderungen der Ankerbewegungen
vor sich gehen. Auf keinen Fall ist der Verlauf des Anstiegen
und des Abfalles geradlinig.
Oß
<l»
m
i /,/
iK
/
/
Y
Ai
°|e b i
'
»1 *
Figur 9.
Anders liegen die Verhältnisse bei Ruhestrom. In Fig. 9-
ist der Vorgang schematisch wiedergegeben. Ln Zeitpunkte a-
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269
wird der Strom der oberen Elektromagnete geöffnet und der
Anker nach unten gerissen, bis im Punkte c der Zeiger läuft
Wir haben also eine negative Latenzzeit für Öffnung im Betrag von
a c. Im Punkte b wird der Strom wieder geschlossen, der Anker
bewegt sich nach oben, bis bei d der Zeiger ruhig steht Die
positive Latenzzeit b d entsteht hier bei Stromschluß. Statt der
absoluten Zeit a b gibt das Chronoskop die Zeit c d an.
Tritt eine Stromschwächung ein, so wird der Anker
nach der Stromöffnung in a rascher nach unten gerissen. Die
negative Latenzzeit veridirzt sich auf a Ci. Bei Stromschluß in
b wird der Anker langsamer als früher nach oben bewegt, die
positive Latenzzeit verlängert sich um d di, sie beträgt jetzt b di.
Beide Änderungen sowohl die der negativen wie die der positiven
Latenzzeit wirken hier im Sinne einer Verlängerung der
Angabe des Chronoskopes. Sie steigt von c d auf Ci di imd hat
sich um den Betrag ci c + d di verlängert
Der 2. Faktor, mit Hülfe dessen wir die Chronoskopzeiten
verändern können, ist die Federspannung.
Tabelle IV.
Feder
oben unten
aM
mV
n
I
13 9,5
157,7
1,0
10
ArbAitfl-
n
13
132,5
0,8
10
41 i H^VllO
ström
m
5
153,0
0,6
10
IV
5 2
177,7
9,9!
10
V
5 1,2
155,3
0,8
10
I
10,8 16,1
131,2
0,8
10
Euhe-
n
10,8 9
101,8
0,8
10
Strom
m
1 9
131,3
0,6
10
IV
1 20
139,0
1,0
10
In Tab. IV findet sich eine Zusammenstellung von Chro-
noskopzeiten, welche durch Änderung der Federspannung gewon-
nen wurden. Unter der Rubrik Feder oben, unten ist die Ein-
stellung der Spannung nach der Gradteilung der Exzentrik-Hebel
des Chronoskopes eingeschrieben. Es bewirkt bei Arbeits-
strom eine Schwächung der unteren Federspannung (XJbergang
von I zu IE und von IV auf V) eine Verkürzung der Chronos-
kopzeit, umgekehrt läßt sich durch Schwächung der oberen Feder-
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270
Spannung (11 zu TU) eine Verlängerung der Chronoskopzeit bewirken.
Dabei zeigen die bei gleicher Stromstärke, aber verschiedener
Federspannung erhaltenen Werte von I, TTT, und V nahezu den
gleichen Betrag (157,7 a, 153,0 und 155,3 a), wobei auch die
Streuung keine erheblichen Unterschiede aufweist Letztere ist
recht erheblich bei der langen Zeit von 177,7 a, wo die Spannung
der oberen Feder gegenüber der Spannung der unteren Feder
zu schwach war, so daß der Zeiger des Chronoskopes bei Öff-
nung des Stromes nicht selten »gesprungen« ist, d. h. kurze Zeit
hielt, wieder weiter lief und dann erst definitiv zur Euhe kam.
Das Maximum der Veränderung der Chronoskopangabe beträgt
45,2 a.
Bei Buhestrom beträgt dieses Maximum 37,2 a. Aus der
Betrachtung der T ab. IV geht hervor, daß im (Gegensatz zur Än-
derung der Stromstärke die Änderung der Federspannung im glei-
chen Sinne wirkt bei Arbeitsstrom und bei Buhestrom. So bedingt
die Schwächung der unteren Federspannung auch bei Buhestrom
eine Verkürzung der Chronoskopzeit (Übergang von I auf II
und von IV auf HI), wahrend die Schwächung der oberen Feder-
spannung eine Verlängerung der Chronoskopzeit nach sich zieht
Auch hier sind zwei annähernd gleiche Zeiten gegeben (131,2
und 131,3 a), die bei sehr verschiedenen Federspannungen er-
halten wurden, ohne daß die Streuungen der Einzelwerte erheblich
von einander abweichen.
Aus den Feststellungen der Tab. IV ergibt sich daß es
nicht auf die absolute Stärke der Federspannung an-
kommt, sondern auf ihr gegenseitiges Stärkeverhältnis.
Es können gleiche Zeiten mit annähernd gleich
geringer Streuung bei sehr verschiedener Federspan-
nung erhalten werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß unter Umständen schon
eine sehr geringe Änderung der Federspannung eine erhebliche
Änderung der Chronoskopzeit bedingen kann (vergL z. B. Tab. IV,
Übergang von IV auf V).
In Fig. 10 ist die Änderung dargestellt, welche der Kurven-
verlauf durch Änderung der Federspannung bei Arbeitsstrom
erleidet, und zwar der Fall, bei dem die untere Feder-
spannung verstärkt wird. Die negative Latenzzeit sinkt
auf a Ci, die positive Latenzzeit steigt von b d auf b di. Die
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271
<i»
Vt
x:ic
Figur 10.
Chronoskopzeit steigt von c d auf ci di, beide Änderungen wirken
im Sinne einer Verlängerung der Chronoskopzeit Umgekehrt
wirkt natürlich die Schwächung der unteren Federspannung.
In Fig. 11 ist die Änderung der oberen Federspan-^
nung dargestellt und zwar für den Fall, daß die obere Feder-
spannung verstärkt wird. Die negative Latenzzeit steigt auf
a ci, die positive Latenzzeit fallt auf b di. Die Chronoskopzeit
verkürzt sich von c d auf ci di. Beide Änderungen wirken im
Sinne einer Verkürzung der Chronoskopzeit Umgekehrt wirkt
die Schwächung der oberen Federspannung. So kommt es, daß
Schwächung der oberen Federspannung und Verstärkung der
unteren Federspannung den gleichen Erfolg haben, nämlich eine
Verlängerung der Chronoskopzeit
Fig. 12 und Fig. 13 veranschaulichen diese Verhältnisse^
für Ruhestrom. Durch Verstärkung der unteren Feder-
spannung (Fig. 12) wird die Chronoskopzeit verlängert Sie steigt
von c d auf ci di (vergL Tab. IV, Übergang von 11 auf I und
von in auf IV bei Ruhestrom), also Verkürzung der negativen
und Verlängerung der positiven Latenzzeit
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272
et«
(^
Figur 12.
V
a4
xf -c o b
Figur 13.
Durch Verstärkung der oberen Federspannung (Fig. 13)
wird eine Verkürzung der Chronoskopzeit bewirkt Sie sinkt
von c d auf ci di (vergl. Tab. IV, Übergang von IH auf II),
also Verlängerung der negativen und Verkürzung der positiven
Latenzzeit
Aus den Figuren ergibt sich ein analoges Verhalten bei
Fig. 8 und Fig. 11. Dasselbe läßt sich auch aus den Tab. m
und IV ersehen. Bei Arbeitsstrom wirken Stromschwächung und
Verstärkung der oberen Federspannung in gleichem Sinne, sie
bewirken eine Verkürzung der Chronoskopzeit; umgekehrt be-
wirken Stromverstärkung und Verstärkung der unteren Feder-
spannimg beziehw. Schwächimg der oberen Federspannung eine
Verlängerung der Chronoskopzeit
Bei Ruhestrom bewirkt Stromschwächung imd Verstärkung
der unteren Federspannung eine Verlängerung der Chronoskop-
zeit (Fig. 9 und 12) u. s. w.
Das geschilderte Verhalten ist der regelmäßige Befund. Da
aber, wie oben angedeutet, der Verlauf der ansteigenden und ab-
steigenden Kurvenäste kein geradliniger ist, so können in seltenen
Fallen auch Ausnahmen von dem regulären Verhalten eintreten,
auf die ich jedoch nicht eingehe.
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273
) auf
MI
Die Richtigkeit der gemachten Ausfühningen ergibt sich
aus den graphischen Bestimmungen der Latenzzeiten
unten den verschiedenen in Betracht kommenden Umständen.
Wir wenden uns zuerst zu den Versuchen, welche durch Ände-
rung der Federspannung eine Veränderung der Latenzzeiten«
nach sich ziehen. Li Tab. V sind die Verhaltnisse verwiridicht,
wie sie in Fig. 10 schematisch dargestellt sind, nämlich eine zu-
nehmende Verstärkung der unteren Federspannung
Entsprechend den früheren Ausführungen zeigt sich von I zu IE
zu m eine allmählich zunehmende Verkürzung der Latenzzeit
für Schluß. Wenn wir die Mittelwerte von IE und HI berech-
nen, so sind die Werte 15,6 : 14,18 : 10,25. Das Gtefalle ist
gering, am stärksten beim Übergang von IE : UI. Die mittleren
Variationen zeigen keine besonderen Unterschiede. Umgekehrt
steigen die Werte für Öffnung mit der zunehmenden Ver-
stärkung der unteren Feder und zwar in beträchtlich stärkerem
Grade. Die Werte sind 10,2 : 12,08 : 20,5. Besonders ausgeprägt
ist der Einfluß der Federspannung auch hier beim Übergang
von n zu in. Die stärkere Spannung scheint ihren Einfluß
in besonderem Maße geltend zu machen. Unterschiede in den
Streuungen der Einzelwerte sind nicht vorhanden.
Tabelle
V.
Chronogr.Zeit
Schluß
Öffnung
n
1
Feder
482,0 (1,0)
15,6 (1,2)
10,2 (0,4)
4
oben 17 unten
90,7 (1,1)
13,1 (0,3)
12,4 (0,4)
10
95,4 (0,8)
15,3 (0,9)
12,7 (0,4)
6
n
95,5 (0,8)
14,7 (0,3)
12,7 (0,4)
6
XX
F^rlpr
483,1 (1,2)
14,6 (0,8)
12,7 (0,4)
10
X t? u. t; 1
nliPTi 1 7 iinfPTi 1
2009,8 (0,2)
14,6 (0,2)
11,4 (0,6)
2
VlU^JU. X • UJjLI^IX XV
2010,2 (0,8)
12,9 (0,7)
11,0 (0,2)
10
5061,9 (0,8)
14,3 (0,6)
12,0 (0,2)
6
9642,4 (1,4)
13,9 (1,3)
11,7 (0.5)
6
m
Feder
482,6 (0,9)
10,1 (1,6)
21,1 (0,8)
9
oben 17 unten 16,5
2002,1 (2,7)
10,4 0,3)
19,9 (0,2)
6
Zu bemerken ist, daß der von uns oben aufgestellte Satz,
Aeh, WUlenrt&tigkeit. 18
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274
daß die Latenzzeiteii bei verschiedener Größe der
Zeiten keine Abweichungen zeigen, wie aus 11 und HI hervor-
gehty auch für die bei verschiedener Federspannung, also unter
geänderten Bedingungen gewonnenen Weartd gilt
Tabelle VI.
Cbronogr.Zeit
Schluß
Öffnung
n
94,9 (0,4)
10,2 (0,5)
20,4 (0,3)
10
I
94,8 (0,5)
10,7 (0,7)
20,3 (0,3)
7
Feder
483,9 (0,6)
10,8 (0,6)
19,5 (0,9)
9
oben 10,5 unten 10
2010,6 (0,7)
11,4 (0,6)
20,4 (0,5)
10
9642,1 (0,9)
10,5 (0,6)
20,2 (0,6)
6
90,7 (1,1)
13,1 (0,3)
12,4 (0,4)
10
n
483,1 (1,2)
14,6 (0,8)
12,7 (0,4)
10
Feder
2010,2 (0,8)
12,9 (0,7)
11,0 (0,2 1
10
oben 17, unten 10
5061,9 (0,8)
14,3 (0,6)
12,0 (0,2)
6
9642,4 (1,4)
13,9 (1,3)
11,7 (0,5
6
In Tab. YL sind die Verhältnisse empirisch untersudit,
welche sich bei Verstärkung der oberen Federspannung
zeigen, also die Bedingungen verwirklicht, welche in Fig. 11 ver-
anschaulicht sind^. Hier steigt die negative Latenzzeit bei Strom-
schluß von 10,72 auf 14,18 an, dagegen sinken die positiven Latenz-
zeiten bei Stromöffnung von 20,16 auf 12,08. Auch hier finden
sich keine Unterschiede der geringen Streuungen. Die Prüfung
des Chronoskopes ergibt also die nämlichen Verhältnisse wie sie
oben theoretisch aus einander gesetzt wurden. Weitere Unter-
suchungen z. B. Schwächung der oberen Federspannung ergaben
bestätigende Befunde.
Wir können demnach sagen, die durch Verstärkung
der unteren Federspannung bedingte Verlängerung
der Chronoskopzeit bei Arbeitsstrom ist auf eine
Verkürzung der negativen Latenzzeit (bei Stromschluß)
und auf eine Verlängerung der positiven Latenzzeit
(bei Stromöffnung) zurückzuführen. Der Betrag der
1. Die Werte der Bubrik II sind identisch mit denen der Babrik II
der Tab. V, doch ist der Kürze halber nur ein Teil der Werte in die
Tab. VI aufgenommen. Zur Berechnung der Mittelwerte sind jedoch
sämtliche Werte verwendet.
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275
letzteren ist größer als derjenige der Verkürzung. Beide
Änderungen — Verkürzung der negativen und Ver-
längerung der positiven Latenzzeit — wirken im Sinne
-einer Verlängerung der Chrono&kopzeit
Umgekehrt wird die durch Verstärkung der oberen
Pederspannung bedingte Verkürzung der Chronoskop-
:zeit durch eine Verlängerung der negativen Latenzzeit
und durch eine Verkürzung der positiven Latenzzeit
hedingt Auch hier ist die letztere größer. Beide
wirken im Sinne einer Verkürzung der Chronoskop-
Angabe.
Was die experimentelle Prüfung der Änderung der Latenz-
2dten bei verschiedenen Stromstärken betrifft, so liegöi
Äuch hierüber Untersuchungen vor. Während die Untersuchimgen
mit Änderung der Federspannung an Chr. B v<»:genommai
wurden, wurden diese Versuche an Chr. A ausgeführt
Tabelle VIL
Chronogr. Zeit
Schluß
Öffnung
n
I
30,4 (0,4)
12,5 (0,5)
9,2 (0,3)
10
1700hm
128,3 (0,8)
11,7 (1,1)
9,8 (0,8)
10
556,8 (0,3)
13,5 (0,7)
10,6 (0,6)
8
1311,2 (0,8)
12,6 (0,7)
11,6 (0,7)
4
2085,9 (0,6)
12,1 (1,2)
10,0 (1,2)
10
3611,2 (1,6)
12,0 (1,5)
10,0 (1,1)
9
9416,0 {—)
12,0 (— )
8,0 (-)
1
n
99,8 (0,6)
16,9 (0,2)
7,5 (0,4)
10
470Ohni
327,2 (0,4)
18,8 (0,6)
7,9 (0,3)
10
1847,2 (0,4)
17,7 (0,7)
8,4 (0,2)
3
1846,8 (0,9)
16,8 (0,7)
6,0 (0,1)
9
Li Tab. VII sind die Verhältnisse vorgeführt, die sich er-
;geben, wenn bei Arbeitsstrom durch Stromschwächung eine
Verkürzung der Chronoskopzeit herbeigeführt wird. Die
Schwächung des Stromes wurde in der Weise bewirkt, daß in
den Stromkreis der Meidinger-Batterie statt 170 Ohm bei I
470 Ohm bei IE eingeschaltet wurden. Die BetrachtuQg der
Tab. ergibt, daß durch die Stromschwächung eine Verlängerung
der Latenzzeit für Stromschluß einzutreten ist Sie ist im
Mittel von 12,34 u auf 17,55 gestiegen. Dagegen ist bei der
18*
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276
Latenzzeit für Öffnung eine Verkürzuug eingetreten. Sie ist
im Mittel von 9,89 a auf 7,45 gefallen. Es zeigen sich also
dieselben Verhältnisse, wie sie in Fig. 8 schematisch dargestellt
sind. Bemerkenswert ist, daß die Yerlängenmg der negativen
Latenzzeit stäiker ist als die Verkürzmig der positiven Latenz-
zeit
Bei Arbeitsstrom wird die durch Stromschwächung
bewirkte Verkürzung der Chronoskopzeiten dadurch
bedingt, daß die negative Latenzzeit (bei Stromschluß)
sich verlängert, während sich die positive Latenzzeit
(bei Stromöffnung) verkürzt und zwar ist der Betrag
der Verlängerung größer als derjenige der Verkürzung.
Beide Änderungen wirken im Sinne einer Verkürzung
der Chronoskop-Angabe. Umgekehrte Verhältnisse zeigen
sich natürlich bei Stromverstärkung.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden wirk-
samen Faktoren lie^ darin, daß die Änderung der Stromstärke
hauptsächlich eine Änderung derjenigen Latenzzeit herbeiführt^
welche bei Stromschluß entsteht, während lungekehrt die Ände-
rung der Federspannung vor allem die Änderung der Latenzzeit
für Stromöffnung bedingt Durch geeignetes Variieren
der beiden Faktoren sind wir demnach in der Lage,
die Latenzzeiten für Schluß und Öffnung einander
gleich zu machen. Die Bedingungen, unter denen dies durch-
zuführen ist lassen sich nur durch die Bestimmung der Latenz-
zeiten festlegen. Sie können bei sehr verschiedener Faden-
spannung und Stromstärke verwirklicht sein. Wir haben bei
der Einstellung darauf zu achten, daß einerseits die Streuung
der Einzelwerte gering ist, sowie daß andererseits die Beträge
der Latenzzeiten nicht zu groß sind. Hierauf ist besonders
dann Gewicht zu legen, wenn durch das Ohronoskop sehr
kleine Zeiten zu messen sind. Tatsächlich können bei gün-
stiger Einstellung sehr geringe Beträge noch exakt bestimmt
werden. So betrug bei einer derartigen Einstellung das aritii-
metische Mittel aus 10 Ablesungen nur 15,1 er, bei einer mitt-
leren Variation von 0,4 cj. Die entsprechenden Werte am Chrono-
graphen sind aM = 14,7(7 und mV == 0,4. Die Latenzzeit
für Schluß 3,1 (0,2), die für Öffnung 2,5 <; (0,2). Prinzipiell
kann der Ohronoskop benutzt werden bei Beträgen, welche
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277
größer sind als die Latenzzeit für Schluß bei Arbeitsstrom (be-
ziehw. für Öffnung bei Euhestrom). Doch ist es im allgemeinen
nicht ratsam^ sich sehr nahe an der Schwelle zu bewegen. Das
Auftreten einer großen mV zeigt uns an, daß wir uns dieser
Grenze genähert haben, sofern bei längeren Zeiten und gleicher
Stromstärise und Federq)annung derartige Streuungen nicht zur
Beobachtung kamen. Aus den früheren Darlegungen ergibt
sich auch, warum wir nicht bis zu Zeiten heruntergehen können,
welche eben größer sind als die Latenzzeiten bei Stromschluß
bezw. Stromöffnung. Wenn wir z. B. die Fig. 8 betrachten,
so sehen wir unmittelbar, daß es nicht gleichgültig ist, ob bereits
dann eine Stromöffnung eintritt, wenn sich der Anker in der
Strecke Ton 0,4 bis 0,8 mm befindet, also seine Bewegung über-
haupt noch nicht abgeschlossen ist ^^Hier unterliegt bei Arbeits-
strom vor allem die Latenzzeit für Öffnung und bei Buhestrom
die für Schluß sehr großen Schwankungen. Im allgemeinen
kann man annehmen, daß eine Zeit von 30 a die untere
Grenze für die Benützung des Chronoskopes bildet
Doch können, wie oben angegeben, unter besonderen Umständen
auch noch kleinere Zeiten exakt bestimmt werden.
Da die Latenzzeiten relativ klein sind, so ist die Gefahr,
daß während derselben wieder Stromschluß oder Stromöffnung
eintritt, nur gering. Das Verwendungsgebiet des Chronoskopes
ist nach unten größer als man früher angenommen hat Nach
oben hin besteht überhaupt nur durch das Ablaufen der Uhr
eine Beschränkung.
Wenn uns graphische Methoden zur Bestimmung der
Latenzzeiten nicht zu Gebote stehen, so haben wir doch ein
Mittel, um uns darüber zu vergewissem, ob bei der gegebenen
Einstellung große Latenzzeiten z. B. von 20 <j und mehr vor-
liegen. Wir stellen eine sehr kleine Zeit mit Hülfe der Pendel-
Zusatzeinrichtung ein z. B. zwischen 20 und 30 a. Treten jetzt
im Gegensatz zu vorhergegangenen Bestimmungen große Streu-
ungen der Einzelwerte au:^ so haben wir es mit großen Latenz*
Zeiten zu tun.
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278
c) Die allgemeine Kentrelle.
Da die Latenzzeiten des Chronoskopes dieselben sind bei
Ueinen und großen 2ieiträiimen, sollten auch^ sofern das Chro-
noskop richtig geht, die Angaben des CShronoskopes bei diesen
verschiedenen Intervallen um den gleichen Betrag von der ab-
soluten graphisch bestimmten Zeit abweichen. Dies ist aber
nicht der Fall, wie em Blick auf die Tabelle VIII zeigt (Chr.
A, Federspannung: oben 13, unten 9,5. Stromquelle: 16 große
Meidingerelemente bei a 170 Ohm Widerstand im Stromkreise
des Chronoskopes, bei ß 470 Ohm Widerstand, vgl Tab. VII,
bei y wieder 170 Ohm, aber Verstarinmg der unteren Feder
auf 11.) In allen 3 RQlen zeigt sich eine mit der Dauer der
zu messenden Zeit wachsende Differenz zwischen Chronoskop-
und Chronographenzeit Diese Differenz ist einerseits direkt
berechnet, andererseits durch graphische Interpolation gewonnen,
worauf wir unten noch zu sprechen kommen. Dabei ist die
Größenordnung dieser Differenz in den 3 verschiedenen Fallen
durchaus verschieden. Während sie bei y positives Vorzeichen
hat, ist sie bei ß negativ und bei a ist sie zuerst negativ, um
dann bei den höheren Zeitwerten positiv zu werden. Es zeigt
sich also mit Ausnahme des jeweils steigenden Charakters dieser
Differenz kein einheitliches Verhalten in dem Abweichen der
Chronoskop-Angaben von den absoluten Zeiten.
Tabelle VIH
Zeit
Differenz
a
Chronoskop.
1) 126,5 (1,6)
2) 554,1 (0,9)
3) 1310,8 (0,8)
4) 2088,6 (0,9)
5) 3620,7 (1,3)
6) 9940,0 (— )
Graphische
128,3 (0,8)
556,8 (0,3)
1311,2 (0,8)
2085,9 (0,6)
3611,2 (1,6)
9416,0 (— )
Beredmet
- 13
- 2,7
- 0,4
+ 2,7
+ 9,5
+ 24,0
waph.
interpoliert
- 3,2
- 1,8
+ 0,5
+ 3,0
+ 7,8
+ 26,3
n
10
8
4
10
9
1
ß
1) 316,8 (0,8)
2) 1841,9 (0,8)
327,2 (0,4)
1847,0 (0,7)
— 10,4
- 5,1
— 10,1
- 5,2
10
12
y
1) 341,7 (2,1)
2) 1871,3 (2,6)
321,6 (0,5)
1843,6 (0,5)
+ 20,1
+ 27,7
+ 22,0
+ 26,8
9
3
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279
Ein ähnliches Verhalten findet sich für Chr. B in der nächsten
Tabelle IX. In allen 3 Fällen (1, 11, HI) ist die Strom^Ärke
gleich. Dagegen zeigt die Federspannung Änderungen. Sie
beträgt bei I oben 17 unten 10; bei IE oben 10,5 unten 10
(Schwächung der oberen Feder); bei HE oben 21, unten 0,
(vgl. Tabellen V u. VI). Auch hier findet sich keine kon-
stante Differenz zwischen CShronoskopzeit und absoluter Zeit
Während diese Differenz bei Chr. A. stets zunahm, nimmt sie
hier stetig ab. Dabei zeigen auch hier die drei unter sonst
gleichen Umständen ausgeführten Vergleichsmessungen 1, 11 und HE
erhebliche Unterschiede im absoluten Betrag der Differenz für
eine bestimmte Zeitdauer z. B. für die Zeit von 2010 a, nämlich
— 0,5 a, + 13,1 a und — 5,7 a.
Tabelle IX.
Zeit
Differenz
I
Chronoskop
1) 99,0 (0,3)
2) 486,6 (0,7)
3) 2009,7 (0,6)
4) 5053,3 (1,2)
5) 9617,3 (0,5)
Graphische
95,4 (0,7)
483,1 (1,2)
2010,2 (0,8)
5061,9 (0,8)
9642,4 (1,4)
Berechnet
+ 3,6
+ 3,5
— 0,5
— 8,6
— 25,1
Graphisch
interpoliert
+ 6,1
+ 4,8
— 0,4
— 10,6
— 26,0
n
6
10
10
6
6
n
1) 117,4(4,4)
2) 504,0 (4,0)
3) 2023,7 (2,3)
4) 9629,2 (1,6)
94,9 (0,4)
483,9 (0,6)
2010,6 (0,7)
9642,2 (0,9)
+ 22,5
+ 20,1
+ 13,1
— 13,0
+ 20,2
+ 18,9
+ 13,7
— 11,8
10
9
10
6
III
1) 482,6 (0,5)
2) 2004,3 (1,1)
481,6 (1,1)
2010,0 (2,4)
+ 1,0
- 5,7
+ 0,2
— 5,0
5
4
In der Figur 14 ist die graphische Interpolation der ein-
zelnen Beobachtungen durchgeführt Auf der Abscisse ist die
Chronographenzeit von bis 10 000 (X aufgeführt Auf dey
Ordinate sind im 100 fach größeren Maßstabe die Abweichungen
der CShronoskopzeit von bis 30 o angegeben. Mit a, ß, y sind
der Tabelle VIII entsprechend die am Chr. A beobachteten
Werte eingezeichnet*. Die interpolierten Linien a, ß und y haben
einen ansteigenden, nahezu parallelen Verlauf d. h. die Differenzen
1. Durch kleine schwarze Pankte angedeutet.
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280
nehmen mit der zu messenden Zeit in allen 3 Fällen naheza
um den gleichen Betrag stetig zu.
/
T
4-
o /
— 1 —
Figur 14.
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281
Mit I; n und m sind die Beobachtungen des Chr. B be-
zeichnete Die zugehörigen interpolierten Linien sind in Strich-
Punkt ausgeführt Sie verlaufen ebenfalls nahezu parallel, zeigen
jedoch einen fallenden Typus. Die Differenzen zwischen Chro-
noskopzeit und absoluter Zeit sind auch hier in allen 8 Fällen
gleich, ndunen aber stetig ab.
Die Differenz bildet demnach bei Chr. A eine wachsende
lineare Funktion der Zeit, bei Chr. B eine abnehmende hneare
Funktion, oder wenn wir die Ordinate mit y und die Abscisse
mit X bezeichnen, so ist y = px -|- q, wobei p eine Konstante
ist, die bei Chr. A positiv, bei Chr. B negativ ist* und q eine
Funktion der Stromstärke und Federspannung bildet Ist q = o,
dann besteht die ideelle Einstellung des Chronoskopes, d. h.
positive und negative Latenzzeit sind gleich und es ist nur
der konstante Fehler p wirksam. Ist q und p gleich Null,
dann ist y = gleich 0, d. h. das Chronoskop gibt für jeden
Wert von x die richtige Zeit an. Wir wollen im folgenden
q als den konstanten Fehler der Einstellung und p als
den konstanten Fehler der allgemeinen Kontrolle be-
zeichen.
Die größten Abweichungen zwischen den beobachteten und
den interpolierten Werten betragen bei Chr. A a = 2,3 (x,
^ = 0,3cj, y = 0,9 CT, bei Chr. B I = 2,5<t, 11 = 2,3 u,
in = 0,8 (7. Dabei treffen diese Maxima in 5 Fällen auf den
kleinsten chronographischen Wert, in einem Fall (Aa) auf den
größten. Diese Abweichungen fallen in Anbetracht der mannig-
fachen Fehlerquellen vollkommen in die Grenzen der Beob-
achtungsfehler. Als solche sind zu nennen: die Fehler bei
der Einstellung auf die Gleichzeitigkeit der Signale, die
Ablesungsfehler der chronographischen Werte, der Latenzzeiten
der Signale, die Ablesungsfehler des Chronoskopes, geringe Un-
gleichmäßigkeiten im Gunge des Pendels, Unterschiede in den
Beilhrungsflächen der Kontakte, die elastische Nachwiikung der
verschiedenen Federn u. dergL, so daß ihre Summation unter
Umständen die Größe von 2,5 er erreichen konnte. Gegenüber
1. Darch kleine Kreise angedeutet.
2. p ist bei Chr. A, wie wir sehen werden, für je 1000 a = 3,17 <r
und bei Chr. B = — 8,88 <r.
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282
diesen Abweichimgen und der relativ geringen 2ialil der ein-
zelnen Beobachtongen gibt uns die Gleichmäßigkeit des Ver-
laufes der Interpolationen für die verschiedenen Versuche hin^
reichend Oewi£heit für die Richtigkeit der Messungen.
Tabelle X.
Zeit in a
Differenz I
Differenz IE
a
— a,6
1000
- 0,4
3,2
2000
+ 2,8
3,2
3000
+ 5,9
3,1
4000
+ 9,1
3,2
5000
+ 12,2
3,1
9000
+ 25,1
10000
+ 28,2
3,1
ß^
-11,1
1000
- 7,9
3,2
2000
- 4,8
3,1
3000
- 1,6
3,2
4000
+ 1,6
3,2
y
+ 21,0
1000
+ 24,2
3,2
2000
+ 27,4
3,2
Aus Tabelle X sind für Chr. A die Differenzen zwischei^
der absoluten Zeit und den interpolierten Werten der Chronoskop-
Angaben (Differenz I) für a, 1000 o, 2000 a u. s. w. aufgeführt^
außerdem sind die Differenzen (Differenz 11) dieser einzelnen
einander folgenden Werte angegeben. Wird aus diesen letzteren
Differenzen der Mittelwert — die Steigung — berechnet, so^
bewegt sich diese Steigung sowohl bei a, wie ß und y zwischen
3,1 und 3,2(1 für je 1000 u. Der Mittelwert aus sämtlichen
angeführten 12 Werten beträgt 3,17 a. Wir haben hier den
Wert von p für je 1000 a. Dagegen ist die Abweichung der
Chronoskopzeit von der absoluten Zeit unter den verschiedenen
Verhältnissen durchaus nicht einheitiich. So beträgt diese Ab-
weichung für 1000(7 bei a — 0,4 (X, bei ß — 7,9 er und bei
y + 24,2 G. Die Abweichung ändert sich also mit der Änderung
der Stromstärke und Federspannung. Der konstante Fehler der-
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283
Emstellung q ist eine Funktioii der Stromstärke und Feder-
sf^annting. Dementsprechend ist auch die Lage des Kreuzungs-
punktes, d. h. desjenigen Punktes, bei dem für die betreffende
Stromstärke und Federspannung die Angabe des Chronoskopes-
mit der absoluten Zdt übereinstimmt, verschoben« Derselbe
liegt für o ungefähr bei 1100a, für /J bei 3480 <y und für y bei
— 6880 er.
Tabelle XI.
Zeit in a
Differenz I
Differenz 11
I
+ 6,4
1000
+ 3,0
3,4
2000
- 0,4
3,4
3000
— 3,75
3,35
4000
- 7,1
3,35
5000
— 10,5
3,4
9000
*23,8
10000
— 27,2
3,4
n
+ 20,5
1000
+ 17,1
3,4
2000
+ 13,8
3,3
3000
+ 10,4
3,4
4000
+ 7,0
3,4
5000
+ 3,7
3,3
m
+ 1,8
1000
- 1,6
3,4
2000
— 5,0
3,4
3000
- 8,4
3,4
In Tabelle XI sind die der Tabelle X entsprechenden
Werte für das Chr. B aufgeführt Die unter DifL IE ange-
gebenen Werte, welche das Gefälle für je 1000 u angeben, srud
auch hier konstant Sie bewegen sich zwischen 3,3 und 3,4(7.
Der Mittelwert sämtlicher 14 Differenzen bsträgt 3,38 a, d. h,
der konstante Fehler der allgemeinen Kontrolle p beträgt für
je 1000 a hier — 3,38 <;. Die Differenz I, die Abweichung
zwischen Chronoskopzeit und chronographischer Zeit ist dagegen
von verschiedener Größenordnung unter dem Einflüsse der ge-
änderten Federspannungen. Die Abweichungen betragen für
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284
1000 CT bei I +3,0a, bei 11 + 17,1 a und bei m — l,6ör.
Der konstante Fehler der Einstellung q ist, wie schon aus
Tabelle X y hervorgeht, eine Funktion der Federspannung.
Die Lage der Ejreuzungspunkte ist für I ungefähr bei 1890 a,
für n bei 6100 a und für m bei 530 a.
Die Ursache für die konstanten Fehler p der beiden
Ohronoskope, welche bei A für je 1000 a + 3,17 a und bei B
— 3,38 a betragen, kann einerseits darin liegen, daß Chronoskop
A zu rasch geht, Chronoskop B dagegen zu langsam, sie kann
andererseits aber auch ihre Ursache in der zur Bestimmung der
graphischen Werte benützten Stimmgabel haben, wenigstens
wäre hieran zu denken, wenn nur ein Chronoskop untersucht
worden wäre. Daß beide Chronoskope einen verschiedenartigen
Fehler aufweisen, spricht allerdings dagegen, daß die Ursache
des verschiedenartigen Verhaltens in der Stimmgabel, welche
250 Schwingungen in der Sek. anzeigen soll, zu suchen sei.
Nach der Untersuchung des Chr. A prüfte ich im Institut für
techn. Physik in Gtöttingen die Stinmigabel mit Hülfe einer
astronomisch regulierten elektrischen XJhr, welche jede Sekunde
Kontakt anzeigt Es zeigten sich bei drei Messungen jedesmal
statt 10000 a 9998 a, so daß man die Stimmgabel mit dem ge-
ringen negativen Fehler von 0,02 ^/o als richtig gehend bezeichnen
kann. Ein gleichzeitig in ^s Sekunden schreibendes gn^hisches
Chronometer nach Jaquet hatte einen positiven Fehler von
4 a (— 0,04 <^/o)^ Eine Yeigleichsuntersuchung der Stimmgabel,
bei der die Schreibfeder (Eupferblättchen) stark an das berußte
Papier ausgedrückt war, zeigte keinen Unterschied der Schwin-
gungszahL
Demnach folgt, daß tatsächlich das Uhrwerk der beiden
Chronoskope nicht richtig geht, daß das Chr. A zu rasdi und
Chr. B zu langsam geht Schon bei früheren Untersuchungen
konnte ein falscher Gang von Chronoskopen gefunden werden.
So haben Müller und Schumann festgestellt, daß das von
ihnen untersuchte Chronoskop für je 1000 a einen positiven
1. Das von Mechaniker Banne in Heidelberg montierte Chrono-
meter ging also für Fünftelsekunden erheblich richtiger als die von
Ebbinghans (Zeitschr. f. Psych., Bd. 30, 8. 298 Anm.) untersuchten
beiden Instramente.
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285
Fehler von 14,64a zeigt Auch Külpe und Kirschmann»
weisen darauf hin, daß das von ihnen benutzte Chronoskop nicht
richtig ging. In beiden Fallen scheint der Gang des Chronos-
kopes erheblich unrichtiger als bei unseren beiden Chronoskopen^
welche* beide von Mechaniker F. Eunne in Heidelberg montiert
sind.
Müller und Schumann haben außerdem bei ihren Unter*
suchungen gefunden, daß, wenn ein richtig gehendes Chronoskop
auf eine kurze 2ieit richtig eingestellt ist, dasselbe auch für
viel größere Zeiten richtige Werte angibt, und daß fehlerhafte
Einstellungen bei großen Zeiten denselben Betrag aufweisen
wie bei kleinen Zeiten, also dieselben Verixältnisse , wie wir sie
für Arbeitsstrom festgelegt haben. Die Tatsache, daß eine
fehlerhafte Einstellung die gleiche Abweichung für verschiedene
Zeiten bedingt, wurde auch schon von Berg er« festgestellt
Die vorliegenden Besultate werfen auch einiges Licht auf
die Ergebnisse der von Külpe und Kirschmann ausgeführten
Untersuchungen, wenigstens sofern wir die eine Versuchsreihe
dieser Autoren, bei der mit Stromschwächung (Nebenleitung)
gearbeitet wurde, heranziehen. Es zeigten sich dieselben Ver-
hältnisse, wie wir sie z. B. bei Chr. A unter a haben, d. h. bei
kleinen Zeiten war ein negativer Fehler zu beobachten, bei
großen ein positiver, und zwar nehmen die Fehler an absoluter
Größe nach beiden Seiten hin zu. Der Kreuzungspunkt lag un-
gefähr bei 160 (J. Das Chronoskop ging zu rasch und zwar
recht beträchtlich, da bei 616 a der positive Fehler bereits 61,9 a
betrug.
Wenn R Sommer (Ergebn. d. Physiol., 2. Jahrg., 11. Abt
1903, S. 697) auf Grund seiner Untersuchungen ausführt:
:» Keinesfalls läßt sich bei allen diesen Versuchen ein progressiver,
mit der Dauer der Einschaltung des Uhrstromes wachsender
Fehler nachweisen 4c , so widerspricht dies nicht nur meinen
Messungen, sondern allen übrigen Untersuchungen, z. B. denen
von Gr. E. Müller und Schumann, Külpe und Kirsch-
mann. Es ist wohl möglich, daß das spezielle von S. benützte
1. Kalpe und Kirsch mann, Philos. Stud., Bd, VIIL, S. 145ff:
1893.
2. G. 0. Berger, Philos. Stud., Bd. HI, S. 88 ff., 1886.
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286
Ohronoakop mit sechs Minuten langer Lau^it, das von Hipps
iNadifolger auf eigene Bestellung gebaut wurde, besonders gut
geht Ob es aber überhaupt richtig geht, ergibt sich nicht aus
den S.schen Feststellungen. So sagt er S. 697: »Hat man
nach dem Sekundenpendel den Uhrgang so reguliert, so daß auf
eine Sekunde 1000a angezeigt werden, so stimmen bei Ein-
^schaltung des Fallapparates die beobachteten Fallzeiten mit den
theoretisch zu erwartenden bis auf wenige a vib&cem.^ In diesen
wenigen a kann ein durdi einen falschen Gang der Uhr be-
ilingter Fehler vorliegen. Erst der Vergleich mit viel länger^i
Zeiten, als sie S. benützte, kann bei den yorhandenen Fehler-
quellen (abgesehen von den Ablesefehlem, die EinsteUungsfehl^
des Sekundenpendels, des Fallapparates u. s. w.) Gtewißkeit
4arüber geben, ob die Uhr richtig geht Es muß dies besonders
deswegen betont werden, weil S. annimmt, daß die Einstellung
der Chronoskopzeit nach dem Sekundenpendel hinreichend sei
für die Kontrolle des Chronoskopes.
Aus den von mir gemachten Ausführungen geht unzweideutig
hervor, daß die Zeitangaben des Chronoskopes wenigstens
einmal mit verschieden langen absoluten Zeitwerten ver-
glichen werden müssen, um Fehler, welche aus Ungenauig-
keiten der technischen Konstruktion resultieren oder durch die
Jlegulierfeder des Chronoskopes veranlaßt sind, zu bestimmen.
Neben diesem durch die allgemeine Kontrolle des Chronoskopes
festzulegenden Fehler p, der nur darüber Aufechluß gibt, ob die
Uhr zu rasch oder zu langsam geht, ist außerdem noch die
Bestimmung der Latenzzeiten zur Feststellung des
Fehlers q durchzuführen, was um so weniger versäumt
werden sollte, als beide Untersuchungen gemeinsam
ausgeführt werden können.
Hierbei ist für das betreffende Chronoskop das Optimum
der Latenzzeiten festzulegen, d. h. diejenige Stromstärke
und Federspamiung, bei der erstens die beiden Latenzzeiten
möglichst gleich sind, d. h. q = o ist, zweitens d«r absolute
Betrag der Latenzzeiten möglichst klein ist, damit das Chronos-
kop auch zur Messung von zehn kleinen Zeiten benutzt werden
kann und drittens Verhältnisse gegeben sind, bei denen die
.Streuung der Einzelwerte gering ist Welche Änderung der
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287
wirksamen Faktoren hierbei zu geschehen hat, um die Latenz-
zeit für Schluß oder die für Öffnung oder beide zu beeinflussen,
ergibt sich aus den früher gemachten Ausführungen. Im all-
gemeinen hat der Grundsatz zu gelten, daß die größere Latenz-
zeit kleiner gemacht wird.
Die durchgeführte Bestimmung des konstanten Fehlers der
Einstellung q gut, wie wir gesehen, nur für die gewählten Ver-
hältnisse der wirksamen Faktoren, da q eine Funktion der
Stromstärke und Federspannung ist Tritt eine Änderung dieser
beiden Faktoren, also eine Änderung der Latenzzeiten, ein, so
wird zwar der konstante Fehler der allgemeinen Kontrolle p
nicht geändert, dagegen ändert sich q und hiermit tritt auch
eine Verschiebung des E^reuzungspunktes ein. So ist es möglich
— und dies ist sogar die ßegel — , daß obwohl eine Überein-
stimmung zwischen Chronoskop- Angabe und absoluter Zeit be*
steht, das Chronoskop falsch geht Es kann sowohl einen
Fehler der Einstellung wie einen solchen der allgemeinen Kon-
trolle besitzen. Für die gegebene Zeit kompensieren sich diese
beiden Fehler. Da, soweit ich sehe, alle bisher daraufhin unter-
suchten Chronoskope falsch gehen, bei den üblichen Kontrollen
aber die Einstellung auf die Grleichheit mit einer gegebenen ab-
soluten Zeit von endlichem Betrag z. B. auf eine Pendelzeit
von 100(7 geschieht, so hat außerdem noch jedes dieser Chronos-
kope einen Fehler der Einstellung q. Denn nur durdi dessen
Benutzung ist überhaupt der Ausgleich des falschen Ganges des
Chronoskopes möglich.
Den konstanten Fehler p können wir nicht beeinflussen^,
dagegen können mr q ändern. Es wäre nun imrichtig, diesen
Fehler q möglichst klein zu machen. Vielmehr muß es unser
Bestreben sein, demselben eine solche Größe zu geben, daß er
für jene Zeit die Wirkung von p aufhebt, welche wir am
häufigsten bei unseren Untersuchungen benutzen oder m. a. W.
wir haben den Kreuzungspunkt durch Veränderung
des Einstellungsfehlers q mit dem Mittelwerte der von
uns zu messenden Zeiten zusammenfallen zu lassen
1. Es besteht allerdings die Möglichkeit, eine Beeinflussung des-
selben durch Änderung der Schwingungszahl der Eegulierfeder durch-
zuführen. Eingehende Vergleich suntersuchungen habe ich nach dieser
Eichtung noch nicht ausgeführt.
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288
und nach dieser Richtung sind die oben für das Optimum der
Latenzzeiten gegebenen Feststellungen einzuschränken.
Da sich in der experimentellen Psychologie die zu be-
stimmenden Zeiten in den meisten Fällen zwischen 100 und
2000 <j bewegen, so wird es für die Praxis am zweckmäßigsten
sein, Stromstärke und Federspannung so zu iirählen, daß der
Kreuzungspunkt ungefilhr bei 1000 a liegt, also diese Zeit als
Kontrollzeit zu benutzen, wie es bei Chr. A für a annähernd
der Fall ist, und bei den höheren und niederen Werten eine
dem konstanten Fehler der allgemeinen Kontrolle p entsprechende
Korrektion vorzunehmen. Hierzu kann dann auch ein Sekunden-
pendel, ähnlich wie es von Sommer benutzt wird, Verwendung
finden.
Eine fortlaufende graphische Kontrolle der Zeit-
angaben des Chronoskopes ist nach der einmaligen Bestimmung
der konstanten Fehler selbstverständhch nicht nötig. Die regel-
mäßige lägUche Kontrolle bei forÜaufenden Beaktionsversuchen
hat ausschließlich den Zweck, festzustellen, ob in der Zwischen-
zeit irgendwelche Änderungen der wirksamen Faktoren ein-
getreten sind. Hierzu können dann auch Fallapparate, Kontroll-
hammer, Sekundenpendel u. dergl. benützt werden.
Wird in einem gegebenen Falle das Chronoskop auf diese
Kontrollzeit von 1000 a (die natürUch auch einen anderen Betrag
haben kann) nicht richtig eingestellt (z. B. aus Zeitmangel), so
können bei geringer mitüerer Variation die Chronoskop-Angaben
trotzdem benutzt werden. Es ist nur notwendig, daß bei den
Zeitangaben nicht nur der Fehler p in seinem positiven und
negativen Beirag in Bechnung gezogen wird, sondern auch die
Differenz, welche aus der momentanen Chronoskopangabe und der
Kontrollzeit von 1000 a resultiert Ist q der Einstellungsfehler
bei richtiger Einstellung im Kreuzungspunkt 1000 a und qi der
Einstellungsfehler bei der angenommenen falschen Einstellung^
so ist die außer p in Bechnung zu ziehende Differenz gleich
q — qi. Wir erhalten sie unmittelbar in der Abweichung
zwischen absoluter Zeit und Chronoskop- Angabe.
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289
d) Sonstige technische Bemerkungen.
Die vorliegenden Untersuchungen, bei denen mehr als
100000 Stimmgabelschwingungen gezählt wurden, haben er-
geben, daß bei den Chronoskopen zwei konstante fehler zu be-
rücksichtigen sind, der Fehler der allgemeinen Kontrolle p und
der Fehler der Einstellung q. Zugleich ergibt sich aber, daß
die beiden untersuchten Chronoakope als überraschend gut
arbeitende Instrumente zu bezeichnen sind. Der aus dem Gang
der Uhr resultierende Fehler der allgemeinen Kontrolle ist ge-
ring^, und durch Änderung der Stromstärke und Federspannung
haben wir es in der Bkad, auch den Einstellungsfehler beliebig
zu verkleinern. Ist diese Einstellung in der geschilderten Weise
richtig durchgeführt, so kann das Chronodsop unter Berück-
sichtigung der konstanten Fehler zu jeder exakten Zeit-
bestimmung, welche größer als 30<r ist*, mit einer mittleren
Variation, welche kleiner ist als 1,5 a, benützt werden, und zwar
auch bei fortlaufenden Untersuchungen, welche sich über längere
Zeiten z. B. mehrere Wochen erstrecken. So betrug bei 70
Kontrollversuchen des Chronoskopes A, die sich über 14 Tage
der Beaktionsversuche erstreckten, der Mittelwert ' 165,1 a mit
«iner m V = 1,1a. Es wurden täglich vor den ßeaktions-
versuchen 3 und nach den Beaktionsversuchen 2 derartige
Kontrollbestimmungen des Chron. A durchgeführt Die absolute
Zeit betrug graphisch bestimmt 164,2 a (m V = 0,5 a n = 10).
Die Versuche selbst sind den täglichen Kontrollbestimmungen
des Chronoskopes bei den Beaktionsversuchen zufällig, d. h. ohne
daß Bücksicht auf ihre etwaige besondere XJbereinstimmung ge-
legt wurde, entnommen. Von den erwähnten 70 Kontroll-
bestimmungen bewegten sich 66 zwischen 163 und 167 a, 168
xmd 169 a kamen je einmal vor, 162 a zweimal. Während dieser
Zeit (14 Tage) wurde an der Einstellung des Chronoskopes
1. Wie erwähnt, ist derselbe bei anderen, früher untersuchten
Chronoskopen bedeutend größer. Von vornherein weiß man aber nicht,
wie groß dieser Fehler ist. Er muß vielmehr für jedes Chronoskop be-
stimmt werden.
2. Unter besonderen Umständen (kleine Latenzzeiten) kann die
untere Grenze bis auf 15 (r hinabgehen.
Aeh, WUlensUtigkeit. 19
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290
(Stromstärke und Federspannung) keine Änderung durchgeführt
Auch Sommer^ weist darauf hin, daß nach Einstellung des
Chronoskopes ohne weitere Veränderung von Stromstärke und
Federspamiung bei mehrtägiger Benützung sehr genaue Sesultate
erhalten werden.
Immerhin ist es aber empfehlenswert, die Federn nicht zu
lange Zeit ständig gespannt zu lassen. Durch die Überspannung
der Federn treten allmählich Änderungen der Zeitwerte ein und
außerdem machen sich dann Verschiedenheiten in der elastischen
Nachwirkung der Federspannungen geltend, was durch eine
größere Streuung der Einzelwerte zum Ausdruck kommt
Selbstverständlich hängen diese Änderungen von der Qualität
der gegebenen Federn und von der Intensität ihrer dauernden
Spannung ab. Bei guten Federn kann eine Versuchsreihe von
8 — 10 Tagen nach meinen Erfahrungen ohne Entspannung der
Federn durchgeführt werden*.
Bei schlechter Federspannung beziehw. geringer Stromstärke
können geringfügige Ungenauigkeiten im Gange des Chronos-
kopes noch in anderer Weise veranlaßt werden, indem die
Dauer der Chronoskopzeit abhängig ist von der Stellung, in der
sich der kleine Zeiger am Beginn und am Ende seiner
Bewegung befindet. Bestehen z. B. bei Arbeitsstrom lange
Latenzzeiten, so ist es nicht gleichgültig, in welcher Phase der
Zeigerbewegung der Strom der oberen Elektromagnete ge-
schlossen bezw. geöffnet wird. Greschieht der Schluß und die
Öffnung in der unteren Hälfte der Kreisteilung, so pflegen für
die gleichbleibende Pendelzeit die Angaben des Chronoskopes
länger zu sein als wie bei jenen Versuchen, bei denen Beginn
und Ende der Zeigerbewegung in der oberen Hälfte der Kreis-
teilung erfolgt So wurden bei je 10 Versuchen mit gleich
bleibender absoluter Pendelzeit bei jedesmaliger Einstellung des
kleinen Zeigers im 1. Quadranten (auf 16 der Kreisteilung) am
Chronoskop im Mittel 407,5 a (m V — 0,8) erhalten, im
3. Quadranten (Einstellung auf 59 der Kreisteilung) dagegen
413,4 (j (m V = 1,7), also eine Differenz von 5,9 a. Bei Ver-
1. a. a. 0. S. 691.
2. Auch G. Martins weist auf die nachteiligen Folgen der Über-
spannung der Federn hin. Philos. Stud. VI, S. 179, 1891.
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291
Stärkung der oberen Feder im ersteren FaQe 396,5 a (m V — 1,7),
im letzteren FaQe 401,2 <j (m V — 0,9), also eine Differenz von
4,7 a. Die Unterschiede, welche im 1. nnd 3. Quadranten her-
vortreten, sind sehr wahrscheinlich auf die Wirkung der Centri-
fugalkraft zurückzuführen, indem dieselbe das eine Mal gegen
die Erdschwere, das andere Mal im Sinne der Erdschwere
wirkt Dieser Fehler, der, wie gesagt, nur bei längeren Latenz-
zeiten hervortaitt, ließe sich demnach durch genauere Aus-
balanzierung des kleinen Zeigers, sowie durch strahlig angeord-
nete Arme am Mitnehmer wohl beseitigen^.
Da der remanente Magnetismus, wie aus den früheren
Versuchen hervorgeht, bei den gut durchgeglühten Eisemkemen
der Elektromagnete, die außerdem an den Berührungsflächen
des Ankers noch mit einem Messingstift versehen sind, keine
Rolle spielt, ist es sowohl bei den Kontrollversuchen als bei den
Beaktionsversuchen nicht notwendig, die Richtung des Stromes
nach jeder Benützung zu wenden. Auch Sommer* hat gute
Resultate ohne Änderung der Stromesrichtung erhalten. Unter
Umständen kann die Stromwendung sogar schädlich sein, indem
bei beiden Stromrichtungen konstant verschiedene Angaben des
Chronoskopes auf die gleiche absolute Zeit erhalten werden,
oder es wird bei stark geschwächtem Strom der Anker ange-
zogen, nach Stromwendung dagegen wird er nicht mehr an-
gezogen. Diese Erscheinung zeigte sich z. B., als in den
Stromkreis eines Chronoskopes, der von einer Batterie 15 hinter
einander geschalteter Meidinger-Elementen versehen wurde, bei
Arbeitsstrom 395 Ohm Widerstand eingeschaltet wurden. In
der einen Stromesrichtung wurde der Anker angezogen, in der
anderen dagegen nicht und zwar unabhängig davon, ob Pohlsche
Wippen oder walzenförmige Kommutatoren zur Änderung der
Stromesrichtung benützt wurden. Bei 380 Ohm wurde der
Anker in beiden Richtungen angezogen. Auch als nur einer
der beiden unteren Elektromagnete in Tätigkeit gesetzt wurde^
zeigte sich bei 180 Ohm Widerstand dieses ungleiche Verhalten.
Derartige Unterschiede zeigten zwei von mir daraufhin unter-
suchte Chronoskope.
1. Vgl. Külpe und Kirsch mann a. a. 0. S. 146, Anm.
2. a. a. 0. S. 678.
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292
Wenn die Uhr des Chronodtopes in Gang gesetzt wird, so
hören wir bei einzehien Chronoskopen nicht selten diskontinuier-
lich ein schnarrendes Geräusch statt des kontinuierlichen reinen
Yon der Begulierfeder erzeugten Tones. Es ist entweder auf
eine ungleichmäßige Abnützung der Zähne des Steigrades zurück-
zuführen oder auf eine schlechte Zentrierung dieses für den
Gang der Uhr sehr wichtigen Bestandteiles. Um dem Steigrad
beim Instandsetzen der Uhr sofort die richtige Winkelgeschwindig-
keit zu geben, und so die Regulierfeder sofort auf die richtige
Schwingungszahl zu bringen, sind bekanntlich an dem Auslöse-
hebel des Chronoskopes einige Zusatzfedem angebracht Die
Praxis zeigt, daß es notwendig ist — wenigstens für manche
Instrumente — , auch mit der Hand durch die Art des Zuges
an der Schnur des Auslösehebels die Tätigkeit jener Federn zu
unterstützen. Der richtige Ton der schwingenden Regulierfeder
wird leicht durch kurzes und kräftiges Ziehen hervorgebracht
Ist das Chronoskop nach dieser Riditung recht widerspenstig,
so ist es gut, den Rücken der linken Hand, an die untere
Fläche der Grundplatte, auf welche die Uhr montiert ist, zur
Stütze zu halten und in dieser Haltung kurz und kräftig an
der Schnur (nicht am Knopf) zu ziehen. Ich würde diese Be-
merkungen nicht einfügen, wenn nicht tatsächlich manche
Ohronoskope für den weniger Geübten nur schwer in Gung zu
setzen wären.
Was die Stromquelle der Elektromagnete des Chronoskopes
betrifft, so benütze ich seit mehreren Jahren ausschließlich die
I — *®
n/VWWWVS-«?
-4
Figur 15.
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293
hochgespannte IdchÜeitimg und zwar unter Yorschaltung des
Euhstrat'schen Anschlußapparates (tellerförmige Wider-
stand)^. Das Schaltungsschema findet sich in der beigegebenen
Eigur 15. Bei ai as wird der Apparat durdi Stöpselung an
die Lichtleitung von 220 oder 110 Volt angeschlossen, Bei G
ist eine Glühlampe, welche am Anschlußapparat befestigt ist,
eingeschaltet Für stärkere Stromabnahme sind Apparate mit
2 parallel geschalteten Lampen vorgesehen. Diese primäre
Leitung ist durch den auf eine Schieferwalze aufgewundenen
Widerstand w kurz geschlossen. Von bi und b« wird der
Schwachstrom für das Chronoskop abgenommen. Durch Ver-
schieben von bi an dem walzenförmigen Widerstand w kann
die Stromstärke sehr einfach variiert werden. Der Betrieb
stellt sich, wie im Göttinger psychologischen Listitut festgestellt
wurde, erhebüch billiger, als die Benützung anderer Strom-
quellen, z. B. von Meidinger-Elementen, die Verwendung selbst
ist sehr sauber und bequem. Die Anschlußapparate lassen sich
zudem zum Betriebe sonstiger elektrischer Einrichtungen mit
Vorteil benützen.
Hat die elektrische Zentrale, an deren Netz der Anschluß-
apparat angeschlossen wird, nur eine geringe Elapazität, z. B.
ca. 70 Amp^restunden, und kommen starke Schwankungen in
der Stromabnahme vor, z. B. durch unkontrollierbares Ein- und
Ausschalten von Bogenlampen, so empfiehlt sich folgende
Schaltung. Die Leitung bi bs des an die Lichtleitung ange-
schlossenen Anschlußapparates wird an eine Pohlsche Wippe
wie die von der Stromquelle Aa kommende Leitung HI an Ps
(Fig. 5) angeschlossen. Die Wippe dient hier als Schaltbrett
Eine abgehende Leitung (C P4) geht zum Chronoskop, in der
anderen Leitung (^1 der Rg.) ist nur ein geringer Widerstand
von ungefilhr 30 Ohm parallel geschaltet In dieser Anordnung
können sehr starke Stromschwankungen in der Lichtleitung
ai as eintreten (z. B. plötzlicher Stromverbrauch von 12 Am-
pere), ohne daß eine bemerkenswerte Schwankung der Strom-
stärke in der Chronoskopleitung zu beobachten ist Ich be-
zeichne die Anordnung deshalb als die unempfindliche
1. Derselbe wird von der Elektrizitäts-Gesellschaft Gebr. Eubstrat
in Göttingen geliefert.
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294
Schaltung des Anschlußapparates. Bei ihrer Benützung
ist die Verwendung der hochgespannten Lichtleitung unter allen
Umständen für den Betrieb des Hippschen Chronoskopes und
ähnlicher elektrischer Einrichtungen stets ohne Störung in ein-
facher und sicherer Weise ermöglicht
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